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Die Armee war nicht leicht zu organisieren. Josef Pogány, Béla Szántá, Tibor Szamuelly waren die ersten Volkskommissäre für Kriegswesen. Die Intriguen der verschiedenartigen – nur in der Charakterlosigkeit gleichartigen – Streber, hemmten jede Tätigkeit. Die ablehnende Antwortnote, die betont selbstbewußte Stellungnahme war abgegangen, der Bruch mit der Entente vollzogen, die prachtvoll ausgerüsteten und im Weltkrieg wenig verbrauchten Rumänen im Vormarsch begriffen, nur die Rote Armee war nicht organisiert.
»Drei Esel ziehen nach drei Richtungen«, sagte Béla Kun, »ich habe gar kein Vertrauen zur Leitung des Kriegsamtes. Diese Volkskommissäre intrigieren nur gegeneinander, sie reden nicht einmal miteinander; so kann es nicht weitergehen!«
Er organisierte einen Putsch, Soldaten umzingelten das Kriegsministerium, Josef Pogány wurde gestürzt und Béla Kun, der eigentliche Organisator der Demonstration, versteckte sich und war wiederum erst dann zu sehen, als die Aufregung vorüber war. Er ernannte den früheren Sozialdemokraten Wilhelm Böhm zum Volkskommissär für Kriegswesen, ließ aber gleichzeitig noch vier andere Kommunisten und auch sich selbst ernennen, um dann mit vereinten Kräften, zu fünft an die Organisierung der Roten Armee zu schreiten.
Béla Kun, der ewige Propagandist – derselbe, der in der Kolozsvárer Redaktionsstube für fünf Kronen die feurigen Abonnementswerbungen konzipiert hatte – blieb bei seinem Leisten und arbeitete mit Plakaten: »Eintreten in die Rote Armee!« »Zu den Waffen! Die Räterepublik in Gefahr!« Mit Musik und viel rotem Tuch, mit Lastautos und Zigeunerbanden, mit Primadonnen und Couplets, die in dem Refrain ausklangen: »Eintreten, eintreten in die Rote Armee!« wurde gearbeitet und eine Rote Armee kam endlich zustande. Aber was für eine?
Die Rumänen drangen vor, sie besetzen Debreczen; die Rote Armee wich überall feige zurück. Gerade ihren ersten Monat durchlebte die Räterepublik und schon ist sie tief erschüttert. Béla Kun weiß wieder Rat: »Wir werden die Rote Armee nach russischem Muster umorganisieren; es muß ein Armee-Oberkommando gebildet werden, an dessen Spitze muß ein politischer Leiter stehen, gewesene Offiziere der früheren Armee – womöglich Generalstäbler – müssen auch verwendet werden.'' Der sozialdemokratische Gewerkschaftsführer Wilhelm Böhm soll Armee-Oberkommandant werden. Die Räterepublik muß gerettet werden. Wilhelm Böhm will nicht, die Sozialdemokraten fangen an, unschlüssig und mißtrauisch zu werden. »Gut«, sagt Béla Kun, »dann ernenne ich Tibor Szamuelly zum Armee-Oberkommandanten«. Er weiß, daß der Name des gefährlichen Jünglings genügt, um die größte Gefahr, den richtigen roten Teufel an die Wand zu malen; das hieße die gesamte bewaffnete Macht in die Hände eines Narren geben. Nun wird Wilhelm Böhm Armee-Oberkommandant.
Frühere Generalstäbler, fähige und im Weltkrieg erprobte Strategen treten an die Spitze der Armee. Die Rote Armee beginnt sich zu organisieren, alte Methoden der alten Armee werden verwendet, Brückenköpfe zur Verteidigung der Hauptstadt ausgebaut, das Hauptquartier aus der Gefahrenzone in die einstige Residenz des Königs, nach Gödöllö verlegt. Alle diese Maßnahmen waren jedoch mehr gegen die eigenen Truppen, als gegen den Feind gerichtet. Die Rote Armee, durch die ersten Bewegungen einer richtigen regulären Truppe erschreckt, wich ungeordnet aus der Kampflinie zurück. Mochte der Generalstab fieberhaft arbeiten, mochten im Auswärtigen Amt und im Kommissariat für Kriegswesen die klangvollsten Noten und Befehle erteilt werden, die Rote Armee löste sich demoralisiert auf. Der 1. Mai, der blutrote, wahnsinnige Karneval entfesselter Abenteurer, hätte das ganze System zusammenkrachen sehen können. Es raschelte und krachte in den Mauern des wankenden Gebäudes, es drohte in Trümmer zu gehen; es gab sogar schon Trümmer, unter welchen ein entsetztes Gesicht hervorlugte, das Gesicht des verwegenen Lausbuben, der über seine eigene Tat erschrocken, sah, daß er das Haus über seinem Kopfe angezündet hatte.