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Prolog zu Kaiser Wilhelm's achtzigstem Geburtstage.

(Gesprochen bei der Festvorstellung auf den: königlichen Hoftheater zu Hannover, am 22. März 1877, von Fräulein Hildebrandt.)

Die Hütte feiert ihre Wiegenfeste
Wie der Palast. Der Tag, der uns geboren,
Ruft immer gern das Freudigste und Beste
Vergangner Zeit uns wieder in die Ohren.
Nur wenige Menschen hebt so hoch das Glück,
Daß weithinleuchtend eine Spur zurück
Von jedem Schritte bleibt, den sie auf Erden
Gewandelt, aller Augen Ziel zu werden.

Nicht immer geht Verdienst mit Glück im Bunde,
Doch wo sie sich zu hohem Ziel verbünden:
Da wächst bald Großes auf, in festem Grunde
Tief wurzelnd, um sich dauernd zu begründen.
So sahn wir neu das Deutsche Reich erstehn
Durch dessen That, deß Fest wir heut begehn,
Und der noch jugendfrisch im hohen Alter
Ragt als des Reiches Gründer und Erhalter.

Bewahr' ein gütiges Schicksal uns noch lange
Den Kaiser nach erreichten höchsten Zielen!
Sein weißes Haar steht zu der frischen Wange,
Wie Lenz und Winter ineinander spielen.
Sein freundlich Auge spiegelt klar und mild
Des Alters Glück, der Jugend ernstes Bild;
Denn viel des Ernsten mußt' er früh erfahren
Als Prüfung für das Glück in späten Jahren.

Er sah als Kind sich fremd auf heim'scher Erde,
Er sah sein Vaterland in Feindeshänden,
Daß ihm als Greis die hohe Sendung werde
Die deutsche Schmach in deutschen Ruhm zu wenden.
Zum Kampfe mit dem Erbfeind sahn wir ihn
Als Preußens König aus nach Frankreich ziehn –
Als Deutschlands Kaiser kam er heimgeritten
Gleichwie aus altem Märchenbuch geschnitten.

Die Völker stehn in der Geschicke Walten,
So weit wir forschend unsre Blicke wenden,
Wie schwertumgürtet riesige Gestalten
Mit Fackeln in den hocherhobnen Händen.
Die eine Fackel brennt, – die andre nicht,
Und gibt die brennende der andern Licht,
Geht leicht die eigne Leuchtkraft ihr verloren:
Hier stirbt ein Feuer, dort wird eins geboren.

Und wo die Glut am herrlichsten und hellsten
Geleuchtet, andrer Völker Nacht zu klären,
Erlischt sie, hochausflackernd, leicht am schnellsten,
Wenn unbewacht, sich maßvoll zu bewähren.
Das Schwert erobert, doch der Geist belebt;
Leicht sinkt ein Volk, das selbst sich überhebt,
Wie manche Völker thaten. – Sei'n wir weiser:
Uns ein erhabnes Vorbild sei der Kaiser!

Der nie im Glück sich selber überhoben
Wenn er zum Siege führte seine Heere,
In Demuth stets gekehrt den Blick nach oben,
Von sich zum Himmel wandte Ruhm und Ehre.
Drum ward ihm auch ein Segen wunderbar,
Wie keinem Kaiser je beschieden war:
Mit achtzig Jahren rüstig auf dem Throne!
Trag' er noch lange ruhmvoll seine Krone!


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