Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kapitel 191

Die Gesellschaft begibt sich zur Schatzkammer des himmlischen Hauses von Robert Uraniel. Erklärende Weisung des Herrn an Robert Uraniel voranzugehen. Die verschlossene Pforte. Robert Ulaniel und Helena bekommen die verschlossene Pforte nicht auf. Minerva nähert sich der verschlossen Pforte

Am 13. Mai 1850

1 Alles begibt sich nun schnell in Meinen Willen, und Robert Uraniel kommt und sagt: »Herr und Vater! es ist alles geordnet nach Deinem Willen, nach Deiner heiligen Ordnung.« –

2 Sage Ich: »Also gehen wir denn dorthin gen Morgen, wo du in scheinbar großer Ferne zwei mächtig große Säulen ersiehst; alldort ist der vierte Großsaal der Vollendung, wo der eigentliche Himmel erst seinen Anfang nimmt für deiner Liebe und Erkenntnis Spähre. Nimm hier dein Weib, auf daß du als vollkommen eingehest in das Reich deiner Liebe und deiner Erkenntnis, aus Meiner besonderen Liebe in dir. Also sei es!« –

3 Auf diese Meine Worte umfaßt Robert Uraniel mit aller Liebe seine Helena und bittet Mich, daß Ich, so es nach Meiner Ordnung anginge, sogleich an seiner Seite und zwar zwischen ihm und der Helena in den Großsaal der Vollendung einziehen möchte.« – Ich aber sage zu ihm: »Du mußt einmal frei zu wandeln anfangen, ansonst du stets eines Gängelbandes bedürfen würdest. Ich aber werde schon ohnehin in dem Großsaale zugegen sein, wenn du in denselben eintreten wirst; sorge dich daher nicht um Mich und denke nicht, ob Ich hier oder dort sei; denn wo du mit der Liebe zu Mir immer dich hinbegeben wirst, da werde Ich bei dir sein, indem deine Liebe zu Mir Ich Selbst bin, und bin da gegenwärtig überall, wo die wahre und reine Liebe in irgend einem Herzen zu Mir gegenwärtig ist in gerechter Fülle. – Und so gehe denn voran und öffne uns allen in der Fülle die Pforte in das Reich der Vollendung deines Herzens.« –

4 Hier macht der Robert eine tiefe Verbeugung vor Mir, und tritt darauf sogleich seine Reise an, und wandelt wohlgemut mit seiner Helena, – die ihn unterwegs fragt, wie es ihm denn hier im Reiche Gottes so ganz eigentlich vorkomme? Ob er sich wohl schon so ganz heimisch fühle, oder ob es ihm dennoch nicht öfter vorkäme, als ob er in der Fremde wäre?« – Sagt darauf Robert Uraniel: »Allerdings komme es ihm manchmal sehr fremd vor, besonders so der Herr nicht neben ihm sich befindet; aber so der Herr sich in seiner Gegenwart sichtlich befindet, da sei er wieder ganz zu Hause. Nun käme es ihm an der Seite der Helena aber dennoch weniger fremd vor, als ehedem an der Seite des Sahariels; nur die Erscheinungen, die da kommen und bald wieder vergehen, kommen mir trotzdem, daß ich sie recht wohl verstehe und begreife, noch immer sehr befremdend vor, weil ihr Auftreten oft gar so unvorbereitet zum Vorscheine kommt; aber das tut nun gar nichts; ich habe mich daran schon gewöhnt. Aber nun ist auch schon die Pforte da und verschlossen; was nun?« –

5 Spricht die Helena: »Nun, die werden wir im Namen des Herrn denn aufzumachen versuchen. Sieh', es steckt ja ein goldener Schlüssel daran; also versuchen wir's.« – Robert Uraniel ergreift sogleich den goldenen Schlüssel und fängt an, ihn nach rechts und nach links zu drehen, aber die gorße Tür will sich nicht öffnen (lassen); er drehet wieder, und stärker als zuvor drückt er mit aller Gewalt an die beiden Türflügel, doch vergebens; nimmer weichen sie seiner Gewalt.

6 Darob wird es dem Robert Uraniel etwas bange und er spricht zu seiner Helena, sagend: »Siehe, mein geliebtes Weib, da ist wieder eine lebendige Antwort auf deine Frage: Ob es mir nicht öfter vorkäme, als ob ich in der Fremde wäre. Ich muß dir hier offen gestehen, daß ich mich nun einmal wieder sehr in der Fremde fühle, ja als wie einer, der ganz verlassen ist von allen seinen früheren Freunden und Helfern in der Not. Sieh dich nur einmal um, und sage mir, ob du selbst in der weitesten Ferne hinter uns jemanden erschauen kannst. Außer dem Freunde Kado, der uns ganz still aus eigenem Antriebe gefolget ist, entdecke ich keine Seele, und somit auch keinen Geist. Was sagst denn du mein Engel zu dieser nun ganz unerwarteten himmlischen Anrennrei?« – Spricht die Helena: »Ist wahrhaft sonderbar! Außer dem Kado sehe ich auch niemanden, und das Tor läßt sich nicht öffnen, und hat uns doch der Herr Selbst da hierher beordert. Geh, versuche es noch einmal zu öffnen die Türe; ich werde dir selbst helfen; vielleicht wird es dann gehen.«

7 Robert macht sich nun wieder an den Goldschlüssel, und drehet ihn nach allen Seiten, während dem die Helena stets an die beiden Flügel recht kräftig drückt. Die Operation gehet eine gute Weile vor sich, aber ohne Effekt. – Als beide schon etwas abgemüdet sind, sagt die Helena: »Weißt du, mein geliebter Robert Uraniel, über die Möglichkeit hinaus kann sich niemand zu einer Tat verpflichtet fühlen. Wir haben bereits alle unsere Kräfte daran verwendet, um zu öffnen diese Himmelspforte; sie läßt sich aber durchaus nicht öffnen, wofür wir doch kaum etwas schulden können; also bleibe sie denn in des Herrn Namen verschlossen. Den Freund Kado könnten wir zwar noch um eine gefällige Mitwirkung ansprechen. Wer weiß, vielleicht weiß er damit besser umzugehen als wir beide.« – Spricht Robert Uraniel: »Du hast aber auch recht; das werde ich aber nun auch sogleich tun.«

Am 14. Mai 1850

8 Hier spricht Robert Uraniel den Kado an und sagt: »Liebster Freund, du hast uns sozusagen ganz allein bis hierher ein freundliches Geleit gegeben, während von all den vielen anderen nicht ein bewegliches Atom irgendwo zu ersehen ist; du hast auch des Herrn Auftrag an mich vernommen, wie ich mit meinem Weibe hierher ziehen solle, und hier öffnen dies Tor; allein alle meine noch so kräftigen Versuche scheiterten an der Widerkraft dieses Tores; meines Weibes nicht unkräftige Mithilfe fruchtete auch nichts. Daher will ich dich hiermit ersucht haben, da du schon ohnehin hier bist, daß du mir noch einen, und zwar den dritten Versuch recht kräftig möchtest machen helfen. Vielleicht gelingt's uns dreien, diese riesige Himmelspforte denn doch zu öffenen, dann wohl uns! Gelingt es uns aber wieder nicht, was das offenbar Wahrscheinlichste ist, nun, so mag der Herr dann tun und machen mit uns, was Ihm wohlgefällt.« –

9 Spricht Kado: »Lieber Freud! dieses unermeßliche Meer von Erscheinungen, die sich hier schnell aufeinanderfolgend die Hände bieten, macht aus mir eine Ohnmachtsmücke, und es wird dir mein Wirken sehr wenig Segen bringen. Quod licet Jovi, non licet bovi! Du bist dazu berufen und auserwählt; und ich nicht einmal glattweg berufen. Aber es macht das nichts; ich werde dir dennoch die verlangte Hilfe leisten. Ob es dir aber etwas nützen wird? Natürlich, für das kann ich dir nimmer gut stehen. Du weißt es ja, daß das Himmelreich Gewalt brauchet; nur die werden es besitzen, die es mit Gewalt an sich reißen. Gewalt muß also hier geschehen dieser Pforte; und so gehen wir's denn in Gottes Namen an.«

10 Robert macht sich nun abermals an den Schlüssel und drehet ihn nach links siebenmal, und da dadurch bei allem Kraftaufwande die Pforte noch nicht aufgehet, so dreht Robert den Schlüssel nach rechts solange um, so oft sich der Schlüssel nur immer drehen läßt, und es wird während des Drehens in einem fort kräftigst an die Pforte losgedrückt; allein die Pforte bleibt beharrlich verschlossen. –

11 Robert Uraniel kratzet sich hinter den Ohren und Kado sagt: »Ich habe es dir früher gesagt, daß es nicht gehen wird; denn obschon ich eben noch nicht zu lange hier ein Bewohner des Geisterreiches bin, so weiß ich aber doch, daß diese geistigen Dinge um sehr vieles hartnäckiger sind, denn die irdischen; ein Berg auf der Erde ließe sich eher versetzen, als wie so ein hartnäckiges Geistertor öffnen. Mein Rat wäre hier dieser, nämlich: die Geschichte abwarten. Die Gegend ist hier wahrlich wunderschön, und Gärten und Früchte aller Art gibt es hier auch in großer Fülle; was wollen wir mehr? Daß unsere Bestimmung nicht darin bestehen kann, gleichfort sichtlich dem Herrn Gott Jesus auf der Nase zu sitzen, das werdet ihr hoffentlich ebenso gut einsehen, wie ich es einsehe; es ist uns demnach ein Ort im Gottesreiche angewiesen worden, wo wir so lange zu verharren haben werden, als bis uns von höheren Mächten diese große Himmelspforte aufgetan wird; denn wir werden sie wohl ewig nimmer zu öffnen imstande sein. Was wir aber tun können, wäre meines Erachtens das, daß wir uns auch hier an den evangelischen (christlichen) Rat halten sollen, der nämlich also lautet: Suchet, so werdet ihr's finden; bittet, so wird es euch gegeben, und pochet an, so wird's euch aufgetan! Wer weiß, ob das Tor nicht schon offen stünde vor uns, so wir uns statt des Schlüsseldrehens an diesen evangelischen Rat gehalten hätten. Was meinst du, mein Freund, in dieser Sache?« –

12 Spricht Robert Uraniel: »Ja, ja, Freund! du hast da durchaus recht; dagegen läßt sich gar nichts einwenden; aber daß der Herr mich förmlich genötiget hat, ja eilends voran mich hierher zu begeben und diese Pforte zu öffnen, da uns alle großwichtige Dinge hinter dieser Pforte erwarten. Und nun bin ich hier, erwartend die Eröffnung des Himmels und richte mit der Pforte nichts! Siehe, das ist denn doch »bei Gott« etwas sonderbar. Aber sei ihm nun, wie's ihm wolle, ich werde deinem Rate folgen.«

Am 16. Mai 1850

13 Spricht hierzu die Helena: »Freunde! wahrlich wahr, es gehört viel dazu, um in das Himmelreich Gottes eingehen zu können. Wenn man auch schon, wie ich selbst, in der allerwahrsten Glühhitze der reinsten Liebe dem Herrn selbst an der heiligen Brust gelegen hat und da als ein Säugling gesogen die Gnadenmilch des Lebens, so nützt das aber dennoch, wie es hier ersichtlich ist, eben nicht gar viel; denn kommt man dann vor die eigentliche Hauptpforte des Himmelreiches, so findet man diese ebenso gut verschlossen, als einer, der etwa in geradester Linie von unten hergekommen ist. Es ist wahrlich höchst sonderbar; mich geniert nun hier nichts, als dies herrlichste Strahlengewand; wenn ich so ein ganz ordinäres Bauernkleid statt diesem strahlenden hätte, so würde mich diese Verweigerung des Eintrittes in das eigentliche Himmelreich bei weitem weniger genieren. Der Sauhalter muß auch als solcher bekleidet sein, sonst wird ihm entweder sein Amt oder er sich selbst zu einem – Überdrusse werden. Wahrlich wahr, bei dieser Geschichte könnte man auf den Herrn ordentlich ungehalten werden. Früher Milch und Honig von bester Qualität und nun eine tinctura amara darauf, und an der Stelle des Himmelsbrotes, das man ehedem schon im wahren Übermaße genossen, kommt nun eine Hafergrütze, Prosit Mahlzeit! No, gespührest du so was, Robertl? Das wird eine sonderbare himmlische Süßigkeit abgeben. Aber wenn ich arme Närrin nur dieses dummen Kleides loswerden könnte. Mich geniert es nun schon ganz entsetzlich! Gefällt, mein geliebtester Robert, dir noch dein uranisches Sternengewand?« –

14 Spricht Robert: »Wäre mir gleichwohl auch ein anderes um eine ganze Million lieber, aufrichtig wahrgesprochen; ich komme mir nun in diesem göttlichen Sternenkleide wie so ein gefoppter himmlischer Esel vor. Bei Gott, eine lederne Hose und eine Jacke vom gröbsten grauen Tuche wäre mir um ein ganzes Leben lieber. Ich habe mich aber in meinem ganzen irdischen und geistigen Leben nie so impertinent wahrhaft bettpisserisch geschämt, als diesmal in diesem fatalen Himmelsgewande. Wenn ich es nur gegen ein anderes vertauschen könnte.« – Spricht die Helena: »Ich gäbe das meine um den allerschmutzigsten Küchenfetzen her; denn es gibt wahrlich nichts Erbärmlicheres als zu tragen ein Königsgewand auf einer Sauhalterwiese.«

15 Spricht Kado: »Meine liebsten Freunde, ihr redet mir aus dem Herzen; das muß auch Christus als Gott und Herr der Unendlichkeit tief gewollt und gefühlt haben, da Er so oft gegen die Kleiderpracht so sehr geeifert hat und trägt auch als Herr der Unendlichkeit hier im Reiche alles Lichtes wahrlich das lichtloseste ganz allereinfachste Kleid. Ich bin selbst ein größter Feind von jeder Kleiderpracht, mag sie nun auf der Welt materiell oder hier im Reiche des Geistes geistig sein. Wahrscheinlich sind die Prachtgewänder in den Himmeln, mit denen die weisen Engel angetan sind, jene Flecken an ihnen, die das reinste Gottesauge an ihnen ersieht. Denn es heißt irgendwo in der Schrift: Auch an den Engeln erschauet Dein Auge, o Herr, Mängel! Daher gebe ich euch ganz recht, daß ihr euer für hier unpassendes, prachtvollstes Himmelsgewand verabscheuet; aber wo nun ein anderes hernehmen? Daher behaltet es, so lange kein anderes zu bekommen sein wird. Sehen kann uns offenbar doch kein vierter, weil er nicht da ist; wir drei aber wissen es ja, was wir davon zu halten haben. Deshalb sollen euch diese strahlenden Himmelsfetzen auch gar nicht genieren, haben sie nur vorerst in euren Augen keinen Wert, dann ist alles wohl gut und recht; denn in meinen Augen hat solch ein selbst himmlischer Flitter nie einen Wert gehabt. Aber was werden wir nun vor dem Öffnen der Pforte beginnen? Werden wir zu bitten, zu suchen und zu pochen beginnen?« –

16 Spricht die Helena: »Ich meine, das werden wir schön fein bleiben lassen. So sie uns der Herr nicht öffnen will, so solle sie denn gleichwohl verschlossen bleiben in alle Ewigkeit, Amen.« Spricht Robert: »Hast eben nicht ganz unrecht, du meine allergeliebteste Helena; aber weißt du, so man es schon einmal bis zur – sozusagen – letzten Himmelspforte gebracht hat, da solle man sich denn doch noch einige Mühe geben, auch durch diese zu kommen. Bitten ist gerade keine Schande, suchen noch weniger und was am Ende das Anklopfen betrifft, so will ich mich selbst gleich einem irdischen Regimentstambour auf die beiden Flügel hermachen, und einen Lärm machen, der sich gewaschen haben solle. Nein, aber das gefällt mir nun erst; ehedem machte ich schon als selbst ein Engel mit dem Sahariel die gedehntesten Himmelsdurchwanderungen; und nun stehe ich wieder in eurer Gesellschaft als ein barster Ochse am Berge. Es geht uns nun nur noch die famose Minerva ab; das wäre wirklich ein Spaß, diese hier über diese Torsperre losziehen zu hören.« –

17 Spricht Kado: »Nur den Wolf nicht genannt, sonst kommt er gerannt. Und so ich mich nicht irre, so kommt sie schon daher, uns eine Visite zu machen. Nun sehen wir, wie wir ihrer los werden!« – Spricht dazu die Helena ganz verblüfft über diese Erscheinung: »Aber die muß ein feines Gehör haben. Nun, nun, nun, du mein lieber Robert Uraniel, das wird eine hübsche Geschichte werden. Hast aber auch müssen deren Namen so gewisserart als nun in dieser unserer ohnehin zuwidern Lage wißbegierig nennen. Nein, nein, das wird nun eine schöne Mette werden. Am Ende zieht sie uns noch alle drei mit sich in die allerunterste: Gott steh uns bei!«

18 Spricht Kado: »Ach, von dem ist keine Rede; aber das eigentlich etwas Fatale besteht nur darin, daß man ihrer nicht so bald wieder los werden kann, so sie einmal da ist.« – Spricht Robert: »Ja, so versuchen wir es zu verhindern, daß sie nicht her komme; denn mit so viel göttlicher Kraft und Gewalt werden wir ja etwa doch noch ausgerüstet sein!« – Spricht Kado: »Versucht es; aber ich meine, daß dies nichts nützen wird; denn sie wird gleich sagen, daß auch sie das vollste Recht habe, vor die Pforte des Gotteshauses zu kommen und da zu begehren den Einlaß. Ob sie hineigelassen wird, das ist freilich eine andere Frage. Aber an die Pforte zu kommen, kann ihr nicht gewehret werden. Lassen wir sie daher ganz ungehindert forwandeln, und tun nichts dergleichen, als ob wir sie bemerketen; wird sie sich dann etwa an uns machen, nun so werden wir ihr schon etwas zu erzählen wissen, was sie sicher nicht gerne hören wird. Nun aber dürfen wir gegen sie weder freundlich und noch weniger wie richterlich diktatorisch uns benehmen, sondern so ganz gleichgültig, was sie am wenigsten vertragen kann, da werden wir ihrer am ersten los werden. Denn ich glaube sie so ziemlich durch und durch zu kennen.«


 << zurück weiter >>