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Veränderte Höllenkampfszene. Ein satanisches Ballet, Kados Ernst, verzweifelte Reue und Bekenntnis seiner törichten Bosheit, sein Ruf nach den zwei himmlischen Boten
Am 22. Februar 1850
1 Rede Ich: »Nun aber gebet nur weiter acht, und du, Miklosch, mache den Erzähler; denn es ist hier in dieser Gesellschaft nicht jedem gegeben, zu schauen und zu sehen das Kommende; aber in der Unkenntnis davon solle niemand belassen werden.
2 Miklosch richtet nun wieder ganz fest seine Augen auf die höllische Szene, und fängt nach einer kurzen Weile also zu erzählen an: »He, der Tausend! Ach das ist wahrlich im höchsten Grade tragischkomisch! Aus dem Feuermeere, das noch immer ganz verzweifelt grauenerregend mit donnerartigem Getöse dahin wogt, und aus einer jeden der Milliarden Wellen eine zahllose Menge Blitze entsendet, erheben sich nun ganz muntere Gestalten, und das ebenfalls gleich den Wellen und Blitzen in einer Unzahl. Von vorne sehen sie ganz rar aus, recht anmutig; und vom Rücken aus wie halbverweste Totengerippe. Das starke Wogen der glühenden Flut scheint sie nicht im geringsten zu genieren, und die sicher allerenormste Glühhitze unter ihren Füßen scheint ihnen nur ein höchst angenehmes Gefühl zu verursachen. Die Blitze fahren durch sie hindurch, als wie das Wasser durch ein Sieb, ohne daß sie die muntern Gestalten nur im geringsten inkommodieren möchten; das ist wahrlich im höchsten Grade sonderbar! Ach, ach, sie vermehren sich stets mehr und mehr, und machen einen förmlichen Reigen; eine wahrlich von vorne sehr elegant aussehende Gruppe bewegt sich in den zierlichsten Pas' gegen unsern Kado hin, der diese Erscheinung auch mit der größten Aufmerksamkeit betrachtet, ohne jedoch daran ein sichtliches Wohlgefallen zu haben; aber mit der fruchtlosen Bewegung seiner Füße hat er dennoch einen Einhalt gemacht, und staunet nun ganz verblüfft diese vielen Tänzergruppen an. Die eine Gruppe macht nun schon ganz knapp am Hügel ihre Sprünge und sonstigen graziösen Bewegungen, und scheint den Kado zu unterhalten; denn er hat sie schon ein paar Male nun recht wohlgefällig angelächelt. Aber den Rücken bekommt er nicht zu Gesichte.
3 Nun eilen ein paar Tänzerinnen recht graziösen Ansehens zu ihm auf den Hügel hinauf mit rosenfarbigen Schleifen in ihren Händen, und winken ihm, ihnen auf den glühenden Tanzboden zu folgen. Aber Kado entschuldigt sich, und spricht nun: »Meine Füße würden sich an (auf) solch einem Tanzboden nicht halten; daher bleibe ich, wo ich bin; ihr aber bleibet, wo es euch gut zu gehen scheint; ich brauche von solch einem zu brennheißen Vergüngen wahrlich nichts! Aber die zwei kommen ihm näher, und nehmen sich alle Mühe, ihn auf dies glühende Eis zu locken; aber er bleibt stehen, und gebietet ihnen, sich ihm ja nicht noch mehr zu nahen, ansonst er wider sie Gewalt gebrauchen müßte. Je mehr er aber ihnen droht, desto mehr zeigen sie ihm von ihren Vordergrundsreizen, und bestreben sich, ihn ganz zu bezaubern. Es ist das wahrlich ein ganz sonderbarstes Schauspiel; merkwürdig ist die Haltung dieser veritabelsten Höllengrazien, daß sie bei allen ihren verlockenden Bewegungen doch nicht irgend derart aus der Haltung kommen, daß der Kado ihrer Rückenteile ansichtig werden könnte; no, eine bemüht sich, ihm nun die Schleife um den Hals gleich einer Schlinge zu werfen;
4 er aber weicht zurück einige Schritte, hebt einen Stein auf, und schleudert ihn der Grazie gerade an die Brust, und schreiet nun mit einer wahren Donnerstimme: »Zurück Höllenbestie! Wenn Satan, dein Gebieter, kein besseres Verführungsmittel mehr hat, um einen armen Teufel noch tiefer in die Hölle hinab zu ziehen, als er ihn schon gezogen hat, da solle er sich heimspielen lassen. Glaubt denn dieses uralte der Gottheit widerspenstige Rindvieh, Vögel meines Gelichters werden auch so recht dümmsten Weltfinken, Gimpeln und Zeisigen gleich sich auf seine alten saudummen und alles Leimes baren Spindeln setzen, und sich dann von ihm fangen lassen? Da irrt er sich; ein Aar setzt sich nie auf eine Leimspindel; saget das eurem Ochsen von einem Gebieter!«
5 Aha, nun spricht die zweite Kameradin (Höllengrazie), nach der der Kado noch keinen Stein geworfen hat: »Aber lieber Freund! du irrst dich gewaltig über unsere große Fürstin Minerva; siehe, sie kennet deinen großen Geist, und will dir durch uns, als ihren Genien, eine kleine Vorauszeichnung zuteil werden lassen, nach der sie ihm höchsten Majestätsglanze ihrer Macht und Kraft dir liebreichst entgegen kommen wird, um dich einzuführen zu den allerhöchsten Ehren, dieweil du der einzige warst, der diesen von der alten außer allen Kurs gekommenen Gottheit gegen einige Feiglinge der großen Fürstin gerichteten Feuerwogen den beharrlichsten Widerstand geleistet hat. Erkenne daher die höchste Gnade, die dir deiner unbezwingbaren Kraft wegen die allerhöchste Fürstin der ganzen Unendlichkeit zuerkannt hat!« –
6 Spricht Kado: »Ist eure hohe Fürstin auch so dumm oder vielleicht noch dümmer als ihr hundsgemeinsten Höllenfetzen?!« – Spricht ganz pomphaft die Ungesteinigte: »Was ist doch das für eine entsetzliche Frage! Die hohe Minerva, die Göttin aller Weisheit, bei der sogar alle Götter in die Schule gehen müssen, sogar Zeus und Apoll nicht ausgenommen!« – Spricht Kado: »Oh! ja, das habe ich nicht gewußt, daß hier das alte Göttergesindel auch noch existiert; ihr seid gewiß auch eine Art von Göttinnen?« – Spricht sie: »No freilich, ich bin ja die berühmte Terpsichore (Göttin des Tanzes)! und diese hier, nach der du grausamer Maßen einen Stein geschleudert hast, ist die herrliche Euphrosyne (Göttin des Frohsinns)! Die Arme leidet nun einen starken Schmerz; aber sie leidet ihn geduldig aus großer Liebe zu dir!« –
7 Spricht der Kado: »No, no, nun weiß ich genug, um euch mit aller Macht meines unbeugsamsten Ernstes sagen zu können, daß ich die Minerva im höchsten Grade verachte, und von ihr ewig nie eine Ehre annehmen werde. Saget ihr, ich bin zwar ein entschiedener Feind eines gewissen Juden Je....... – Jes....... ja, ja, so heißt er, Jesus, richtig Jesus heißt Er, und bin auch mehr oder weniger ein Feind seiner Lehre in mancher Hinsicht; aber so ich nun diesem verachteten Judenpropheten als ein Esel Dienste leisten solle, so bin ich dazu bei weitem eher erbötig, als von eurer Minerva die höchste Ehre anzunehmen. Und nun fahret ab, ihr sauberen Geniusinnen; aber sehet zu, daß euer Tanzboden nicht zu heiß wird.« – Spricht sie: »Na warte nur, da wir dich nicht erweichen können, so sollst du die Minerva selbst zu sehen bekommen, aber von ihr keines Blickes gewürdigt werden!« – Spricht Kado: »O, das wird mir sehr angenehm sein, aber hauptsächlich 's letzte, verstanden!?« –
8 Nun entfernen sie sich, und hüpfen ihren Solopas unter die anderen vielen und höchst zahlreichen Gruppen fort; und nun verlieren sie sich so ganz und gar, daß ich sie nimmer irgendwo mehr zu endecken vermag. Aber nun wird das Glühmeer schon wieder unruhiger; die Wogen fagen an stärker zu gehen, und die Oberfäche wird glühender und daher sicher auch leuchtender. Die zahllosen Tänzerinnen fliehen nun wie von höchster Angst gepeitscht in wildester Unordnung über die schreckliche Oberfläche gegen die allerscheußlichst aussehende Grotte hin, und stürzen sich unter gräßlich tönendem Schmerzgestöhne und Schreien des Entsetzens in einen wahrscheinlich alle meine Einbildungskraft weit übersteigend furchtbarsten Abgrund.
9 Der Kado macht hier selbst eine sehr bedenklich kleinlaute Miene, und sagt nun bei sich selbst: »No, no, die Gottheit sei aller Kreatur gnädig! Und so an der Hilfe des Propheten Jesus, der ein Liebling der Gottheit sein solle, etwas reell Wirksames ist, so helfe auch er; denn diese Qualen sind für jedes lebende Wesen, ob Leib, Seele oder Geist, denn doch zu unaussprechlich groß und hart. Übrigens muß die weiseste Minerva diese ihre Dienerschaft eben nicht gar zu artig empfangen haben, weil sie gar so entsetzlich haben Wehe zu klagen angefangen. O Du große, allmächtige Gottheit! habe ich auch eine Strafe verdient, so lasse mir nur ein bißchen Gnade für ein zu scharfes Recht widerfahren. Denn diese Strafe für zeitliche Vergehen, wie sie auch immer beschaffen sein mögen, ist doch als ewig während zu ungeheuer unverhältnismäßig allerschrecklichst grausam. Lasse uns zunichte werden, und wir sind für ewig damit zufrieden; denn der nicht ist, dem ist doch sicher alles recht. Ich habe Dir, Du allmächtigster Gott, wohl ehedem trotzen wollen, als ich noch nicht verkostet hatte des gräßlichsten Schmerzes Macht; aber nun ich schon verkostet habe so eine wahrscheinlich nur höchst geringe Einleitung zum großen, ewig dauernden höllischen Schmerzenstraktamente, so ist mir auch wahrlich für ewig alle Lust vergangen, mich Dir je wieder einmal widerspenstig zu bezeigen. Ich bin gewiß kein Feigling; aber was zu viel, ist zu viel! Zugleich aber danke ich Dir, Du große, allmächtigste Gottheit, als ein wahrlich vielseitig ärmster Teufel für so viel Gnade, daß Du mich bis jetzt noch nicht in den Pfuhl geschleudert hast. O wie gräßlich qualvollsten Anblickes ist doch dies erschrecklichste Glühmeer! Welch unerklärbarste Schmerzen müssen die empfinden, die unter seinen weißglühenden Wogen begraben ruhen, o eine erschrecklichste Ruhe!« –
10 Hier wird Kado stille, und scheint zu weinen; ja, ja, er seufzet recht bitterlichst; und nun ruft er wieder aus in einem sehr klagenden Tone: »O du elendstes Geschöpf! du für den höchsten Schmerz bestens befähigter Spielball in den Händen einer unerforschlichen, ewigen Macht! Was ist dein Los sonst wohl, als eine ewige, allergräßlichste Verzweiflung im Gefühle deiner entschiedensten Ohnmacht! Die Erde ward dir beschieden, auf das du durch ihre tausend Lockungen zu einem Teufel werden mochtest; dann ward dir der elende Leib genommen, und du stehest nun als ein nacktester und allerärmster Teufel, ein ewiger Fluch der unerbittlichsten Gottheit, vor den Pforten der ewigen Qual; und weil du ein Teufel bist, so reicht dir auf all dein Bitten auch keine helfende Macht irgend einen leisesten Hoffnungsstrahl zu einer Erlösung. Wo seid ihr beiden Freunde nun, die ihr mich vor einer noch nicht gar zu langen Weile habt ins Paradies bringen wollen? Damals war ich blind, und nun bin ich sehend; warum kommet ihr denn jetzt nicht zu mir, um mich zu retten als einen Sehenden, da ihr mich doch ehedem als einen Blinden habet retten wollen vor dem Abgrunde des ewigen Entsetzens! Aber ich schreie und weine nun vergeblich, denn das Jammergeschrei aus der verdammten Tiefe eines armen Teufels dringt nimmer an ein göttliches Ohr. Wer verflucht ist, der ist auch verflucht, und die ewige schmerzvollste Verzweiflung ist sein erschrecklichstes Los. Wehe mir! dies ist erst der Anfang, dem aber kein Ende folgen wird.«