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Kapitel 179

Das Gespräch zwischen Kado und Minerva-Satana: über den letzten Schritt zur Erlösung aus dem Gericht. Das alte stolze und eitle, hoffährtige Wesen Satans. Die interessierte Gefangene. Die inspirierte Weisheit und die Kraft Kados

Am 29. März 1850

1 Miklosch: »Spricht Kado: »Aber allerendlosest Holdeste, warum verlangst du denn etwas von mir, das ich ohne dein Verlangen getan haben würde; aber nun nicht tun kann, weil du es von mir verlangst. O du unverbesserliche Krone der Unendlichkeit! Nun mußt du auch den letzten Schritt tun, ohne Gnade und Erbarmen, den ich sonst unfelhbar getan hätte. Ich bitte dich um deines eigenen höchsten Vorteils wegen, verlange für die Folge nichts mehr von mir; denn ich darf und kann dir nicht eher auch nur den leisesten deiner Wünsche gewähren, und demselben nachkommen, als bevor du nicht vollends in meinen Willen eingegangen sein wirst. Sieh', nur einen Schritt noch, und die ganze Unendlichkeit ist gerettet und befreit vom härtesten Joche eines ewigen Gerichtes, und du sollst als das glücklichste Wesen leuchten mit dem Lichte aller Sonnen, die der unendliche Raum fasset.« –

2 Spricht die Minerva: »Ja, ja, das glaub' ich schon, das könnte wohl sein, wenn ich nur so dumm sein könnte, das zu tun, was da dir beliebt von mir zu verlangen; aber diese Dummheit fehlt mir, und das ist eben sehr traurig für deine stark glänzenden Aussichten für mich. Es fehlt freilich nur mehr ein einziger kleiner Schritt; aber so ich ihn durchaus nicht machen will, aus meinem freiesten Wollen heraus, und jeder deiner Beredungen den weidlichsten Hohn ins Angesicht lachen kann und auch werde, durch welches Mittel wirst du mich dann zu zwingen imstande sein? Äußerlich ja, aber innerlich ewig nimmer!

3 Denn wisse, ich bin ein Wesen, aus dem die Unendlichkeit alle ihre Wesen hat, ich bin ein Wesen der Wesen, die ganz gleiche negative Machtpolarität, als da die Urgottheit die positive ist; ich bin der endlos große Boden, auf dem die Urgottheit ihre Werke bauet; und, verstehe und fasse das wohl, du unendliches Nichts vor mir, du willst mich durch einige elende Worte dir, dem nichtigsten Staube, untertänig und zinsbar machen! und etwa bestechen, durch deine endlos dümmsten Komplimente, an denen wohl eine feile Landdirne ein Wohlbehagen finden kann, aber nicht ich, als das erste und vollendetste Wesen in der ganzen Unendlichkeit. O du elendster Dummkopf! Wohl sehe ich dich beben vor Wollust in allen deinen Eingeweiden, und deine große Gier nach einem Vollgenusse in meiner Umarmung; aber mache dir ja ewig keine schmutzigen Gedanken, so du diesen letzten Schritt für meine Gunst und Liebe nicht wagen willst. Ich mache keine Linie (Millimeter) mehr, mein festester Wille.«

4 Spricht Kado: »Oh, schau, schau, wie gescheit du nun auf einmal bist! Aber schau, so gescheit als du nun bist und allezeit warst, so gescheit ist unsereiner zum Glück wohl auch; du willst mich eine Ewigkeit auf diesen einen und letzten Schritt harren lassen? Ich wünsche dir selbst dazu recht viel Geduld! Denn meiner Geduld wirst du dennoch nie Meisterin werden. Was ist es mir? ich habe dich zu meinem Vergnügen; der eine Schritt impediert (hindert) wenig; aus meinem Wollen heraus kann ich mit dir tun, was mir nur immer beliebt, und somit brauche ich eigentlich nichts mehr, was da meinen Vorteil betrifft; und werde daher wegen dieses einen Schrittes mit dir sehr wenig Worte mehr verlieren; daher verharre du, so es dir beliebt, nur immerhin in deiner Stutzigkeit; ich werde dadurch gar nichts verlieren. In meinen Klauen habe ich dich einmal; in keinen Drachen kannst du dich auch nicht mehr verwandeln, und so ist es mir eigentlich so lieber, wenn du so bleibst, wie du nun dich gestellt hast. Juch‘he, Vik‘toria! na, das wird ein wahrhaft lustig‘s ewig‘s Leben werden! Brot und Wein habe ich auch schon, wie ich's nun bemerke, darum noch einmal juch‘he! Brav, brav, Minervidl, das hast du gut gemacht! Juch‘he, juch‘he, juch‘he!«

5 Spricht die Minerva-Satana ganz verdutzt über solche Verwandlung des Kado: »Das hätte ich nie geglaubt, daß du ein so feiner Halunke wärest; ich möchte nun vor Galle zerbersten, daß ich gerade dir nichts abgewinnen kann! Aber traue dir nicht zu viel zu; so ich in die große Vorratskammer aller meiner Kniffe und Pfiffe greife, so möchtest du wohl sehr übel bedienet werden. Wenn ich aber nur der verdammten Liebe zu dir los werden könnte, da ginge die Sache gleich anders; aber da steckt eben der Knoten, den bisher niemand zu lösen wußte durch alle Räume und Zeiten der Zeiten! und gerade du mußt meine Schwächen durchschauen! Das ist schmählich, überschmählich! Nein, das halte ich nicht aus! Verflucht sei, der dich gebildet hat! Aber warte nur, du sollst an mir noch zu lecken haben, du sollst an mir deinen Satan kennen lernen.« –

6 Spricht Kado nun ganz phlegmatisch: »O! das macht nichts! Juch'he! Ich habe dich einmal, und dazu die endlos größte und reizendste Schönheit, die sich nicht mehr verhäßlichen kann; und das genügt einem Kado vollkommen. Übrigens ist es dir deshalb nicht verwehret, den verlangten letzten Schritt zu tun. Wenn es dir also langweilig genug wird, dann wirst du etwa meinem Verlangen wohl von selbst nachkommen. Bis dahin aber nur juch'he, juch'he, juch’he; denn ich habe dich, du mein allerholdestes Minervidl du!«

7 Die Minerva möchte nun zerbersten vor Zorn; sie möchte sich überaus gerne in ein recht scheußliches Wesen verwandeln; aber es geht nicht, auch möchte sie ihre Scham bedecken; aber sie findet nichts, das sie dazu benutzen könnte; sie bemüht sich zu fliehen von dieser Stelle, aber ihre Füße sind wie an den Boden geheftet; nur gegen den Kado hin kann sie den Fuß erheben; will sie sich aber auf eine andere Seite hin wenden, und ihre Füße zu einer Flucht benutzen, so bringt sie keinen Fuß vom Boden. Sind aber das doch wohlgeformte Füße; diese Rundung, diese zarteste Weichheit, und die unbegreiflich schönste Proportion in allen Teilen! O jemine, o jemine! wahrhaftig wahr, da wird sogar unsereinem sehr warm bei der Betrachtung dieser wahrhaft gigantischen Schönheit! Nein, dem Kado alle meine Achtung! Wie er solch einer ungeheuersten und allerreizendst üppigsten Schönheit gegenüber, die er, nota bene: nun im Ernste ganz in seiner Gewalt hat, eine solche Mäßigung beobachten kann. Da gehört mehr dazu, als was ich bis jetzt begreife. Ich bin auch kein Unzüchtler gewesen auf der Erde, und mich ließen oft die irdischen größten Schönheiten kalt, die freilich gegen diese allerechteste Venus aller Venuse eine Kloake wären; aber vor dieser Schönheit kalt zu bleiben oder sich wenigstens kalt zu zeigen – allen meinen Respekt!

8 Jemines, jemines! wie sich die Minerva nun zornig stellt, und wie sie den armen Kado verächtlich anglotzet; das ist ohne allen Vergleich! Sie bemüht sich über alle Maßen, ihr schönstes Gesicht zu verzerren; aber je mehr sie's verzerrt, desto interessanter wird es, und der Kado sagt auch nun zu ihr: »Holdeste! gebe dir keine Mühe; denn je mehr du dein Gesicht verziehest, desto interessanter und anziehender wirst du für mich; du bist wahrlich eine Göttin!« –

9 Spricht nun die Minerva-Satana nahe weinend vor Zorn: »So, das auch noch dazu? O du verfluchtes Leben, wenn es sich so zu gestalten beginnt! Bin ich denn keine Herrin, keine Fürstin aller Fürsten und Fürstinnen mehr? Muß ich mich von solch einem allerdümmsten Esel beherrschen und bespotten lassen? Kann ich denn nicht zurück, nicht verlassen dich auf ewig? du dümmstes Rhinozeros! Hast du doch früher mir zugestanden, daß ich zurück kann, wann und wie ich will. Was ist es mit dieser deiner Verheißung?« –

10 Spricht Kado: »Mit dieser Verheißung ist so lange nichts, als wie lange du nicht vollends in meinen Willen eingehen wirst. Denn du bist und bleibst so lange im Gerichte, als du deines eigenen Starrsinnes Sklavin bleibst. Sieh', so jemand in einer großen Gefahr sich befindet, und ein in allen Gefahren bewanderter Lotse ihm die Hilfe durch die Kraft seiner Hand bietet, er sie aber nicht ergreifen will, obschon er sich selbst gar nicht helfen kann, so wird er auch eben so lange der Sklave der Gefahr, in der er sich befindet, verbleiben, als wie lange er die angebotene Hilfe des Lotsen nicht ergriffen, und sich derselben bestens bedienet hat.

11 So auch ist es mit dir der Fall; du stehest auf einer über's Meer emporragenden Spitze, auf die dich ein Sturm warf, der in dir selbst ausgeboren ward; ich bin dir ein Lotse, und reiche dir hier meine hilfreiche Hand, um dich von solch einer gräßlichen Gefahr wegzubringen und dich dann in eine vollste Freiheit zu versetzen; aber du verschmähest meine Hilfe, deine blindeste, alles Zweckes bare hochmütige Tollheit läßt dich nicht handeln, wie es dir allein frommen würde, sondern treibt dich nur an, alles das zu unternehmen und zu tun, was doch offenbarst deinen bevorstehenden Untergang früher oder später wird herbeiführen müssen, und darum kannst du auch jetzt nicht mehr zurück, wie es dir beliebete, sondern mußt hier auf dieser Klippe verweilen; und so ich dich nicht verwahrete vor dem Untergange, und hintan hielte die Wogen, die dich von dieser Klippe schon lange weggespület hätten, wo wärest du nun?

12 Du pochtest nun nahe anderthalbtausend Jahre der Erde auf deine Siebenhügelburg. Sie hat dich nun schon nahe zwei Jahre lang ausgewiesen, und du wirst kaum je wieder in deiner ersten blutdürstigen Kraft den alten morschen Thron besteigen, und beherrschen die schwachen Narren der Erde, und die Teufel der Hölle; denn mir, wie gesagt, kommst du nimmer aus, und kannst dich nicht um ein Haar breit entfernen von mir; was willst du dann tun fürder, als die reinste Sklavin meines Willens? Wirst du mir wohl ewig Trotz zu bieten imstande sein?«


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