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Kapitel 169

Gefährliches Aussehen des höllischen Schlachtansturm gegen den Himmel. Des Herrn Warnung vor Ärger, als Stütze der Hölle, wo auch Gottes Barmherzigkeit waltet. Die Friedensgeister in der Höhe über der Szene. Miklosch als Höllenschlachtberichterstatter. Die Lavaflut führt zum Untergang der gescheiterten Himmelsstürmer

Am 18. Februar 1850

1 Cyprian wendet nun kein Auge ab von der Szene; und Ich gebe Meinen Dienern einen Wink, und diese verstehen, was sie zu tun haben.

2 Nach einer kurzen Weile sagt Cyprian ganz ängstlich: »Herr! wir werden uns am Ende dennoch zu einer Retraite (Rückzug) bequemen müssen; denn die Hölle scheint nun alle ihre viele tausend Jahre alten Gefangenen frei zu lassen, auf daß sie wahrscheinlich mit vereinten Kräften Dich samt dem ganzen Himmel in den Beschlag zu nehmen vermöchten. Sie wandern nun ganz keck auf uns los, und die Gestalten, wahrlich, mitunter lächerlich-gräßlich. Wie sich einige aufblähen, und bald darauf wieder zusammensinken bis zur Größe eines kleinsten Affen. Ach, das ist doch alles, was man sagen kann; auch allerlei Waffen fange ich an zu entdecken: Spieße, Lanzen, Schwerter und Schießgewehre aller Art und Gattung. Das geht ja auf einen ordentlichen Krieg los; aber gegen wen denn? Gegen uns ja etwa doch nicht? Sehen sie uns denn auch, weil sie sich gerade gegen uns herrichten?«

3 Sage Ich: »Freilich gilt der Krieg von Seite der Hölle allezeit (gegen die ewige allmächtigste Gottheit), und somit auch jetzt uns. Aber sehen können sie uns nimmer; wohl aber vermuten sie uns hier, weil sie an der Stelle gegen uns her, die eigentlich der geistige Mittag ist, eine Art Helle wahrnehmen. Aber sie mühen sich vergeblich ab uns näher zu kommen; sie meinen es wohl, daß sie vorwärts gehen; aber ihr scheinbares Vorwärtsgehen ist ein Rückgehen, und ein sich stets mehr Entfernen von uns. Daher lassen wir sie auch traben und sich bewegen, da wir wissen, wie weit, und wohin sie mit dieser Bewegung kommen können und werden.

4 Sie werden aber mit der Weile inne, daß sie um nichts vorwärts kommen trotz alles ihres Mühens; und dies Innewerden wird das Signal zum Ausbruche ihrer inneren Wut sein, in der sie sich selbst gegenseitig anfallen werden, und sich zerreißen gleich wildesten Bestien ohne alle Schonung. Gebe nun nur recht und ganz besonders auf ihre Bewegung acht!«

5 Der Cyprian gibt nun sehr wohl acht auf alles, was sich in der Bewegung der Höllenrotte ergibt; der Miklosch und der Graf Bathianyi aber sagen einstimmig: »Herr! wohl übergroß ist Deine Langmut und Geduld, daß Du solchem Treiben noch stets mit aller Deiner sanftmütigsten Gelassenheit zusehen kannst! So es auf uns ankäme, so würden wir diesem Gesindel einen ganz kuriosen Ernst entgegensenden, der es sicher für ewig gehörig demütigen solle. Nein! solch eine Afrontrie (Verhöhnung), Dir entgegenstürmen zu wollen, ja Dich sogar gänzlich zu vernichten, so es natürlich möglich wäre. Nein, nein, das ist zu überhöllisch oder zu unterhöllisch arg! Solch ein Gedanke würde von uns aus schon einer ewigen Züchtigung wert sein, geschweige erst eine unternommene Handlung in solch einer allerhöllischesten Absicht.« –

6 Rede Ich: »Meine lieben Kindlein, lasset beiseite, was nur immer den Namen Ärger hat; denn sehet, aller noch so geringe Ärger entstammt der Hölle, und verträgt sich nie mit der reinsten Natur Meiner himmlischen, noch kleinen Kindlein, als wie ihr es nun noch seid. Ihr müsset euch überhaupt über gar keine Erscheinung, wie böse sie auch immer aussehen möge, auch nur im geringsten ärgern; denn das Ärgern der Kinder der Himmel verleiht der Hölle einen Vorschub, und gibt ihr Stoff zum Widerärger, den sie nur zu leicht und zu bald vergrößert und in einen neuen Effektivzustand setzt. Denket aber dafür in eurem Herzen, daß dies alles also geschehen muß, so in jene Grotte auch einmal ein sanfteres Licht dringen solle; denket, daß die ganze Hölle aus Wesen bestehet, die gewisserart teils wohl durch ihre Geschichte und zum Teile durch die Geschichte der Weltgroßen zu solchen Teufeln geworden sind, und ihr geistiges Leben gänzlich verwirket haben. Sie sind nun unendlich unglücklich, und werden noch stets unglücklicher werden. An uns aber, die wir alle Macht inne haben, liegt es nun – ihnen so viel als möglich zu helfen, und zwar durch jedes Mittel, durch das eine Hilfe noch als möglich erscheint.

7 Dieser nun bevorstehende Kampf, den sie gegen uns unternehmen, setzt ihr mattestes Scheinleben in eine größere Tätigkeit, durch die sie vor der totalen Auflösung geschützet werden; durch den fehlgeschlagenen Versuch werden sie dann wieder in die Kenntnis gesetzt, daß sie gegen Gott nichts vermögen, und es werden dann viele aus ihrer Rotte bescheidener werden, und sich bei einer ähnlichen künftigen Unternehmung nicht mehr beteiligen; und das ist dann ein wirklicher Vorschritt (Fortschritt) dieser verlorenen Schafe; und für sie stehen uns dann schon wieder eine zahllose Menge der wirksamsten Mittel zu Gebote, sie in eine hellere Belebung zu leiten, ohne sich direkt an ihrem freien Willen, der ihr Leben ist, zu vergreifen; daß aber derlei Bäume nicht mit einem Hiebe gefällt werden dürfen, das werdet ihr hoffentlich einsehen!«

8 Spricht der Miklosch: »O ja, Herr und Vater! nun ist uns schon wieder alles klar, und es ist alles gut, was Du, o Herr, anordnest. Aber nun entdecke ich, daß auf den Spitzen der überhohen Gebirge sich auch lichte Geister stets mehr und mehr anzuhäufen beginnen; auch auf der höchsten Spitze stehen neben den zwei ersten eine Menge anderer uns ganz unbekannter kräftigster Engel; und da, da seht in die Lüfte empor! Ungeheure Scharen schweben in wohlgeordneten Reihen, und haben ein scharfes Auge auf die Bewegungen der höllischen Rotte; und die Höllenrotten scheinen sie zu bemerken, weil sie nun auf einmal ihre allergrimmigsten Gesichter aufwärts richten, und ihre Wurfgeschütze aufwärts zu richten beginnen.«

9 Spricht Cyprian: »Ja, ja, Bruder Miklosch, hast recht; dort nahe an der wahren Teufelsgrotte habe ich schon eine Art Raketen in die Höhe steigen sehen, die aber nicht bis zur Achtelhöhe des Gebirges gekommen sind; auch sehe ich nun, wie ganze Massen an den schwarzgrauen Felswänden aufwärts zu klimmen anfangen, aber ganz verzweifelt schlechte Fortschritte machen; von unten her werden sie ganz entsetzlich bedroht, und zum weiteren Emporklimmen scheinen sie auch keine bedeutende Lust zu haben. Nein, die Geschichte fängt an ein ganz entsetzlich tragisches Aussehen zu bekommen. O Million! nun ist eine ganze Rotte über eine sehr hohe und steile Wand herabgestürzt, und wird nun sogleich wieder angetrieben, neu aufwärts zu klimmen anzufangen, und sie sträubt sich, indem sie an die Unmöglichkeit hinweiset; aber man fängt an, sie mit glühenden Spießen zu touchieren. Ach, das ist schauderhaft!«

10 Rede Ich: »Gebet nun nur alle genau acht; denn nun beginnt die eigentliche Hetze. Nun solle aber der Miklosch, der mehr gelassenen Geistes ist, die Szene weiter erzählen, gerade wie sie vor sich geht, und zwar ohne alle verwunderlichen Nebenexklamationen. Also sei es!«

11 Spricht der Miklosch: »Herr und Vater! ich armes, sündiges Wesen danke Dir aus aller Tiefe meines Herzens für diesen herrlichen und großen Auftrag – den Bruder Cyprian abzulösen, in diesem wahrlich nicht wenig sicher jeden auch noch so standhaften Geistes seienden Beobachter höchst in den Anspruch nehmenden Geschäfte; aber ich muß es danebst aber auch sogleich offen bekennen, daß es mir dabei um nichts besser gehen wird; denn die Erfolge jener höllischen Mühen sind eben für die Hölle und ihre Streiter zu grell und allen möglichen Schauder erregend, als daß selbst das beherzteste und gelassendste Gemüt dabei ohne alle Erschütterung bestehen könnte. Daher bitte ich Dich zu diesem Zwecke wohl um eine ganz besondere Stärkung, so ich da mitten in der Nacherzählung des Geschauten nicht schon beim dritten Satze solle stecken bleiben. In Deinem allmächtigsten und heiligsten Namen will ich's dann versuchen, wie es mir mit dem Nacherzählen gehen wird.

12 Soeben stürzt eine ganze, große Felswand über eine große Menge, die hinaufzuklimmen genötigt wurden, ein, und begräbt und zerschlägt eine große Masse der höllischen Streiter, und hinter der eingestürzten Wand ergießt sich lichterlohe eine gräßlich brausende und zischende Lavaflut, und begräbt in ihrem raschen Vordrange bei weitem mehrere, als ehedem die eingestürzte Wand. Nun erseh' ich auch wieder den schon sehr verunstalteten Kado und dessen Prinzipal; sie scheinen im Vordergrunde Rat zu halten, was da weiteres zu tun und zu unternehmen sein wird, indem da, wie es scheint, kein Teufel mehr eine Lust zeigt, über die schroffsten und steilsten Felsenabhänge hinauf für nichts und wieder nichts zu klettern; die mächtigeren Teufel treiben die schwächeren wohl noch sehr echt höllisch energisch an; aber wie ich es merke, so ist da von irgend einer Obedienz (Gehorsam) gar keine Rede mehr, und ein jeder vor dem Lavastrome fliehend scheint nun allein nur dem eigenen Willen zu gehorchen. Welch ein gräßliches Jammergeschrei, welch ein Elend, welch eine namenlose Not! Es brechen nun aus mehreren Ritzen und Spalten des Gebirges glühende Lavaergüsse hervor, und stürzen gleich gewaltigsten Wasserfällen in die Tiefe herab; dort mehr rechts über eine ungeheure Felsenwand stürzt gleich einem Niagarafalle in Nordamerika eine allerfurchtbarst große Masse des glühendsten, geschmolzenen Erzes unter dem furchtbarsten Krachen und Donner in die Tiefe herab, und die Rotten groß und klein fliehen vor den gegen sie herwogenden Feuerfluten, und heulen und fluchen ganz entsetzlich.

13 Kado und sein Prinzipal machen auch eine ziemlich schnelle Bewegung mehr gegen uns her, und klimmen nun auf einen mäßig hohen Hügel, der sich zu unserer Linken befindet; und der Kado macht dem Prinzipale, wie ich's nun recht deutlich vernehme, recht scharfe Vorwürfe ob dessen von ihm zum Voraus bestens eingesehener und abgeratener Ausführbarkeit eines allerwahnsinnigsten Planes, die allmächtigste Gottheit besiegen zu wollen! Nun habe er den Sieg vor seinen dümmsten Krokodilsaugen! Er solle nun die Löcher zustopfen gehen, daraus die Gottheit über ihn und sein über alle Begriffe maltraitiertes Heer so reichlichst aus allen tausend Schlünden des unersteigbar hohen und steilsten Gebirges so ganz mir und dir nichts Feuerfluten hervorsprudeln läßt, und solle auch die Begrabenen hervorholen. Aber der Prinzipal macht ihm die Bemerkung, daß dies alles bloß nur so ein blinder Lärm wäre, und diese Feuerflut bald erschöpft sein werde.

14 Der Kado lacht dazu gräßlich höhnisch und sagt: »O du verflucht dümmster Teufel! da sieh ein wenig hinauf, wie da stets neue allergewaltigste Quellen sich auftuen, und wie die rasche Glühflut auch in wenig Augenblicken unsern Hügel, der uns bis jetzt noch schützt, umspülen wird, und du wirst es leicht gewahren, wie bald nach deiner dümmsten Idee der Gottheit Zornquellen versiegen werden. Da sieh' hin gegen die Grotte, deren löbliches Innere wahrscheinlich deine Königswohnung ist; sie ist bereits voll des glühendst fließenden Erzes, über dessen wogenden und dampfenden Spiegel sich ganze Scharen deiner mächtigsten Kämpfer allerschaudererregendst schwimmend befinden, und mit des Feuerstromes breiter und rascher Flut höchst wahrscheinlich in einen endlosen Abgrund hinabgeschwemmt werden. Das wäre mir ein Sieg, ganz gehorsamer Diener! Ich hoffe, du wirst doch wieder bald einen Feldzug gegen die Gottheit unternehmen! O Herr Je.......! die Flut hat bereits auch unsern Hügel erreicht, nun heißt es weiter fliehen, sonst werden auch wir beide in diese Schwimmanstalt der Gottheit aufgenommen werden.« – Der Prinzipal ersieht nun die höchste Gefahr und schreit: »Dorthin gen Abend, wo einige tapferste meiner Kämpen hinfliehen, fliehen auch wir, aber nur eiligst, sonst sind wir verloren.«

15 Spricht Kado: »Schöne Tapferkeit bei einem so gräßlichen Fersengelde! O, ich war ein großer Esel und überdümmster Teufel! Zwei so grundehrliche Boten hatte die Gottheit an mich schlechtestes Luder abgesandt, und ich verschmähte sie; nun sehe ich meinen allergräßlichsten Untergang, und kein Retter mehr naht sich mir.« – Schreiet der Prinzipal: »Fliehe! sonst bist du verloren; denn diese Flut ist arg, den sie begräbt, der ist begraben für ewig! Ich fliehe nun!« – Mit diesen Worten stürzt nun der Prinzipal jählings den Hügel hinab.

16 Der Kado aber bleibet, und schreiet dem Prinzipal nach: »Fliehe nur, Satan! Der ewigen, allmächtigen Gottheit wirst du ebensowenig entfliehen, als wie ich, der ich gar nicht fliehen will. Wir beide haben dies Los wohl verdient; daher werden wir ihm auch nicht entfliehen; denn der Gottheit Rachefinger umspannet die Unendlichkeit.« –


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