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Kapitel 297

Die geöffnete fünfte Tür im himmlischen Wunderkabinett zeigt eine höhere Zentralsonne. Die Schaunot aus Lichtüberfülle. Eljahs Eindrücke darüber. Peter Peters weise Bemerkungen dazu

1 Alle bewegen sich nun in diese zweite Türe an der Abendwand und erschauen da nun eine zweite Zentralsonne höheren Ranges, um die ganze Sonnengebiete, ihren Mittelsonnen anhängend, gleich den Planeten um ihre Planetarsonne in übergroßen Bahnen kreisen.

2 Hier heben alle die Hände empor und schreien: »O Herr, o Herr! zurück, zurück mit uns! Das ist nicht mehr zu ertragen; das ist ja ein Licht, welches das der früheren Zentralsonne ums trillionenfache übertreffen muß. Wir ersehen hier kein Ende mehr und können auch keine Formen mehr ausnehmen. O Gott, o Gott! Du allmächtigster Herr der Unendlichkeit! Welch ein massenhaftes Licht; welch eine Intensivität!«

3 Sage Ich: »Schauet nur eine Weile hinein, und ihr werdet eure jungen Augen schon daran gewöhnen, und werdet dann auch Formen entdecken.« – Sagt Robert: »Es wäre alles recht, wenn man es nur aushalten könnte! Das ist ja eine derartige Lichtstärke, daß sie, so dieses Licht in dieser Intensivität auf die Erde fiele, dieselbe in einem kaum denkbar schnellsten Momente in ein purstes Nichts auflösen müßte. Unsere Augen sind, Dir o Herr und Vater allen Dank, alle Liebe und Ehre, doch schon sozusagen ziemlich ganz an's Licht stärksten Kalibers gewöhnt worden; aber da erleiden sie einen ordentlichen Schiffbruch, und ich kann tun, was ich will, so ist es mir rein unmöglich, auch nur eine volle Sekunde lang kontinuierlich hinein zu sehen. Wenn Du nicht eine Art Blende vor unsere Augen schaffst, so können wir ein volles irdisches Jahrtausend unsere Augen schulen, und wir werden dann sicher noch lange nicht imstande sein, eine ganze Minute lang dies erschrecklich starke Licht anzuschauen.«

4 Sage Ich: »Ei, ei, daß du doch allemal eine Sache besser verstehen willst, als wie Ich sie verstehe. So sieh' in das Licht nur einige Augenblicke lang, und du wirst dich ja dann überzeugen, ob es denn durchaus nicht zu ertragen sein wird; denn siehe, ihr müsset euch hier auch das stärkste Licht zu schauen angewöhnen; es geschieht dann und wann, daß Ich Selbst im Lichte der Gottheit in Mir erscheine, gegen das all' dies Licht eine barste Nacht ist. Wie könntest du dann Mich in solchem Lichte schauen, so dich schon dies geringe gar so geniert? Darum nur mutig hineingeschaut, es wird sich schon alles geben.«

5 Auf diese Worte fängt Robert an, mit anfangs freilich stark blinzelnden Augen in diese zweite große Zentralsonne hineinzusehen und sagt nach einer Weile: »O Gott, Vater! ich danke Dir für solche Deine große Gnade; jetzt fängt bei mir die Sache schon so ein bißchen sich zu machen an, und ich ersehe nun auch schon Formen, aber sie halten sich noch nicht; denn des Lichtes Macht wischt sie noch von Periode zu Periode weg, aber sie kommen nun doch als stets die gleichen wieder zum Vorscheine. O das muß eine gar überaus wunderbar herrliche Welt sein! Wahrlich, so eine Welt ist auch schon ein Himmel, denn da muß es sich überaus herrlich leben lassen, so man einmal das Licht gewöhnt ist.

6 Ach, ach, jetzt entdecke ich eine ungeheuer große Stadt, von den allergroßartigsten und wundervollsten Bauwerken überfüllt. Die Stadt hat eine Ähnlichkeit mit dieser Deiner heiligen Stadt aller Städte der ganzen Unendlichkeit. Merkwürdig, merkwürdig! und siehe, so weit nun schon meine durch dies mächtige Licht gewisserart getöteten Augen reichen, sehe ich Gärten und die herrlichsten in einem mir ganz fremden Baustille erbauten Paläste. Ungeheure Arkaden ziehen sich nach allen Richtungen hin, und auf diesen stehen die herrlichsten Säulen, und über diesen prangen erst Paläste von unbeschreiblicher Pracht. O, o, das ist herrlich, überherrlich!«

7 Nun fangen auch alle anderen mehr konstant in das Licht dieser zweiten Zentralsonne zu schauen an und entdecken auch nach und nach das, was Robert entdeckt hat; ja einige entdecken noch mehr. Sie entdecken eine überaus herrliche Pflanzenwelt, eine große Menge der merkwürdigsten Tiere aller erdenklichen Art, und über den Arkaden und in den Gärten lustwandelt eine Menge unbeschreiblich schön gestalteter Menschen. Aus ihren freien und munteren Bewegungen läßt sich wahrnehmen, daß sie äußerst glücklich und zufrieden sein müssen;

8 besonders bemerkt solches die Mathilde Eljah, sagend: »O Gott! Welch ein ewig nie vergleichbarer Unterschied zwischen solch einer Welt und zwischen unserer Erde! Da ist alles ein vollkommener Himmel, auf der Erde aber alles im Vergleiche mit dieser Welt eine barste Hölle. O Gott, o Vater! Das müssen ja gar überaus gute und weise Menschen sein. Auf dieser Welt wird es wohl sicher keinen Tod geben. Es scheint darauf auch nichts zu altern; allenthalben strahlt ein ewiger Frühling, und jede Gestalt strotzt in aller Fülle der heitersten und ungezwungensten Jugend. – O Gott, o Vater! Welch eine Welt! Auch die Tiere sehen überaus gutmütig aus; wie die frommsten Lämmer wandeln sie miteinander und suchen auf den für sie bestimmten Plätzen das ihnen zusagende und ihren Naturen sicher überaus süß schmeckende Futter. –

9 O Herr! Da muß es doch für jedes Deiner Kinder eine hohe Lust sein, ein Regent solch einer Welt zu werden. Ja, Dir Selbst muß es eine große Freude machen, die lichtvollsten Gefilde solch einer Welt zu betreten. Nein, da dürfte ich nicht lange hineinsehen. Das könnte mich wahrlich so schwach machen, daß ich nolens volens diese Welt betreten und nähere Bekanntschaft machen müßte mit deren gar wunderschönsten Menschen.« –

10 Sagt Peter Peter: »Du kannst die Geschichte ja versuchen, wirst aber nach meinem Dafürhalten eine schlechte Ressourse finden. Diese Wesen sehen wohl ihresgleichen untereinander, aber dich als einen Geist aus dem obersten aller Himmel dürften sie wohl durchaus nicht sehen können, weil sie dennoch mehr oder weniger von der Materie ihrer Welt umfangen sind; und da hättest du ein schlechtes Vergnügen, so du nur sie sehen könntest, sie aber dich nimmer; denn ich nach meiner gegründeten Mutmaßung halte dafür, daß diese Menschen gar keinen Tod haben, d.h. gar keine Verwandlung. Sie werden so, wie du sie nun erschaust, schon von ihrem ersten Entstehen an ein ihnen zusagendes ewiges Leben zu leben beginnen. Ihre Werke zeigen zwar, daß unter ihnen recht sehr viel Weisheit zu Hause sein wird, aber als Regel möchte ich das geradewegs auch nicht annehmen; denn es gibt ja auf der Erde Tiere und Tierchen aller Art, die im Ernste Dinge zuwege bringen, die ihnen ein noch so weiser und erfahrenster Künstler nie nachmachen wird. Wäre es aber folgerichtig, so man solchen Tieren und Tierchen eine übersalomonische Weisheit zumuten möchte? Siehe, eben so mehr oder weniger kann das auch bei diesen Menschen der Fall sein. Sie können gar leicht mehr Instinktsmenschen als Weisheitsmenschen sein, und in solchem Falle würde dann unsereiner bei ihnen eben nicht viel Amüsantes finden. Was sagst du zu diesem meinem nicht ungegründeten Dafürhalten?« –

11 Sagt die Eljah: »Ja, ja, du dürftest da gerade nicht ganz unrecht haben. Nur nach der großen Mannigfaltigkeit des da Vorkommenden zu urteilen scheint es denn doch, daß diese Menschen mehr in einer wirklichen Weisheit sich befinden, als in irgend einer Art noch so ausgebildeten Instinktes; denn solche Bauten in einem allerkühnsten Baustile, diese herrlichen Gartenanlagen geben einen hinreichenden Beweis, daß bei diesen, stets vom mächtigsten Lichte umflossenen Menschen mehr als ein purer Instinkt zu Hause ist.« – Sagt Peter Peter: »Ja, ja, du magst in dieser Hinsicht auch nicht unrecht haben; aber ich bleibe hier so ziemlich fest bei meiner Ansicht.« –

12 Sage Ich: »Ihr habet in wechselweiser Beziehung beide recht; aber da Ich nun schon die dritte Türe eröffnet habe, so verlassen wir nun diese Türe und treten sogleich in die schon geöffnete dritte Türe.«


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