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Quellen: Egon Noska, Aufsatz: »Seltsame Schriften« in der »B. Z. am Mittag«. – Dr. Max Kemmerich: »Aus der Geschichte der menschlichen Dummheit«. Verlag von Albert Langen, München.
Die Scholastiker des Mittelalters haben sich die Köpfe über die allerseltsamsten Fragen zerbrochen, die ihnen bei der wörtlichen Auslegung der Bibel aufstießen. In dieser gewiß mehr wunderlichen als fruchtbaren Übung hatten sie treffliche Vorläufer bei den Juden, die ja auch die Autorität des Geschriebenen nicht gering einschätzten.
Die Kasuisten der Israeliten konnten besonders an der Sabbathfeier ihren Scharfsinn nicht genug üben. So war es am Sabbath verboten, einen Knoten zu machen oder aufzulösen. Da diese Bestimmung aber viel zu allgemein schien, so wurde sie scharfsinnig eingeschränkt. Rabbi Meir sagt: »Wegen eines Knotens, den man mit der einen Hand lösen kann, ist man nicht schuldig. Ein Frauenzimmer darf den Schlitz ihres Hemds zuknüpfen, so auch die Bänder der Haube, die einer Leibbinde, die Riemen der Schuhe und Sandalen, Schläuche mit Wein und Öl, einen Topf mit Fleisch.« Das Schreiben am Sabbath war verboten, und wenn es auch nur zwei Buchstaben gewesen wären. Aber nicht ohne 122 Einschränkung: »Schreibt einer in dunkeln Flüssigkeiten, in Fruchtsaft, oder in Wegestaub, in Streusand oder überhaupt in etwas, worin die Schrift nicht bleibt, so ist er frei. Schreibt einer mit verkehrter Hand, mit dem Fuß, mit dem Mund, mit dem Ellenbogen . . . oder wenn jemand einen Buchstaben auf die Erde und einen an die Wand schreibt, oder auf zwei Wände des Hauses, oder auf zwei Blätter des Buchs, so daß sie nicht miteinander gelesen werden können, so ist er frei.«
Scholastische Fragen sind etwa folgende: Steht oder liegt Gottvater? Kann er ein Kind schaffen ohne Vater, einen Berg ohne Tal? Tanzen die Engel Menuett oder Langaus? Wieviel Chöre der Engel gibt es? Wie sitzen sie, und was für Instrumente spielen sie? Ist das Wesen der Taufe das Wort oder das Wasser? Sicher doch das erste, denn sonst könnten ja Fische in der Taufe leben, und ein Esel, der Taufwasser säuft, ein getaufter Christ sein wollen.
Auch Bücher über höchst seltsame Fragen sind bis in die jüngste Zeit hinein geschrieben worden.
Ein Leipziger Rechtsgelehrter, Karl Friedrich Romanus, prüfte in seiner im Jahre 1703 gehaltenen Doktordisputation die Frage, ob wegen Gespenstern ein Mietsvertrag aufgehoben werden könne, mit außerordentlichem Aufwand von juristischer Gelehrsamkeit und Spitzfindigkeit.
J. F. Gübling, Superintendent in Chemnitz, hinterließ zwei Dissertationen, die sich mit Untersuchungen über – den Bart der Götter beschäftigten: »Ob die Götter einen Bart gehabt haben« und »Über die Ursachen desselben Barts«. Beide Schriften erschienen im Jahre 1725.
Plitt, weiland Senior des Ministerii zu Frankfurt am Main, gab in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts eine Abhandlung über den Glauben der Kinder im Mutterleib heraus, und ein Pastor Niedner fand sich sogar bewogen, im Jahre 1815 ein Buch zu veröffentlichen unter dem Titel: »Einige Gedanken über die Frage: Warum hat unser hochgelobter Herr und Heiland, Jesus der Christus, nicht geheiratet?«