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Spricht ein Thor zu vielen Thoren,
Findet er verständige Ohren;
Spricht ein weiser Mann zu ihnen,
Findet er ungläubige Mienen.
Leichter ist's, mit scharfem Nagel
In den härt'sten Stein zu dringen,
Als dem Hirne des Janhagel
Weise Lehren beizubringen.
Denn der Geist, wie blanker Stahl,
Wird durch Rost so leicht zerfressen,
Daß ihm selbst kein Sonnenstrahl
Weckt den Glanz, den er besessen.
Es war ein Mann so geiziger Art,
Daß nichts berührt ward, was er aufgespart;
verhungern könnt' er sehn die Armen,
Der Geiz erstickte sein Erbarmen;
Er selbst begann vor Hunger auszuzehren,
Um seine Schätze zu vermehren,
Sodaß man von ihm sagte: wenn's geschähe,
Daß er, statt eines Brots, zum Essen
Die goldne Sonne vor sich sähe:
Er würde seinen Hunger schnell vergessen
Und sie als Schatz in seinem Schreine
verschließen, daß sie nicht mehr scheine.
Siehst du die Geister sich im Streit erregen,
Tritt ihnen sanft mit Freundlichkeit entgegen.
An Sanftmuth stumpft sich ab des Haders Schneide,
Das schärfste Schwert prallt ab von weicher Seide.
Die Sanftmuth kann den Arm der Roheit lähmen
Und selbst den wildesten Elefanten zähmen.
Wer selbst ein treues Herz im Busen trägt,
Glaubt leicht, daß treu ihm auch ein andres schlägt.
Doch selten wohnt in Menschenherzen Treue,
Und dem Vertrauen folgt meist Schmerz und Reue.
Am tiefsten schmerzen Wunden, uns geschlagen
Von Feinden, die der Freundschaft Larve tragen.
Wem nicht das Schicksal zu Besitz
verhilft, dem hilft nicht Herz noch Witz;
Gefesselt bleibt die leere Hand,
Denn vor der Menschen Angesicht
Gilt mehr ein gleißendes Gewand
Und Goldesglanz als Geisteslicht.
Oft fand ich in der Einsamkeit mein Glück
Und rühmte laut, was sie mir still gewährt;
Dann rief mich's wieder in die Welt zurück,
Und sie auch bot mir viel, was rühmenswerth.
Oft kam mein Bestes nachts im Traumgesicht,
Dann pries ich gern des Schlafes Wunderkraft;
Doch haßt' ich darum nie das Himmelslicht,
Das auch am hellen Tage Wunder schafft.
Oft reift im Dunkel, was im Licht gepflanzt,
Manch früher Wunsch kommt zur Erfüllung spät;
Oft hält die Schönheit sich am Tag umschanzt,
Die nachts mit Feueraugen nach dir späht.
O Sadi, laß, was du nicht haben kannst!
Sei dankbar für die Gunst des Augenblicks,
Begnüge dich mit dem, was du gewannst,
Und grolle nicht im Wechsel des Geschicks!