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Roberts Bericht vom Besuch in seiner Unterwelt. Besteigung der Pyramide von außen, dabei stufenweise Enthüllung des Geheimnisses der Erlösung. Deren wesenhafte Aufnahme in sich und dadurch ihre Erfüllung an einem sebst
1 In diesem Moment tritt der Robert mit seiner Gemahlin vor Mich hin und beginnt wie folgt zu reden: »O Herr! Du guter, heiliger Vater aller Menschen und Engel! da sieht es schlimm, ja sehr schlimm aus; wäre dieser Pyramide Inneres ein Augiasstall, wenn auch noch um's zehnfache ärger, da wäre es ein Leichtes ihn zu reinigen; aber so übersteigt der Sündenmist des Innern, und besonders das Untere dieser Pyramide den Augiasstall ums Millionenfache! Und da ist wahrlich an keine Reinigung mehr zu denken, und könnte man auch alle Flüsse und Bäche der Erde hineinlenken; in den oberen Regionen dieser Pyramide präsentieren sich eine Anzahl von tausenderlei von den allerleichtfertigsten Bildern aus meinem gesamten Erdenleben; die unteren Gemächer aber sind überfüllt von allerlei unbeschreiblichem Unflate, der noch dazu vom übelsten Geruche, respektive Gestank begleitet ist. O weh, o weh! wer wird mir Armen helfen, diesen Stall reinigen?«
2 Rede Ich: »Mein lieber Freund Robert! keine Arbeit ist so groß, als daß sie mit den tauglichen Mitteln nicht könnte verrichtet und in die beste Ordnung gebracht werden, aber es gehört dazu eine rechte Einsicht und Geduld; sehe an die ganze unermeßliche Schöpfung von ihrem Beginne bis zu ihrem einstigen notwendigen Ende, und von ihren notwendigen kleinsten organischen und unorganischen Teilchen, bis zu ihrem für dich unermeßlich großen, geordneten Ganzen und du wirst darinnen für deine gegenwärtige Einsicht doch sicher die fast nimmer mögliche Ausführung, Ordnung, Erhaltung und Leitung zum rechten Endzwecke gewahren; und doch steht dies große Schöpfungsgebäude bestgeordnet da, und kein Atom kann seiner Bestimmung entgehen. Wie aber dies möglich ist, so ist es um so mehr möglich, deinen irdischen Augiasstall zu reinigen; aber, wie gesagt, es gehört dazu die rechte Einsicht und Geduld, und, was sich schon von selbst versteht, ein fester durch nichts beirrbarer Wille.
3 Damit du aber vor allem zur rechten Einsicht gelangen magst, so gehe hin zu den äußeren Staffeln (Stufen) der Pyramide, die mit einem beschriebenen Goldreifen umfasset sind, und lese, was darauf geschrieben stehet; das wird dir sagen, was du da alles zu tun haben wirst.« –
4 Robert gehet hin und liest zuerst die Inschrift des untersten Reifens, und diese lautet: »Kommet alle zu Mir, die ihr mühselig und beladen seid, es solle euch Erquickung werden.« – Und weiter liest er: »Haltet euch an die alleinige Liebe! Wahrlich, so die Zahl eurer Sünden wäre wie die des Sandes am Meere und des Grases auf der Erde, so wird die Liebe sie tilgen ganz und gar; und wäre eure Schande vor Gott gleich wie das Blut der Sündenböcke, so solle sie von der Liebe weiß gewaschen werden wie weiße Wolle und wie der feinste Byssus.«
5 Und weiter liest er an der zweiten Stufe: »Die Liebe ist das Leben, das Gesetz, die Ordnung, die Kraft, die Macht, die Sanftmut, die Demut, die Geduld und dadurch der Kern aller Weisheit! Der Weisheit sind nicht alle Dinge möglich, weil die Weisheit nur einen gewissen Weg gehet und sich mit dem, was unrein ist, nicht befassen kann; aber der Liebe sind alle Dinge möglich; denn sie ergreift auch das, was verworfen ist, mit derselben Innigkeit, als wie das, was in sich selbst schon das Reinste ist. – Die Liebe kann alles gebrauchen – die Weisheit aber nur, was die Liebe gereiniget hat.«
6 Und wieder weiter liest er von der dritten Stufe: »Frage dein Herz, ob es sehr lieben kann, ob es Gott über alles lieben kann, ohne Interesse außer dem süßesten der Liebe selbst? – Frage dein Herz, ob es den Bruder mehr denn sich, um Gottes willen wie einen zweiten kleinen Gott lieben kann. – Frage dein Herz, ob es wahrhaft und vollends rein lieben kann! – Kann es Gott darum lieben, weil Gott – Gott ist, und kann es den Bruder wie aus Gott heraus wegen Gott, und aus purer Liebe zu Gott wie einen Gott lieben? – Kann dein Herz das, so ist deine Verwesung zu Ende, und du selbst stehest vollendet vor Gott deinem Herrn und Vater und Bruder!«
7 Und wieder weiter liest er auf der vierten Stufe: »Gott selbst ist die urewige reinste Liebe, und ihr Feuer ist das Leben und die Weisheit in Gott, und also aus Gott wie in Gott das Leben und das Licht aller Wesen; die Funken aus dem Essenfeuer der reinsten Gottesliebe in Gott sind die Kinder Gottes gleichen Ursprungs aus dem einen Herzen Gottes! – Auch du bist ein solcher Funke; fache dich an zu einem lebendigen Brande, und du wirst in deinem Herzen Gott schauen!«
8 Und weiter liest er auf der fünften Stufe: »Das Wort aus dem Gottes-Herzen ist der Liebe Allkraft; daher ist das Wort und der ewige Sohn aus Gott eins; ja Gott selbst ist das volle Wort, das im Feuer der Liebe gezeuget wird. Du aber bist auch ein Gotteswort erzeugt im Gottes-Herzen; darum werde wieder ein volles Wort Gottes; werde ganz Liebe, volle Liebe in Gott, so wirst du zum Gottes-Sohne gelangen und eins sein mit Ihm. Aber du gelangst nicht zu Ihm, außer durch den Vater, der da ist die Liebe und das Wort selbst in Sich, von Ewigkeit zu Ewigkeit stets Derselbe.«
9 Und weiter liest er auf der sechsten Stufe: »Christus ist allein der Mittler zwischen Gott und der Menschennatur; durch den Tod Seines Fleisches und durch Sein vergossenes Blut hat Er allem Fleische, das da ist die alte Sünde des Satans, den Weg gebahnt zur Auferstehung und Rückkehr zu Gott! Christus aber ist die Grundliebe in Gott, das Hauptwort alles Wortes, das da ist Fleisch geworden, und dadurch geworden zum Fleische alles Fleisches und zum Blute alles Blutes. Dieses Fleisch nahm freiwillig alle Sünde der Welt auf sich und reinigte vor Gott sie durch Sein heilig Blut. Mache dich teilhaftig dieses größten Erlösungswerkes Gottes durch das Fleisch und durch das Blut Christi, so wirst du rein sein vor Gott! Denn kein Wesen und kein Ding kann rein werden durch sich, sondern allein durch die Verdienste Christi, die da sind die höchste Gnade und Erbarmung Gottes. Du allein vermagst nichts, alles aber vermag Christus.«
10 Und weiter liest er auf der siebenten Stufe: »Dein irdisch Wohnhaus ist voll Unflates; wer wird es reinigen? Wer hat die Kraft und die Macht allein? Siehe, Christus, der ewige Hohepriester vor Gott, Seinem ewigen Vater! Denn Christus und der Vater sind eins von Ewigkeit. In Christus allein wohnt alle Fülle der Gottheit körperlich; und diese Fülle ist der Vater als die reinste Gottliebe. Diese ergreife mit deiner Liebe, und sie wird dein Fleisch reinigen und erwecken, wie sie erwecket hat das Fleisch Christi, das sie selbst in sich barg.«
11 Und wieder weiter liest er auf der achten Stufe: »Du erschrickst über die große Menge deiner argen Geister, die auf der Welt beherrschet hatten dein Fleisch und Blut und fragst mit Paulus: Wer wird mich erlösen von meinem Fleische und frei machen von den Banden des Todes? Siehe hin, Christus, der getötet war, ist auferstanden und lebet, ein Herr von Ewigkeit! – Wäre Er im Tode verblieben, so es möglich gewesen wäre, da wäre dir ebenfalls der ewige Tod sicher; aber da Christus auferstanden ist, wie du Ihn nun selbst siehst, so ist es ja unmöglich, daß da jemand im Grabe belassen werden könnte. Denn wie durch die eine Schlange der Tod kam über alles Fleisch, so auch kam das Leben durch den einen Gottmenschen über alles Fleisch der Menschen der Erde; aber auch ein neues Gericht, obschon das alte Gericht, das den Tod in sich barg, durch dieses Einen Auferstehung für ewig vernichtet ward; aber dies neue Gericht ist dennoch auch ein Tod, aber kein Tod zum Tode, sondern ein Tod zum Leben. – Mache dich an die Liebe durch deine Liebe, damit dies neue Gericht deines Fleisches durch die Werke des Einen zu einem wahren Leben wird; du stehest an der Quelle, trinke des lebendigen Wassers in der Fülle!«
12 Und auf der neunten Stufe liest er weiter: »Die pure Weiberliebe ist Eigenliebe; denn wer von der Weiberliebe sich so weit verziehen läßt, daß ihm daneben die Nächstenliebe und aus dieser die Gottesliebe zur Last wird, der liebt sich selbst im Wesen des Weibes; lasse dich daher von der reizenden Gestalt eines Weibes nicht gefangen nehmen über's gerechte Maß, ansonst du untergehest in der Schwäche des Weibes, während doch nur das Weib in deiner Kraft erstehen solle zu einem Wesen mit und in dir! Wie du aber ein oder das andere Glied deines Wesens liebst, also liebe auch das Weib, auf daß es eins werde mit dir; aber Gott liebe du über alles, auf daß du in solcher mächtigsten Liebe neu geboren werdest zu einem wahren freiesten Bürger der reinsten Himmel Gottes für ewig und dein Weib wie ein Wesen mit dir!«
13 Und noch weiter liest er auf der zehnten Stufe: »Suche, suche, suche, daß du dich nicht übernimmst, so du groß wirst! – Siehe an des Herrn Demut, Sanftmut und Güte! Sieh', Er ist der Herr von Ewigkeit; alles, das die Unendlichkeit fasset vom Größten bis zum Kleinsten, vom geistigsten bis zum materiellsten Atom, ist alles Sein höchst eigenstes Werk und Seine Kraft ist so groß, daß alle die zahllosesten Werke der Unermeßlichkeit schon vor dem leisesten Hauche Seines Mundes in ein ewiges Nichts zurücksinken müßten. Und dennoch stehet Er gar so einfach und ganz ohne allen Anspruch bei Seinen Kindlein, als wäre Er nahe der Allergeringste unter ihnen und liebt sie und unterhält sich mit ihnen, als hätte Er bloß sie allein in der ganzen Unendlichkeit, die doch von zahllosen Miriaden der allerwundersamst, herrlichsten und liebweisesten, reinsten Wesen strotzet. – Also suche, suche, suche der Geringste zu sein und zu werden und zu bleiben für ewig!«
14 Auf dieser letzten Stufe wird Robert so mächtig gerührt vor Liebe zu Mir, daß er laut zu weinen anfängt; er sieht bald diese letzte und oberste Inschrift, bald wieder Mich und manchmal auch sein neues Weib an und sagt nach einer staunenden Weile: »O du heilige Inschrift! bist so einfach, ohne allen Wortprunk da auf reinstes Gold geschrieben, und dabei doch so ewig wahr, wie derjenige Selbst, dessen allmächtiger Finger dich hier in dies Gold gegraben hat. O Gott! jetzt, jetzt erst fängt mich eine ungeheure Liebe zu Dir ganz allein durchzudringen an, und in diesem Durchdringen der mächtigsten Liebe zu Dir allein gewahre ich erst so ganz innig, daß ich Dich noch nie vollends wahr geliebet habe. Aber nun ist es anders geworden. Du allein, ja Du ganz allein bist nun der Herr meines Herzens, meines Lebens! – Ewige, unbesiegbarste Liebe Dir allein, Du mein süßester Gott und Vater Jesus!
15 Als Du mir die schönste Helena zu einem neuen Weibe gabst, da fühlte mein Herz zu Dir nur eine innigste Dankbarkeit mehr denn irgend eine rechte Liebe zu Dir; und mit dem pünktlichsten Gehorsame für alle Deine Gebote meinte ich, daß darinnen schon die sichere oberste Vollendung ruhe; aber wie weit war ich da vom wahren Ziele! Ja, ich wußte nicht einmal so recht, wie man Ihn neben der Helena mehr als sie lieben möchte, und hielt solch eine Liebe heimlich bei mir auch für ein wenig albern; aber nun ist es anders geworden. Ich liebe nur Dich allein über alles, und sehe in dieser Liebe ein ganz neues Leben erwachen. O Herr, o Herr, o Herr und Vater Jesus, Du meine einzige Liebe!«