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(1932)
Wir haben sprachlich eine klare Scheidung dessen, was menschlich ist, und dessen, was wir göttlich nennen müssen: das Diesseits und das Jenseits. Diesseits ist alles, was ein Gedanke, ein Gefühl, eine Ahnung dem Menschlichen einbegreifen kann, jenseits jenes, das wir wohl oder übel annehmen müssen, wenn uns das Diesseits nicht sinnlos werden soll, obwohl dieses Jenseits, das wir mit dem höchsten Namen göttlich nennen, durchaus unbegreifbar ist.
Wenn wir freilich Diesseits als das Irdische – zwischen Geburt und Tod des Einzelnen – gegen ein himmlisches Jenseits setzen, so kommen wir mit dieser Setzung noch nicht vom Menschlichen los: Wir richten uns damit die Ewigkeit buchstäblich nach unserm Ermessen ein und geben ihr einen Sinn, der letzten Endes der unsrige, also menschlich, nicht göttlich ist.
Jenes Nichtwissenkönnen, das Faust »schier das Herz verbrennen« will, bezieht sich nicht nur auf ein himmlisches Jenseits, es ist die innerste Erkenntnis jeder Diesseitsforderung, deren Erklärungen nur gültig sind, wenn sie ein Letztes setzen kann. Die Verzweiflung des Nichtwissenkönnens durch die Zuversicht einer letzten Gesetztheit überwinden, heißt deshalb schon: im Diesseits jenseitsgläubig sein.
Weil es keine Erklärung der Welträtsel gibt, die für ihr Diesseits eines Jenseits entraten könnte, kann es auch keine Ungläubigkeit geben, wie sie die »Gottlosen« proklamieren. Es gibt nur Stufen der Gläubigkeit, die als Religion – das heißt bewußte Gläubigkeit – vom Aberglauben eines mit menschlichen Farben ausgemalten Jenseits zur Religiosität eines im Jenseits beschlossenen Diesseits hinauf führen, wo »alles Vergängliche« nicht nur ein »Gleichnis«, sondern in der notwendigen Einheit von Diesseits und Jenseits Gottes Wirklichkeit ist.