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Das Schaufenster

(1930)

Es ist schon lange her und war in Mannheim, als wir dort einen Jahrestag des »Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein« hielten und eine Truppe des Düsseldorfer Schauspielhauses im sogenannten Naturtheater des Schwetzinger Parkes »Die Laune des Verliebten« spielte.

In einem kleinen Kreis, vom Mittagessen aufstehend, sagte die Frau Stinnes-Coupienne (die Mutter von Hugo Stinnes) launig: sie müsse nun nach ihrem Laden sehen! womit sie das Mannheimer Kohlenkontor der Familie meinte. Darauf konnte Luise Dumont nur seufzen: Ach ja, wer hat nicht seinen Laden? Wir haben den unsern in Düsseldorf! und sie meinte ihr Schauspielhaus.

Aber der dreiste Vergleich mochte der Industriefrau eine Anmaßung scheinen: Ihr einen Laden? blitzte sie: Ihr habt bloß ein Schaufenster!

 

Als aber die Truppe des Düsseldorfer Schauspielhauses auf dem Naturtheater Karl Theodors »Die Laune des Verliebten« spielte, geschah folgendes: Ein Gewitter drohte in das heitere Schauspiel, aber es machte nur einen schwarzen Himmel über den grünen Bäumen, und im Wind rieselten die Schuppen der reif gewordenen Blüten nieder. Sie rieselten schräg gegen die Zuhörer nieder, und ein blanker Sonnenschein machte sich das Vergnügen, sie zu durchleuchten; sodaß es gleichsam die Sichtbarkeit der Goetheschen Verse war, die da hernieder rann. Und weil das der Natur noch nicht genug Zustimmung schien, rief sie eine Nachtigall, die in das leuchtende Niederrieseln der goldenen Schuppen und Verse voll und schmelzend zu schlagen begann.

 

Wenn die Zuschauer da unten in der »Kunst- und Gartenstadt« des Industriegebietes vor der Bühne des Schauspielhauses sitzen, dann ist es ein Schaufenster von Dingen, die keiner brauchen kann, unter den betriebsamen Läden der Wirklichkeit nur der Schein einer solchen.

Im alten Naturtheater Karl Theodors zwischen den hohen Bäumen unter dem Gewitterhimmel, wo die Blütenschuppen in die Verse Goethes nieder rieselten und die Nachtigall hinein schlug, war etwas Wirklichkeit geworden, das in den Läden nur den trüben Schein einer solchen hat.


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