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Was wäre, wenn ...

Aus einer demokratischen Zeitung vom Februar 1939

Wenn wir heute unsre republikanischen Freunde aufrufen, sich mit aller Energie für die Wiederwahl des Reichspräsidenten Adolf Hitler einzusetzen und sich unverzüglich in die in unsern Filialen ausliegenden Listen einzuzeichnen, so folgen wir damit nicht nur den zwingendsten realpolitischen Notwendigkeiten, sondern auch einem tiefsten Herzenswunsch der noch immer demokratisch fühlenden Teile unsres Volkes. Denn daß die mit demagogischen Kunststücken nicht zu fangende staatsbewußte Mehrzahl aller Deutschen in der Wiederwahl des gegenwärtigen Herrn Reichspräsidenten die einzige Möglichkeit sieht, uns vor dem Absturz ins Chaos zu retten, daran besteht kein Zweifel.

Zwar möchten wir nicht verhehlen, daß auch wir manche Bedenken zu überwinden hatten und gern wieder einmal einen Mann der Linken an der höchsten Stelle des Reiches gesehen hätten. Verantwortungsbewußt wie wir sind, stellen wir das Vaterland über die Partei. Das fällt uns um so leichter, als der schärfste Gegner des Herrn Reichspräsidenten bei der letzten Wahl, Herr Karl Höltermann, der damals die sogenannte Eiserne Front führte, sich kurz entschlossen an die Spitze des Komitees gestellt hat, das Hitlers Wiederwahl betreibt, wofür ihm der Dank der Nation gewiß ist. Jenen ewig Unzufriedenen, denen bei bester Gesinnung nur das Regulativ der höhern staatspolitischen Einsicht fehlt, muß entgegengehalten werden, daß auch der an der Wirklichkeit orientierte Flügel der Kommunisten, der erkannt hat, wie unmöglich es ist, den Weg zum Sozialismus in Siebenmeilen- oder Fünfjahres-Stiefeln zurückzulegen, nunmehr auf die Initiative Heinz Neumanns hin sich entschlossen hat, den Erfordernissen der Stunde Rechnung zu tragen und für Hitler zu votieren. Auch der ›Vorwärts‹, der jetzt wieder zweimal monatlich erscheint, arbeitet im gleichen Sinne und setzt sich, wie schon früher, für die Politik des kleinern Übels ein. Im Grunde besteht also schon die Einheitsfront; denn daß die von Herrn Doktor Goebbels, der jetzt den Reichsbund Jüdischer Frontsoldaten für seine selbstsüchtigen Zwecke mißbraucht, gegen Hitler entfaltete Agitation höchst unsachlichen Gründen entspringt, darüber braucht wohl keine Silbe verloren zu werden.

Auch wir sind ganz gewiß nicht mit allen Staatsakten einverstanden gewesen, denen der Herr Reichspräsident seine Zustimmung erteilt hat. Wir hätten manchmal mehr Zurückhaltung, weniger imperatorische Gesten geliebt. Aber wir wissen auch, daß ein Mann der Tat wie Hitler als Ganzes genommen werden muß und seine Fehler nur die Kehrseite seiner Vorzüge bilden. Es darf auch nicht vergessen werden, daß Herr Hitler alles getan hat, um die Wunden der erbitterten Parteikämpfe möglichst schnell zur Heilung zu bringen. Unvergessen ist auch noch die großmütige Art, wie er den frühern Abgeordneten Breitscheid und Hilferding eine Freiwohnung im Märkischen Museum gewährt hat, wo man die beiden alten Herren jetzt täglich sehen kann, wie sie mit den Köpfen wackeln und ihren Wohltäter preisen. Erledigt ist auch schon lange die widerwärtige Tendenzlüge, die den Herrn Reichspräsidenten mit den Erschießungen vom März 1933 in Zusammenhang bringen möchte. Wir wissen heute aus objektiven Zeugnissen, daß für diese unseligen Vorgänge einige Unterführer zu belasten sind, die der Situation bedauerlicherweise nicht gewachsen waren und vor einer waffenlosen Bevölkerung die Nerven verloren haben. Immer hat der Reichspräsident versucht, sein Amt so überparteilich wie möglich zu führen und ausgleichend auf die oft sehr zugespitzten konfessionellen und politischen Gegensätze zu wirken. So hat noch kürzlich die Ernennung des Herrn Professors Seligsohn zum Direktor des Instituts zur Bekämpfung deutschabträglicher Bakterien in allen kulturell interessierten Schichten lebhafte Genugtuung hervorgerufen. Die Katholiken aber empfinden es als höchst schmeichelhafte Geste, daß der Kriegsminister von Epp jetzt endlich dem frühern Reichskanzler Herrn Brüning den Eintritt in die Reichswehr gestattet hat. Es dürfte noch in Erinnerung sein, wie Herrn Brüning nach seiner Demission von dem damaligen Reichswehrminister Groener das Gesuch um Aufnahme in die Reichswehr abgelehnt wurde, obgleich er alter Frontsoldat ist, denn Groener konnte dem frühern Reichskanzler die Einbringung des Abrüstungsvorschlages in Genf nicht verzeihen. Herr Brüning tut jetzt schon seit einigen Wochen Dienst auf der Schreibstube in Döberitz. Wie ein witziger Zufall es gefügt hat, ist sein Vorgesetzter der Feldwebel von Schleicher, der bekanntlich von der ersten nationalsozialistischen Regierung seines Ranges als General für verlustig erklärt wurde und sich seitdem langsam wieder hochgedient hat. Herr von Schleicher erklärt sich übrigens glücklich, daß er sich wieder für sein Vaterland, wenn auch an bescheidener Stelle, nützlich machen könne und daß er endlich wieso der eine seinen Fähigkeiten angemessene Beschäftigung gefunden habe. Herr Brüning holt jeden Tag für seinen Vorgesetzten Essen, und sie frühstücken dann zusammen. An dem alten Verhältnis hat sich also nichts geändert.

Manche unsrer republikanischen Freunde können dem Herrn Reichspräsidenten die Heftigkeit nicht verzeihen, mit der er in einer lange zurückliegenden Zeit seine Anschauungen vertreten hat. Wir bitten nicht zu vergessen: der Reichspräsident Hitler ist nicht mehr der Agitator Hitler. Seitdem Hitler älter und reifer geworden ist, seitdem sein lichtbraunes Gelock immer stärker von Silberfäden durchzogen wird, seitdem der einst so charakteristische Blick harter Entschiedenheit immer mehr einem Ausdruck fröhlichen Ernstes Platz gemacht hat, seitdem aus dem Trompeter der Staatsmann geworden ist, gehört er der ganzen Nation. Hitler – das bedeutet Stetigkeit, Kampf gegen die finstern Mächte der Anarchie; das bedeutet Brot und Arbeit. Hitler – das ist unser Kreditposten für unsre Geltung im Ausland, soweit es die diplomatischen Beziehungen zu uns noch aufrecht erhält. Aus dem unglücklichen Wahlkampf für den alten Herrn von Hindenburg, der ein braver Mann ist und nicht mehr, haben wir gelernt, daß es ein Unsinn ist, sich dem Gebot der Stunde entgegenzustellen. Es wäre besser gewesen, wenn wir 1932 unsern allzu berechtigten Zweifeln an der Zulänglichkeit der Kandidatur Hindenburg offenen Ausdruck verliehen hätten. Politische Rücksichten, die wir für gravierend hielten, verhinderten das. Wir haben keine Wähler mehr und keine Leser, man hat uns windelweich geprügelt, man hat uns das Rückgrat gebrochen aber nicht unsre unbeugsame Entschlossenheit, uns so lächerlich wie möglich zu machen. Das Volk will Hitler! Wir Republikaner wollen Hitler! Möge der Herr Reichspräsident nicht länger zaudern und der Stimme des Volkes Gehör geben.

Die Weltbühne, 23. Februar 1932


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