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Der Zollsergeant examiniert den Herrn. Politische Rede des Zöllners über diese sonderbare Gesellschaft. Des Herrn gute Rede an den noch weltpflichteifrigen Zöllner. Der Steuerbeamte geht dem Herrn nach
1 Aber der Sergeant ist noch ganz in Wien, und ganz von den Pflichten seines Amtes durchdrungen, und sieht und hört daher aber auch nichts anderes, als das nur, was seines vermeintlichen Amtes ist. Nur etwas bescheidener wird er nun, weil ihn alle Gehilfen rein im Stiche gelassen haben. Er begibt sich daher zu Mir hin, und fragt Mich, wer denn Ich etwa wäre? wie Ich heiße? und ob Ich keinen Paß oder sonstige Ausweisung besäße?« –
2 Und Ich sage zu ihm: »Wir kommen direkt aus den höchsten Himmeln hierher; Ich bin Christus der Herr, und bin nun gekommen hierher, die Toten zu erwecken, und die Verlorenen aufzusuchen, und die Kranken zu heilen; und allen die eines guten Herzens sind, solle ein großes Heil widerfahren!« –
3 Spricht der Sergeant, zu dem sich auch noch einige Individuen gesellen, die im Mauthause sich befanden: »Gut gesprochen! Du bist noch der gescheiteste Narr aus all den früheren, in denen sich sogar wühlerische Verschmitztheit beurkundete, indem sie ihre Narrheit mehr als einen Deckmantel ihrer verbrecherischen geheimen Absichten vorschoben, und mich so sub bona fide täuschen wollten; aber da ich Argusaugen habe und das Gras wachsen höre, so kann ich nicht so leicht übertölpelt werden. Ich kenne mich aber nun mit euch ganz genau aus, und weiß woran ich bin, und so muß ich euch wegen allerhöchsten geheimen Willens ja wohl passieren lassen. Das heilsame Placetum regii ist aufgehoben, und der katholischen Kirche freiestes Schalten und Walten in ihrer klerikalen Sphäre eingeräumt; und so kann und darf sich auch ein exponierter Sergeant auf einer Linie nicht mehr wundern, so ihm von Zeit zu Zeit nun gewisse verkappte Jesuiten und Liguorianer in allerlei Gestalten vorkommen werden! Es wird bald wieder Ablässe und Wunder zu regnen anfangen; die Jakobsleiter wird wieder repariert und zwischen Erd' und Himmel aufgestellt werden, auf der Engel, Apostel, die seligste Jungfrau, andere Heilige, und nicht minder auch Christus Selbst aufsteigen und absteigen werden, natürlich um's Geld und andere kostbare Buße. Und ihr seid schon die erste Probe! Deo gratias! Ja, ja, wir kennen uns schon aus beim Herausfassen! Schön, schön, das kann sicher so manchen sehr viel Trost gewähren! oder was?
4 Ihr könnet nun schon weiter ziehen; hätte ich das eher gewußt, von welchem Geiste ihr getrieben werdet, so hätte ich euch ja kein Hindernis in den Weg gelegt, wozu ich auch die gemessene geheime Weisung habe. Aber die Zusammenstellung ist wahrlich als vollkommen gelungen zu betrachten bis auf den Robert Blum, und bis auf die unverkennbare Schwarzmaxl-Lenerl, die doch sicher jeder lustige Wiener in vielfacher Hinsicht kennt. Der eigentliche Blum wird zwar von Kopfschmerzen und anderen Schmerzen nicht viel mehr geplagt sein; aber die Erfindung eines Pseudo-Blums ist gut! Denn wer den rechten Paganini nicht hören konnte, der stellt sich nachher doch mit einem falschen recht gemütlich zufrieden; und dieser Name hat noch viel geheimes Gewicht in Wien! Auch eine travestierte (verkleidete) Barrikadenheldin aus Oberlerchenfeld ist wahrlich für eure Zwecke nicht schlecht; denn zum Gimpelfange gehört ja allerdings so ein recht niedlicher Lockvogel mit einem geisterhaft heroisch klingenden Namen. Der Zweck heiligt ja jedes Mittel. Und du bist Christus der Herr Selbst? Oh das ist sehr schön! Nun, wenn solche Christuse wie Du der römisch-katholischen Kirche nicht wieder auf die goldnen Beine helfen werden, dann ade Papst und Rom, und ade Pfaffentum! Ein Dutzend Weihröcke noch dazu, und es wird sich schon alles wieder geben und machen.«
5 Rede Ich: »Freund! Ich weiß, daß du ein sogenannter Protestant bist und denkst übers römische Christentum nicht unbillig; denn dieses ist vom Grunde aus ein Greuel in allen seinen herrschsüchtigsten Mühen vor Gott, von denen ihm aber keine gelingen wird, dafür Ich dir stehen kann; aber Mich und Meine kleine Gesellschaft verkennest du ungeheuer. Ich aber will dir von nun an nichts mehr aufbürden, indem du frei bist und glauben und tun kannst, was du willst. Aber das sei dir noch einmal kund getan, daß du nun nicht mehr auf der Welt der Materie, sondern ganz in allem Ernste in der Geisterwelt dich befindest, und alles das, was du außer Mir und Meiner Begleitung siehst, nichts ist, als leere Erscheinlichkeit, die für dich aber zu geistigen Wirklichkeiten werden könnten, so du dich an Mich schlößest und in Meine Fußstapfen trätest. Aber du bist in deinem Herzen noch zu weit von Meinem Reiche entfernt und kannst Mich daher auch nicht erkennen in deiner Blindheit. Bleibe daher nur, wo und was du bist; vielleicht sehen wir uns später noch irgendwo und irgend einmal wieder!« –
6 Spricht der Sergeant: »Wird mich sehr freuen, wenn nicht in dieser, so vielleicht doch möglicher Weise in einer anderen Welt. Wünsche übrigens eine gute Verrichtung in der Residenzstadt! Der noch immer fest andauernde Belagerungszustand dürfte eurem löblichen Unternehmen günstig sein; darum noch einmal eine gute Verrichtung und einen schönen Gruß nach Maria-Zell! Ade (Adieu)!«
7 Wir begeben uns nun ohne weiteren Anstand in das Innere der Stadt; aber der Sergeant, uns mit seiner Gesellschaft nachschauend, sagt zu den seinen, wie auch zu dem Einnehmer der ersten Verzehrungssteuermaut, der nun auch dazu gekommen ist, um zu erfahren, was es mit diesen sonderbaren Reisenden für eine Bewandnis habe und wer sie etwa seien, ob doch Chinesen oder wenigstens Inder, – folgendes: »Das sind verkappte, feine Jesuiten als fromme Missionärs! Weißt du, seit die Kirche wieder frei ist in unserem lieben, väterlichen Österreich, haben ihre Pfaffen wieder die alte Jakobsleiter aufgefunden, und sie geradewegs am Himmel angelehnt. Mit den alten Kirchenstrafen geht es denn doch wenigstens so geschwinde nicht, und mit der goldenen Buße der Kreuzfahrer auch nicht; daher werden vorderhand Dobler und Bosko zur Leihe genommen, und wir werden bald von den großartigsten Wundern von allen Seiten her die rührendsten Kunden erhalten.
8 So waren z.B. diese sechs nichts weniger als: Der Capo war höchst eigenen Bekenntnisses Christus Selbst, der nun alle Kranken gesund machen wird exempli causa, vielleicht hilft Er auch den Finanzen auf die Beine zum Spazier nach Rom, oder was? Die drei ersten waren Petrus, Paulus und Johannes der Evangelist. Nun! wie g'fallt dir das Gschichtl? Ein recht bildsauberes Menschl haben's auch bei sich g'habt, unter dem Namen Schwarzmaxl-Lenerl, die Barrikadenheldin, und, itzt fall' aber nur um, und werde völlig tot vor Verwunderung, den Robert Blum auch! Nun, ist's Geschichtl nicht lustig? Wie g'fällt dir dieser Spaß? Meine Mannschaft, die etwas schwachen römischen Geistes ist, hat dir im Ernste dabei Reißaus genommen und hat mich allein hier sitzen gelassen. Nun, Freund! – was sagst du zu dieser Errungenschaft vom Jahre 1848?«
Am 6. Juni 1850
9 Sagt dazu der Verzehrungs-Steuereinnehmer: »Mein lieber Freund, diese Geschichte sieht wohl dem ersten Anscheine nach etwas spaßhaft aus, aber im Grunde liegt, wie es mir vorkam, und wie es mir mein inneres Gefühl sagte, doch etwas sehr Ernstes in dieser Geschichte. Ich will es schon zugeben, daß die Pfaffen bei der nun wieder erreichten kirchlichen Freiheit so manches versuchen werden, wodurch irgend ein ihn wünschenswerter Volksaberglaube wieder belebt werden könnte; aber auf diese Weise, Freund, Freund, das werden sie fein bleiben lassen! Es mag in den früheren Zeiten sich wohl so mancher gäule Pfaffe in nächtlichen Stunden gegenüber einer schönen jungen Nonne oder sonstigen Betschwester einen Spaß erlaubt haben, der vielleicht sehr nach einer himmlischen Maskerade roch; aber also öffentlich gegenüber offenbar amtlichen Aufsichtsmenschen, und nota bene in einer sich im Belagerungszustande befindlichen Kaiserstadt dürfte sich wohl der verschmitzteste Jesuit so was nimmer erlauben. Ach weißt du, ich bin sicher kein Freund der Pfaffen; aber ich glaube, daß sich zu solch einem Geschäft wohl keiner herbei lassen würde, selbst so er im Ernste die bedeutendsten Vorteile davon zu erwarten hätte.
10 Aber ich halte von dieser mir wahrlich ganz chinesisch vorkommenden Geschichte ganz was anderes, und zwar: – Entweder sind diese sechs verkleidete hohe Personen oder sie sind am Ende im Ernste das, als was sie sich ausgegeben haben. Denn, weißt du, aufrichtig gesagt, mir kommt meine ganze Lebensgeschichte hier in Wien, so ich die Sache bei rechtem Lichte betrachte, etwas sonderbar vor; und das bringt mich heimlich immer mehr auf die Vermutung, daß ich mich entweder in einem Traumleben befinde oder ich werde von irgend einem sonderbaren Schwindel geplagt. Auch eine Menge anderer Bemerkungen habe ich schon gemacht, und mich dabei am Ende, wenn ich die Sachen näher beurteilt habe, höchlichst verwundert, daß derlei Vorkommnisse mir nicht eher aufgefallen sind. So zum Beispiele habe ich dir seit ungefähr einem Zeitraume von zwei Jahren her aber auch nicht einen Fuhrwagen gesehen; und ebensowenig irgend eine Equipage, was gewiß sehr sonderbar ist. So gehen auch äußerst wenige Menschen hier vorüber, und von einem Hineintragen von den gewöhnlichen Viktualien ist auch keine Rede mehr; gewöhnlich werden seltene, mir ganz unbekannte Wurzeln und Kräuter, und geselchte Wölfe, Füchse und kleine Bären vorbei getragen, und noch eine Menge anderes so dummes Zeugs mehr, daß man darüber lachen muß. Ich kann dafür auch von niemanden eine Steuer erheben, weil derlei Dinge in keinem Steuertarife vorkommen; und verhalte ich auch jemanden dazu, so gibt er mir gar keine Rede und Antwort und geht unaufhaltsam seines Weges weiter; mir aber fällt es auch dann gar nicht bei, daß ich jemanden anhalten solle.
11 Letzthin sah ich so in Gedanken vor mich hin, und bemerkte ein großes wertvolles Goldstück von neuester Präge so etliche Schritte vor mir am Boden liegen; ich eile hin, um es aufzuheben. Als ich hinzukam, ist das ganze Goldstück verschwunden, und an seiner Stelle lag eine zertretene ganz kohlschwarze kleine giftige Natter. Ich wollte sie mit meinem Visirstabe hintan schleudern; als ich sie aber noch kaum berührte, so metamorphosierete sie sich augenblicklich in einen recht sonderlich häßlichen Raubvogel, der in dem Augenblick auf und davon flog, als ich den verwunschenen Prinzen von einem Großdukaten mit meinem Visirstabe davon schleudern wollte. Letzthin war ich auch auf eine außergewöhnliche Art von einer Erscheinung affiziert worden; ich sah zum Fenster hinaus und es regnete gewaltig stark; mir fiel es erst auf, daß ich es bis dahin durch sage 2 Jahre, weder regnen und noch weniger schneien gesehen habe. Ich eile schnell hinaus, um mich ein wenig anregnen zu lassen; wie ich aber doch sicher schnell genug hinauskam, da war dir aber vom Regen auch keine Spur mehr; und ich fing erst über die Sonderbarkeit der Witterung an nachzudenken, und es kam mir wahrlich sehr sonderbar vor, daß ich hier noch nie eine Sonne gesehen habe, und wahrlich gar nicht weiß, woher wir das Licht haben. Oder hast du schon einmal eine eigentliche Nacht erlebt oder einen Winter, Frühling, Sommer oder Herbst? Sieh', alles dauert hier so in einem und demselben Zustande fort, und uns fällt es noch dazu am Ende gar nicht auf, daß die Sachen hier eben so sonderbar stehen, an denen wahrlich weder der Belagerungszustand und eben so wenig irgend wo daseiende Jesuiten Schuld tragen können.
12 Siehe, aus diesen Vorkommnissen bin ich um so mehr genötigt und geneigt zu glauben, daß wir für's erste nicht mehr auf der eigentlichen Erde uns befinden, und somit dem Leibe nach schon lange gestorben sind; und für's zweite, daß die sechse danach sehr leicht das sein können, als für was sie sich ausgegeben haben; und, weißt du was, ich werde ihnen nachgehen; sie stehen gerade noch dort vor einem Hause; bei denen muß ich ins klare kommen.« –
13 Spricht der Sergeant: »So warte, ich werde auch mit dir gehen!« – Beide machen sich sogleich auf den Weg und gehen uns eiligst nach;
14 als sie zu uns kommen an der Stelle vor einem Hause, in das wir zuerst den Petrus sandten, auf daß er besuchete die Kranken darinnen und heilte, die zu heilen wären, da sagt der Verzehrsteuer-Einnehmer: »Meine lieben erhabensten Freunde und besonders Du Urweiser von Nazareth! Eure Rede fiel mir auf, und weckte mich insoweit, daß mir gleich darauf auch sehr verschiedenes anderes aufzufallen begann, was mir früher lange nicht aufgefallen wäre, und auch nicht aufgefallen ist, obschon es mir und vielen tausend anderen schon lange hätte auffallen sollen; zugleich durchrieselte mich bei eurer Gegenwart an meiner Maut ein so merkwürdig wohltuendes Gefühl, daß ich mich kaum halten konnte, euch sogleich zu folgen. Ich kämpfte zwar eine Weile ganz männlich gegen dieses Gefühl und schützte ihm meine Kaiserlich-Königlichen Beamtenpflichten vor; aber das Gefühl sagte wie ganz mächtig laut: Was kaiserlich, was königlich; so Gott dich ruft, dann hört der Kaiser und der König für ewig auf. Und ich wandte auf solche Stimme meines Gemütes meinem Kaiserlich-Königlichen Mauthause sogleich den Rücken und bin meinem innersten Triebe gefolgt, und bin nun bei euch, ihr sicher weiseren Freunde, als wie da ist unsereins. Erlaubet mir aber nun auch, daß ich dem Drange meines Gefühles nach bei euch mich wenigstens so lange aufhalten darf, als bis ich durch eure Güte und Weisheit so viel Einsicht erlangen werde, um einzusehen, das ich bisher wirklich nicht eingesehen habe, wo und was ich denn hier so ganz eigentlich bin. Ob das Wirklichkeit oder ob das etwa bloß nur so ein ewiger Traum ist? Lebe ich noch auf der Erde? was ich stets mehr bezweifle, und mich auch stets mehr und mehr Wunder nimmt, daß ich bei so verschiedenartigen von der wirklichen Erdnatur gänzlich abweichenden Erscheinungen es nicht noch bei weitem mehr bezweifle. So es euch möglich ist, was ich durchaus nicht bezweifle, da zündet mir in meinem Gehirnkasten so ein kleines Lichtlein an!«