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Niagara.

Trüb' war der Himmel, als ich zuerst dich sah
In deiner wilden Größe, Niagara!
Wie fernes Donnern schlug mir dein Schall ins Ohr,
Als mein Blick sich im Suchen nach dir verlor
Im flachen, verödeten Wintergefilde,
verdüstert durch bleierne Wolkengebilde.
Doch näher und näher stets hört' ich es schallen,
Wie wenn Wasserberge an Felsen zerprallen
Im unendlichen Meer, vom Orkane gehoben,
Mit unsichtbaren Händen geschleudert nach oben.

Da plötzlich erhebt sich vor mir ein Geflimmer
Von versprühendem Schaum, der in eigenem Schimmer
Aus der Tiefe aufsteigt und ein Wolkengewimmel
Erzeugt, weit glänzender als das am Himmel.
Und ich folge dem Glanz, und jählings thut
Sich ein Abgrund auf voll demantener Glut,
Wo die mächtig stürzenden Wasser von oben
Tief unten zerstieben mit donnerndem Toben.
Da wühlt es und bäumt sich und wirbelt und gährt
In verwirrender Wuth, doch lieblich verklärt
Durch verschleiernd Gewölk aus versprühendem Schaum,
Das sich schimmernd erhebt, leicht schwebend wie Flaum.

Nun, als trüg' er dem Glanze der Tiefe Neid,
Zerreißt auch der Himmel sein Wolkenkleid
Und die Sonne gießt ihre ganze Glut
Hinab in die tosende Wasserflut,
Um in flüchtigen Bildern noch Schönres zu zeigen,
Als an ewigem Glanze ihr selber zu eigen.
Die Sturzfluten trinken den sonnigen Glanz
Und strahlen ihn wieder, gesättigt ganz.
Und wie Künstler mit gottverliehnen Gewalten
Aus sich selbst die erhabensten Bilder gestalten,
So scheint nun in des Niagara Borden
Jede Welle, jeder Tropfen zum Künstler geworden,
Und Schöneres kommt durch sie an den Tag,
Als menschliches Schaffen zu bilden vermag.
Die Wogen glühen, von Schönheit trunken,
Aus den Schaumkronen springen blitzende Funken,
Es leuchtet in allen Formen und Farben:
Hier erheben sich schimmernde Strahlengarben,
Dort, über die Irisinsel gezogen,
Schwebt hoch ein durchsichtiger Regenbogen,
Und darunter die Felswand stemmt auf den Wegen
Des gewaltigen Stroms sich ihm breit entgegen,
Daß die Wasser getheilt das Eiland umwinden,
Bis sie unten sich wieder zusammenfinden –
Nach tiefem Sprung von getrenntem Hang –
In donnerndem Triumphgesang.

Nie erschien mir ein Strombild an Wundern so reich,
So stürmisch im Wechsel, doch immer sich gleich
In bezaubernder Macht urgewaltigen Seins
Und hehrer Gebilde des Schalles und Scheins.
Trüb' war der Himmel, als ich zuerst dich sah
In deiner wilden Größe, Niagara,
Und die Sonne war schon im Untergehn
Als ich kam, dich zum letzten male zu sehn.
Und du hießest mich selbst tief hinuntersteigen,
Um dich mir in voller Größe zu zeigen
Im tiefen, gewundenen Felsenbette.
Dich umragt keine schimmernde Bergeskette,
Deine Ufer sind flach und öde ganz,
Doch du brauchst keines prangenden Rahmens Glanz:
Deine eigene Glut, deiner Wellen Klang
Wird mir leuchten und klingen mein Leben lang.


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