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Der Hindenburg-Ausschuß zeichnet sich durch eine besonders ungeschickte Propaganda aus. Hitler spritzt Vitriol, das Hindenburg-Komitee Limonade. Man lese die Rede nach, die Landrat Gereke, der sonst für einen der größten Schlaufüchse der Grünen Front gilt, bei dem großen Presseempfang gehalten hat: »Wie kann man Hindenburg zum Vorwurf machen, daß jetzt in seiner Front auch Kreise stehen, die ihn 1925 nicht gewählt haben? Wolle man ausgerechnet von Hindenburg, der Zeit seines Lebens für die echte Volksgemeinschaft gerungen hat, erwarten, daß er jemanden zurückstößt, der sich unter dem Eindruck seiner Persönlichkeit zu ihm und damit zur deutschen Einigkeit bekennt?«
»Der Sieg ist ein Sack, den man mit Faustschlägen bearbeitet«, sagte Marschall Foch, Hindenburgs glücklicherer Gegner. Herr Gereke redet, als gehe es nur darum, ein paar der alten Generalskanonen von Oberost zu bestricken, die heute von Hitler gegen ihren ehemaligen Vorgesetzten abgeprotzt werden. Es handelt sich aber darum, für die Kandidatur Hindenburg so gegen acht Millionen Sozialdemokraten zu gewinnen, von denen gewiß ein beachtlicher Prozentsatz lieber zu Hause bleiben möchte. Den Kandidaten hat es noch nicht gegeben, der »jemanden zurückstößt«, der ihn wählen möchte, es müßte denn ein einzigartiges Mißverständnis vorliegen.
Diese ganze schüchterne Aufmachung der Hindenburg-Propaganda berechtigt zu einer etwas pietätlosen aber notwendigen Frage: Ist der Herr Reichspräsident überhaupt davon unterrichtet, daß er der Kandidat der Sozialisten ist? Hat seine Umgebung ihm davon Kenntnis gegeben? Oder glaubt er, der auf den Ehrenvorsitz beim Stahlhelm noch immer nicht verzichtet hat, vor der gleichen Truppe wie 1925 zu marschieren?
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Jedoch Herr Oberstleutnant Duesterberg, der Chef des Stahlhelms, steht diesmal gegen Hindenburg. Der Kandidat Duesterberg zeichnet sich nicht durch politische Reize aus. Er vertritt jenes mißgelaunte spießerliche Patriotentum, das auf die Gongschläge der Weltgeschichte mit dem ewig gleichen verzogenen Mopsgesicht reagiert. So steigen jetzt beflissene Biographen in die ruhmreiche Vergangenheit des Mannes, und da sie nichts ans Licht fördern als gleichgültige militärische Beförderungsdaten, so teilen sie die mit, als hätte an diesen Tagen die Welt gewackelt.
Einer dieser Chronisten erzählt, Duesterberg habe 1918, während der Friedensverhandlungen in Bukarest, einen Konflikt zwischen Wilhelm-Straße und O.H.L. herbeigeführt. Er bemerkte nämlich eines Abends vor einem bekannten Amüsierlokal das Auto des Staatssekretärs von Kühlmann. Da mußte etwas geschehen. Duesterberg der edle Ritter fegte wie ein Ungewitter zu der Heeresleitung hin. Die O.H.L. teilte die Entrüstung des puritanischen Offiziers und erhob Vorstellungen. So war der schönste Krach da.
Ob das, was man so gemeinhin Tugend nennt, wirklich existiert oder nur ein Hirngespinst grauer Moralisten ist, bleibe dahingestellt. Sicher ist nur, daß die Tugend nicht in Bukarest erfunden worden ist. Es gab da genug Generalstäbler, die es sich in der gemütlichen Verhurtheit der balkanischen Hohenzollern-Residenz wohl sein ließen, aber die Sittenstrenge der O.H.L. erwachte erst, als sich die Möglichkeit bot, die Herren von der als anti-annexionistisch verschrienen Friedensdelegation bei den Hammelbeinen zu kriegen. In der alldeutschen Presse, die am Strange Ludendorffs zog, waren furchtbare Geschichten zu lesen von den Sektorgien der Diplomaten; eine sehr unappetitliche aber sonst gut vaterländische Alkoven- und Matratzeninspektion setzte ein, und endlich regnete es Beleidigungsprozesse.
Ob Duesterberg, der Dunkelmann, damals den eignen harten Prinzipien folgend, den Angeber machte, ob er von der O.H.L. zum vorschriftsmäßigen Anstoßnehmen vor den Sündenpfuhl beordert wurde, wird niemals beantwortet werden. Hier schweigt Plutarch.
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Von links gesehen wirkt die Kandidatur Duesterberg überflüssig und unverständlich, wie eine schwachsinnige Vereinsmeierei. Sie scheint nur die Aufspaltung der Harzburger Front zu demonstrieren. Von der andern Seite gesehen hat dagegen die Kandidatur Duesterberg durchaus ihren Sinn.
Sie sichert nämlich Hugenbergs überlegene Schlüsselstellung. Sie hindert das allzu ungemessene Wachstum von Hitlers Hausmacht, sie warnt ihn vor dem allzu vertrauensvollen Glauben an die Zahl, ruft ihm seine eigne Abhängigkeit von der Schwerindustrie und der Gesamtheit der Reaktion wieder ins Gedächtnis.
Hugenbergs Kalkulation mit Duesterberg ist jedenfalls sehr beachtlich. Denn sie macht ihn zum Herren über den zweiten Wahlgang. Auf der Rechten wird, und vielleicht allzu optimistisch, gerechnet, daß Duesterberg gegen drei Millionen Stimmen erhalten wird. Selbst wenn diese Zahl nicht herauskommen sollte, so wird doch gewiß eine Höhe erreicht werden, die Duesterberg-Hugenberg für den zweiten Gang ausschlaggebend machen kann. Dann wird Hindenburg sich Hugenbergs Diktat fügen müssen.
In gewissen Debattierklubs der Rechten wird die Situation nach dem ersten Wahlgang so dargestellt: Hindenburg hat die erste Stelle inne, Hitler weniger Stimmen als bei den Reichstagswahlen; so liegt die Entscheidung beim Wahlblock Schwarzweißrot, also bei Deutschnationalen und Stahlhelm. Die Schwarzweißroten aber sind nicht gesonnen, ohne beschworene Garantien für Hindenburg zu votieren. Sie fordern natürlich wieder die Umbildung des Kabinetts, die weitere Umgruppierung nach rechts: Groener, Reichskanzler; Brüning, Außenminister; Duesterberg, Wehrminister. Und da die preußischen Wahlen, die entweder gleichzeitig mit der Präsidentenwahl oder bald darauf stattfinden, keinen Sieg der alten Koalition mehr bringen können, so soll dort eine »Beamtenregierung« eingesetzt werden. Also eine Hugenbergregierung.
Die Gefährlichkeit solcher Pläne kann nicht leicht überschätzt werden. Das Bürgertum befindet sich weiter im Abmarsch nach rechts. Das bezeugt von neuem die jammervolle Katastrophe von Stresemanns schlechtestem Vermächtnis, der Deutschen Volkspartei, die sich wortwörtlich auflöst, so wie in dem alten Märchen das Schiff, das sich dem Magnetberg nähert. Heraus die Nägel und Schrauben und eisernen Klammern; die Planken, eben noch festgefügt, treiben im Wasser. Dieser Magnet ist der Fascismus.
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Wir haben im vorigen Heft aufgefordert, für Thälmann zu stimmen, weil jeden Sozialisten und aufrichtigen Republikaner die Alternative »Hindenburg oder Hitler?« wie eine Perversität anmuten muß. Die Losung für die Kandidatur Thälmann schafft klarere Verhältnisse, indem sie alle zu sammeln trachtet, die sich weigern, die Ergebnisse von republikanischer und sozialdemokratischer Unfähigkeit wie eine Schicksalsfügung hinzunehmen. Eine möglichst große Stimmenzahl für Thälmann bedeutet nicht Sieg, wohl aber Ausblick. Die sozialistische Arbeiterschaft, an den Kinderwagen der Bonzokratie gewöhnt, muß von neuem gehen lernen.
Unsre republikanischen Freunde heben warnend den Pädagogenfinger und fragen: Was wird, wenn durch Thälmanns Sonderkandidatur etwa Hitler gewählt wird? Wir stellen eine andre Frage: Was wird, wenn Hindenburg gewählt wird?
Die Sozialdemokraten nehmen es als allzu selbstverständlich an, das bedeute die Beibehaltung des von ihnen tolerierten gegenwärtigen Zustandes. Geht aber Hindenburg mit den Hilfsvölkern des Stahlhelms in den Sieg, so bedeutet das wohl einen persönlichen Erfolg für ihn, jedoch eine Niederlage der Republik. Die Leute der Linken haben dann zwar Hindenburg gewählt, aber in Wahrheit Hugenberg in den Sattel gehoben. »Wählt am 13. März Duesterberg«, erklärte Hugenberg vor ein paar Tagen im Sportpalast. »Was dann weiter zu geschehen hat, bitte ich freundlichst mir zu überlassen.«
Man darf sicher sein, daß Brüning in jeden Schacher einwilligen wird, um die Kandidatur Hindenburg zu retten. Brüning hat neulich im Reichstag erklärt, er wäre bei den Verhandlungen mit Hitler bereit gewesen zu resignieren, nur habe er sich geweigert, den »gesamten Staatsapparat« an die Nationalsozialisten auszuliefern. Darum handelt es sich bei Hugenberg gewiß nicht. Hier wird die Form besser gewahrt bleiben. Hier kann Brüning im Interesse der heiligen Einigkeit ohne Gewissensskrupel verzichten.
Den Weg dazu bietet die Kandidatur Duesterbergs, eine Hintergrundssache gewiß. Aber wenn der erste Wahlgang unentschieden bleibt, wird über ihre Bedeutung kein Zweifel sein. Die Sozialdemokratie fragt nicht, fordert nicht. Die Hindenburgwähler torkeln ins Ungewisse.