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Kapitel 238

Der Offizier als tatkräftiger Heilsverkünder an die schaulustige Menge; derselbe treibt ihre Zweifel mathematisch aus, führt sie aus dem »Tal Josaphat« und danach zum Herrn

Am 30. August 1850

1 Der Offizier verneigt sich tiefst vor Mir und all' den anderen, und geht unter die Menge, und verkündet ihr das Heil auf eine sehr kräftige und energische Weise, so daß darob alle in eine Art Schwindel geraten, und die Weiber zu schluchzen und zu weinen anfangen. Denn einige Schwache meinen, es werde nun offenbar der Jüngste Tag kommen, an dem sie erweckt und gerichtet werden. –

2 Aber der Offizier herrscht sie ordentlich an und sagt: »O ihr albernen Weiber und Betschwestern übereinander! Wie fällt euch denn gar so etwas Dummes ein? Glaubet ihr denn, daß der Jüngste Tag gerade so aussehen muß, als wie die Pfaffen ihn euch vorgemalt haben? Es ist hier allerdings ein Jüngster Tag für uns alle, weil wir bis jetzt in der stockfinstersten Nacht gelebt haben, und Gott der Herr Selbst hat uns auferweckt an diesem Tage, ansonst wir in der ewigen Nacht der Weltirrtümer geblieben wären; und sehet, das ist ein rechter Jüngster Tag, an dem uns Heil für ewig widerfahren ist. Es ist und gibt auch wohl ein Gericht zum Tode, in dem wir eben ohnehin mit Haut und Haar gesteckt sind; aber das ist ein Gericht aus uns selbst und nicht aus Gott. Das Gotteswort selbst, durch das wir geworden sind, und die uns verliehene Willensfreiheit sind das, was uns richtet und richten muß, ansonst wir Steine ohne Leben wären. Haben wir uns aber aus unserem höchst freien Willen den Todesstoß gegeben, und können uns dann im Tode von selbst nimmer helfen, so kommt dann der Vater von oben mit Seinen Engeln und hilft den Toten wieder zum Leben. Wenn die Toten im Geiste dann wieder erwachen im neuen Tage zum ewigen Leben, so ist das für jeden Erweckten und Erwachten dann ein wahrhaftester Jüngster Tag, so wie auch für ein jedes neugeborne Kind jener Tag, an dem es in die Welt hinausgeboren ward, ein irdischer »Jüngster Tag«, wie dieser für uns alle nun ein geistiger ist zum ewigen unvergänglichen Leben in und bei Gott! Darum fürchtet euch nicht mehr so albern vor einem gewissen Schreckenstage, der wenigstens in dieser geistigen Welt ewig nimmer zum Vorscheine kommen wird und kommen kann. Heißt es denn nicht in der Schrift, so viel ich mich derselben noch entsinnen kann: »Und ich, spricht der Herr, werde ihn am Jüngsten Tage erwecken,« und nicht: Und ich werde ihn am Jüngsten Tage umbringen und verdammen. Schauet, schauet, wie albern ihr doch seid. Hätte Gott je gewollt, daß eine gewisse Art Wesen die Gräber der Toten bewohnen solle und gleich daneben die Hölle, so hätte Er diese Wesen auch sicher also eingerichtet, daß sie für Tod und Hölle ganz geeignet wären, so wie der Fisch für's Wasser und der Vogel für die Luft.

3 Uns Menschen aber hat Gott der Herr für's Licht erschaffen und nicht für eine ewige Todesnacht und Qualnacht; und so erweckt Er Selbst auch alle, die im Tode noch begraben daniederliegen. Seid daher weise und lasset euch belehren! Der Herr hat allen Menschen durch Seine göttliche Lehre das Beste vermeint; daß sie die Menschen aus Torheit und noch mehr aus Habsucht grundfalsch ausgelegt haben, da kann der Herr nichts dafür, denn Er läßt jedem den freien Willen. Also weg mit allen Skrupeln und folget mir zum Herrn hin! Er wird euch alle selig machen, nach dem Maße der Fähigkeit eines jeden aus euch.«

4 Sagen die Weiber: »Aber lieber Freund! es steht ja ausdrücklich in der heiligen Schrift, daß nach der Auferstehung alle im Tale Josaphat werden zusammengetrieben werden, von Adam angefangen bis auf den letzten Menschen, der auf der Erde leben wird; und dort werden sie sehen den Sohn Gottes ankommen in der Mitte Seiner heiligen Apostel, aller sonstigen Heiligen und Märtyrer, begleitet von zahllosen Engelscharen, und da wird sich dann der erschreckliche Richter auf den Richtstuhl setzen, und richten die Toten und die Lebendigen. Siehe, das steht auch in der heiligen Schrift. Wie erklärst denn du dir solche Schreckensworte?« –

5 Sagt der Offizier: »Meine lieben Weiber! könnet ihr es glauben, daß unser lieber Gott und Vater eine viereckige Kugel erschaffen kann oder machen, daß ein Kinderröckchen, ohne daß es größer wird, einem Riesen am Leibe schlottern werde? Ohne den Riesen so klein zu machen als wie ein Kind oder das Kleid riesenhaft auszudehnen wird es sich nicht tun. Was meinet ihr?« – »Ja, ja,« sagen die Weiber und Männer, »das möchte sich freilich nicht tun, und mit einer viereckigen Kugel möchte es doch etwas hart hergehen.«

6 »Gut,« sagt der Offizier weiter, »wir sind nun schon Geister in der Geisterwelt; kommet ihr euch größer oder kleiner vor, als wie ihr auf der Welt waret?« – Sagen alle: »Da finden wir gar keinen Unterschied, vorausgesetzt, daß wir denn in Gottesnamen schon wirklich gestorben sein sollen.« – Sagt der Offizier: »Nun gut; nur eine kleine Geduld! Jetzt werden wir bald dort sein, wo wir sein müssen, um das Tal Josaphat besser zu begreifen. Daß wir Gottlob alle wirklich in der Geisterwelt uns befinden, welche besser »die Welt der Wahrheit« heißen sollte, ist nun schon zu evident hell und klar, und bedarf durchaus keines Beweises mehr; aber ob wir auch wirklich so groß sind, als wie groß wir auf der Welt waren, das muß sich ein wenig vergleichsweise erörtern lassen; aber wie?

7 Ich meine, das solle eben nicht eine zu schwere Aufgabe sein. Versuchen wir die Geschichte! Sehet, da steht der Stephansturm, der Dom, die Häuser alle noch gerade also vor uns, als wie wir sie auf der Welt in unseren Leibern viele tausend Male gesehen haben, und wir stehen hinsichtlich unserer Größe im selben Verhältnisse zu ihnen, als wie wir auf der Welt zu ihnen gestanden sind. Ich habe noch meine fünf Schuhe und etliche Striche, als wie ich sie auf der Welt gehabt habe. Also bemerke ich auch bei euch die ganz natürliche Größe, wie ihr sie auf der Welt gehabt habet. Kurz und gut, wir sind hier der Gestalt nach eher größer als kleiner geworden. Der größte Beweis aber liegt darin, daß dort Gott der Herr Selbst, Dessen Gestalt sicher kein Trug ist, eben so groß ist, als wie wir es sind. Nun, auch über diesen Skrupel wären wir hinaus. Jetzt aber gebet acht, denn nun werden wir ein wenig rechnen.

8 Ich war noch als Kadett einmal bei einer Expedition in Asien und habe das gute Tal Josaphat gesehen, es liegt eben nicht sehr ferne von Jerusalem, und ich dachte mir so meinen Teil dabei; denn die Täler des gelobten Landes sind durchaus schmal, ziemlich steinig, und gar nicht lang. Ein Tal von mehreren Meilen Länge und etwa von einer halben Meile Breite gehört dort zu den größten Seltenheiten. Weiter über Damaskus hinaus gegen Babylonien und gar Persien hin gibt es dann schon sehr lange und breite Täler; aber im gelobten Lande, als Judäa, Mesopotamien, und wie die einzelnen Landstriche alle heißen, findet man nur mehr schmale Schluchten und Gräben; selbst das Tal am Jordan, eines der ansehnlichsten, ist durchaus nicht breit und eben auch gar nicht lang; und das ist eben auch das Tal Josaphat, nicht breit und nicht lang.

9 Wenn ich in das Tal 200.000 Mann lege, so darf die Mannschaft sich schon um einen Platz umschauen, wo sie ihr Lager aufrichten wird. So ich aber erst eine ganze Armee von 5 bis 6 mal hunderttausend Mann hineinlege, so würden die Soldaten wie die Pickelheringe beisammen stehen und das ganze Tal so ausfüllen, daß sich wegen des Gedränges kaum jemand würde umdrehen können. Eine Million Menschen im Tale Josaphat müßte vor lauter Gedränge Blut zu schwitzen anfangen. Nun denket euch aber hundert Millionen Menschen ins Tal Josaphat hinein! Frage, wo würden diese Platz finden? Seht, mit hundert Millionen Menschen bevölkere ich das ganze große Kaisertum Österreich so, daß es ob der Häuseranzahl einer nahe kompletten Stadt gleichen wird. Wohin also mit hundert Millionen im Tälchen Josaphat? Nun denket euch aber erst tausend Millionen Menschen, die fest aneinandergestellt wenigstens einen Flächenraum von sieben Quadratmeilen vollends bedecken würden. Wir rechnen aber jetzt wenigstens 5.000 Jahre, während welchem bedeutenden Zeitraume auf der Erde in runder Zahl genommen wenigstens zwei bis dreimal hunderttausend Millionen Menschen gelebt haben; und wie viel noch darauf leben werden, das wird unser lieber Herrgott wohl am besten wissen! Und diese erschreckliche Menschenmasse solle im Tälchen Josaphat am jüngsten Gerichtstage natürlicher Maßen Platz haben?!

10 Schaut, schaut, Leutchen! und denket nur ein kleines bißchen nach, und euch muß ja doch die große Ungereimtheit auffallen! Wenn so was möglich sein solle, so müßte entweder die ganze Erde zum Tale Josaphat umwandelt werden oder die Menschen müßten in die Größe der Infusionstierchen zurückgedrängt werden, um im Tale Josaphat auf einmal Platz zu haben; den lieben Engeln Gottes müßte aber dann geraten werden, sich ja mit den besten Himmelsmikroskopen zu versehen, um bei dem Absonderungsgeschäfte nach dem ergangenen erschrecklichsten Urteile die Guten von den Bösen zu scheiden; und das wäre wirklich eine kurios saure Arbeit für die guten lieben Engel Gottes. Würde aber die ganze Erde zum Tale Josaphat umgewandelt werden, da könnten ja dann nicht alle zugleich den allergestrengsten Richter sehen, und das schreckliche Urteil auch nicht auf einmal vernehmen, sondern erst nach dem Ablaufe von 24 Stunden, und der Herr müßte da das Urteil wenigstens alle Sekunden einmal aussprechen, und schon mit einer ungeheuer starken Stimme, denn die Erde macht in jeder Sekunde eine Rotationsbewegung von ungefähr fünf deutschen Meilen, und es gehört, wenn man die ganze Schriftsache materiell auslegen will, so ein hübsches Kanonenstimmchen dazu, um auf nur wenigstens drei Meilen vernommen zu werden.

11 Ihr sehet nun leicht ein, welche Albernheiten da am Ende heraus kommen müssen, wenn man das Wort Gottes, das doch nur den allerreinst geistigen Sinn haben muß, ganz buchstäblich und somit materiell nimmt. Man muß das Wort Gottes, weil es durchgängig geistig ist, auch stets geistig nehmen, so man zur Wahrheit gelangen will, die allein erst das menschliche Gemüt von allen Albernheiten und absurdesten Dummheiten frei macht.

12 Sehet, das Tal Josaphat seiner besonderen Lage und seines Charakters wegen, und auch wegen der geringen Fruchtbarkeit ist häufig zu Begräbnissen von angesehenen Familien benutzt worden, und wie man bei uns sagt: Am Friedhofe kommen am Ende alle zusammen, Groß und Klein, Reich und Arm, Jung und Alt, und Freund und Feind; das Gleiche bezeichnet man auch mit dem »Tale Josaphat«. Auch bezeichnet im engeren Sinne dieses Tal wegen seiner Enge und Unwirtlichkeit das Grab selbst, und im geistigen Sinne die Geisterwelt in so weit, als wie wir uns bis jetzt in der selben befunden haben; denn auch die Geisterwelt ist solange ein Totengrab für den Geist des Menschen, bis diesen Gott der Herr durch Seinen heiligen, allmächtigen Liebewillen, wie nun uns, daraus erweckt hat.

13 Wir waren also bis jetzt im eigentlichen Tale Josaphat; nun kam aber der Herr mit aller Herrlichkeit Seiner unbegrenzten Liebe und Erbarmung, und hat uns durch Seine Gnade eine lebendige Richtung gegeben. Daher sollen wir denn nun auch nicht mehr an das denken, was nicht ist, sondern wie wir Ihm danken sollen für solche endlose Gnade. Kommet daher nun mit mir und gebet dem Herrn die Ehre, da Er euch nun aus dem Tale des Todes und Gerichtes erlöset hat!«


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