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Quelle: Wilhelm Bölsche: »Das Liebesleben in der Natur«, erste Folge. Verlegt bei Eugen Diederichs, Leipzig, 1901.
Vom Vater Kronos, der seine Kinder verschlingt, wissen wir aus der griechischen Mythologie. Daß aber auch das Umgekehrte vorkommen kann, in angenäherter Ähnlichkeit wenigstens, indem Kinder ihre eigene Mutter verzehren, das lehren uns Beobachtungen an dem im Schlamm lebenden Fadenwurm Rhabditis.
Wenn die Eier der Rhabditismutter befruchtet sind, so entwickeln sie im Fruchthalter des Tiers richtige Junge. Diese schlüpfen aus den Eiern und sind so weit entwickelt, daß sie ganz gut sofort das Innere der Mutter verlassen und in den Schlamm hinauswimmeln könnten. Aber das tun sie nicht, sondern sie haben Furchtbares vor.
Es sind ihrer nicht viele, höchstens vier; aber sie recken sich, werden immer umfangreicher, bis der Fruchthalter sie nicht mehr bergen kann, und seine Wände durchreißen. Und nun beginnen diese Rabenkinder zu fressen. Sie verzehren die Eingeweide der eigenen Mutter, fressen immer weiter, bis sie lieb Mütterlein gänzlich bis auf die Haut aufgezehrt haben. Diese hängt nur noch als leblose Hülle um ihre liebenswürdigen Sprößlinge, und nun endlich schlüpfen diese ins Freie aus.
Ein Drama im Tierreich, wie man es sich grauenvoller kaum vorstellen kann! 91