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Kapitel 231

Fortsetzung der Szene zwischen den Schwarzen und dem hellen Meßner im Stephansdom. Die Sache bekommt närrischen Anschein. Ein echtrömisches Fluchgeschwätz. Des klugen Meßners Herzprobe an diese finsteren Geister

1 Nach dieser Rede kratzt sich die Eminenz, aber nicht der Großfungator, bei den Ohren, und sagt nach einer Weile zu seinem Kollegen: »Dieser Kirchendiener ist ein ganz verdammter Kerl; bei meiner armen Seele, so ich kein Kardinal wäre, möchte ich ihm beinahe recht geben. Aber natürlich, als Kardinal kann man sich denn doch nicht von einem Meßner belehren lassen.« – Spricht der Meßner: »O meine liebe Eminenz! Wir sind hier, so wahr ein Gott lebt, nicht mehr auf der Erde, sondern wie ich schon ehedem einmal erwähnt habe, wir sind samt und sämtlich mit Haut und Haaren in der Welt der Geister, was eure Eminenz aus gar mancherlei Erscheinungen und Vorkommnissen gar leicht hätten merken können, so sie es hätten merken wollen.« –

2 Sagt die Eminenz inzwischen: »Wie hätte ich denn das sollen merken können? Ich müßte ja doch davon aus einer wohl wahrnehmbaren Empfindung etwas verspürt haben, daß ich gestorben bin, das doch offenbar vorausgehen muß, bevor man in irgend eine Geisterwelt kommt; und so man dann in einer Geisterwelt sich befinden würde, da würde man sich doch als ein Geist, nicht aber als ein rein materieller Mensch mit Haut, Haaren und Knochen befinden? Das alles aber trifft bei keinem von uns ein und zu; wie könnten wir dann in einer Geisterwelt uns befinden? Mein lieber, hochweiser Meßner! Wie es mir immer klarer wird, so ist er ein Narr, und gehört in ein Narrenhaus.«

3 Sagt der Meßner: »Das hat nicht not, denn so lange ich mich unter euch befinde, bin ich in einem ganz vollkommen ausgebildeten Narrenkollegium, und somit auch in optima forma in einem Narrenhause. Denn wenn sie das nicht einsehen, daß sie sich schon lange in der Geisterwelt befinden, so müssen die Eminenzen erstens stockblind und zweitens vollends begriffsunfähigste Narren sein.

4 Sagen sie mir: Wie viele Erzbischöfe und Kardinäle waren denn auf der Welt auf einmal am Stephansdom zu Wien angestellt? Hier seid ihr als Hochgeistliche allein nahe knapp an Hundert beisammen; wann wären denn in Wien einmal so viele Erzbischöfe und Kardinäle auf einmal effektiv angestellt gewesen? Ich weiß nur von einem auf einmal; von mehreren auf einmal meldet keine Geschichte, auch die der römischen Kirche und Päpste nicht eine Silbe. – So die Eminenzen aber hier schon so eine geraume Weile von einigen Hunderten von Jahren der Erde beisammen hocken, wie die Frösche in ihrem Winterschlafe in irgend einem Schlammwinkel einer zugefrorenen Pfütze, so wird ja so was etwa doch nicht auf der natürlichen Welt stattfinden können, sondern rein nur in der Geisterwelt;

5 und da sage ich als ein von eurer Eminenz deklarierter Narr: Hier sind wir uns alle gleich, wenn auch die Narrheit der Welt uns auf der finstern Erde dem Stande nach außerordentlich hoch und weit geschieden hat, was freilich nach der reinen Lehre Jesu auch nie hätte geschehen dürfen; denn Jesus der Herr hat Seinen Jüngern, als diese Ihn töricht genug angegangen sind, wer da unter ihnen der Erste sein solle, ausdrücklich gesagt und geboten: »Wer unter euch der Geringste ist und euch dienet, der ist vor Mir der Erste. Wahrlich sage ich euch: Wer in seiner Einbildung, Idee und handelnden Wirklichkeit nicht einem Kinde gleichen wird, wird keinen Teil am Reiche Gottes haben. Nur Einer ist eurer Herr; ihr alle aber seid ganz gleiche und unterschiedslose Brüder! – Daran aber wird man euch erkennen, daß ihr Meine Jünger seid, daß ihr euch untereinander als wahrhaft vollends gleiche Brüder liebet. – Ein jeder aber, der den Nebenmenschen als Bruder liebt und sich über ihn nicht erhebt, außer allein in der Liebe zu ihm, der ist Mein Jünger und hat das Reich Gottes schon in sich.«

6 Meine Eminenzen! das sind Worte Christi des Herrn, in denen nur zu klar dargetan ist, daß es auf der Erde selbst nie, besonders in geistigen Dingen hätte Standesunterschiede geben sollen. Nie hat Christus der Herr von einer geistlichen Eminenz etwas gesagt, noch weniger je etwas von einem Papste. Alle sollen gleich sein vor Ihm, indem Er allein der Herr ist über die totale Unendlichkeit materiell und geistig.

7 Woher und wie entstanden denn sonach in der sogenannten allein wahren Kirche so ungeheure Standesunterschiede, wie sonst in der ganzen Welt nirgends, da doch das offenbare Gebot des Herrn jeden Standesunterschied zwischen seinen Jüngern verbietet? Sehen die Eminenzen! Das bewirkte die Hölle! – Der von oben kam, Der diente allen und opferte Sich für alle, und das war Gott Jesus, der Herr der Ewigkeit selbst! Der aber als ein schroffester Gegner des heiligsten Ersten von unten heraufkam, der will von allen bedient sein und macht solcher Standesunterschiede so viele, damit sein Stand desto höher erscheine und desto unerreichbarer. ° Daß der Herr aus Seinen Kindern die besten und weisesten zu Königen über sein Volk mit aller Macht ausgestattet und gesalbt hat, das wissen wir, und sind daher auch verpflichtet, diesen von Gott gesalbten Königen und Herrn der Erde zu gehorchen, denn ihre Macht ist von oben her;

8 aber die Macht, die sich die Päpste selbst usurpatorisch gegeben haben, ist nicht von oben, sondern von unten her; denn sie sind eben die Ersten, die die heiligsten Brudergesetze mit den Füßen zertreten; denn wer kann, wer darf sich einem Papste gleichstellen? Wer kann, wer darf zu ihm »Lieber Bruder« sagen? Muß nicht ein jeder Katholik den Namen des Papstes gleichwie den Gottesnamen mit der größten Hochachtung und Ehrfurcht aussprechen, und so er nach Rom käme, sich's zur allerhöchsten Gnade rechnen, zum Pantoffelkusse zugelassen zu werden? Fraget euch selbst: Wo sind da die Gebote Christi: »Ihr alle seid Brüder und nur einer (Christus) ist euer Herr?«

9 Die Eminenzen werden daraus leicht ersehen, daß sie auf der Erde von der größten antichristlichen Torheit gefangen genommen worden sind und sind in dieser Torheit denn auch Bürger der Geisterwelt geworden. Diese ihnen noch fest anklebende Torheit ist aber auch hauptsächlich der Grund, aus dem sie noch immer in dem Wahne leben, als wären sie nicht gestorben. Ich aber sage ihnen: Legen sie ab diesen Wahn, der der heiligsten Absicht Christi des Herrn schurgerade zuwider ist;

10 und sie werden dann auch leicht einsehen, daß ein schlichter Meßner eben so gut eine Eminenz belehren kann, wie eine Eminenz einen Meßner; und ich möchte behaupten, daß ein Meßner ein größeres Recht hat nach der heiligsten Lehre, einen Kardinal zu belehren, der so lange blind und dumm bleibt, als ihm an der großen Würde, die er widerchristlich auf der Welt begleitet hat, etwas gelegen ist. Der Meßner hingegen ist tief genug, Gottlob, unter der Würde eines Kardinals, und ist daher auch der christlichen Anforderung näher als jeder noch so kleine Kaplan und ungeheuer um sehr vieles näher als eine über alles hochmütige Eminenz.«

11 Sagt die Eminenz: »Wer sich selbst erhöht, der wird erniedriget werden. Das steht auch geschrieben. Versteht er das, er naseweiser Meßner, er?« – Sagt der Meßner: »O ja, ich verstehe das sehr gut, und habe es schon lange an mir selbst praktisch verstanden; denn bei mir war von einer Erhöhung wohl nie die Rede. So ich aber Christum rühme und Sein heilig Wort eurer sehr unchristlichen Eminenz gegenüber, so ist das doch sicher keine Erhebung meiner selbst, sondern eine Erhebung Christi vor euren Augen. Sie lassen sich noch immer Eminenz titulieren, und wissen, daß Christus der Herr doch ewig nie eine Eminenz eingesetzt hat. Das ist eigenmächtige Selbsterhöhung, und somit ein Greuel vor Gott. Aber ein allen Kirchenstaub schluckender Meßner ist und bleibt ein Null, und das ist viel christlicher als eine Eminenz. Verstehen sie das?«

12 Spricht der Großfungator: »Ich bitte euch, meine lieben Brüder, die ihr samt mir auf der Erde schon auf den goldenen Thronen der Himmel Gottes sitzet, gleich den zwölf heiligen Aposteln, um zu richten die Geschlechter der Erde, lasset ab mit diesem Ketzer euch zu zanken! Ihr wisset ja, welche Macht ihr habet. Was nützt es dem Juden, so er uns höhnt und zerlästert? Wir verdammen ihn im Konklave, und er ist für ewig des Teufels. Was nützt es allen Protestanten, daß sie wider uns sind? Wir haben sie alle verdammt, und sie sind des Teufels zeitlich und ewig. Was hat Martin Luther davon, daß er sich einer Hure wegen von uns losgemacht hat und gestiftet das Ketzertum? Millionen, die seiner Lehre wegen gefallen sind, schreien fortwährend um Rache gegen ihn und er sitzt in der ärgsten Hölle, und verflucht fortwährend den Tag, an dem ihm das Dasein gegeben ward. Warum ist er in der Hölle? Weil wir ihn im heiligen Konklave für ewig in die Hölle verdammt haben. Kurz, was nützt es all' unseren Widersachern, daß sie wider uns sind? Sie sind alle sämlich von uns per Bausch und Bogen verdammt, und können daher unmöglich je in das Himmelreich gelangen.

13 Also verdammen wir denn auch diesen alleranmaßendsten verfluchten Ketzer, und er solle dann nur sehen, wie er in die Himmel Gottes kommen wird. Ich sage nun in eurer Mitte: Haeretice infamis! Esto maledictus per omnia saeculorum! Und ihr habt dazu »Amen« gesagt, und er hat schon seinen Teil in der Hölle! Sehet, so müssen wir handeln und nicht irdisch zanken, sondern sogleich von der uns von Gott verliehenen geistigen Waffe ohne alles Bedenken bei solchen Ketzern den vollsten Gebrauch machen; dann werden wir am meisten ausrichten. Sie sollen gleichwohl auf der Welt noch herumlaufen wie herrenlose Hunde; in der anderen Welt aber werden sie in der Gesellschaft der Teufel schon zu verspüren anfangen, was die alleinseligmachende Kirche ihnen nützen hätte können, so sie ihr getreu geblieben wären, und welchen ewigen Schaden sie nun erleiden, so sie von allen Teufeln in die Hölle gezogen werden. Da werden sie dann ihre Hände nach uns ausstrecken, daß wir ihnen hülfen, wir aber werden zu ihnen sagen: Nichts da! Ihr habt uns auf der Welt nicht hören wollen, und nun hören wir euch auch nicht. Weichet von uns auf ewig, ihr Verfluchten! Dann werden sie schreien: »O helfet uns, ihr heiligen Päpste, Kardinäle, Erzbischöfe und Weihbischöfe, und alle ihr heiligen Priester Gottes! Wir waren auf der Erde ja blind, und wußten nicht, was wir an euch getan haben. Nun sehen wir erst ein, was heilig Großes ihr bei Gott seid, und was für ein scheußliches und elendes Nichts wir vor euch sind. Gebet uns auf hunderttausend Jahre in's ärgste Fegfeuer; nur die Hölle, die ewig allerschrecklichste, erlasset uns!«

14 Aber dann werden wir zu ihnen sagen: Wir haben euch auf der Welt gelehret und ermahnet genug; wir sandten einen Hirtenbrief um den anderen an euch, gaben euch um kleine Opfer, die ihr allezeit leicht hättet erschwingen können, Ablässe in Hülle und Fülle, und wiesen euch allerernstlich zu den Beichtstühlen und zur Buße, aber ihr habt uns nur ausgehöhnt, ausgelacht und beschimpft, denn ihr waret ja großenteils freie und große Herren, und tatet, was ihr gewollt habet; nun hier in der Geisterwelt vor Gott aber sind wir zu großen und allmächtigen Herren geworden und könnten euch helfen, so wir wollten; aber wir wollen es nicht, und so will es auch Gott nicht; und somit weichet von uns, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, was den Teufeln und all' seinen ketzerischen Dienern bereitet ist. Da wird sich der Boden unter ihren Füßen öffnen und der ewige Abgrund wird sie samt den Teufeln verschlingen und ihrer Namen wird dann ewig fürder nicht mehr gedacht werden. Amen dico vobis! Sehet, das tun wir; das ist unser Schild; und das haben wir auch bereits getan an diesem vermaledeiten Ketzer; er solle nur schauen, wie er der Hölle entrinnen wird.«

15 Sagt darauf der Meßner: »Aber ein bißchen werdet ihr ja doch handeln lassen mit euch; ich nehme ja auch ein hunderttausendjähriges Fegfeuer anstatt der ganzen Hölle; gebt mir also das Fegfeuer anstatt der Hölle. Was wird es denn sein, ob so ein Lauskerl, wie da unsereins ist, mehr oder weniger in der Hölle siedet oder bratet?« – Schreit der Großfungator: »Aha, bestia infamis infernalisque! Das Höllenfeuer fängt schon an seiner verdammten Seele zu lecken an, und das verspürt er und möchte nun eine Erlösung von uns; aber nichts da; fort mit ihm zur Hölle und zu allen Teufeln!«


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