Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kapitel 221

Fortsetzung der Szene zwischen Josef und Migatzi. Letzterer als Jesuit und Freimaurer; wie dieser die Todeskrankheit Josefs erklärt, Josef warnt ihn, im Angesichte des Herrn zu sündigen. Migatzi verlangt Beweise. Josefs gute Rede vom Gottesbeweis: der Antichrist. Josef als guter Anwalt der Lehre Christi

Am 20. Juli 1850

1 Spricht der Erzbischof Migatzi: »Mein lieber, guter Freund, du kannst zwar reden, was du willst, und magst und kannst, das macht mir nichts; denn ich war keiner von jenen Pfaffen, die dir bei deinen kirchlichen Purifikationsarbeiten je irgend in den Weg getreten wären, obschon ich als Erzbischof und Kardinal zugleich es hätte tun können; kurz, alles was du mir hier gesagt hast, beleidigt mich nicht; aber daß du mich so gewisserart eines Attentats auf deine Persönlichkeit beschuldigst, das ärgert mich. Denn ich meine, daß ich wohl dein intimster Freund, und ganz im strengsten Inkognito eben so gut ein Freimaurer war, als wie du es warst, und daher auch wohl wußte, warum ich auf der Welt war, und warum einverstanden mit deinen Purifikationen. Ich erkläre es dir daher als ein allzeitig helldenkender Ehrenmann, daß du mit deinem Attentatsglauben rein am Holzwege bist (?).

2 Sieh', das Ganze deines Übels war für's erste schon ein angeborener Organfehler, bestehend in einer Art Kopf-Skrofeln, die aber dir so lange gerade keine besonderen Anstände machten, als du hinsichtlich der Venus dich mehr zurückhaltend benahmst; als du aber dieser sehr zu huldigen angefangen hast, und letzterer Zeit auch von einer gewissen Reizendsten so comme il faut angesteckt worden bist, da hat dein Kopfübel von diesem Gifte etwas eingesogen; du achtetest die Sache zu wenig, und die Ärzte haben wie gewöhnlich das Übel nicht erkannt, und dich ganz falsch behandelt, und so war es denn auch nicht anders möglich, als daß du am Ende ein Opfer deines Übels werden mußtest. Also du selbst, und niemand anderer war schuld an deinem entweder eingetretenen Irrsinne oder so du schon gestorben sein willst, an deines Leibes Tode. Beschuldige also fortan die Kirche nicht mehr; denn sie ist ganz unschuldig an deinem Übel, das dich so oder so zu Grunde gerichtet hätte.

3 Mir wäre es im höchsten Grade angenehm gewesen, wenn wir noch viele Jahre miteinander hätten Österreichs Völker leiten können; aber ein Fatum hat es so gewollt, daß du und ich samt dir vom großen Schauplatze unseres Wirkens haben abtreten müssen. Wir können die Gesetze der Unendlichkeit und ihrer Zeiten nicht verändern, und so sind wir beide entweder, wie du behauptest, gestorben oder nach meinem richtigeren Dafürhalten pensoniert und in eine geheime Irrenanstalt gebracht worden, aus der wir im strengsten Inkognito alle Jahre ein paar Male in's Freie hinaus einen Spaziergang machen dürfen und allein etwas genießen. Josef, sei gescheit! und halte diese Juden doch nicht für mehr als sie sind! Sollte dies aber auch die Geisterwelt und an Christus etwas gelegen sein, so wird sich dieser, gegenüber einem Kaiser und einem Kardinale, doch etwas anders präsentieren, als wie ein gemeinster Binkeljude! Was für Beweise hast denn du für deine Behauptung? Christus, ein Binkeljude! Aber ich bitte dich!«

Am 21. Juli 1850

4 Spricht Josef: »Aber ich bitte dich auch, eben in der allerhöchsten persönlichen Gegenwart Jesu, des Herrn, dich ein wenig anders zu benehmen, sonst wird es mit deiner Kardinalschaft bald aus sein. Die Geduld des Herrn muß zwar unergründlich groß sein, daß Er so gelassen solch einen Unsinn, wie er zwischen uns beiden zum Vorscheine kommt, anhören mag und kann; aber ob sie gerade ohne alle Grenzen ist, das möchte ich wohl äußerst stark bezweifeln; denn so oft Menschen und Geister zu lange, zu grell und zu hartnäckig zu sündigen anfangen, und von ihren törichten Bosheiten sich nimmer abwenden wollen, dann, glaube ich, wird Er solche Späße nicht gar zu lange Sich gefallen lassen. Hätte z.B. ich selbst auf der Erde den Anreizungen der Venus ein paar Jahre früher schon kein Gehör gegeben, wie der gute himmlische Vater mich durch allerlei Vorkommnisse meines Lebens davor wohl zu öftern Malen hatte zu deutlich wahrnehmbar machen lassen, so hätte ich vielleicht trotz allen Nachstellungen aller meiner Feinde um etliche zehn bis zwanzig Jahre länger leben und die Völker im Namen Gottes bestens regieren können; aber da ich diese heilsamsten Mahnungen des Herrn nur zu leicht in den Wind schlug, so ist dem Herrn über mich die Geduld nur so um ein ganz geringes ausgegangen, und ich mußte ohne Gnade und Pardon dem Leibe nach ins Gras beißen, und das schmerzlich und bitter genug. Also, Freund, setze die Geduld des Herrn nicht auf eine zu lange Probe!«

5 Sagt der Erzbischof Migatzi: »Aber lieber Freund! das mag ja alles sein, aber bevor ich mich vor Ihm als Christus, dem Herrn, gehörig zusammen nehmen kann, muß ich ja doch erst einsehen, daß Er es wirklich ist. Was nützt mir dein Reden? Beweise mir's zuvor, daß Er es wirklich ist, dann werde ich gleich anders zu denken und zu reden anfangen; ich habe dich ja nur um den Beweis gebeten; nicht aber daß ich von dir erführe, wie kurz oder wie lang etwa die Geduld des Herrn ist. Gebe mir Beweise, und es solle sich dann zeigen, ob ich da auch noch so dumm in den Tag hinein reden werde, wie nun.«

6 Spricht Josef: »So lange es dir dein eigenes Herz durch den Geist der Liebe nicht sagen läßt: Dieser ist es! so lange nützen dir auch alle Beweise nichts. Wird es dir aber dein Herz sagen: Dieser ist es! dann bedarfst du aber auch keines anderen Beweises; denn wer Jesus erkennen will, der muß Ihn lieben; wer aber Jesus liebt, der hat Ihn auch lebendig in sich; und das ist eben der alleinige Beweis, durch den jedermann Christus am ersten und am ungezweifeltsten erkennen kann und erkennen muß. Liebe Christus in diesem dir so sehr gering vorkommenden Juden zuvor aus allen deinen Lebenskräften, und es wird sich dann ja zeigen, ob hinter diesem Juden bloß ein Jude oder vielleicht denn doch etwas mehr steckt.«

7 Sagt der Erzbischof Migatzi: »Du bist aber doch ein närrischer Kauz. Wie kann denn ich in diesem Juden zuvor Christus zu lieben anfangen, als (bis) ich es weiß, daß Er es wirklich ist. Hieße denn das nicht die Gottheit Christi, so Er schon wirklich Gott ist, wie es die alte Mythe uns tradierte, tiefst herabsetzen und entheiligen, so man gleich ohne alles weitere Forschen und Denken in jedem nächstbesten Juden Christus, den Herrn, zu lieben und zu verehren anfinge? Christus unter jenen Gestalten des Brotes und Weines zu lieben, zu verehren und anzubeten, da tut sich's, indem Er Selbst diese Gestalten an seine Stelle als äquivalent eingesetzet hat; aber Christus in einem ganz gewöhnlichen Menschen, und Juden noch dazu, zu lieben, zu verehren und anzubeten anfangen, das Freund, hieße mit der Liebe zu Christus wahrhaftigst Schindluder treiben. Das werde ich wenigstens nicht tun; denn ist entweder Christus bloß nur eine fromme Volksfabel, so ist das eine wie das andere eine Dummheit; ist aber Christus im Ernste das, was uns die Mythe von Ihm überliefert hat, so wäre ein Nachkommen deiner Anforderung doch offenbar die gräßlichste Gotteslästerung, die mit der untersten Hölle bestraft werden müßte.«

Am 22. Juli 1850

8 Spricht Josef: »So, wäre (das) nicht übel! Was lehrt denn Christus Selbst? Sieh, du echter Pharisäer Roms! Er sagt: So aber jemand ein armes Kind oder einen armen Bruder aufnimmt in Meinem Namen, wahrlich, Ich sage es euch: Der nimmt Mich auf; wer aber Mich aufnimmt, der nimmt auch Den auf, Der Mich gesandt hat. So aber also der Herr Selbst Sich mit unsern armen Brüdern identifiziert, und sie Ihm Selbst wie unter Eins gleichstellt, was sollen denn hernach wir eines anderen Sinnes sein? Ich sage es dir: Nichts als unser Hochmut ist es, der einen allerglänzendsten und allergrößt erhabensten Gott sich einbildet, und läßt Christus in einer niedrigeren Bekleidung fahren, weil des Menschen hochmütige Seele nichts Niederes und demütig Aussehendes ertragen kann. Der Hochmütige nur wünscht sich einen Gott mit Krone und Zepter; der Demütige aber also, daß auch er sich's getrauen könnte, die Augen zu seinem freundlich und mehr ihm gleich aussehenden Gott zu erheben, und zu sagen: O Herr! wohl kommst Du im Kleide der herzlichen Demut zu mir armem Sünder; aber dennoch bin ich ewig nicht wert, meine Augen zu Dir emporzuheben. Was meinst du wohl, welcher aus beiden dürfte Christus dem Herrn der bei weitem Angenehmere sein?«


 << zurück weiter >>