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Die hohe Gesellschaft verläßt Wien, zieht den Alpen zu. Am Semmering. Josef über die Hindernisse im Fortschritt der Menschen, auch im Natürlichen. Blick in die Steiermark und ein offenes Wort über dessen Volk
1 Nach diesen Worten ordnet sich alles und der Weitermarsch beginnt sogleich und zwar auf der Straße nach der Steiermark. In kurzer Zeit darauf kommen wir an den Fuß des sogenannten Berges Semmering und die ganze Gesellschaft, weil sie nun in der Fähigkeit ist, die naturmäßige Erde zu sehen, macht hier einen Halt.
2 Und es tritt der Kaiser Josef hervor und sagt zu Mir: »Herr! diesen Berg habe ich einigemal überfahren und habe für eine bessere Straße über ihn so manches angeordnet; denn vor mir war so manche Straße zu Wagen ohne Lebensgefahr nicht zu befahren. Damals schlugen die Leute ihre Hände über den Kopf zusammen und schrien darob sich heiser; die weise sein Wollenden sagten: Ja, ja, nur die Straßen schön eben, glatt und breit machen, damit der Teufel eine leichtere Mühe haben werde, auf solch höllischer Straße einherzufahren. Man sah zu meiner Zeit eine breite Straße noch sehr stark als eine zur Hölle führende an, und ein so recht eingefleischter Erzkatholik wäre um keinen Preis auf eine breite Straße zu bringen gewesen. Ja, es gab sogar in Wien Menschen, die in einer breiten Staße keine Wohnung genommen hätten und so sie dafür auch noch obendrauf bezahlt worden wären.
3 Es genügt, diese Dummheit der Menschen insoweit berührt zu haben, um dadurch anzuzeigen, welche Mühe es mich gekostet hat, um die Menschheit zu geläuterteren Begriffen zu erheben; ich will die Sache übergehen, daß sogar Priester über die Errichtung von bequemen und breiten Straßen nichts hören und wissen wollten, sondern dagegen hie und da ein wahres Zetergeschrei erhoben und mich samt den Straßen in die unterste Hölle verdammten, und jedem, der in der Beichte aussagte, daß er eine breite Straße betreten hat, ohne weiteres die Absolution auf längere Zeit verweigerten und den Eintritt in die Kirche, weil sie ihn für einen Verunreinigten erklärten. Es wäre beinahe nötig gewesen, das mosaische Operat von der rötlichen Kuh (4. Mose, Kap.19) ins Werk zu setzen, die vor dem Lager verbrannt werden mußte und deren Asche in ein reines Gefäß voll reinen Wassers getan, zur reinigenden Besprengung alles Unreinen diente. – Nun aber, was sagen denn die Pfaffen und die Menschen jetzt zu den sogenannten Eisenbahnen und besonders zu dieser hier über den Berg Semmering? Wahrlich Herr! so 'was hätte vor 100 Jahren ja doch keinem Menschen im Traume vorkommen können.«
4 Sage Ich: »Früher zu deinen Zeiten waren die Menschen zwar wohl sehr dumm; aber sie waren gläubiger wie jetzt. Sie faßten zwar alles grobmateriel auf und wußten vom Geistigen sozusagen nichts. Die rötliche Kuh Arons und Eleasars und was mit ihr zu geschehen hatte, nahmen sie wörtlich, und es hat in den katholischen Bethäusern noch heut zu Tage sehr vieles mit dem jüdischen Sprengwasser gemein; nur wird keine Asche einer keuschen und unbejochten rötlichen Kuh mit Ysop hineingemengt. Aber um was nun die Menschen weiser geworden sind, um das sind sie auch ungläubiger. Mir aber ist der Glaube, und wäre er noch so blind, dennoch lieber als ein sogenannter Weltgelehrter; denn im Glauben ist der irdische Mensch frei und hat seine Seele nicht in irgend etwas gerichtet; aber in der Wissenschaft liegt schon ein Gericht. So lange das Kind glaubt, daß zwei mal fünf (gleich) zehn sind, ist es frei vom Zwange; nicht so der Mathematiker, bei dem laut Beweis 2 mal 5 zehn sein müssen. Also schreien die Menschen nun nicht mehr über solche Bauten; denn sie sehen deren Natur ein,
5 aber dafür schreien sie desto mehr über die Teuerung und über die Geldnot; und der Glaube ist ganz bedeutend rar geworden. Wohl weiß die Welt nun sehr bedeutend mehr, als sie zu deiner Zeit gewußt hat, aber sie ist darum nicht besser und durchaus nicht reicher geworden, weder naturmäßig und noch viel weniger geistig. Daher lassen wir nun diese Straßen das sein, was sie sind, mehr Prunkwerk als Nutzwerk, besonders diese da über diesen Berg, bei der die Rechnung ohne den Wirt gemacht worden ist, und begeben uns weiter.«
Am 30. September 1850
6 Der Weg wird nun wieder weiter fortgesetzt, und in kurzer Zeit wird des Berges Höhe erreicht, allwo das bekannte Grenzmonument steht. Hier wird wieder eine kleine Siesta gemacht, und der Kaiser Karl tritt hervor und sagt: »Herr und Vater! siehe an dieses Zeichen; es ist ein Werk aus meiner irdischen Zeit. Der Grund davon waren stete Grenzreibungen. Um solchen Reibungen ein Ende zu machen, habe ich an besonders streitigen Punkten Grenzsteine setzen lassen, und hie und da hat man sie dann auch mir zu Ehren gesetzt. Sage mir armen Sünder vor Dir, ob ich da wohl recht gehandelt habe?«
7 Sage Ich: »Mein Freund, Grenzsteine sind nichts als Aushängeschilde der Härte menschlicher Herzen. Es ist traurig genug, so ein Bruder dem anderen sagen muß: Bis hierher und dann nicht weiter! Aber so die Menschen einmal vom bösen Geiste der Selbstsucht besessen sind, da werden sanktionierte Grenzsteine eine Notwendigkeit, weil sie der unersättlichen Habgier der Menschen gewisse Schranken ziehen, über die hinaus sie ungestraft nichts mehr als ihr Eigentum ansehen dürfen. Also sind denn Marksteine zwischen Provinzen eine Notwendigkeit geworden. Was aber notwendig ist, das ist denn auch aus eben dem Gesichtspunkte der Notwendigkeit betrachtet gut, obschon an und für sich schlecht, weil der Grund, der sie notwendig macht, schlecht ist.
8 Lebten die Menschen nach Meiner überaus leicht verständlichen Lehre und pulseten in ihrer Brust wahre von Meinem Geiste erfüllte Bruderherzen, da wäre auf der ganzen Erde kein Grenzstein vonnöten; denn dem, was da gut ist, darf man wohl ewig nie eine Grenze ziehen; wohl aber dem, was da schlecht ist. Die Habsucht, Herrschgier, der Geiz, der Neid und der Hochmut aber sind ganz grundböse Dinge, daher müssen ihnen Grenzen gezogen werden; auf daß sie nicht ausarten und wie ein Krebsschade stets weiter um sich greifen. Aus dem aber kannst du nun ganz leicht beurteilen, ob deine Grenzmarken gut oder schlecht waren. Ich sage dir, sie sind beides zugleich, so wie ein Gericht und der Grund des Gerichtes, nämlich das Gesetz; denn gäbe es kein Gesetz, so gäbe es auch kein Gericht. Was aber das Gesetz notwenig macht, das macht auch das Gericht notwendig, aber weder das Gesetz noch das Gericht sind gut, weil beides eine Folge des Bösen und Schlechten des menschlichen Herzens ist.
9 Siehe, in Meinem Reiche gibt es kein Gesetz und somit auch kein Gericht mehr; denn das Gesetz und das Gericht sind nur Wächter und halten das Falsche, Schlechte und Böse in den bestimmten Schranken. Sind aber die Wächter auch schon notwendig wegen des Bösen im Menschen, so sind sie aber darum doch nichts Gutes; denn in den Himmeln können weder Gesetze und noch weniger irgend ein Gericht Platz haben, außer das der reinen Liebe, welches Gesetz aber die höchste Freiheit selbst ist. Ich sehe daher Grenzsteine sehr ungern an, weil sie nichts als Denksteine der Härte und Lieblosigkeit des Menschenherzens sind. – Nun weißt du, lieber Freund, alles und brauchst daher über solche Nichtigkeiten nicht weiter mehr nachzudenken.
10 Sehet aber dafür lieber alle hin gegen Süden das schöne Land, das da ist wie ein Kanaan; es heißet die Steiermark. Die Bewohner dieses Landes sind zum größten Teile noch sehr dumm; denn wo der Mensch von der Not nicht zu sehr geplagt wird, da gleicht er einem Faultiere und kümmert sich weder um's Physische und noch weniger um's Geistige; und das ist eben in diesem schönen und guten Lande sehr der Fall. Es nährt seine wenigen Bewohner zu gut; daher sind sie träge und tun nur so viel, als da gerade zur Befriedigung ihrer Haut vonnöten ist. In den Städten ist hie und da wohl etwas mehr Leben anzutreffen, aber dafür auch desto mehr Bosheit und Sünde aller Art. Nur einige wenige leben in den Städten dieses Landes, derentwegen wir dies Land besuchen; und so denn setzen wir wieder unseren Weg weiter fort!«