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Kapitel 234

Robert an einem engen Pförtchen; sein Widerwille gegen das Militär, und deshalb seine Aufgabe, nun diese Rotte mit Liebe zu gewinnen. Des Herrn Rede über die ausnahmslos allgemeine Menschenliebe. Des Herrn fortwährendes Opfer um der Gewinnung der Verirrten willen

Am 24. August 1850

1 Spricht Robert: »O Herr! das wird, wie ich es so im voraus betrachte, eben von meiner Seite aus nicht am besten gehen, denn der Soldatenstand ist eben meine schwache Seite nie gewesen; und wo ich nur immer einen Soldaten gesehen habe, da hat sich auch allezeit ein ganz eigener Ingrimm meines Herzens bemächtigt, dessen ich beim besten Willen nicht Meister werden konnte. Denselben Ingrimm empfinde ich auch jetzt noch, obschon ich mich durch Deine Gnade zu wenigstens halbvollendeten Geistern zählen darf. Solle ich nun diese Soldaten bekehren, so müßte ich irgend eine Liebe oder doch wenigstens einen gewissen Geschmack ihnen abgewinnen können; das aber scheint mir, je mehr ich mich mit meinem Herzen beratschlage, eine reine Unmöglichkeit zu sein; denn diese Art Menschen sind nichts als pure Maschinen, die sich wie abgerichtete Tiere nach einem gewissen Kommando bewegen; was ihnen befohlen wird, das tun sie, ohne sich auch nur zu fragen, ob es recht war oder nicht. Nehmen wir den Belagerungszustand an; jede Wache hat die Weisung, jedermann ohne Ausnahme, der auf ein dreimaliges Anrufen keine Antwort gibt, sogleich niederzuschießen. Setzen wir aber den Fall, der sehr möglich ist, und sich auch schon öfter wirklich ereignet hat, daß ein Taubstummer sich einem besonders heiklichen Posten der Wache unwissend über die Gebühr nähert; die Wache ruft ihn nach Vorschrift dreimal an; der Angerufene kann ihr natürlich keine Antwort geben, was geschieht nun? Der Posten oder der Wachsoldat zielt, und schießt den Taubstummen ohne weiteres Knall und Fall über den Haufen. Frage: Wie ist solch eine Handlung zu betrachten? Was für ein Herz gehört dazu, das nach einer Hinrichtung eines armen Bruders so ganz mir und dir nichts seinen mechanischen Dienst weiter fort verrichten kann; als ob da gar nichts vorgefallen wäre?

2 Ich weiß wohl, daß der Soldat gezwungen ist, also zu handeln, aber das entschuldigt die Sache bei mir durchaus nicht; denn es ist schlecht, daß man Menschen als Hunde gebraucht, und eben so schlecht ist es, daß sich Menschen als Hunde und reißende Wölfe gebrauchen lassen. Leider, daß da Millionen denselben Weg wandeln, und bis jetzt noch keine Abänderung weder von der einen, noch von der anderen Seite geschehen ist.

3 Du siehst also, wie Du es schon lange gesehen hast, daß ich unmöglich ein Freund des Soldatenstandes werden kann, und somit auch mit dieser vor uns stehenden Truppe sicher sehr schlechte Geschäfte machen würde, so ich mit ihr belehrend zu unterhandeln anfinge; darum bitte ich Dich, o Herr, übertrage dies Geschäft an irgend jemand Tauglicheren; denn mein ganzes Gemüt sträubt sich ganz gewaltig dagegen, besonders hier in dieser Stadt, in der ich, wie Dir die Gründe nur zu bekannt sein müssen, eben den Soldatenstand von einer zu elenden und überschmählichen Seite habe müssen kennen lernen. Ich habe es ihnen wohl vergeben, die an mich die Hand gelegt haben, aber dem Stande selbst kann ich nimmer ein Freund werden.«

4 Sage Ich: »Eben deshalb, weil dir dieser Stand noch gleichfort ein Dorn in den Augen ist, übertrage Ich dir dieses Geschäft. – Ich sage dir, Mein lieber Sohn, du könntest nicht wahrhaft eingehen in Mein Reich, so du diesen Dorn nicht aus deinen Augen brächtest. In Meinem Reiche herrscht nichts als nur die allerreinste Liebe, die vollends frei sein muß von allem, was auch den allerleisesten Schein nach irgend einer Unversöhnlichkeit hat. Du mußt der Welt, was ihr angehört, eher alles bis auf den letzten Heller zurückerstatten, bevor du ein Bürger Meines Reiches in Hülle und Fülle werden kannst.

5 Weg also mit allem, das noch irgend einer Unversöhnbarkeit nur allerleisest riecht! In jeder Sekunde mußt du aus deinem ganzen Gemüte deine Arme für Millionen ausbreiten können; dein Bruderkuß muß allen Wesen der ganzen Schöpfung gelten, ob sie dir genehm oder nicht genehm sind; ob Freunde oder Feinde, das muß dir vollends ein ganz gleiches sein; denn so es in Meinem reinsten Liebereiche auch gewisse bedenkliche Rücksichten gäbe, wie sähe es dann bald mit der Weltenregierung aus?

6 Auf der Erde hast du oft sehen können, wie Ich Meine Sonne über Gute und Böse habe scheinen lassen, ohne den geringsten Unterschied, und den Regen goß auf das Feld Meiner Verächter eben so gut, wie über's Feld Meiner intimsten Verehrer und Anbeter. Warum aber tat Ich das? was Ich auch recht gut hätte anders machen können; weil Ich Selbst die allerreinste Liebe bin, und in Mir ewig nie eine Rache oder auch nur der leiseste Schein von irgend einer Unversöhnlichkeit Platz greifen kann. Mein innerster Wunsch und Wille geht unverwandt dahin aus, alle Wesen so frei und so selig als nur immer möglich zu machen! und solle, so es möglich wäre, dies auch auf Kosten Meiner höchst eigenen Seligkeit geschehen, wie es auch zeitweilig schon geschehen ist, und noch geschieht. ° Ich gehe nun schon eine geraume Weile mit dir um, und du kannst nicht sagen, daß Ich Mich oft dir entzogen habe.

7 Für Mich als das urvollkommenste Wesen der Wesen ist es sicher nicht so selig unter unvollendeten Wesen, die Mich nur zu oft gar nicht erkennen und nicht erkennen wollen, zu weilen, und sie mit aller Geduld und zartesten Sanftmut zu leiten, als so Ich Mich unter Meinen vollendetsten Söhnen und Brüdern befinde, in Meinem Reiche der reinsten Liebe und des hellsten Lichtes, aus dem Zentrum Meines Herzens ausstrahlend; aber Ich tue es dennoch, weil Meine höchst eigenste reinste Liebe es Mir zu einer Pflicht auferlegt. Also mußt auch du dir so manches gefallen lassen, und stets dahin trachten, Mir in allem vollends ähnlich zu werden. –

8 Siehe, ein Soldat ist zwar an und für sich ein Feuer, welches zerstört, tötet und verwüstet; aber denke dir ein Land, in dem es durchaus unmöglich wäre, ein Feuer zu erhalten und zu unterhalten; könnte in solch einem Lande wohl jemand bestehen? Sicher nicht, denn wo kein Feuer bestehen kann, da gibt es auch keine Lebensluft, und ohne die kein animalisches Leben. So aber in einem großen Volksstaate es keine Waffenleute gäbe, wo wäre da die Sicherheit des nötigen Eigentums, des Lebens, und der Aufrechterhaltung der Odnungsgesetze zu suchen? Siehe, das was dem Leben zwar im Übermaße gefährlich werden kann, das muß auch hauptsächlich das Leben erhalten, und deshalb ist der Soldatenstand durchaus nicht so schlecht, als wie du es meinest; im Gegenteile ist der Soldatenstand für jeden Völkerstaat nur sehr nützlich und unentbehrlich, und daher mußt du ihn durchaus nicht mehr mit feindlichen Augen betrachten, sondern mit den Augen der reinen Liebe, der wahren Gerechtigkeit und Ordnung, und dir dabei denken: Auch ein Soldat ist mein Bruder! Daß er eine Maschine des Gesetzes ist, das geht dich nichts an, und darf dich nichts angehen; denn es muß ja Maschinen des Gesetzes geben, auf daß aus und unter dem Gesetze eine wahre und für ewig dauernde Freiheit erkeimen und erwachsen kann.

9 Muß von Mir aus nicht ein jeder Weltkörper eine Gesetzesmaschine sein, auf daß auf demselben freie Wesen ungestört zum wahren Leben heranreifen können? Was wäre aber mit den Menschen, so die Weltkörper keine Gesetzesmaschinen wären? Denke dir eine freischwebende Erde voll freien und unbeschränkten Willens, wie würde die mit ihren Schmarotzereinwohnern verfahren, so sie ihr fühlbar lästig werden würden? Also Freund! bedenke das alles, und du wirst dem Soldatenstande sicher geneigter werden, als wie du es bis jetzt warst, und wirst dich nun auch leichter an das dir anbefohlene Geschäft machen, was unumgänglich nötig ist zu deiner gänzlichen Vollendung, ohne die du in Mein Reich nicht eingehen könntest. Denn siehe, darin liegt eben der Hauptgrund, warum du noch einmal mit Mir Selbst nach Wien dich hast begeben müssen. Fasse dich, und mache dich an das Geschäft; Ich sage dir, daß es besser gehen wird, als du es meinst; denn Gesetzesmaschinen sind allezeit leichter zu leiten, als jene, die da Gesetze geben.«


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