Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Curly Bill von Arizona,
Der gewaltige Desperado,
Hieß auch Curly Bill von Texas,
Curly Bill von Californien –
Curly Bill von überall.
Ueberall war er zu finden,
Nur nicht da, wo man ihn suchte;
Ueberall war er gefürchtet
Er nur kannte keine Furcht.
Gastlich stand sein Rancho offen
Allen Hungernden und Armen,
Denn er nahm nur, um zu geben,
Und gab stets mit voller Hand.
Auch Verfolgte fanden immer
Bei ihm Zuflucht – oder Pferde,
Der Verfolgung zu entfliehn.
Doch, so viel ihm Pferde schwanden
Aus der Hürde – immer kamen
Neue bald, sie zu ersetzen,
Denn, bevor er Ines kannte,
Die schwarzäugige Creolin,
Die mit wonnigen Feuerblicken
Wunderbar sein Herz entzündet,
Galt ein edles Roß ihm immer
Als das höchste Gut der Welt.
Aber jetzt nach andern Gütern
Späht' er aus für seine Ines:
Späht' nach Gold und Diamanten,
Fürstlich sie damit zu schmücken ...
Als der Priester in der Kirche
Sah den Schmuck der schönen Ines,
Deren lange Wimpernpfeile
Selber ihm ins Herz gedrungen,
Forscht' er eifrig nach der Quelle
Ihres Glanzes, und bedräute
Mit dem ewigen Höllenfeuer
Ines, wenn sie nicht die Liebe
Gründlich aus dem Herzen reiße
Zu dem Räuber Curly Bill.
Ihren Schmuck soll sie der heiligen
Kirche opfern für die Armen,
Sie soll beten, büßen, fasten,
Bis ihr Gott die Kraft gegeben
Dem Verworfnen zu entsagen,
Der mit ihr nicht in die Kirche
Seinen Fuß zu setzen wagt ...
Curly Bill, da er dies hörte,
Glühte auf in wildem Feuer,
Schlang um Ines seine Arme,
Und mit heißen Küssen trocknet
Er die thränenfeuchten Wangen.
Sprach: Sei ohne Furcht, Geliebte,
Du, mein Himmel, sollst zur Hölle
Niemals fahren, doch zur Kirche
werd' ich gehn mit dir am Sonntag, »
Und noch reichern Schmuck als heute
Magst du dann dem Priester opfern,
Zur Vergebung aller Schuld.
Ines, da sie dies vernommen,
Sprang vor Glück umher im Zimmer,
Zupfte mit den feinen Händen
Des Geliebten Bart und Locken,
Fuhr ihm über Stirn und Wangen,
Dreht' den Kopf ihm, bei den Ohren
Ihn ergreifend, hin und her.
Curly Bill saß wie verzaubert,
Halb in Seligkeit versunken,
Halb in brütenden Gedanken
Unter Ines feinen Händen
Und den Gluten ihrer Augen,
Die wie Sonnenstrahlen spielten
Hellen Scheins auf dunkler Flut.
Plötzlich öffnet sich die Thüre,
Und ins Zimmer tritt ein hagrer
Mann mit stechend grauen Augen
Und unheimlicher Geberde. –
Wie versteinert blieb er stehen
Als er Curly Bill und Ines
Sah so liebeselig, daß sie
Seinen Eintritt gar nicht merkten.
Einen Schritt dann that er vorwärts,
Hastig zum Revolver greifend,
Doch die Hand war wie gelähmt.
Und in Zwietracht mit sich selber
Schlich er fort auf leisen Sohlen,
Wie er kam – doch noch im Scheiden
Unheilvolle Blicke werfend
Auf das liebeselige Paar.
Ohne Gruß, wie er gekommen,
Aus der Thüre schlich Jim Wallace,
Der bewährteste Vertraute
Und verwegenste Gefährte
Curly Bill's auf seinen Zügen;
Doch sein Liebesglück mit Ines
Hat er ihm nicht anvertraut.
Curly Bill war karg im Reden,
Sprach in Thaten mehr als Worten.
Alle Beute, alle Schätze
Theilt' er gern mit den Gefährten,
Aber seine Liebe theilt' er
Nur mit Ines, der sie galt.
Auch Jim Wallace liebte Ines
Heimlich lange glühenden Dranges,
Aber ohne Gegenliebe:
Alles hätt' er ihr geopfert
Ohne Zögern, seine Freunde,
Seine Schätze, seine Seele;
Alles, was ihr Herz verlangte,
Ihr verheißen und errungen
Für ein Lächeln ihres Mundes –
Doch ihr Herz blieb ungerührt.
Nun am eigenen Herzen zehrte
Brennend die verschmähte Liebe
Des unseligen Jim Wallace,
Und zur Qual ward ihm das Leben.
Meiden wollt' er Ines' Nähe
Und mit wohlbewahrten Schätzen
Uebers Meer zum grünen Erin
Ziehn, zum Lande seiner Väter.
Doch nicht scheiden ohne Abschied
Könnt' er von der Heißgeliebten,
Die vielleicht in ihm den Räuber
Nur verabscheut, nicht den Menschen,
Wissen soll sie, was ihn fortzieht
Aus dem Hochland Arizona,
Und in Frieden will er scheiden.
So kam er in Ines' Wohnung,
Wo er fand, die ihn verschmähte,
In den Armen Curly Bill's.
Heimgekehrt in seinen Rancho
Finster brütend saß Jim Wallace,
Als ein Reiter Botschaft brachte
Wichtiger Art von Curly Bill:
Mit sechs auserlesenen Mannen
Soll er Sonntag in der Frühe
Ihn im Cedernwald erwarten
Nahe bei der neuen Kirche
In dem Thal des Santa Cruz. –
Gab Jim Wallace diese Antwort:
Wohl, ich komme früh am Sonntag
Mit sechs auserlesenen Mannen
Zu dem Walde bei der Kirche,
Curly Bill dort zu erwarten
In dem Thal des Santa Cruz!
Nach zwei Tagen kam der Priester
Zu der lieblichen Creolin,
Um zu sehn, ob sie zum Heile
Schon den rechten Weg gefunden
Durch Kasteiung und Gebet.
Ines beichtete ihm treulich
Alles Gute, das sie glaubte
Von der weihevollen Wirkung
Seiner priesterlichen Worte
Auf die Seele Curly Bill's:
Wie er selbst am nächsten Sonntag
Fromm zur Kirche kommen werde,
Schätze für die Armen opfernd,
Zu bereuen und zu büßen
Alle Schuld vergangner Zeit.
Staunend vor ihr stand der Priester,
Was er hört, scheint ihm ein Wunder ...
Aber – denkt er bei sich selber –
Diese Unschuld kann nicht lügen,
Und was nützen alle Wunder,
Die der Priester selbst nicht glaubt! –
Segnend legt er seine Hände
Auf das Haupt der schönen Ines,
Ihre Wangen freundlich streifend,
Und drückt einen Ruß der Weihe
Auf die Stirn zum Lebewohl.
Unterwegs klug überlegt er,
Welchen Ruhm der heiligen Kirche
Und ihm selber bringen werde
Die Bekehrung Curly Bill's.
Staunen werden, die es hören,
Staunen werden, die es lesen,
Daß der Schrecken Arizonas,
Der gefürchtetste der Räuber,
Den kein Scherge wagt zu greifen
Und kein Richter wagt zu richten –
Den selbst der Beraubte nicht
Wagt des Raubes zu beschuldigen,
Weil er mächtiger ist als alle –
Oeffentlich vor allem Volke
In sich geht und Buße thut!
Doch in seiner stillen Klause
Immer tiefer sich versenkend
In das Wunder, fühlt er wieder
Zweifel zum Gehirne steigen,
Ob die liebliche Creolin
Ihn, im Bunde mit dem Räuber,
Nicht getäuscht. Die Zweifel kommen
Jeden Tag, und täglich geht er,
Bis der Sonntag kommt, zu Ines,
Die sich segnen läßt und streicheln,
Seine Zweifel zu beschwichtigen,
Und ihm täglich neu betheuert:
Curly Bill bricht nie sein Wort!
Und der Sonntag kam. Versammelt
Saß in Andacht die Gemeinde
Dicht gedrängt-, daß kaum für Ines
War ein Plätzchen noch zu finden,
Als sie kam. Der Priester sah sie
Kommen ohne Curly Bill.
Und umdüstert ward sein Auge,
Ganz zerstreut erscheint er heute
In der Hebung heiliger Pflichten.
Niemals nach dem ewigen Heile
Schwoll so mächtig sein Verlangen,
Wie jetzt nach des Räubers Anblick;
Länger schienen die Minuten
Sich zu dehnen, als sonst Stunden.
Aber plötzlich geht ein Murmeln
Durch die Menge; alle Köpfe
Wenden das Gesicht zum Eingang.
Durch die offene Thüre schreitet
Curly Bill mit sechs Gefährten,
Die nach beiden Seiten einzeln
Rasch verschwinden im Gedränge,
während Curly Bill gelassen,
Ohne rechts noch links zu blicken,
Zum Altar die Schritte lenkte,
Wo der Priester, auf ihn deutend,
Also sprach:
»Freut euch, Geliebte!
Seht, ein Sünder kommt, zu büßen;
Ein verlorner Sohn kommt wieder
In das Vaterhaus. – Der Schrecken
Unsres Lands war. Curly Bill,
Und nun kommt er, durch ein Wunder
Auf den rechten Weg geleitet,
Fromm und friedlich in die Kirche,
Ein verirrtes Schaf zum Hirten –
Kommt, um seinen Raub zu opfern
Für die Armen ...«
»Hört mich, Freunde« –
Unterbrach ihn Curly Bill:
»Dieser Mann spricht nicht das Rechte.
Ich bin nicht zum Vaterhause
Als verlorner Sohn gekommen,
Denn nie kannt' ich meinen Vater,
Und verwaist in Wildniß wuchs ich
Auf zum Manne. Auch kein Wunder
Hat mich hergeführt zum Hirten
Als verirrtes Schaf. Ich kenne
Reine Schafe, welche rauben
Und den Raub den Armen opfern,
wie ich oft gethan im Leben
Und auch heut zu thun gedenke;
Denn, obwol ich keine Kirche
Bis zu tiefem Tag betreten,
Weiß ich doch, man soll zur Kirche
Nur in guter Absicht gehn.
Was mir einzig noch das Leben
Theuer macht, ist eine Liebe,
Die sich barg in meinem Herzen
Wie die Perle in der Muschel,
Wie die Rose hinter Hecken,
Bis der Priester sie erspähte,
Meines Herzens Glück zu tödten;
Denn er sprach zu meiner Perle:
Glanze nicht für den Verlornen;
Und er sprach zu meiner Rose:
Blühe nicht für den Verdammten,
Der im ewigen Höllenfeuer
Dich und sich verderben wird.
Sieh, sein Muth glänzt nur im Dunkel –
Nie beim Tagslicht wird er wagen
Eine Kirche zu betreten,
Um sich offen zu bekennen
Als den Räuber, der er ist. –
Doch nun steh' ich in der Kirche
Vor dem Priester am Altare,
Offen mich hier zu bekennen
Als den Räuber, der ich bin!
Hier ist das versprochene Opfer
Für die Armen, – Gold in Fülle –
Nehmt es und vertheilt es redlich.«
Also redend, große Rollen
Goldes zog er aus den Taschen,
warf sie zu des Priesters Füßen
Und fuhr fort:
»In einem Kerker
Mexicos saß ich gefangen
Einst, durch Uebermacht bewältigt
Und im Kampfe schwer verwundet.
Tödlich schienen meine Wunden;
Täglich kam zu mir ein Priester,
Meine Seele zu erretten
Von Verdammniß, bald durch Worte,
Bald durch Bücher der Erbauung.
Und ich las in einem Buche,
Wie vor alter Zeit die Priester
Tanzten vor dem Heiligthume
Ihres Volks, zur Ehre Gottes.
Solches Schauspiel neu zu sehen
ward mein sehnlichstes Verlangen.
Durch den Priester sandt' ich Botschaft
Freunden, die mit goldnem Schlüssel
Mich erlöst aus meiner Haft.
Nun in Freiheit, flog ich wieder
Durch die Lande, bis die Liebe
Ganz mein Herz gefangen nahm.
Fremd durch sie ward ich mir selber,
Die durch ihre Zauberstrahlen
Mir das Dasein so verklärte,
Daß ich war wie neugeboren
Und mir mein vergangnes Leben
Wie ein wüster Traum erschien.
Als nun jählings dieser Priester
Meinen Liebeshimmel trübte,
Wollt' ich nicht den Gang zur Kirche
Thun, ein Opfer ihm zu bringen,
Ohne Gegenopfer: tanzen
Soll er vor dem Heiligthume,
Wie zur Ehre ihres Gottes
Priester alter Zeit getanzt.« –
»Greift den Missethäter, bindet
Ihn und führt ihn vor den Richter!«
Rief der Priester, bleich und zitternd.
Aber Curly Bill, die Augen
Fest gerichtet auf die Menge,
Sprach: »Wer wagt es, mich zu greifen?
Wie gebannt von seinen Blicken
Bleibt die Menge regungslos.
Nun die Feuerblicke drohend
Auf den Priester richtend, sprach er:
»Hörst du, Priester, du sollst tanzen,
Tanzen sollst du am Altare! –«
Und der Priester hebt zu tanzen
An, so schlotternd und so kläglich,
Daß bald Curly Bill Erbarmen
Mit ihm fühlt, und ruft: »Genug!«
Festen Schritts verläßt die Kirche
Curly Bill, wie er gekommen;
Doch es folgen ihm viel drohnde
Stimmen, und viel drohnde Fäuste,
Angefeuert durch den Priester
Hinterm Rücken Curly Bill's.
Seine Mannen und Jim Wallace
Stemmen sich der Flut entgegen,
Doch umdrängt von allen Seiten,
Um sich schießend, schlagend, stechend,
Sind sie einzeln bald bewältigt,
Dieser todt und jener lebend –
Nur Jim Wallace ist entkommen,
Und auf seiner Flucht zum Walde
Tritt ihm Curly Bill entgegen,
Nennt ihn Feigling, daß er fliehe,
Zwingt ihn, mit ihm umzukehren,
Den Gefährten beizustehn. –
Spricht Jim Wallace:
»Nicht aus Feigheit
Floh ich – nur um dich zu finden,
Dir zu melden, deine Ines
Wurde, deinen Spuren folgend,
Aufgefangen und gewaltsam
Fortgeführt ...«
»Auf, sie zu retten!« –
»Dafür wird zunächst der Priester
Sorgen, und dann wol ein Kloster.« –
»Schnell zu Pferde! Folge mir!« –
»Ich dir folgen? Nicht zu Ines,
Aber einst vielleicht zur Hölle,
Denn ich selber liebte Ines,
Doch jetzt hass ich sie wie dich!
Lieber als in deinen Armen
will ich sie im Kloster wissen!« –
Zornig griff nach seinem Messer
Curly Bill; allein Jim Wallace
War ihm rasch zuvorgekommen,
Und drei Schüsse nacheinander,
Die in Herz und Auge trafen,
Streckten Curly Bill zu Boden,
Während noch die Hand das Messer
Krampfhaft hielt, das er gezückt.
Wie befreit von schwerer Bürde
Ging Jim Wallace leichten Schrittes
Den Verfolgern selbst entgegen,
Sich als Mörder anzuklagen
Seines alten Raubgenossen
Curly Bill von Arizona –
Und sie rühmten seine That.
Der » Milwaukee Herald« meldet in einer Nummer aus den ersten Tagen des Juli 1881: »Arizona ist jetzt des gefährlichsten seiner Banditen entledigt. Curly Bill, welcher kürzlich den Marschall White in Tombstone, in Arizona, erschoß, mit seiner Bande in eine Kirche drang, den Pfarrer vor der von den andern Banditen im Zaume gehaltenen Gemeinde zum Tanzen aus dem Altare zwang, wurde in Galesville von Jim Wallace, einem Mitgliede seiner Bande, ermordet. Wallace, welcher in Selbstvertheidigung die That vollbracht, wurde freigelassen. Er ist auch ein berüchtigter Desperado, welcher schon geraume Zeit an der mexicanischcn Grenze sein Unwesen getrieben, ohne daß man ihn indessen überführen und zur Haft bringen konnte.«