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Groener funkt dazwischen

Reichsminister Groener hat sich über eine Rundfunkrede des Reichsbannerfunktionärs Höltermann zum 9. November geärgert und eine andre Zusammensetzung des Überwachungsausschusses der Funkstunde verlangt. Groener bevorzugt als Reichsinnenminister einen wehrhaften Ton, so war denn Preußen schnell auf dem Plan. Es hätte wohl einen Konflikt gegeben, wenn nicht der Reichskanzler schlichtend dazwischengetreten wäre. Aber es ist nur ein Waffenstillstand, der hier geschlossen wurde.

Ministerialrat Scholz, der Vertreter des Reichs im Überwachungsausschuß, ein deutschnational infizierter Bureaukrat, hatte in dem Vortrag Höltermanns »parteipolitischen Charakter« entdeckt, eine Meinung, die sein Minister eifrigst aufnahm und verfocht. Da das ›Berliner Tageblatt‹ in seiner Abendausgabe vom 11. November die inkriminierte Rundfunkrede in der Form, wie sie gehalten wurde, abgedruckt hat, sind wir in der Lage, zu prüfen, was Herrn Groeners überparteiliches Gefühlsleben so arg verletzt hat. Wir finden auch bei äußerster Anstrengung in diesem Vortrag weder viel Politik noch Charakter und schon gar keine Parteipolitik, dafür aber viel von jener selbstzufriedenen Pathetik, die immer mehr zum alleinigen Ausdruck des amtlichen Republikanertums geworden ist und ihr gerüttelt Maß Schuld trägt, daß den jungen Leuten von heute, um mit Herrn Sklarek zu reden, der Kaffee hochkommt, wenn ein Offiziosus die Republik zu besingen beginnt. Aber das sagen wir berufsmäßigen Nörgler, für die in Höltermanns schwarzrotgoldener Staatskonzeption gewiß nicht viel Raum ist, was aber Herr Groener dagegen einzuwenden hat, bleibt unerfindlich, denn er selbst hat sich dieser Sprache oft und reichlich bedient, wenigstens bis zu dem Zeitpunkt, wo die Frühstücksunterhaltungen zwischen Hitler und General von Schleicher begannen. Ob uns die Rede Höltermanns gefällt oder nicht, es bleibt erstaunlich, warum der Staat gegen einen Redner einschreitet, der das bisher allein als staatserhaltend anerkannte Idiom so gut beherrscht. Wäre unter der Monarchie die Rüffelung eines Barden möglich gewesen, der sich allzu breit in dynastischen Hochgefühlen ergangen hatte? Heute, unter dem halbfascistischen Regime, empfindet ein Minister der Republik es als anstößig, wenn ein Festredner sich zu einer republikanischen Ideologie bekennt, und sei sie selbst so gezähmt wie die des Reichsbanners, dessen Aufgabe es ja nicht ist, Parteipolitik zu machen, sondern davon abzulenken.

Schadenfreude ist keine politische Regung. Wäre Schadenfreude unter Verhältnissen wie augenblicklich erlaubt, so müßte man sich allerdings vor Lachen ausschütten über das, was die Sozialdemokratie und das ihr attachierte bürgerliche Republikanertum als Dank für die Tolerierung erntet. Gegen Herrn Klagges in Braunschweig hat der Herr Reichswehrminister des Innern nichts unternommen, nichts ist zur Sühnung des braunschweiger Mordsonntags geschehen. Statt dessen beginnt der Herr Minister aus nichtigstem Anlaß Streit mit der preußischen Regierung, deren Leben ohnehin nur noch kurz befristet ist. Milde dem braunschweiger Naziminister, Unerbittlichkeit gegen den preußischen Braun. Hat das Reichsinnenministerium den Ehrgeiz, das zu vollbringen, was dem Volksentscheid der Rechtsparteien nicht gelang?

Die Sozialdemokratie tut jetzt sehr überrascht, daß Groener ihren Erwartungen nicht entspricht und sich à la Geßler auftut. Aber wie konnte sie nach der Entwicklung, die dieser Minister seit dem Panzerkreuzerkonflikt genommen hat, auf besseres hoffen? Es wäre die Pflicht der Partei gewesen, ihren Einspruch zu erheben, als Brüning vor wenigen Wochen dem Reichswehrminister das Portefeuille des Innern auslieferte. Damals rührte sich die Partei nicht, und manche ihrer Organe bekundeten bei dieser Gelegenheit Groener sogar ihr besonderes Vertrauen, denn der Minister werde von den Nationalsozialisten aufs bitterste gehaßt. Was es mit diesem Haß auf sich hat, wissen wir, seit der General-Bureauvorsteher von Schleicher als Mittelsmann zwischen Zentrum und Hitler fungiert. Die Sozialdemokratie hätte die Fortsetzung ihrer Tolerierung auch von einer sachgemäßen Besetzung des Innenministeriums abhängig machen müssen. Aber die Sozialdemokratie hatte sich damals schon so viel vergeben, daß sie an Bedeutung hinter der Wirtschaftspartei rangierte. Es wird von manchen Seiten darauf verwiesen, daß Herr Groener im Grunde seiner Seele noch immer ein guter Demokrat sei, daß er aber aus seiner militaristischen Haut nicht herauskönne. Der psychologische Tatbestand Groener interessiert uns wenig, jedenfalls hat dieser General zurzeit zuviel Macht in den Händen, als daß es die vornehmste Aufgabe der Entmachteten wäre, für ihn Plaidoyers auszusinnen, mildernde Umstände ins Treffen zu führen. Die Abtretung der gesamten Exekutive an einen Militär bedeutet immer selbstgewollte Abdankung des Verfassungsstaates. Weil die deutsche Linke von dem Geist eines konstitutionellen Staates keine Ahnung hat, deshalb konnte sie den Einzug Groeners ins Reichsinnenministerium widerspruchslos hinnehmen. Wie Groener sein Amt auffaßt, hat er durch seine Nachsicht gegenüber Klagges, durch seine Gereiztheit bei dem Rundfunk-Zwischenfall bewiesen, falls noch etwas zu beweisen war.

Diesmal ist der Konflikt noch abgeblasen, diesmal ist noch eine verbindliche Formel gefunden worden. Dennoch wird das Gras, das über dieser Affäre gepflanzt wurde, nicht hoch wachsen. Dennoch läßt sich an den Fingern abzählen, daß wir einer höchst dramatischen innenpolitischen Ära entgegengehen. Die Rechte wünscht nach wie vor sehnlichst die Eroberung Preußens, vielleicht sehnlicher als die des Reiches. Eine Reihe langer Wintermonate trennt uns noch von den preußischen Wahlen, über deren Resultat kein Zweifel besteht. Ein Konflikt zwischen dem Reich und Preußen kann die Wartefrist verkürzen. Meinungsverschiedenheiten sind in Fülle vorhanden. Seit Jahr und Tag schreit die Rechtspresse zum Beispiel, daß die berliner Funkstunde in Händen der Roten sei und der Marxismus dort namenlose Greuel verübe. Das ist eine gehörige Übertreibung, denn das einzige Rote am Rundfunk ist das leuchtende Haupthaar des Herrn Heilmann, der im politischen Überwachungsausschuß nicht grade den Radikalismus fördert. Daß Groener aber gegen diese Zensurkommission vorging und neue Zusammensetzung und andre Direktiven verlangte, beweist doch, daß die Klagen der beleidigten Patrioten auf ihn Eindruck gemacht haben. Neuerdings wird von der Rechten mit verdächtiger Systematik Material gesammelt, aus dem sich ergeben soll, daß die preußische Regierung die Kommunisten allzu liebenswürdig anfasse. Läßt sich das Reichsinnenministerium auch von solchen Stimmen beeinflussen, so wird bald der schönste Krach da sein. Wenn sich Groeners Probeblitz zunächst auch als kalter Schlag erwiesen hat, so kann doch beim nächsten Mal schon die Gewittermaschine geschickter gehandhabt werden. Während der Rechtsradikalismus immer mehr in die Breite wächst, seine Sprache immer lärmender wird, seine hochverräterischen Absichten immer unverhüllter in die Welt hinausgeschrien werden, empfindet der Minister das harmlose Elaborat des Herrn Höltermann als Bedrohung des innern Friedens. Wenn der Staat die Verkündung seiner eignen Ideologie als parteipolitisch« unterdrücken will, so haben es seine Gegner leicht, so braucht der Fascismus sich nicht selbst anzustrengen. Der reibungslose Übergang ist garantiert.

Die Weltbühne, 17. November 1931


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