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Sie schreiben an den neuen Nobelpreisträger Sinclair Lewis: »Es ist so selten, daß die Bekanntschaft mit dem Schöpfer der Werke, die man liebt, keine Enttäuschung ist. Es war keine Enttäuschung, als ich Sie im Winter 1928 bei einer dinner party zu Sechsen in Washington schöner Sechzehnter Straße kennen lernen durfte. Und so war es jetzt eine freudige Sensation, Ihre helle, schnelle Stimme am berliner Radio zu hören. Kurz vor der letzten Welle wurden Sie gefragt, was Sie tun würden, wenn Ihr Land in den Krieg ginge: ›Right or wrong, my country, ich würde kämpfen‹, antworteten Sie, der Nobelpreisträger! Sinclair Lewis, Millionen von Hörern hatten auf Ihre Antwort gewartet, auf die Antwort eines Mannes, der die Psychologie des Krieges kennt, seine wahren Hintergründe, Millionen arm an Urteilskraft, ungeübt in der Kunst logischer Beweisführung. Welche Gelegenheit, diese willige Zuhörerschaft zu belehren, zum Beispiel in dem Sinne, daß Loyalty, die Sie selbst so hoch werten, etwas Großes sei, daß es aber eine höhere Loyalty gibt, als die zu seinem Lande, wenn sie befiehlt zu morden oder sich morden zu lassen. Sinclair Lewis, großer Psychologe, unbestechlicher Kritiker Ihrer Zeit, Ihres Landes, Ihrer Mitmenschen, der ihre Verlogenheit aufdeckt, geißelt, der Echtheit und innere Freiheit über alles stellt – gibt es wirklich eine von Menschen geschaffene Möglichkeit, die Ihre Objektivität in Ketten legt, die Ihr Unterscheidungsvermögen von right or wrong tötet, die Sie nicht nur stumm macht, sondern aktiv mitschuldig am größten Unrecht, am furchtbarsten Verbrechen?« Ich möchte dazu folgendes bemerken, da mir Ihre Auffassung, gnädige Frau, in einer Reihe von Unterhaltungen bekannt geworden ist. Verhehlen möchte ich nicht, daß mir diese Art, die Antwort von Sinclair Lewis zu beurteilen, anfechtbar erscheint. Ich finde es nämlich ganz gleichgültig, ob Lewis richtig oder unrichtig, mutig oder kompromißlerisch geantwortet hat. Der vom Rundfunk bestellte Interviewer hatte nicht das mindeste Recht, eine so heikle Frage an den Angehörigen eines andern Landes zu stellen, der zu Hause, wie allgemein bekannt ist, sich in einer recht angefochtenen Stellung befindet und der von der öffentlichen Meinung seines Landes ohnehin als politischer und literarischer Ketzer betrachtet wird. Der Nobelpreis hat darin keine Änderung geschaffen, im Gegenteil, Babbitt fühlt sich beleidigt, daß die Auszeichnung an einen so Unwürdigen gefallen ist, anstatt an einen seiner erklärten Lieblinge. Ich halte diese Frage des Interviewers für völlig taktlos. Denn hier zu Lande wachsen die Friedenspalmen ja auch nicht grade zum Himmel, und es ist reichlich unangenehm, wenn ein notabler Ausländer, der zu Haus von seinen Hundertprozentigen verfemt wird, hier als Gast eine so törichte Katechisierung ertragen muß. Ist denn der Herr Ausfrager ein Repräsentant der Friedensbewegung, daß er befugt wäre, so schrecklich dogmatisch die Gretchenfrage zu stellen, wie man es mit der Religion respektive mit dem Vaterlande halte? Nein, er ist ein xbeliebiger Journalist, der in diesen Dingen ganz und gar nicht festgelegt ist. Sinclair Lewis war im Recht, eine so unmögliche Frage so zu beantworten, daß ihm zu Haus daraus kein Strick gedreht werden kann. Das habe ich zu seiner Verteidigung zu sagen.
Die Weltbühne, 27. Januar 1931