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Du deutsche Sprache, der ich alles danke
Was mein ist, niemals will ich dich entweihen,
Nur in der Schönheit feingezogner Schranke
Soll mir dein Genius seine Schwingen leihen,
Daß, der Verwildrung dieser Zeiten fern,
Ich folge meinem selbsterkornen Stern,
Der, wie auch oft mein Leben sich verdunkelt,
Mir immer Trost und Hoffnung weckend funkelt.
Dein Reich ist groß, dein Reichthum unermeßlich,
Doch du verbirgst ihn, wie in tiefen Schachten
Die Erde alles birgt was schön und häßlich,
Was zu erleuchten dient und zu umnachten,
Zu Glück und Unglück führt, zu Fluch und Heil,
Je nach dem Sucher, dem es wird zutheil,
Denn andern Werth hat Gold in Kunstgebilden
Von Meisterhand, als in der Hand des Wilden.
O Muttersprache, rauh wie Schall von Erzen,
Die ungeläutert noch, erdröhnt dein Name,
Und doch am tiefsten tönt er uns zu Herzen
Als Zauberklang, davor die wundersame,
Geheimnißvolle Welt aufsprengt ihr Thor,
Die uns mit märchenhaftem Blumenflor
Begrüßt und einem Chor erhabner Geister,
Die dich beherrschten als des Wohllauts Meister.
Denn nur dem Geist, der liebend dich bezwungen,
In heißem Kampf getrunken deinen Odem,
Der ihn mit deiner eignen Kraft durchdrungen,
Gleichwie den Ackersmann des Ackers Brodem,
Gibst du dich ganz mit Leib und Seele hin,
Dem Herrscher als geliebte Herrscherin,
All deine Schätze ihm zu Füßen streuend,
In Herrlichkeit
ihn wie dich selbst erneuend.
Doch unerschöpflich ist – wie Luft und Sonne –
Dein Reichthum, jeder darf sich daran laben,
Sind auch nicht alle, die aus deinem Bronnen
Des Segens schöpfen, würdig deiner Gaben,
Und sucht gar mancher selbst durch schnöde Kunst
Und Täuschung sich zu rühmen deiner Gunst:
Du hältst die Träger trügerischen Ruhmes
Fern von dem Innern deines Heiligthumes.
Du weihst nur Priester, die in reiner Hülle
Dir Opfer bringen, deinen Glanz zu mehren
Durch Gold, entlehnt aus deines Schatzes Fülle,
Um neugeprägt zu dir zurückzukehren,
Durchblitzt von Schmuck aus manchem fernen Land,
Auch jenem, wo einst deine Wiege stand,
Und wo, obschon getrennt seit viel Aeonen
Von dir, noch deine Blutsverwandten wohnen.
Du führst uns auf den Spuren deiner Füße
In ferne Zonen, wo uralte Sagen
Aus fremdem Mund wie heimatliche Grüße
Vertraut und seltsam doch ins Ohr uns schlagen.
Du aber gibst der fremden Stimme Schall
In deinem Munde klaren Widerhall
Und hüllst, was Schönes dir aus fernem Lande
Entgegenkommt, in heimische Gewande.
Du machst, dich selbst bereichernd, alle reicher,
Die treulich mehren helfen deine Güter.
Dir dienten Hohepriester, wie kein gleicher
In unsern Tagen lebt; doch kundige Hüter
Und ernste Meister deiner Lieblingskunst,
Der Dichtung – noch erfreun sich deiner Gunst,
Die hohe Ziele steckt, sie zu erwerben,
Wohl werth, darum zu leben und zu sterben.