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Brief an Emil Strauß

(1936)

Lieber Emil Strauß,

zu Ihrem siebzigsten Geburtstag wird der deutsche Blätterwald zwar nicht so laut rauschen, wie wenn der Begeisterungssturm an einem Schwergewichtsmeister hindurch gefahren wäre, aber doch wohl vernehmlich genug, daß sich jeder gebildete Deutsche auf Sie besinnt. Vom »Freund Hein« bis zum »Riesenspielzeug« wird er an den von der Kritik aufgezählten Titeln ablesen können, wieweit er berechtigt ist, den Dichter Emil Strauß mitzufeiern.

Wenn ich Ihnen an diesem Tag einen öffentlichen Gruß sage, so muß ich als Weggenosse Zeugnis von dem Menschen ablegen, der zwar auch den Lesern Ihrer Werke sichtbar wird, weil Sie nie etwas anderes schrieben, als was Sie waren: aber wir sind schließlich so lange Nachbarn gewesen, daß ich Ihnen »über den Zaun habe blicken« können, als Sie in der schlimmen Nachkriegszeit auf der Schlierbahn Ihr Siedlerdasein führten, von dessen Nöten und Mühseligkeiten nichts in Ihren Werken steht.

Es ist keine Tafel an dem Haus auf der Schlierbahn angebracht, und sie wäre in dieser Umgebung albern; aber ich kann nicht vorbei fahren, ohne daß es mir aufs Herz fällt, wie Sie sich schließlich dort bis aufs Blut geschunden haben. Wenn ein Knecht und eine Magd tun, was Sie in diesen schweren Jahren taten, so ist nichts Besonderes dabei, weil sie die Kräfte dazu haben; aber weder Sie noch Ihre kleine zarte Frau hatten die Kräfte; überdies hätten Sie anderes zu tun gehabt, als zu mähen und zu melken.

Eine Tafel gehört nicht an das Haus auf der Schlierbahn; wer sollte sie lesen in dieser Abseitigkeit? Wohl aber kann ich mir träumen, die Schlierbahn würde gekauft und der deutschen Jugend zum Gedächtnis aufbewahrt, wie sich ein deutscher Dichter durch die schlimmen Jahre durchschlug, als uns Wohlstand und Anstand vor die Hunde gegangen waren.

Als Sie sich dann schließlich auf einen Altenteil in Freiburg retten wollten und die Stadt Ihnen nicht eine von ihren vielen Türen aufmachen konnte, sodaß Sie Jahre lang unter unwürdigen Umständen hausen mußten, waren wir Kampfgenossen an der verunglückten deutschen Dichterakademie geworden. Wir sind aus der alten gemeinsam ausgetreten und in die neue gemeinsam berufen worden, wurden auch Senatoren und dadurch genötigt, uns um einen Inhalt dieser nicht schön schillernden Hülle zu bemühen.

Daß der sogenannte Emil Strauß-Plan, wenn er durchgeführt worden wäre, nicht nur der verunglückten Dichterakademie einen Inhalt, sondern uns Deutschen eine vorbildliche Kunstpflege gegeben hätte, dies war unser Traum im Senat, an dessen Verwirklichung wir gescheitert sind. Aber in Ihrem »Nackten Mann« steht das Wort, daß es im Grunde nicht auf die Sache, sondern den Mann ankommt, der dafür hinsteht.

Nun, der als Emil Strauß für seinen Plan, für die Akademie, den Senat dastand, das war bei Gott der Siedler von der Schlierbahn noch einmal, der hier Kultursiedlung betrieb. Und die wir in soviel Sitzungen mit ihm zusammen saßen, bekamen eine Anschauung, wie der Kultursiedler beschaffen sein muß: Immer ruhig im Ganzen, klug abwartend und kühn zugreifend, wenn es an der Zeit war, immer gerecht und niemals auch nur mit dem Schatten einer Eitelkeit behaftet, niemals an eine Rolle für sich oder gar an einen Vorteil denkend: so kennen wir Sie, lieber Emil Strauß, die wir das Glück hatten, so manchmal mit Ihnen an den grünen Tisch zu kommen, der an Ihrem Platz niemals verstaubt war.

Daß wir Sie so kennen, Ihnen dies am siebzigsten Geburtstag zu sagen, ist neben unserm Dank auch eine Pflicht gegen Ihre Leser, die so das Bild von Ihnen, das sie aus Ihren Werken haben, bestätigt finden aus dem Urspruch, daß tüchtige Dinge nur von einem tüchtigen Menschen kommen.


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