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Kapitel 279

Die Lichtblauen preisen den Herrn und sein Wort. Der hochmütige Kopfverstand und der sanfte Geist der Liebe im Herzen sind Lebensextreme. Gleichnis vom Früchtepflücken des Vaters und seiner Kinder

1 Sagen die Lichtblauen: »Daß Du es bist, der wahrhaftige und ewige Gott, Herr, Schöpfer und Erlöser von allen Himmeln, Sonnen und Erden, darüber haben wir nun auch in den geheimsten Winkeln unserer Herzen keinen Zweifel und keine Bedenken mehr; denn so man Dich sonst auch nicht erkennete, da darf man Dich aber nur reden hören und alle Zweifel schwinden gleich wie Nebel im starken Lichte der Sonne. Denn wie Du redetest durch den Mund der Propheten, und wie Du Selbst gesprochen hattest auf der Erde unnachahmlich und unerreichbar für jeden geschaffenen Geist, also sprichst Du nun auch vor uns. In der einfachsten, prunklosesten Redeweise sprudeln Ströme der höchsten und göttlichen Wahrheit und Weisheit, gleich den mächtigsten Quellen, aus denen der Ozean seine unversiegbare Nahrung nimmt, aus Dir hervor.

2 Wie herrlich ist die Darstellung des Weges in Dein Reich! Nur geht es uns dabei wie einst dem Nikodemus, der auch nicht wußte, als Du, o Herr, von der Wiedergeburt mit ihm sprachest, was er aus ihr machen solle. Der Weg vom Kopfe bis in's rechte Zentrum des Herzens wäre wahrlich so kurz als ein Weg nur immer kurz sein kann; aber wie ihn antreten? Das ist eine ganz andere Frage. – Die Sache mit den ganz natürlich gesunden Sinnen betrachtet, liegt trotz der darin verborgenen tiefsten Weisheit sehr rätselhaft, und wir möchten hier auch mit Nikodemus fragen und sagen: Herr, wie kann das sein? Wie können wir mit unseren höchsteigenen Füßen in unseren eigenen Leib, ja am Ende sogar in's Zentrum unseres Herzens hineinsteigen? So wir wären wie die Regenwürmer oder wie eine Schlange, da wäre so eine Operation wenigstens logisch denkbar möglich, aber bei dieser unserer Konstruktion wird solch eine Reise wohl zu dem Unmöglichen des Unmöglichsten gehören, und es wäre vielleicht doch leichter, in den allerletzten Stern Deiner endlosen Schöpfungen zu gelangen, als wie sozusagen mit Stiefel und Sporn in unser eigenes Herz hinein. Diese Geschichte wird sich offenbar etwas schwer machen. –

3 Da müssen wir Dich, o Herr, schon um eine nähere Beleuchtung anflehen, wie es auch öfter Deine Apostel auf der Erde getan haben, denen auch gar nicht selten Deine allerweisesten Lehren wie funkelnagelneue spanische Dörfer vorkamen, bei denen sich auch kein Fremder auskennt, ob sie aus Hütten für Menschen oder für's pure Vieh bestehen; wo der Eingang ist? wo das Dach? wo die Küche? und wie da aussehen mag der Bauplan? – Herr, erkläre uns diese Sache ein wenig näher!«

4 Sage Ich: »Das ihr solches nicht verstehet, daran schuldet nur euer noch sehr nach echt Irdischem riechender Sinn. So gescheid aber solltet ihr dennoch wohl schon ein, daß ihr euch denken könntet, daß da von keinem naturgemäßen Gehen mit den Füßen die Rede sein kann, sondern nur rein von einer reingeistigen Reise im Gemüte. – Nikodemus war noch ein rein irdisch materieller Mensch und es war begreiflich, daß er mit seinen total irdischen Begriffen den Mutterleib als eine Notwendigkeit ansah, um aus demselben zum zweiten Male wiedergeboren werden zu können; aber ihr seid nun schon selbst in eurem ganzen Wesen vollends aller groben irdischen Materie bare Wesen. Wie möget ihr als Geister gar so materiell denken!?

5 Habt ihr an euch denn nie eine doppelte Art geistiger Tätigkeit entdeckt, nämlich eine im Kopfe und eine andere im Herzen? Sehet, im Kopfe sitzt der Seele kalt berechnender Verstand und sein Handlager die Vernunft, die da gleich ist einem weitausgreifenden Arme voll Augen und Ohren am seelischen Verstandesleibe. Der Verstand verlängert diesen Arm stets mehr und mehr und will mit demselben am Ende die ganze Unendlichkeit an sich reißen. Dies eiteltolle Bestreben des Verstandes aber ist eben jene gefährliche, Tod und Gericht bringende Eigenschaft der Seele an und für sich, die da mit dem Worte Hochmut bezeichnet wird. Im Herzen aber ruht die Liebe, als ein Geist, aus Meines Herzens Geist genommen. Dieser Geist hat aber, so wie Mein höchsteigener, ohnehin schon alles, was die Unendlichkeit vom Größten bis zum Kleinsten enthält, zahllosfältig in sich.

6 Wenn nun der hochtrabende Verstand, das Eitle seiner törichten Bemühungen einsehend, seinen vorbezeichneten Arm, der da ist seine Vernunft, oder noch deutscher gesprochen, sein Vernehmvermögen, anstatt selbes in die Unendlichkeit hinaus zu strecken und das Unerreichbare erreichen zu wollen, demütig und bescheiden zurückzieht (gleichwie eine Schnecke ihre mit Augen versehenen Fühlhörner, die sie auch öfter nach der Sonne ausstreckt, weil sie aber die Sonne wegen ihrer naturmäßigen zu großen Ferne nicht erreichen kann, eben diese Vernehmarme ihres Kopfes wieder in sich hineinzieht), diesen Arm aber dann nicht mehr eitel in die Unendlichkeit hinausstreckt, sondern ihn in das Herz als die Wohnung Meines Geistes im Menschen lenkt und leitet, so macht man die von Mir bezeichnete drei Spannen lange Reise und gelangt auf solchem Wege zum wahren, ewigen Leben, zu der wahren seligen Ruhe desselben, und findet dann allda alles beisammen, was da enthält die ganze Unendlichkeit.

7 Dieses wird dann freilich erst nach und nach, wie eines nach dem anderen offenbar, gleichwie die Gewächse aus dem kleinen Keime, der im Zentrum des Samenkornes verborgen ist. Ob aus diesem im Geiste zugrunde liegenden Keime aber eher oder später und reicher oder minder reich die Saat Meiner Werke voll Entwicklung und Reife aufgehen wird, das hängt lediglich von der Stärke der Liebe zu Mir ab, wie auch von der Liebe des Nächsten; denn die Liebe des Herzens zu Mir ist gleich dem Lichte und der Wärme der Sonne und die Liebe zum Nächsten ist der notwendig fruchtbare Regen. So aber Sonne und Regen in gerechter Ordnung miteinander wirken, so wird sicher jede Saat bestens gedeihen und in der Bälde zur Reife gelangen.

8 Ich will euch zum besseren Verständnisse dieser Sache aber noch ein gar leicht faßliches Bild geben, und so sehet! Es verhält sich mit dieser Sache auch also, als wenn ein Vater seine Kindlein ausführete im Sommer in seinen Garten, der da voll ist von den mit reifen Früchten belasteten Bäumen. Die Kinder werden nun voll Begierde und möchten sogleich auf die Bäume steigen und die Früchte mit großer Hast abpflücken und essen im Übermaße. Der weise Vater aber sagt zu den unerfahrenen Kindlein: »Kinderchen! bleibet nur schön fein bei mir; würdet ihr allein mit euren schwachen Kräften auf die Bäume steigen und euch die Früchte nehmen, so würdet ihr leicht von dem Baume, auf dem ihr euch befändet, fallen, euch Hände und Füße brechen oder euch gar zu Tode fallen. Ich und meine Knechte aber sind groß und stark genug und wissen es, wie die Früchte von den Bäumen zu lesen sind. Wartet daher ganz ruhig; ich selbst werde sie von den hohen Bäumen herablesen und sie legen in euren Schoß; da werdet ihr sie dann ohne alle Mühe ganz ruhig genießen können. Wann ihr aber einmal selbst groß und stark werden werdet, dann werdet ihr schon auch selbst Meister der hohen Bäume werden. – Versteht ihr dieses Bild?«

9 Sagen die Lichtblauen: »Dank Dir, heiligster, weiser, bester Vater, ewig Dank! Nun ist uns alles sonnenklar und wir wissen nun nichts, danach wir noch um eine Aufhellung bitten möchten.«


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