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Weitere Vermutungen der noch Blinden; sie kommen der Wahrheit näher. Eine Kompanie schwarzer Strauße kommt heran. In der Nähe zeigen sie sich als uralte Menschengeister
1 Sagt im Gehen der Humorist: »Was solle das wieder heißen? Der Herr geht, also gehen auch wir! Wer ist denn der Herr, was ist er als Herr, warum ist er ein Herr? Der Mensch wird doch etwa nicht im Ernste behaupten wollen, daß dieser echte polnische Schachermann am Ende dennoch Christus der Herr sein solle.« – Sagt ein anderer neben dem Humoristen: »Du Sepl! itzt wird mir die ganze Sache klar, was da mit dieser Gesellschaft es für eine Bewandnis hat.« – Sepl fragt: »Nun, was denn? rede!« –
2 Redet der erste weiter: »So höre denn! – Das sind feine russische Spione unter dem Deckmantel von einer gewissen transzendentalen Pietistik, mit der sie die Menschheit blenden. Es ist wahr, der sogenannte Paulus sprach wie ein Buch und seine zwei Geldwechslungsgeschichten sind von einer Art, hinter der sich entweder wenig oder wohl auch gar kein Betrug solle denken lassen. Aber ich denke da viel schärfer und sage: Eine plumpe Maske ist schlechter als gar keine; daher haben diese Russitschkis eine gar feine Maske gewählt, durch die man sicher ohne sehr vergrößernde Augengläser nicht leichtlich wie durch ein hohles Faß schauen wird. Christus, Paulus, sicher auch Petrus, Jakobus oder Johannes, und gar etwa auch Joseph und Maria! O wie denn anders? – Ein recht rares Sechstet! Der Christus wird so ein Hauptmagier sein, und sehr hieroglyphenartig reden, so er überhaupt etwas redet. Denn gewöhnlich sind solche Hauptmagier stumm gleich wie ein altes Stück Bauholz. Der sogenannte Paulus wird sein nächster Helfershelfer sein; auch in der Magie nicht unbewandert, aber hauptsächlich beim Redezeug zu Hause. Die anderen zwei scheinen mir mehr so Taschenspiels-Adjudanten zu sein, und der ganz vorne mit der schönen Zirkassierin ist höchst sicher so ein feiner Pfiffikoni und kennt sich überall aus; und seine Holdeste ist so ein Lockvögelein und manchmal gegen natürlich viel Geld so ein liebes Zugpflästerchen für gewisse Schmerzen und Anschoppungen im Unterleibe. Zwar alles menschlich, aber der Art nach doch sogar für unser großes Wien etwas selten. Nun Sepl, fangst nun schon an, dich ein wenig auszukennen?« –
3 Sagt der Humorist: »Ja, ja, die Geschichte hat wohl ein solch's Gesicht, daß man schier so was glauben solle; aber für ganz wie für alle Zeiten abgemacht möcht' ich die Sache denn doch nicht annehmen. Denn der Paulus ist wirklich ein Weiser, wie es in ganz Wien keinen zweiten irgendwo mehr geben dürfte; und der sogenannte Christus zwar ganz ein polnischer Jude, scheint aber sonst ein überaus guter Mann zu sein, ohne die geringste kaufmännische Tücke; und die anderen vier, die Zirkassierin mitgezählt, sehen wenigstens sehr honett aus, und man entdeckt nichts Gemein's an ihnen. Auch der Verzehrungssteuer-Einnehmer geht an der Seite des seinsollenden Christus ganz allerbehaglichst mit und scheint sich um sein Amt gar nicht mehr umsehen zu wollen. Also laufen auch wir mit, als ob wir bezahlet würden, ohne daß uns wer bemüßigte. Das sind denn auch Zeichen, die irgend ein Gewicht haben; was meinst du, mein Freund? Die Sache fängt an, für mich ein sehr bedeutend anderes Gesicht zu bekommen, als das im Anfange der Fall war. Schau hinauf an's Firmament! Der Himmel ganz rein, keine Sonne und doch ist Tageshelle vorhanden! Gelt, das frappiert dich nun! Schaue aber diese uns nur zu bekannte Gasse an! Siehst du außer uns aber auch nur eine bekannte Seele wandeln? Siehe, alles ist leer, die Häuser wie ausgestorben und auf der Straße wächst – incredibile dictu – das schönste Gras! sage mir, fällt dir diese Sache nicht auf?« –
4 Sagt der erste: »Allerdings hat die Sache etwas für sich! Am sonderbarsten sieht aber wirklich das Firmament aus, der Himmel ist förmlich lichtindigoblau, und alles ist ganz so beleuchtet, als wie von der Sonne am hellen Mittage; aber nirgends ist etwas zu entdecken, das da der Sonne gleichen möchte; kein Gegenstand wirft einen Schatten, überall gleiches Licht, und nirgends ein leuchtender Körper, weder eine Sonne, noch ein Mond, noch ein Stern! Ja, ja, du hast recht; das ist schon sehr merkwürdig!«
Am 20. Juni 1850
5 Sagt der Humorist: »Nun, ich glaub's auch, daß die Sache so ein wenig merkwürdig sein könnte. Die Stadt, die Häuser und Gassen und Plätze sind wohl ganz vollkommen Wien; auch der Belagerungszustand mit seinen verpalissadierten Bastionen und Kanonen dauert in völlig gleicher Gestalt fort; nur ist das wachehabende Militär nicht so strenge gegen die Besucher der Bastionen und läßt sie wandeln ihre Wege; aber sehe dir einmal die Menschen an, so dir irgend welche unterkommen; da kann man wohl mit allem Rechte sagen: S' Mandl und s' Weibl ist nimmer zum auseinander kennen; und sie sind meistens weltfremd, wild und dumm wie die Chinesen, und traurig und wehmütig, als wenn sie schon halben Teils die Cholera hätten. – Dort schaue hin! vor einem Haustore stehen so einige Zigeuner, schaue sie nur an, was die für echte Froschgesichter machen, und wie sie sich dann und wann einander beriechen als wie die Sultl und Spitzl im Frühjahre oder als wie die echten Meckljuden, die ihre Schuldner, die als zahlungsunfähig vor sie um eine Prolongierung (Kreditverlängerung) flehend sich demütigst hinstellen, am Ende zu beriechen anfangen, ob kein Silber oder Gold aus ihnen röche. Sage! hast du so was sonst je im lieben Wien gesehen? Gelt, das ist rar.« –
6 Sagt der Nachbar: »Ist wahr, ist wahr, merkwürdig, sehr merkwürdig! Aber, he, he! dort, dort, wo sich die Gasse etwas beugt, was wandert denn dort wahrlich Wien ganz was Fremdes uns entgegen? Beim Kuckuck! das sind ja große, schwarze Straußvögel! die haben ungeheuer lange Hälse und noch längere Beine; und es gibt ihrer eine Masse. Sie kommen uns näher; wahrlich mit denen möchte ich gerade nicht einen Gassenkampf beginnen! Du Freund Sepl, zupf' du da ein wenig den Herrn Paul; er wird dir darüber wohl etwa eine Auskunft zu geben vermögen.« – Sagt der Sepl: »Zupf du ihn! warum solle das gerade ich tun? Die Vögel werden etwa wohl einer großen Menagerie ausgekommen sein! Der Herr Vetter Holzbamer wird sich doch etwa vor diesen afrikanischen Kapäunen nicht fürchten.« –
7 Sagt der Vetter Holzbamer: »Nein, das gerade nicht; aber wissen möcht' ich's doch, wo etwa diese Viecher her san. Vielleicht sein's etwa gar böse Geister? So wir nun etwa doch in der Geisterwelt uns befinden könnten, da wäre so was ja gar leicht möglich!« – Spricht der Herr Sepl: »Warum nicht gar! Geister werden's wohl sein, aber keine bösen; denn Geist muß alles haben, was da lebt. Aber nun machen die Luder förmlich Front vor uns, und aus ihren sonderbaren Mienen ist eine gewissen Kampfgier gerade nicht unverkennbar. Der Herr Vetter könnt' am Ende mit seinen bösen Geistern noch recht haben auch! Nun muß ich denn doch im Ernste den guten Paulus ein wenig zupfen gehen.« –
8 Hier zupft der Humorist den Paulus und sagt: »Höre, edler Freund! was hat's denn da mit den schwarzen Straußen für eine verzeifelte Bewandnis? Werden sie uns fressen oder was?« – Sagt Paulus: »O nein! sorget euch um nichts, diese werden uns nichts tun! Sie ziehen uns nur in Parade entgegen, um uns zu ersuchen, daß wir sie in ihrem Palaste besuchen sollen. Daher seid ganz zuversichtsvoll ruhig! In der Kürze aber werdet ihr es schon ohnehin erfahren, was es mit diesen Eisenfressern für eine Bewandnis hat.« –
9 Der Sepl gibt sich nun ruhig, und sein Vetter auch, und diese beiden beruhigen auch die anderen, die auch mehr oder weniger über diese Erscheinung stutzen. Als wir aber ganz in die Nähe dieser Vögel kommen, so verlieren sie mehr und mehr ihre Straußengestalt, und werden zu sehr hager aussehenden Menschen, von denen ein Paar vortritt, und den Robert ersuchen, daß er die ganze Gesellschaft in ihren alten, höchst adeligen Palast führen möchte. –
10 Robert sagt darauf freilich wohl, daß er der Herr nicht sei und weiset die beiden an Mich; aber die beiden sagen: »Wonn du nöt Herr, worum voron gahn?« – Und Robert sagt: »Weil es also des Herrn Wille ist; und also ist es auch des Herrn Wille, daß ihr euch an Ihn wenden sollet, so es euch in irgend etwas wahrhaft geholfen werden solle. Wir alle anderen können euch nicht helfen, außer durch Lehre und Rat; die Tat ist des Herrn allein; darum wendet euch an den Herrn; was Er anordnen wird, das wird geschehen.«
11 Auf diesen Bescheid vom Robert verfügen sich die beiden zu Mir und sagen: »Wonn du Herr, so gah mid ons sämtlich deiner Gesellschaft; wür bitten Di dorom!« – Sage Ich: »Was sollen wir bei euch? Wer seid ihr Hohen denn? daß Ich euch nicht kenne? Was waren eure Taten? – Ich kenne die Geister nur nach ihren Taten und nie nach ihrer Gestalt.« –
12 Sagen die zwei: »Wür sund kane Geister noh, wür sund Herzog, und Erzherzog, und König und noh mehr; und wür wohnen alle in einem Höchstadlings-Palast, und do sollst Du mid ons gahn, ond wür werden ons dort besser verstahn.« – Sage Ich zum Robert: »Also führe uns denn dahin, und wir werden sehen, was sich dort alles offenbaren wird.«
13 Robert sagt nun zu den zweien: »So ihr es vernommen habt, was der Herr nun geredet hat, so tretet vor mich hin und führet uns alle in euer Haus.« – Sagen die beiden: »Wür hohn kan Haos, wür hohn nur ann Höchstadlings-Palast, weil wür sund von de höchste Adl.« –
14 Sagt die Helena, die schon etwas pitzlich wird über die höchst langweilige Gesprächsweise dieser Höchstadligen: »No, no; schauts nur gleich, daß euer Höchstadlings-Palast am End' etwa gar so ein recht schmutzigs Saustallerl ist. Jetzt wollen die einen Palast, nein, das ist wohl zum Lachen; so graupige und klein zerlumpte Kerls, und einen Höchstadlings-Palast; no, no, wir werden es wohl sehen, was da für ein Palast herauswachsen wird.« – Sagt einer der Höchstadlings: »Mane Jongfr, sa se stad mid Maul, sonst leg i ane Schlos af ihr Maul! Se moß froh san, wonn sie onser Herrgott lebe laht; had se verstahn?« –
15 Sagt die Helena: »Sie sagen's mir, wie lang ist's denn schon seither, als sie g'storben sind? Sie müssen ihrer Sprache nach zu urteilen doch noch so hübsch viel vor'n Adam auf der Welt g'lebt habn? Nein, ist aber das eine Sprache, bei der man alle Zustände bekommen möchte, besonders so man sie längere Zeit anhören müßte. Nun, wie ich's merke, so geht der Weg ja zu den Kapuzinern! Soll etwa dort der Höchstadlings-Palast sein?« – Sagt der eine Höchstadlings: »Stad sei mid dan Maul! du verstahn ons nöt, du best su jong, dorom hold stad dane Maul! Ba de Kopozenr son mehr wohl, obr nöt of de Erd', sonde ondr de Erd, verstahn du Jongfr!« –
16 Sagt die Helena: »Ja, ja, mir kommt es auch so vor, daß ihr noch so hübsch fest unter der Erde zu Hause sein werdet; das wird wohl s' erste Mal sein, daß ihr euch über der Erde befindet.« – Sagt der eine wieder ganz zornig: »Iche hohn de scho gsagt, daß dei Maul holde sulst, ob du thost de nöt fulge man Word, so werd i de muße ane obe schloga! Host du me verstahn?« –
17 Sagt Robert zur Helena: »Meine Geliebteste! mußt nicht gar zu viel reden mit diesen Wesen; denn sie sind sehr roh und könnten dir am Ende im Ernste etwas Leids antun. Ich sehe aber ja ohnehin, wohin sie uns führen werden, und so braucht man weiter nicht mehr darum zu fragen. Sieh, das sind lauter längst verstorbene Regenten des Hauses Habsburg und Lothringen; nun ruhen sie in der Herrschergruft bei den Kapuzinern, teilweise auch bei den Augustinern, wie auch einige in den Stephansdom-Katakomben, das ist ihr Höchstadlings-Palast. Wir werden nun sogleich bei ihren Särgen uns befinden; daher sei nur ruhig und stille!«