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Kapitel 249

Ein himmlisches Wort des heiligen Vaters an zwei liebe Kinder! Die Urquelle alles Lebens und aller Seligkeiten; vom Liebemut. Helena und Mathilde an der Lebensmilch-Mutterbrust des himmlischen Vaters

Am 20. September 1850

1 Sage Ich zur Mathilde und auch zugleich zum Offizier: »So ist es recht und solch ein Gebet gefällt Mir; denn da ist alles vorgetragen, was jedem Menschen nötig ist, auch jedem Geiste und jedem noch so vollkommenen Engel. Komme her, Mathilde, an Meine Brust und stärke da dein Leben; denn siehe, aus dieser Brust ist alles, das erfüllt den unendlichen Raum, und der unendliche Raum selbst hervorgegangen. Alles saugt an dieser Brust und sättiget sich; so komme denn auch du, Mein Töchterchen, her und sauge ein – in starken Zügen das ewige Leben voll Liebe, Weisheit und Macht!«

2 Siehst du, Mein Sohn Peter Peter, die Mathilde hat vor Mir die beste Rede gehalten und ist daher auch am weitesten gekommen. Du aber wolltest eher weise werden, bevor dein Herz noch fähig war, die rechte Weisheit zu ertragen; daher bist du nun ziemlich weit hinter der Mathilde, obschon du ehedem vorne warst. Siehe aber, daß deine Liebe zu Mir gleich wird der mächtigen Liebe dieser Mathilde, dann wirst auch du dahin gelangen, wohin nun die Mathilde gelangt ist.

3 Du, Meine holdeste Tochter aber, habe keine Furcht vor Mir, darum daß Ich das allerhöchste Gottwesen bin, denn siehe, eben darum, da Ich das bin, bin Ich der sanfteste, demütigste, freundlichste, herablassendste, liebevollste und allerbeste Geist und Mensch zugleich. Komme nur her und fürchte dich nicht!«

4 Die Mathilde bebt vor süßer Furcht und brennendster Liebe, kann sich aber dennoch nicht Mut genug verschaffen, um an Meine ihr zu heilig vorkommende Brust zu fallen. Ich aber berufe die Helena und sage zu ihr, daß sie dieser Mathilde zeigen solle, wie es die Auserwählten im Himmel machen.

5 Helena fällt sogleich mit offenen Armen an Meine Brust und sagt: »O Du mein süßester Vater! Das ist mir so schon unaussprechlich stark abgegangen! O Du lieber Vater! O Du meine einzige Liebe! Du meine unaussprechliche Schönheit aller Schönheiten! Du ewiger Honigseim aller Süßigkeiten des Lebens! O wie süß ist es an dieser Deiner Brust zu ruhen und einzusaugen des Lebens höchste Kräfte!« – Nach solchen Worten fällt Mir die Helena an die Brust, und verbeißt sich, wie man sagt, förmlich vor Liebe in dieselbe.

6 Als die Mathilde das sieht, sagt sie: »Aber mein Gott und mein Vater! Hat aber diese doch einen Mut, der dem Erzengel Michael sicher nicht eigen ist. Mit welch einer Heftigkeit sie doch hingestürzt ist und tut nun, als ob sie schon ganz und gar in die allerheiligste Brust hineinsteigen wollte. Ach, ach, das ist denn doch ein wenig zu stark! Ich möchte das freilich auch tun, wenn ich dazu nur den erforderlichen Mut hätte. Nein, aber die treibt mir's denn doch einmal zu bunt!«

7 Sage Ich: »Nun, Mathilde, so komme und tue wie diese!« – Nun läßt sich die Mathilde nicht mehr zum zweiten Male rufen und fällt ebenfalls an Meine Brust. Da aber die Helena sich beinahe über die ganze Brust her breit macht, findet sie Mathilde etwas zu wenig Platz und sagt gar sanft zur Helena: »Aber liebe, holdeste Schwester! so lasse doch mir auch ein Plätzchen übrig; ich bin ja auch dir gleich hierher berufen worden.«

8 Sagt darauf die Helena: »Siehe, wer zuerst kommt, der mahlt denn auch zuerst! Wenn man zu etwas so Gutem berufen wird, o da muß man sich durch nichts abhalten lassen; und fehlt einem die Courage, so muß man sie von irgend woher zur Leihe nehmen. Komme nur her da, wir werden schon Platz finden; denn schaue, an dieser Brust haben gar viele auf einmal Platz!«

9 Sagt die Mathilde, die nun auch schon ihr Köpfchen an Meine linke Brustseite gelegt hat: »Jetzt ist es schon gut! O Gott, o Gott, welch eine süße Ruhe! Ja, ja, wer wahrhaft ruhen will, der ruhe in Gott! O Du heilige Brust! Was fühle ich nun! Ach mein Herz ist viel zu enge, um zu fassen die Fülle dieser heiligen zu großen Empfindung. Wer könnte aber auch solcher Gnade und Liebe Tiefe je fassen und ergründen!«

10 Sagt die Helena: »Ist auch gar nicht nötig; denn schau! die rechte Liebe will nichts ergründen und nichts bis auf den Grund erschöpfen. Wenn wir da ergründen wollten, wie heilig und erhaben diese Brust ist, an der wir nun ruhen, da hätten wir Ewigkeiten um Ewigkeiten zu tun! Und das wäre denn doch sicher eine noch talketere Arbeit als die eines hungrigen Philosophen, der das Brot zuvor in seine Atome zerlegen wollte, ehe er sich seinen Hunger damit zu stillen begann, aber dabei verhungerte. – Wer da fragt, was etwa doch die Liebe sei, der liebt gewiß ganz verzweifelt wenig. Die wahre Liebe ist stumm und redet nicht viel um einen Groschen, sondern sie faßt ihren Gegenstand wie ein Polyp seine Beute und saugt so lange daran, bis sie satt geworden ist. Hernach kommt dann schon auch wieder die Philosophie. Darum mußt du jetzt nicht viel reden, sondern bloß genießen, da dir die Gelegenheit geboten ist; sonst kommst du neben mir offenbar ein wenig zu kurz.«

11 Sagt die Mathilde: »Sorge dich nicht darum, ich verstehe es schon auch, wie man lieben muß. Schaue nur, daß am Ende du nicht zu kurz kommst! Ich bin auf der Erde von der Liebe ganz kurios geplagt worden, rein und unrein, und habe nirgends eine rechte Sättigung finden können. Nun aber empfinde ich alle Sättigung in mir, und mein Herz leidet keinen Hunger mehr. Daher sorge dich nicht um mein Zukurzkommen; denn so ich an der Tafel bin, da verstehe ich schon auch zu essen und besonders an dieser, an der zahllose Myriaden ihren belebenden Nektar saugen!«

12 Sagt die Helena: »Nur nicht gar so poetisch, meine liebe Schwester! Denn schau', ich bin eine ganz gemeine Person von meiner irdischen Geburt her und verstehe mich nicht auf so hohe Ausdrücke; und schau! der Herr hat das nicht einmal gar zu gern; je einfacher, desto lieber ist es Ihm, weil in einer so hohen Sprache oft auch ein Art Eitelkeit zugrunde liegt. Daher nur so hübsch ordinär weg, meine holdeste Schwester! Das ist dem Herrn am liebsten!«

13 Sagt die Mathilde: »Ja, ja, du hast recht, ganz recht; aber nur ein bißchen mehr Platz lasse mir noch!« – Sagt die Helena: »Ei, ei, liebste Schwester! Hast denn noch nicht Platz genug? Ich glaube, daß du diese ganze heilige, süße Brust allein in den Besitz nehmen möchtest? – No dir zulieb, weil du gar lieb und herzig aussiehst, mache ich noch einen kleinen Rucker; aber hernach mußt du mich in meiner Seligkeit nicht mehr stören, liebe, holdeste Schwester!«

14 Sagt die Mathilde: »Nein, nein, jetzt haben wir beide Platz genug; ich bin dir sogar sehr vielen Dank schuldig, daß du mir den Mut gemacht und den Weg gezeigt hast. Ich habe von dem, wie man eigentlich würdigster Weise Gott lieben müsse, mir nie eine rechte Vorstellung machen können. Ich meinte bei mir nur zu oft und sogar hier noch, Gott müsse man bloß in einer Art allererhabenster und frömmster Schwärmerei lieben. Ich machte denn daher aber auch sonderbar große Augen, als der Herr Gott und Vater mich vor dir berief, an Seine seligkeitsvollste, heiligste Brust zu kommen. Ich stellte mir solch eine Annäherung für ewig unmöglich vor. Aber nun sehe ich erst recht klar ein, wie bei Gott dem Herrn am Ende dennoch alle Dinge möglich sind. Ihm darum ewig alle meine Liebe!«

15 Sagt die Helena: »Also für deinen Peter Peter nichts mehr? Wie wird denn ihm hernach die Sache schmecken? Oder sollen etwa in diesem Punkte für dich bei Gott auch alle Dinge möglich sein?« – Sagt die Mathilde: »Aber liebe, schönste Schwester, warum mußt denn du aber auch stets ein wenig sticheln auf mein Herz? Macht dir das denn irgend ein Vergnügen? Ich meine, der Peter Peter wird hoffentlich wohl selbst meinem Beispiele folgen; denn er sieht sicher besser als wir beide ein, daß man Gott den Herrn und alleinig wahren Vater mehr lieben müsse, als alle noch so vollkommenen Geschöpfe. So lange man Gott nicht hat, muß man leider die Geschöpfe wegen ihrer formellen Ähnlichkeit mit Gott lieben. Hat man aber den wahren, urewigen Grund der Liebe, ja die reinste und die wahrste Liebe Selbst gefunden, dann ist es mit der geschöpflichen Liebe für ewig gar! Verstehst du mich?«

16 Sagt die Helena: »O ja, das verstehe ich wohl; aber so ganz und gar aus ist es dennoch nicht; denn die Nächstenliebe, die Bruderliebe und Schwesterliebe hört darum nicht auf, weil eben in der Liebe zu Gott die Liebe des Nächsten eine vorzügliche Bedingung ausmacht. Denn so wenig man Gott lieben könnte, so man hassete seinen Bruder, eben so wenig kann man den Bruder wahrhaft lieben, so man zu Gott keine oder wenigstens eine dumme Liebe hätte, wie solche bei vielen borniert zelotischen römischen Katholiken anzutreffen ist, die da besser den Namen Gotteshaß als Gottesliebe verdienete. – Aber diese Menschen können nicht dafür, daß sie so sehr dumm sind; denn sie werden schon von Kindheit an also erzogen. –

17 Ich war einmal selbst so dumm und glaubte eine Zeitlang, daß einem ein Pfaffe den Himmel zubringen kann. Als ich mich aber hernach nur zu bald überzeugte, welches Geistes Kinder die Pfaffen sind, da hat sich natürlich auch mein Denken in allem geändert. In dem berühmten Jahre 1848 stand ich wohlbewaffnet selbst allen Feinden der Wahrheit und der göttlichen Freiheit auf den Barrikaden gegenüber, und fand da auch den Tod meines wenig werten Leibes. –

18 Also meine liebste und lieblichste Schwester! Es ist sehr recht, daß du nun Gott, den Herrn, unseren allerliebsten, heiligsten Vater, also liebst, daß du darob aller geschöpflichen Liebe bar bist; aber du mußt dabei denn doch noch stets so viel Besinnung behalten, daß du in solcher Liebe auch der ärmeren Brüder und Schwestern nicht vergißt, die noch lange das Glück nicht haben, also an der Quelle der Liebe höchste und belebendste Segnung und Seligkeit zu genießen. Verstehst du, meine lieblichste Schwester, das?«

19 Sagt die Mathilde: »O und ob ich dich verstehe! Du hast schon recht und bist schon sehr weise geworden, das ich noch lange nicht bin; aber ich hoffe, daß auch ich bald so weise werden werde; aber jetzt ist mein Herz zu voll von Liebe zum Herrn, und die Weisheit hat daher nun gut ruhen bei mir.«


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