Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Kado und Minerva. Gleichnis von der Geduld Gottes, der Riesendiamant und das Kanarienvögelchen. Satanische Weisheit der Minerva; ihr Gleichnis vom Töpfer. Kados göttliche Weisheit
Am 21. Mai 1850
1 Hier wendet sich Kado zur Minerva und sagt: »Wie lange noch Satana, wirst du mißbrauchen unsere Geduld? Willst du selbst denn gar nichts tun außer Arges und Böses nur? Siehe, so die allmächtige und allgütige Gottheit erschaffen hätte einen Diamanten so groß, daß ein Blitzstrahl von einem Pole bis zum anderen eine Zeit von einer Million von Erdjahren bedürfte, um solch eine weite Strecke zu durchfliehen; und erschaffete hierzu aber auch ein kleinstes Kolibrivögelein und bestimmte, daß dies Vöglein alle tausend Erdjahre einmal zu dieser Diamantkugel hinzuflöge und stieße nur einmal mit seinem Schnabel an sie, so hätte das Vöglein der Kugel schon lange einen Garaus gemacht, indem es durch das überoftmalige Berühren die obgleich unnennbare harte Materie derselben mittelst des Schnäbelchens längst bis zum letzten Atom abgenutzt hätte. An dich wurden schon tausend solche Zeitenläufe verwendet und noch bist du ganz dieselbe, die du warest im Anfange und Beginn aller Zeiten der Zeiten. Kein Geist kann es fassen, welche Geduld dir die Gottheit stets erwies und welche Wege eingeschlagen wurden, um dich lauter zu zeihen; aber bisher – hm – ungeheuer undankbar, bisher vergebens. Ich meine, es wäre nun wohl schon einmal an der Zeit, daß du dein ganzes Wesen in jene Ordnung brächtest, die dir von Gott schon von Ewigkeit her getreust und sichtlichst vorgezeichnet ist.«
2 Spricht die Satana-Minerva: »Und was tat ich denn je, das da gewesen wäre wider deine Gottesordnung? Du sprichst fortwährend von einer gewissen Gottesordnung und scheinst im Grunde es selbst auch nicht einmal zu ahnen, was die eigentliche Gottesordnung ist und worin sie besteht. Wenn ich, als der ausgeschiedene unlautere Teil, den fortwährenden Gegensatz zu dem reinen Teile der Gottheit darstelle, und das unverrückt, so wie die Gottheit Selbst unverrückt in ihrer göttlichen Reinheit verbleibet, ist dann das etwas anderes, als eben die Gottesordnung selbst in ihrer Totalumfassung? Und was tue ich denn, das man vor Gott als Unrecht, also als etwas Arges und Böses bezeichnen könnte? – Es ist wahr, ich versuchte stets die Menschheit, ob sie in ihrer Tugend für Gott und Seine Liebe feuerprobehältig sei oder nicht. War sie es, nun so hatte meine Versuchung ohnehin für alle Ewigkeit ein Ende; und war sie es nicht, so ward ihr durch meine Versuchung nichts als eine neue Gelegenheit gegeben, sich in der wahren Tugend zu festigen und feuerprobehältig zu machen.
3 Den Stolzen machte ich noch stolzer, auf daß er durch dieses Laster am Ende in ihm selbst gedemütigt werde; denn nichts heilt dieses Laster besser, als eben die Überschwenglichkeit dieses Lasters selbst, wenn nicht schon auf der materiellen Probewelt, so doch sicher hier, früher oder später, was ein gewisser Kado an sich selbst mag erlebet haben. Also mache ich auch die sinnlichen Gäulböcke noch sinnlicher und gäuler, als sie vom Anfange her sind, und das solange, bis sie sich in eben diesem Laster bis in ihre letzte Lebensfiber selbst gefangen haben, und ihnen eben dieses Laster zur größten Qual und Pein wird, als wann sie dann erst aus höchst eigenem Antriebe diesem Laster den Rücken kehren und den Weg der Keuschheit zu betreten und fortzuwandeln anfangen. Schon auf der Materienwelt habe ich durch gewisse körperliche Krankheiten diesem Laster Grenzen gesetzt, und helfen diese nicht, so habe ich hier schon noch viel stärkere Mittel, den Seelen dieses Lasters am Ende so verächtlich als nur immer möglich zu machen.
4 Und wie ich's mache mit den beiden hier angeführten Lastern, also mache ich es mit jedem Laster. Ich bin ein scheinbarer Beförderer des Lasters, das ist wahr; ich fühle jedem Hiob auf den Zahn; aber nie noch ist von mir aus ein Laster belohnt worden, außer der Lasterhafte war noch zu wenig lasterhaft, um das Laster zu verabscheuen; da freilich wohl mußte ich durch allerlei Lockungen den Lasterhaften noch lasterhafter zu machen streben, um ihn auf den Kulminationspunkt des Lasters zu heben, wo er dann erst das Laster als solches erkennen mußte, es dann verabscheuen und für ewig Abschied nehmen von selbem. Ich und die Gottheit verfolgen ja stets das gleiche Ziel, nämlich die Reinigung der geschaffenen Seelen, damit sie tauglich würden, zu tragen den ungeschaffenen, reinsten und mächtigsten Geist aus Gott.
5 Gott ist der Töpfer, ich aber bin das Feuer; wie aber kein Topf zu gebrauchen ist zum Kochen beim Feuer, der nicht eher im Feuer selbst gefestet worden wäre, also ist auch keine Seele fähig, eher das Feuer der göttlichen Liebe zu ertragen, als bis sie nicht durch mein Feuer gefestet und als feuerbeständig gemacht ward. So ich aber das tue, was ich tun muß, wie kannst du je es nur zu sagen wagen, daß ich nicht nach der Ordnung Gottes, der ich, wie alle Dinge, ewig unterstehe, lebe und handle? Ja, so du mir je nachweisen kannst, daß ich das Laster belohnt habe, dann hast du recht; so ich aber des Lasters größte und unerbitterlichste Züchtigerin bin, da ist deine Rede blind und schabet an der Rinde nur, da sie nie des Kernes ansichtig werden kann.
6 Oder kannst du dir eine Tätigkeit denken aus purer positiver Bewegung; muß nicht ein Fuß unterdessen ruhen, also eine negative Bewegung machen, damit in der Zeit der andere Fuß die frei positive Bewegung machen kann? Ein Fuß muß also stets eine Sünde gegen die Bewegung machen, damit eben aus der Sünde gegen die Bewegung, und aus der Bewegung des je einen Fußes eine vollkommene Bewegung wird. Müssen nicht gewisse Punkte und Stellen sich im Zustande der Ruhe, also im Zustande der Sünde gegen die Bewegung sich befinden, damit sie von dem Wanderer erreicht werden können? Muß es nicht eine Nacht geben, damit der Sehende und Lichtverwandte das Licht schätzen und heiligen lernt? Muß es nicht wenigstens einen scheinbaren Tod geben, auf daß durch ihn das Leben verherrlicht wird; und was wäre denn die Seligkeit für den Geist, dem das Gefühl möglicher Unseligkeit nicht innerwohnete? So es keinen Schmerz gäbe, wie sähe es da mit dem Wohltun der Gesundheit aus? Und gäbe es wenigstens kein scheinbares Böse, wie sehe es dann mit dem Guten aus? Siehe, alles muß seinen Gegensatz haben, damit es sei; und so ich der Grund alles Gegensatzes bin, wie bin ich dann wider die Ordnung Gottes?«
7 Spricht Kado: »Meine liebe Minerva oder was anderes! so du auf einer Universitätskanzel auf der Erde und zwar entweder in Freiburg oder Jena, Stuttgart oder Berlin, eine solche salbungsvolle Rede über die Gottesordnung deines satanischen Wesens gehalten hättest, wahrlich, du hättest bei diesen gelehrten Gremien ein nicht unbedeutendes Aufsehen erregt, ob sie dir schon mit der Bemerkung entgegengekommen wären: daß sie es schon wissen, daß ein Topf eher gebrannt werden müsse, bevor er zum Kochen tauglich sei, wie auch: daß man beim Gehen stets einen Fuß um den anderen aufheben muß, um weiter zu kommen; aber daß du durch deine gegenwärtige Rede mich zu einer guten Überzeugung über dein Wesen hast zu bringen vermeint, da hast du einen äußerst lächerlich starken Fehlschuß gemacht. Denn für's erste zeigtest du, daß du dich selbst noch nie erkannt hast und daher auch gar nicht wissen kannst, wie du beschaffen bist und welche Richtung du dir selbst nach der Gottesordnung geben sollest. Und für's zweite kennest du mich gar nicht, nicht einmal dem Namen nach, daß du solch dummes Zeug vor mir dich auszusprechen getrauest.« –
8 Unterbricht ihn die Minerva: »Du heißest Kado!« – Spricht Kado weiter: »Ja, so heißet mein Rock, den Ich nun anhabe; aber Ich selbst heiße anders! Sage, wie kann es dir je beifallen, daß Gott die Seele durch Laster bessern werde!? oder zulassen, daß sie durch Anhäufung von Lastern auf Laster rein, stark und edel werde, und kräftig zur Tragung Seines Geistes? Siehe, um dir kurz deine Narrheit zu zeigen, so sage Ich dir bloß und frage dich: Ob ein Kleid dadurch besser und vollkommener wird; wenn man Tag für Tag, irdisch genommen, einen neuen Riß in dasselbe macht? oder ob ein weißes Tuch, das ohnehin schon einige Flecken hat, dadurch rein und weiß wird, so man statt es im reinen Wasser zu waschen, nur stets fort frische ganz kohlraben und pechschwarze Flecke hinein macht? oder wird ein schadhaftes Haus dadurch wieder fest und bewohnbar werden, so man statt es mit neuem guten Materiale zu unterstützen und auszubessern, von dem alten ohnehin morschen Materiale stets mehr wegreißt und zerstöret und dadurch die Schadhaftigkeit des Hauses stets mehr und mehr vergrößert? oder wird eine ohnehin schon sehr verstimmte Harfe dadurch reiner klingen, so man statt sie rein zu stimmen, sie nur stets mehr verstimmt, und ihr zu dem noch eine Saite um die andere wegnimmt und zerstört? Wird es lichter in einem Gemache, so man ein Fenster um's andere verstopfet, und ein im Gemache allenfalls noch mattglimmendes Lämpchen auch noch dazu ganz auslöscht? Werden aus einer Schule, in der nichts als huren, fluchen, stehlen, rauben, plündern und morden gelehrt wird, wohl am Ende reine, zarte, sanfte, ehrliche, gute, liebe und moralisch gebildete Menschen hervorgehen? Und wird es mit einem Kranken besser werden, so man ihm durch schädliche und giftige Arzeneien, und durch Schläge und gewaltige andere Züchtigungen zu Hilfe kommen wird? Oder wird ein Bettler reicher, so man ihm noch das wenige, das er sich mühsam erbettelte, wegnehmen wird, anstatt ihm etwas zu geben?
9 O sieh, du Dümmste und Blindeste! zehntausend Beispiele könnte ich dir anführen, wo eines genügt, den krassesten Unsinn deiner Rede mehr denn handgreiflich darzustellen; aber es genügen die wenigen, aus denen du hoffentlich denn doch ersehen mußt, welches dümmsten Geistes deine Rede und quasi Lehre an mich war. Was wolltest du damit beweisen, etwa deine Unschuld? Weil du kein Laster je belohnt hättest! O Unsinn allen Unsinnes! Sage mir, wie möglich könnte man denn den Toten einen Lohn geben? Wie kannst du einen Stein belohnen für einen allfälligen Schweredienst, den er dir, unbewußt irgend einer Eigenschaft und Kraft in ihm, bloß durch seine natürliche in ihm hart gerichtete Schwere geleistet hat? oder welchen Lohn kannst du einem gebratenen Vogel darum geben, daß er sich von dir hat fangen, töten, braten und fressen lassen? O du Unsinnigste aller Unsinnigsten!
10 In solcher Weise also willst du dennoch behaupten, daß du ganz der göttlichen Ordnung gemäß handelst! Und von dir selbst sagen: du! und Gott verfolgen stets eins und dasselbe Ziel! O du Allerelendeste! Gott willst du dich gleichstellen, ja dich Ihm sogar voranstellen, als wärest du nahe vorzüglicher denn Er !! Siehe, meine Liebe, das ist etwas zu arg; das kann für fernerhin nimmer geduldet werden! Daher wird von nun an deine Scheinfreiheit selbst wieder sehr bedeutend eng gestellet werden; denn du hast dich nun an den Rechten Gottes stark vergriffen und vergreifest dich blind auf der Erde mit deinen Baalsdienern, die im Golde und Silber Gott zu dienen vorgeben, und hast dich an den Rechten der Könige und ihrer Völker vergriffen, und darum werden sie dir bald ein vollstes Garaus machen, und dir wird nichts übrig bleiben, als mit einigen wenigen Schweinen der Könige und Fürsten, welche Schweine da sind jene blinden Anhänger deiner Götzenlehre, die du durch deine Reliquien- und Wundermärchen-Moral dazu gezogen und herbeigebracht hast, die bekannten Treber zu fressen. Hebe dich aber nun von dannen; denn deine Gegenwart ist mir zum Ekel geworden.«