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Des helleren Kirchendieners Erklärung und strafende Lichtrede an seine alten Glaubensgenossen
1 Sagt einer von den Kirchendienern: »Ja, ja, 'sollen nur suchen gehen, werden halt auch nur einen Dreck finden, so wie wir ihn gefunden haben! Da könnt' einer ein ganzes Jahr in allen Winkeln und Löchern dieser großen Kirche herumsuchen, und am Ende dennoch nichts finden. Ich finde das schon jetzt selbst dumm, daß sich eure Eminenz gerade auf so eine Mutter Gottes kaprizieren, als wenn zwischen der Maria und wieder ganz derselben Maria ein Unterschied wäre. Die Bilder können ja ohnehin keine Wunder wirken, und der wirklichen Mutter Gottes wird es wohl vernünftigermaßen ganz gleich sein, ob sie durch was immer für ein Bild verehrt wird. Ich muß es hier offen gestehen, daß ich nie etwas besonderes auch selbst bei den besten Bildern gefunden habe.
2 Ein Bild ist wohl dazu gut, daß man durch dasselbe an so manches Würdige der heiligen Religion erinnert wird; aber den Bildern eine gewisse Wunderkraft zuzuschreiben, das ist heidnisch; und da kann mir einer sagen, was er will, und wenn's der Papst auch selber mir in's Gesicht sagen möchte, daß die toten Bilder Wunder wirken können, so glaubete ich ihm nicht. Können die lebendigen Menschen kein Wunder wirken, wie hernach erst die toten Bilder? Ich meine, daß das sogar ein Stockblinder einsehen müßte, um wieviel mehr so hochgelehrte und hochstudierte Herrn. Was ist denn mehr, so ein oft sehr schlechtes entweder geschnitztes oder gemaltes Bild oder ein Mensch? Der Bilder wegen ist unser lieber Herrgott gewiß nicht auf die Welt gekommen, sondern bloß nur der Menschen wegen, und darum müssen die Menschen doch mehr wert sein, als so ein dummes, totes Heiligenbild.
3 In der Wirklichkeit ist mir ja eine Schmeißfliege lieber, als das schönste Bild; denn die erste hat Leben und ist wirklich ein wunderbares Werk der göttlichen Allmacht, Liebe und Weisheit, während ein Bild nichts ist, als ein Werk der grellsten menschlichen Dummheit, die einen ewig lebendigen Gott und die das ewige Leben habenden reinen Geister durch vollends tote Bilder vorstellen will. Das ist meine Ansicht und mein Glaube; und die Herren können mit mir machen, was sie wollen; das ist mir gleich. Daß ich aber kein altes Bild mehr irgendwohin suchen gehen werde, darauf schwör' ich! Von nun an bleibe dumm, wer da will; ich aber werde niemanden mehr einen Narren machen.«
4 Jetzt fahren alle über diesen Ketzer her, und drohen ihn zu züchtigen auf das Schauderhafteste; und der Großfungator sagt in einem ganz prophetisch-pathetischen Tone: »So das am grünen Holz geschieht, was wird es mit dem Reisig werden? Darum muß ein solcher Ketzer zum abschreckenden Beispiele gezüchtiget und sodann öffentlich den Teufeln zur ewigen Pein und Marter übergeben werden; denn er hat die Heiligtümer der Kirche Gottes beschimpfet und ist dadurch ein Sünder wider den heiligen Geist geworden; ein Sünder wider den heiligen Geist aber hat weder hier noch jenseits eine Vergebung zu erwarten. Daher hinaus in's Gerichtshaus mit ihm; von dort in die geheime Totenkammer, und von dieser zu allen Teufeln mit ihm. Fiat!«
5 Hier wird der Kirchendiener ganz entsetzlich rabbiat, hebt einen tüchtigen Stock vom Boden und sagt in einem all' den Pfaffen Respekt einflößenden Tone zum Großfungator: »He da! (mit dem keulenartigen Stocke drohend) wenn du, böser Pfaffe, es wagen solltest mich anrühren zu lassen, so sollst du und jeder, der seine Hand an mich legen sollte, mich von einer Seite kennen lernen, daß euch allen auf ewig das Hören und Sehen vergehen solle. O ihr vermaledeiten Lumpen und Spitzbuben der allerersten Klasse! Ihr alten Gottesschänder, Kaiserschänder und Volksschänder! Mich wollt ihr in euer schmählichstes Richthaus schicken? Mir den Tod und die Hölle geben deshalb, daß ich nun die Wahrheit vor Gott und aller Welt euch in's Gesicht gesagt habe?
6 Wer seid ihr denn, ihr schlechten Kujons?! Meinet ihr denn, man hat eine Achtung etwa vor euren Goldborden und heidnischen Bischofsmützen? Ja, man achtet sie wohl, aber also wie einen wütenden Hund oder wie den Biß einer Klapperschlange. Ihr wollet mich allen Teufeln übergeben? Wer seid denn ihr? Kann es noch irgend ärgere Teufel geben, als ihr es seid? Ihr seid die reißenden Wölfe in Schafsfellen, ihr – ihr die verkleideten Teufel! Ihr wollet jene allerachtbarsten Menschen als Teufel aus dieser Kirche treiben, und ihr selbst seid die allerärgsten Teufel?! Treibet euch selbst aus, dann werdet ihr des Rechtens handeln; aber nicht jene sichtlichsten Ehrenmänner, die hunderttausendmal eher verdienten als Heilige auf die Altäre gesetzt zu werden, als eure schlechten Götzenbilder!
7 Heißt denn das Gott, dem reinsten Geiste, dienen, so man vor geschnitzten Bildern die Knie beugt, um das Volk zu täuschen und ihm glauben zu machen, daß man als ein Gottesgelehrter selbst daran glaubt, während man von der hochgeistlichen Seite doch nicht ein Jota glaubt von allem, was man dem Volke zu glauben aufbürdet. Ihr seid es, von denen Christus im Tempel sagte: »Ihr bürdet den Armen und Schwachen unerträgliche Lasten auf, aber ihr selbst wollet sie auch nicht mit einem Finger anrühren. Ihr schützet den armen Witwen und Waisen lange Gebete vor, auf daß sie könnten in's Himmelreich kommen, ein Reich, an das ihr noch nie geglaubt habt, und verzehret dafür ihre Häuser und ihr Vermögen! Ihr seid es, die da die Mücken säugen (seien bzw. absieben) und dafür Kamele verschlingen. Dafür solle aber auch desto mehr Verdammnis über euch kommen! –
8 Euer Gottesdienst ist und muß allezeit ein Greuel vor Gott gewesen sein, denn Christus Selbst hat ausdrücklich gesagt: »Was ihr den Armen tut, das tut ihr Mir.« So ich aber nicht ginge an einem Sonn- und Feiertage in euren Gottesdienst, besuchete aber dafür die Armen und täte ihnen Gutes nach meinen Kräften, beichtete aber hernach, so würdet ihr mich richten; und doch kann nur das ein rechter Gottesdienst sein, wenn man den Armen dient im Namen Gottes des Herrn. Wessen Diener aber seid ihr, so ihr den wahren von Gott Selbst klarst bestimmten Gottesdienst richtet und gleichwohl heuchlerisch saget, man solle das eine wohl tun, aber das andere darum nicht weglassen, weil eines ohne das andere keinen Wert hätte? O ihr Toren! Also redeten auch die Pharisäer. – Was ist denn vor Gott besser, das tun, was Er Selbst angeordnet und geboten und gerühmt hat oder Ihn mit den Lippen ehren, das Herz aber ferne halten von den Armen und Leidenden? Ich habe mich selbst überzeugt, wie man in der Stadt die Bettler mit Gerichtsknechten abfangen und ihnen Strafe geben ließ, so sie irgend während des sogenannten Gottesdienstes jemanden um einen Almosen anflehten; und so hat man die wahren und lebendigen Gottesaltäre, an denen allein man den wahren Gottesdienst hätte verrichten sollen, zur Strafe eingesperrt, und dann schmählich per Schub fortgeschickt, und brachte dafür Götzen ein Opfer! Meint ihr wohl, daß an solch einem Opfer Gott je ein Wohlgefallen hat haben können? O ihr blindesten Toren! Wann habt ihr wohl Gott gedient, da ihr Sein Wort und Sein Gesetz noch nie angenommen habet? – Ihr seid allezeit selbstsüchtige und herrschsüchtige blinde Blindenleiter gewesen und seid am Ende mit ihnen in die Grube gefallen.
9 Ihr habet an Christus nie geglaubt; denn hättet ihr an Christus je geglaubt, so hättet ihr das getan, was Er gelehrt hat; ihr aber hieltet nur auf eure Satzungen, diese waren euch ein kostbares Bild, zu dem Christus bloß einen schlechten, abgeschabene Rahmen abgeben durfte. O ihr schändlichen Volksbetrüger und Volksverführer! Ihr haltet euch Göttern gleich und verdammet alles, was da eurem großen Geldbeutel als gefährlich erscheint; und so verdammet ihr auch das Wort Gottes selbst, so es nicht für euren Beutel taugt. O ihr Heuchler! Warum enthaltet ihr denn das reine Wort Gottes den Gläubigen vor, und verdammet den, der es läse? Ihr saget wohl heuchlerisch genug, daß dies wegen der falschen Auslegung geschähe, und nur der Priester es dem Volke vorzutragen habe.
10 O ihr Heuchler! Wisset ihr den Grund, warum ihr dem Volke das Gotteswort vorenthaltet? Sehet, des Geldes wegen tut ihr das, und aus Furcht, das Wort Gottes könnte dem Volke die Augen öffnen und euch entlarven vor ihm; darum verbietet ihr es und weil ihr selbst es nicht glaubet. Aber darum kommt das Wort doch unter's Volk, und dieses kennt nun nur zu gut wessen Geistes ihr seid.
Am 13. August 1850
11 Greifet mich, so ihr euch getrauet; ich werde mich gegen euch zu stellen wissen!« Warum zaudert ihr denn nun? Hat seine Eminenz doch eher – als ich mich wider das gräßliche Bilderwesen ausgesprochen habe, sogleich – wahrscheinlich aus purer christlicher Nächstenliebe, wonach man dem Nächsten nichts wünschen und tun solle, was man sich selbst sicher nicht gewünscht und getan haben möchte, – zu allen Teufeln haben wollen; warum zaudert sie denn jetzt? Ich werde es der Eminenz aber sagen, worin der Grund davon steckt: – Die Eminenz hat nun, da ich so frei war, ihre Schande und Bosheit vor jenen Ehrenmännern, die die Eminenz als Teufel aus der Kirche exorzismieren hat wollen, aufzudecken, die sogenannte ganz eigentümliche Spitzbuben-Trema bekommen, und traut sich daher nichts mehr zu unternehmen gegen einen Mann, der ihr sehr in allem, was Kraft und Verstand heißt, überlegen ist. Die Eminenz wirft wohl Blicke auf mich, wie so ein hungriges Krokodil, und möchte mich gerne zerreißen; aber es tut sich denn doch nicht mehr; ja, ja, die Diebe und Räuber sind auch von größter Wut beseelt, so sie verraten und ertappt werden; aber das macht nichts; im Kerker werden sie hernach schon sanfter.
12 Siehe die Eminenz! Warum hat sie denn so ganz eigentlich diese mißlungene exorzistische Handlung gegen jene Ehrenmänner vorgenommen, die sie als Teufel deklariert hat? Sie wird es freilich nicht sagen; aber dafür werde ich so frei sein, es ihr gerade in's Gesicht zu sagen. Sehe sie, diese Ehrenmänner, die dort stehen und entweder die Kirche oder unsere unbegrenzte Dummheit in den Augenschein nehmen, hat sie bei sich selbst durchaus nicht als Teufel angesehen, da sie doch selbst nie an einen Teufel geglaubt hat, sondern für höchst weise und in allen Dingen wohl erfahrene Leute, denen es vor jeder Dummheit ekeln muß. Obschon eine lateinische Messe mit allerlei Zeremonie und Geplärr zwar für einen wahren und reinen Christen des Dummen schon so viel enthält, daß es ihm dabei übel werden muß, so er die Sache nur einigermaßen beim Lichte des helleren Verstandes betrachtet.
13 So hat aber diese Dummheit, da sie etwas Alltägliches ist und durch die Gewohnheit erträglich geworden ist, auch den von der Eminenz erwünschten Erfolg nicht gehabt. Die Ehrenmänner haben sie ganz geduldig angehört und ganz im Stillen unter sich ihre Bemerkungen gemacht. Das machte die Eminenz beinahe schäumen vor Wut, und eine ungebührlich über's Kreuz gelegte Stola mußte am Ende den Sündenbock machen, obschon die Eminenz bei sich gar wohl gewußt hat, daß sich solche Männer nicht mehr vor einem Fetzenkrampus fürchten werden, wohl aber sich vor einer zu grellen Dummheit werden zurückziehen müssen. Die Eminenz suchte also nur durch eine Exzentrizität der Dummheit auf jene Ehrenschar natürlich so wirdrig als nur immer möglich einzuwirken, da sie früher durch alle die falschen Höllenspektakel nichts hat ausrichten können, da diese Ehrenmänner die pappendeckelne Hölle und die Kolophoniumflamme (Balsamharzflamme), nur zu geschwinde gemerkt haben. Aber mit der großen Plärrmesse ging es wie Figura zeigt, durchaus niche, sagen die Preußen; es ward daher zum echt römisch-katholischen Exorzismus geschritten, der in seiner Art einzig als Krone der menschlichen Dummheiten dasteht, und als das auch auf jene weisesten Ehrenmänner einen entschieden alleranekelndsten Eindruck hätte machen sollen; aber die Ehrenmänner müssen sich zum Grundsatze gemacht haben, auch vor der größten Dummheit nicht zu weichen, und sie blieben denn auch so zu seiner Eminenz größtem Ärgernisse hier. Was blieb der Eminenz nun noch übrig?
14 Die Eminenz dachte bei sich: Der Exorzismus ist zwar wohl aller Dummheit Krone; aber da es dabei so misteryös spektakelhaft zugeht, so kann auch der Gebildetste solch eine Obszönität sich einmal ganz behaglich mit ansehen; denn es fehlt dieser Handlung das eigentliche fade Element. Das Fadeste des Fadesten und das Langweiligste des Langweiligsten ist und bleibt denn doch ewig eine langsam herabgebrodelte Lauretanische Litanei und ein altes Mirakelbild; das halten diese Weisen nicht aus, da werden sie gehen müssen, so sie nicht von der allerfadesten Langeweile getötet werden wollen. Aber oha! hat der gute Zufall dazu gesagt. Das alte Mirakelbild, durch den Zahn der Zeit zu sehr entstellt, obschon es zu den Meisterwerken ohnehin nicht und nie gehört hat und sonach ohnehin ein wahres Schmafubild war, an dem sich auch nicht einmal ein allerdümmster Kerl hätte je erbauen können, konnte wegen zu schreiender Miserabilität denn doch nicht mehr vor's Tabernakulum gestellt werden, das die Protestanten schon lange den römisch-katholischen Herrgottsarrest genannt haben, und so blieb denn auch bis jetzt das Fadeste des Fadesten, die Lauretanische Litanei beiseite; und wie es sich nun zeigt, werden diese Ehrenmänner auch nicht mehr damit geplagt werden. Wie befinden sich nun eure Eminenz? Werden sie mich nicht in die Höll' hineinschieben?«