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Der stolze Karl vor Jesus ist in Verlegenheit. Eine stille Lebensbeichte. Paulus rüttelt den Hochmütigen. Regentensphäre vor Gott. Besser ein Gottes Freund als Volksfreund! Zwiegespräch zwischen dem Kaiser Karl und Jesus. Endlich kommt er zur Gnadenbitte. Der Zug hinaus aus der Gruft
Am 9. Juli 1850
1 Spricht Karl: »Wo ist der Je . . . . – Je . . . . – J . . . . – no, no, no, jetzt bring' ich den Namen nicht heraus! Wie, wie heißt er denn noch anders?« – Spricht Paulus: »Jesus Christus, d.h. der Heiland, der Gesalbte. Du kannst diesen Namen nur deshalb nicht aussprechen, weil nichts von Ihm in deinem Herzen ist. Du brauchst aber nicht zu fragen, und stolz zu fragen: Wo ist denn Jesus, zu dem ich hingehen solle? Denn Er stehet ja ohnehin hier knapp bei mir, und ist mir stets der Allernächste! Du brauchst nicht einmal einen Schritt zu tun, sondern dich bloß nur an Ihn zu wenden, und du bist dann schon bei Ihm, so gut als es dir möglich ist, in diesem deinem Zustande dich Ihm zu nahen. Sage wenigstens in deinem Herzen: »Herr! sei mir großem Sünder gnädig und barmherzig; nicht wert bin ich, meine Augen zu Dir empor zu heben!« – Und der Herr wird dir tun, was da des Rechtens und der milden Gerechtigkeit ist.«
2 Sagt Karl: »Also dieser ganz ordinäre Jude solle der Herr sein?« – Sagt Paulus: »Ja dieser ist es, und das einzig und allein!« –
3 Hier fängt der Karl an, sich hinter den Ohren zu kratzen und sagt bei sich so mehr in seinen Gedanken: »Also das solle der Herr und der Schöpfer Himmels und der Erde sein! Nun, nun, das geht gut, also, so sähe der Herr aus, nicht übel! gar nicht übel! Dem hätte ich ja gleich wie einem gemeinsten Bettler etwas geschenket, und das solle – solle – solle wirklich Gott der Herr sein? Zwar manchmal reisen ja auch die hohen Regenten der Erde im strengsten Inkognito; warum solle so was Gott unmöglich sein? Nicht auf meine, sondern auf dieses Paulus Verantwortung will ich es aber dennoch gleichwohl annehmen, obschon mir diese Annahme äußerst fade vorkommt, wie mir auch auf der Welt überhaupt jeder gemeine Kerl unendlich fad vorgekommen ist. Ich habe deshalb auch nur einer Messe beiwohnen können, die mit dem höchsten Pompe aufgeführt worden ist, und wo kein Plebs in die Kirche eingelassen wurde, sondern allein nur der höchste und glänzendste Adel, und die höchsten Staatsbeamten in den glänzendsten Staatskleidern. Ich erteilte darum dem gemeinen Volke des Jahres auch nur eine bis höchstens 4 Audienzen, weil mir dies gemeine Gesindel über alles fade war. Ich errichtete darum auch stehende Heere, damit ich nicht mit dem gemeinen Trosse des Volkes, das gewöhnlich meine Adelinge im Notfalle zusammenrafften, in einem oder dem anderen Gefechte in Berührung kam. Ich verlieh darum auch dem Hofe den größten Glanz, um mich vor der unerträglichen Fadheit zu verwahren; so war mir der eheliche Beischlaf das Unerträglichste, weil ich darauf von einem allermarterlichsten Fadheitsgefühle gequälet worden bin. Und nun solle ich dennoch wieder in die Fadheit mich hineinwerfen gleich wie eine Sau in eine gemeinste Froschlacke! In Gottes Namen denn; so ich schon mich der Fadheit ergeben muß, so sei es denn! O du entsetzliche Fadheit! Dieser gemeine Jude – überhaupt ein Jude – das ist mir schon das Allerunerträglichste! Ich hätte als Kaiser alle Juden können hinrichten lassen, und jetzt solle ich einen gemeinen Juden als Gott den Herrn anerkennen und anbeten und lieben? – O du entsetzliche, furchtbarste Fadheit aller Fadheiten!«
4 Sagt Paulus: »Siehe zu, daß dir am Ende nicht etwas anderes fade wird! Meinst denn du, der Herr ist etwa auch ein solcher Erzaristokrat wie du und findet alles fade, was sich nicht als hochadelig legitimieren kann! Ich aber sage dir etwas anderes: Siehe zu, daß du dem Herrn nicht fade und unerträglich wirst! Denn so der Fall eintreten würde, da wärest du das unglücklichste Wesen unter den zahllosen glücklichen! Denn wer Gottes Einrichtungen und Anordnungen fade findet, der ist ein Kind des Hochmutes und des Stolzes, und also ein Greuel vor Gott dem Herrn. – Der Herr ist stets dem Kleinen zugewendet; und wer da nicht wird wie das Kind eines gemeinsten Bettlers, wird nie einen Anteil an dem Reiche Gottes haben.
5 Meinst denn du, der Herr liebe die Regenten der Erde? – O da irrst du dich sehr! Sieh, der Herr duldet sie wohl, als ein Übel den Völkern, die selbst übel und böse sind; aber Seine Liebe sind sie nicht, sondern Sein gerechter Zorn. Denn Er Selbst sprach durch den Mund des Propheten Samuel, als das jüdische Volk auch einen König von Gott verlangte: Zu allen Sünden, die dieses Volk vor Mir beging, tut es auch diese hinzu, das es einen König verlangt. Ich werde ihm auch einen König geben in Meinem Zorne. – Sieh', nicht in der Liebe, sondern im Zorne gab Gott den törichten Juden, die auch durch eines Königs Glanz ein großes Volk sein wollten, einen König, der sie hernach knechtete und zu lauter gemeinen Dienern und Sklaven machte. Daraus aber gehet hervor, daß die Könige dem Volke nicht so sehr ein Segen, als vielmehr eine Strafe sind, weil die Menschen noch immer die Welt mehr als Gott lieben.
6 Da es aber also ist, was bildest denn du dir hernach gar so viel ein auf das, daß du auf der Erde ein Regent warst? Gott allein ist Regent; alle Menschen aber sind Brüder und Schwestern! – Gehe hin und bekenne vor Gott deine Schuld, sonst sieht es schlimm aus mit dir!«
7 Sagt Karl: »Warum solle es übel mit mir aussehen! Ich habe als Regent so gelebt und gehandelt, daß mir alle Weltgeschichte ein rühmendstes Zeugnis vor Gott und den Menschen geben muß; was solle ich deshalb dann zu fürchten haben? Besaß ich nicht die Liebe meiner Völker und zwar in dem Maße, daß ich sie buchstäblich mit ins Grab nehmen konnte, und wurden meine Anordnungen nicht pünktlich befolgt? Was Arges habe ich denn hernach angestellet, weshalb ich ein Übel zu erwarten haben solle?« –
8 Sagt Paulus: »Was deine Regentschaft betrifft, so war sie – wie jede andere – eine von Gott zugelassene, zur Züchtigung eines stark entarteten Volkes, und wir wollen darüber keine weitere Kritik anstellen; denn es handelt sich hier weniger darum, was du deinen Untertanen gegenüber, als vielmehr, was du dir und deinem innersten Leben selbst warst; sagst du: Ich habe geherrschet aus meiner Macht! dann war deine ganze Herrschaft schlecht! Sagt du aber: Gottes Kraft und Macht hat mich so und nicht anders zu herrschen bestimmt! dann hat die Sache sogleich ein anderes Gesicht, denn der Herr sieht nie auf die Handlung allein, sondern hauptsächlich auf den Grund und auf die Absicht der Handlung.
9 Mag eine Handlung an und für sich noch so gerecht sein, der Vollführer derselben aber verrichtet sie auf seine Ehre und nicht auf die Ehre Gottes, so ist sie schlecht für den Vollführer; denn der Herr Selbst sagt es: Und so ihr alles getan habt, so saget: Wir sind unnütze und faule Knechte gewesen! So der Herr Selbst aber ein solches Bekenntnis von uns verlangt, was können wir Ihm dawider entgegnen? So du sagst: ich war ein Regent, da handelst du schon wider Gott, und gibst dir selbst ein arges Zeugnis wider dich; sagst du aber: ich war nur ein schlechtes Werkzeug in der Hand Gottes, und der Herr war der Regent durch meinen Willen, und machte aus meinem schlechten Samen eine gute Frucht, dann bist du gerechtfertigt vor Gott, ° wie ein David, der aus sich auch war schlecht und allein nur durch Gott recht und gerecht. Sieh', du hast durch deine mehrjährigen Kriege nicht so viele Menschen geschlachtet, als David oft an einem Tage; und doch war David ein Mann nach dem Herzen Gottes, du aber nicht; weil du aus deiner eigenen Kraft und Macht zu handeln wähntest, während David sich solch eines Vergehens nur ein einziges Mal zu Schulden hatte kommen lassen, wegen des Urias Weibe, dafür er aber dann auch viel Buße tat.
10 Du besaßest wohl deines Volkes Gunst, besonders des hochadeligen; aber es wäre besser gewesen, so du die Gunst und Liebe des Herrn besessen hättest. Also Freund! nicht wir, sondern der Herr allein ist alles in allem, und ganz und gar nichts sind alle Menschen vor Ihm. – Dies fasse in dein Herz und wende dich also an den Herrn, so wird es mit dir vorwärts gehen! Ich habe nun geredet; der Herr sei mit dir!« –
11 Karl über diese Worte sehr zum Denken getrieben, wendet sich nach einer Weile zu Mir und sagt: »Du wärest nach der Aussage dieses Paulus also wirklich Christus der Herr, der einst zu Jerusalem gekreuziget wurde von den bösen Juden, die noch deshalb fortwährend meine größte Antipathie sind, und zwar derart, daß es mir nun noch leid tut, daß ich diese Brut wenigstens in meinem Reiche nicht vertilgt habe.« – Sage Ich: »Ja; hast du aber dagegen etwas einzuwenden, so rede, und sage, was Mir noch abgeht, um vor dir, du großer Herr, würdig als Christus auftreten zu können.« –
12 Sagt Karl: »Das ist eine sehr sonderbare Frage, die einem Menschen wohl kaum in einem Traume einfallen könnte. Nach meiner irdischen Art zu urteilen ginge dir wohl gar vieles ab, um vor mir würdig als Christus, ein Herr Himmels und der Erde – auftreten zu können, und von mir als solcher auch anerkannt zu werden. Aber hier bin ich nun nicht mehr gar so delikat, und nehme bald irgend einen Prügel für einen Zepter, und eine Schlafmütze für eine Krone an, warum nicht auch Dich für Christus, den Herrn! So lange bis mir irgend ein Besserer vorkommt bin ich mit dir ganz vollkommen zufrieden; kommt aber irgend wann ein anderer und ein tüchtigerer vor, nun, so läßt sich die Sache dann ja auch sehr leicht ändern; der Rechte wird angenommen und der Falsche sitzen gelassen werden. Aber übrigens muß ich dir sagen, daß Du mir unterdessen als Christus recht gut gefällst; wenigsten verstehst du so recht gut die Rolle desselben zu spielen. Dein gewisser leutseliger Ernst, und Dein recht majestätisch schöner Kopf mit den großen blauen Augen macht sich sehr gut, und Du bist somit ein recht würdiger Repräsentant dessen, was Du hier vorstellest; ob Du nun auch möglicher Weise wirklich das bist, was Du vorstellest, das zu bestimmen und zu behaupten vermag ich nimmer; aber auf die Gefahr dessen, der Dich mir als den wirklichen Christus anzeigte, will ich auch das annehmen, und falle daher als der größte gewesene Kaiser des römisch-deutschen Reichs Dir zu den Füßen und sage: »Herr, sei mir Sünder vor Dir gnädig und barmherzig!« –
13 Sage Ich: »Freund, Ich bin zufrieden, daß es nun mit dir so weit gekommen ist und wir nun aus dieser Gruft der Toten hinaus ins Freie uns begeben können; denn hier wo die Toten hausen, kann man nicht viel vom Leben sprechen. Draußen, wo ein reineres Licht das endlose All der Geisterwelt durchdringet, läßt sich auch reiner schauen und wahrnehmen und empfinden, Wer Der ist, Der hier nun mit dir redet; und so verlassen wir denn nun diesen Ort und begeben uns ins Freie.« –
14 Schreien nun alle: »Heil Dir, o Herr, daß Du solches an uns tust! Denn nun fangen wir erst an einzusehen, wo wir waren und wie es uns ergangen ist; Du allein bist unser Erlöser! – Dir ganz allein daher auch alle unsere Liebe, Ehre und Anbetung; denn Du allein bist es würdig, dieses alles von uns allen zu empfangen und allergnädigst hinzunehmen.« – Sagt Karl, sich nun vom Boden wieder erhebend: »Herr, bei diesem Gruße bin auch ich vollkommen dabei, und das nun wirklich aus vollem Herzen; aber wohin wirst Du uns nun führen?« –
15 Sage Ich: »Nun hinaus in die Gassen Wiens, und da wird es sich dann schon zeigen, wo wir etwa einkehren werden. – Robert, gehe nun mit der Helena wieder voran!«