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Die Farben von Panama

Niemand regt sich über die anonymen Kräfte der Wirtschaft auf. Man weiß, daß sie da sind, aber sie sind Schemen wie die Götter Epikurs, unsichtbar, ungreifbar. Nur manchmal scheint ein Stückchen davon plötzlich materialisiert, also den Augen wahrnehmbar. Und dann ist die Aufregung groß. Diesmal ist es das Stückchen Fahnentuch, das Fahnentuch der Republik Panama, unter dem eine hamburger Reederei ihre zwei Trampdampfer segeln läßt.

Dieser Trick ermöglicht es, sich um Lohntarife und ähnliche sozialistische Erfindungen zu drücken. Während die Presse sich national entrüstet, äußerte sich der hamburger Reederverein schon viel maßvoller. Warum auch nicht? Im Grunde bewundert man doch die energische Firma, die auf die Farben der Judenrepublik pfeift und außerdem noch dem bolschewistischen Staat ein Schnippchen schlägt. Sind nicht in ein paar Monaten etliche Milliarden deutschen Volksvermögens nach der Schweiz und nach Holland ausgewandert, ohne daß ein Hahn danach krähte oder eine Handelskammer oder ein Unternehmerverband nach Abwehrmaßnahmen gerufen hätte? Und ist nicht die Rüstungsindustrie ganz international aufgezogen? Niemand weiß, ob die verkauften Waffen nicht morgen schon den Volksgenossen töten werden. Der Kapitalismus hat keinen Respekt vor Grenzpfählen, Landesfarben und nationalen Ideologien. Vor letztern am wenigsten, denn er bezahlt ja meistens ihre Erfinder. In Zeiten der Prosperität lassen sich solche Tendenzen leicht umkleiden, in einer Not wie heute gibt man sich nicht die Mühe dazu.

Warum also den beiden tüchtigen Reedern Steine durchs Kajütenfenster werfen? Sie verzichten darauf zu heucheln, sie segeln offen unter den Farben von Panama, die sich übrigens auch auf größern Bastionen des deutschen Kapitalismus, als es ihr Murcksbetrieb ist, gut und sinngerecht ausnehmen würden. Nichts gegen die Republik Panama, die uns nie etwas getan hat. Aber bei dem Wort Panama denken wir kaum an diese kleine Republik.

Die Weltbühne, 17. Februar 1931


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