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Kapitel 225

Der Orgel-Exzorzismus. Dummheit und Bosheit. Die Willensfreiheit muß bewahrt bleiben. Jesus Wunder und deren Wirkung. Ein gutes Wort findet auch bei dieser Mission einen guten Ort. Eine Kur der Stolzen. Beispiel vom Feldherrn. Plötzlich im Stephansdom

1 Nach einer Weile vernehmen wir Orgeltöne, und zwar die Melodie des sogenannten Tedeum laudamus. Josef fragt Mich, sagend: »Herr, Du bester, heiligster Vater, was solle denn das bedeuten? Welchen Gott loben denn diese, Deine offenbarsten Widersacher? Denn von Dir kann da doch ewig keine Rede sein, welchen Gott also haben sie denn?« –

2 Sage Ich: »Ja du, Mein lieber Bruder, meinst denn du, daß sich die je um irgend einen Gott bekümmert haben? Sieh, Gott ist ihnen ganz etwas Gleichgültiges; dieses Loblied gehört zu ihrer leeren Zeremonie, und hat für sie als Sache selbst gar keinen Wert, außer daß es ihnen, so es außerordentlich geschieht, Geld, und das nicht wenig trägt. Hier aber soll es bloß als ein Schreckmittel Dienste tun, um uns als vermeinte Teufel in die Flucht zu treiben, indem sie der Meinung sind, daß die Teufel überaus dumm sind und sich auch schon durch scheinbar frömmliche Dinge sogleich in die Flucht treiben lassen. Auf diese Dinge halten zwar die meisten Pfaffen bei sich selbst nichts; aber sie üben sie dennoch deshalb aus, um damit die Dummheit noch breiter zu machen, als sie es ohnehin schon ist. Also das ist der Grund denn auch nun, daß wir bei solchen geweihten Tönnen sogleich davon laufen sollen.« –

3 Sagt Josef: »Nicht übel, nicht übel! Aber gibt es denn nichts, um diesen Kerlen einen so recht derben Schabernack entgegen zu senden, so daß sie vor Angst speien sollen? Vielleicht könnte so etwas diese Wesen auf andere Gesinnungen bringen.« –

4 Sage Ich: »Das darf aus zwei Hauptgründen nicht geschehen; erstens: Um sie nicht in ihrer Freiheit zu stören, da kein gebundener Geist mehr irgend etwas zu seiner Besserung leisten kann, und an und für sich so gut wie tot ist; und zweitens könnte man diese Geister, die selbst an gar keine Wunder glauben, obschon sie das Volk durch lauter Wunder blenden möchten, auch durch was immer für ein auch noch so reines Wunderwerk nie zu irgend einem Glauben bringen; denn sie würden die großartigsten Wunder gerade so ansehen, als wie zu Meiner Zeit auf der Erde die Priester und Schriftgelehrten alle Meine Wundertaten aufgenommen und angesehen haben.

5 Siehe, bei Meinem Tode zerriß der Vorhang im Tempel von oben bis unten in zwei Teile; die Bundeslade verschwand und ward hernach nicht mehr irgendwo gesehen; Sonne und Mond verloren ihr Licht; die Gräber öffneten sich, und die Verstorbenen kamen aus den Gräbern, und verkündigten vielen Meine Ehre; viele Heiden schlugen sich an die Brust und sagten: Dies war wahrhaftig ein Gott! und glaubten darauf fest an Meinen Namen. Aber die Priester und Schriftgelehrten wurden darauf nur noch härter und verfolgten mit aller Energie Meine Schüler und Meine Lehre. Mehr kann man denn doch nicht tun, als einen Lazarus, der bereits vier Tage im Grabe gemodert hatte, vom doch gewiß sichersten Leibestode erwecken, und ihn frisch und gesund den Seinen wieder geben. Welchen Effekt aber hat diese gewiß keinem Menschen mögliche Tat bei den Priestern, Pharisäern und Schriftgelehrten zuwege gebracht? Nichts anderes, als daß sie hernach desto energischer zu beraten anfingen, Mich aus der Welt zu schaffen. Aus dem kannst du, Mein lieber Bruder, schon ersehen, wie wenig bei diesen Wesen, die noch zehnmal ärger sind als die jüdischen Priester, Schriftgelehrten und Pharisäer zu Jerusalem es je waren, ein wie immer geartetes Wunder wirken würde. Ein gute, wahrheitsvolle Rede ist und bleibt noch immer das beste und allerunschuldigste Mittel, um solche Wesen auf einen besseren Weg zu bringen, obschon vorderhand bei diesen hier nicht viel zu erhoffen sein wird.« –

6 Sagt Josef: »Ja, das ist gewiß und wahr, bei diesen wird sich wenig machen lassen! Neugierig aber bin ich doch, was die Kerls nun machen werden, und womit sie zum Vorscheine kommen.« – Sage Ich: »Siehe nur hin dort, wo noch der Höllenrachen in künstlicher Glut sich befindet; von dort aus wird nach plötzlicher Verwandlung dieser höllischen Spektakelszene die neue Prozedur beginnen; aber nur mußt du dich nicht ärgern; denn diese legen es geflissentlich darauf an, daß wir uns wohl recht in die Haut hinein ärgern sollen, und so wir uns darob wirklich ärgern würden, so würde das für sie gerade ein Triumph sein. Diesen aber ersparen wie ihnen, so wir uns auch nicht im geringsten ärgern, und dafür den Ärger zu ihnen selbst zurücckehren lassen, der ihnen dann am ersten ihre vollste Ohnmacht zeigt, und sie zu demütigen beginnt.

7 Einen stolzen Geist kann man durch nichts eher zur Demut bringen, als wenn man ihm von allen seinen Plänen aber auch nicht einen gelingen läßt. Siehe an die stolzen Feldherrn, welch eine ungeheure Meinung haben sie von sich, wenn sie irgendwo über den Feind einen Sieg erfochten haben; trete wer zu ihnen, und sage es, daß der Sieg nur ein zufälliger war und durch ein glückliches Ungefähr herbeigeführt wurde; von Mir darf da freilich schon gar keine Erwähnung geschehen. Nun, der einem Feldherrn so was sagen würde, dem möchte es doch nicht am besten ergehen. Ich aber lasse so einem Feldherrn hernach eine Niederlage um die andere überkommen, und der große Mann sitzt dann bald irgendwo ganz ruhig, und verzehrt ganz gemächlich seine Pension, und vergißt am Ende alle seine Heldentaten, und wird oft ein recht lieber und artiger Mensch. Und so wollen wir es auch nun mit diesen Pfaffen, wie mit allen auf der Erde machen, und du wirst es sehen, das wird die möglichst beste Kur für sie sein. Darum denn nur keinen Ärger über sie, lieber Freund und Bruder!«

Am 1. August 1850

8 Spricht Josef: »O Herr, ich sehe es nun klarst ein, daß Du ganz vollkommen allein in allen Punkten Recht hast; ja, so ist es am besten, und so allein nur kann es gehen; aber wegen dem Sich-Ärgern oder Nicht-Ärgern, da hat es seine geweisten Wege. Wenn Du, o Herr und Vater, nicht jemandes Herz ganz mit Deiner Sanftmut erfüllest, der kann tun, was er will, mag und kann, und denken so viel es ihm nur immer möglich ist, so wird er sich vor dem Ärger dennoch nicht völlig enthalten können, wenn er diese Wesen so schmähliche Sachen und Dinge durch lauter selbstsüchtigsten Trug, und die eigennützigste Lage zuwege bringen sieht. Habe ich doch auf der natürlichen Erde viele Hunderte von den miserabelsten Gelegenheiten gehabt, wie eben die Pfaffen von oben bis unten mir am meisten mit ihren Gesuchen und Rekursen (Einsprüchen) in den Ohren gelegen sind, und mir aus den selbstsüchtigsten Gründen, die man von weitem erkennen mußte, derart lästig geworden sind, daß ich sie alle hätte totschießen mögen. Jeder andere Mensch hatte vor mir, als einem Kaiser, seinen gemessenen Respekt und die möglichst höchste Achtung; – aber diese Brut, besonders so es etwas Kirchliches galt, woraus für ihren Sack ein bedeutender Vorteil heraussah, war dir doch so dreist, als wie eine Sommerfliege, und gab eher keine Ruhe, als bis sie, so es nimmer gerade gehen konnte, auf den allerverschmitztesten Kriechwegen, Schleichwegen und Krummwegen am Ende dennoch das erreichte, was sie hatte erreichen wollen. Und so ich dann hinter so etwas kam, ja da mußte ich mich denn doch wieder ärgern bis zum Grün- und Gelbwerden. Hier in dieser Welt aber kommt das noch viel ärgerlicher heraus, indem man sogleich bei jeder geringsten Bewegung nur zu klar einsieht, welch eine allerniedrigste Absicht diese geistigen Lumpen und Spitzbuben mit jeder ihrer Handlungen, ja mit jeder ihrer Mienen verbinden.

9 Sie spielen die Frommen, um's zahlende Vertrauen ihrer Schafe zu wecken; sie gehen barfuß einher; um den Schafen glauben zu machen, daß sie demütig sind und daß ihre Demut sehr viel Geld wert ist; sie beten öffentlich mit andachtsvollen Mienen, um die Goldminen ihrer gläubigen Schafe locker und transzendent zu machen; sie machen bei ihren Messen ganz entsetzlich tiefe Referenzen; und beugen ihr Haupt nahe bis zur Erde, um den Schafen zu zeigen, von welch einer allerunbegrenztesten Hochachtung und Ehrfurcht sie vor dem Tische Gottes durchdrungen seien; aber bei ihnen selbst glauben sie nichts, und tun das nur, um desto mehr Meßopfer anzulocken; denn die Blindschafe meinen, daß eine Messe mit solch einer sichtlichen Andacht gelesen schon für alle Übel, die nur immer auf der Erde gang und gäbe sind, gut sein muß. So sind die sogenannten schönen und gewöhnlich neueren kirchlichen Paramente (Altardecke bzw. Fahne) viel stärker geweiht, und haben die geheime doppelte Weihe, weil sie angerührt sind; deshalb aber kosten sie auch mehr, als die alten schon mehr zerlumpten und beschmutzten.

10 O Herr, eine zahllose Menge solcher Dinge gibt es bei dieser echten Gespensterkaste, über die, so man auf ihren Grund gekommen, man sich über alle Maßen ärgern muß! Aber was kann man dabei tun? Nichts als zusehen eine zeitlang, und wenns einem am Ende zu arg wird, drein schlagen wie ein ägyptisches Donnerwetter. Es ist richtig, daß diese Lumpen es darauf anlegen werden, uns zu ärgern, und wir uns aber dennoch nicht ärgern sollen, um ihnen keinen Sieg über uns einzuräumen. Aber der Kuckuck halte es aus! So ich nur einen sehe, da dreht sich bei mir schon alles fest weg um und um. Wie gesagt, Herr und Vater, so Du mich nicht besonderns hältst, kann ich nicht gut stehen, ob ich mich nicht ärgern werde.

11 Aha, aha! nun ist die Hölle schon ganz verschwunden, und wir stehen nun auf einmal ganz in optima forma inmitten des Stephansdomes, der noch ganz so aussieht, wie er bei meinen Lebzeiten ausgesehen hat. Jetzt kommen die rotbemäntelten Kirchendiener, um Kerzen anzuzünden; sie zünden alle Kerzen an, und decken den Hochaltar ab. Nun, am Ende werden sie uns gar mit einem levitierten Amte hinausheizen wollen. Die Geschichte wird ja recht lustig und possierlich. Freund Migatzi, wie kommt denn dir diese Geschichte vor?« –

12 Sagt Migatzi: »Wie solle sie mir wohl je anders als dumm überdumm vorkommen! Aber ärgern kann ich mich wahrlich nimmer darüber, weil die Sache zu ungeheuer dumm ist; aber lachen, ja, so viel du nur immer willst. Denn darüber kann sich kein Mensch mehr ärgern, so diese allerborniertesten römischen Dummköpfe sich auch als Geister nicht wollen kurieren lassen. Lassen wir das alles unserem lieben, guten Herrn und Vater über, und seien wir guten Mutes und guter Dinge; diese Wesen aber lassen wir ungestört machen, was sie wollen: das wird für sie auch sicher die beste Kur sein. Was nützt uns da all das Aufzählen von den allerungebührlichsten Sachen und Dingen, von allen den Lügen und Betrügereien, von allen den Filustückeln und Grausamkeiten dieser Wesen und ihrer Konsorten? Sie sind darum dennoch, wie sie waren, und wie sie auch höchstwahrscheinlich verbleiben werden: denn wir zwei werden nichts ändern an ihnen.«

13 Sagt Josef: »Da hast du allerdings recht; denn an diesen ist im buchstäblichen Sinne des Wortes und der Bedeutung nach die Taufe und das Chrisam lange total verdorben, und es wird an ihnen darum auch schwerlich je etwas zu bessern sein; aber ich selbst bin von der Art, daß es mir gerade leichter geschieht, wenn ich mich so ein wenig meines Ärgers dadurch entledige, wenn ich hier vor dem Herrn, und eben auch vor den Ohren jener Weltlumpen ihre Hauptstückchen ihnen ins Gedächtnis zurückrufe, auf daß an ihnen erfüllet werde, was der Herr Selbst auf der Welt allen solchen Hauptlumpen verheißen hatte, da Er ganz ausdrücklich sagte: Von den Dächern herab wird man's euch laut verkündigen, was ihr im Geheimen Arges getan habt! Sie halten nun ein gespenstisches Hochamt; bis sie fertig sein werden, kann ich mich noch von so manchem entledigen, was mich drückt.«


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