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Kapitel 269

Maria staunt über die Macht und Weisheit dieses Boten. Vom argen Wucher mit Lebensmitteln. Das blinde Herz ist verständiger als der gebildete Verstand. Der große Segen für die beseligten Armen. Deren Lobgebet und Dankgebet

1 Sagt die Maria: »O Freund! Du mußt schon ein ungeheuer mächtiger Freund des Herrn sein, daß dir eine solche Gewalt eingeräumt ist! Auch ist deine Art zu reden und zu belehren ganz die des Herrn; nur kommst du mir etwas strenger vor, als es der Herr Selbst sein dürfte. Der sonach mit dir gut abkommt, der kommt sicher auch mit dem Herrn gut ab. Aber so strenge und genau scheinst du mir denn doch wieder nicht zu sein, als wie strenge da ist dein Freund, der mich ehedem ihm gar nicht folgen ließ, weil er dazu kein Gebot erhielt.«

2 Sage Ich: »Woher hältst du Mich denn für strenger als den Herrn Selbst?« – Sagt die Maria: »Weil Du gewisserart ein ordentliches Vergnügen zu haben scheinst, die ganze Erde in Kürze in Staub und Asche vor Dir zu sehen. Strafe die reichen Wucherer und hilf im Namen des Herrn den Armen, und die Erde wird sich wieder gut gestalten.« – Sage Ich: »Ja, ja, also wird es auch geschehen; du sollst recht haben! Diesmal wird über die Wucherer ein Gericht ergehen. Diese Erdmäuse und Maulwürfe der Erde sollen alle durch eine Flut des Gotteszornes, der über sie ausgegossen wird, ersäufet werden, inmitten ihrer betrügerischen nächtlichen Machinationen.

3 O du, Meine Geliebte! Ich vernehme gar wohl die Klagen und das Weinen der Armut; Ich sehe, wie der Bäcker und der Müller geheim um vieles wohlfeileres Getreide aus dem benachbarten Lande an sich kaufen und deshalb aber dennoch ihr Brot nicht um ein Lot ergiebiger machen. Ich sehe, wie die allergewissenlosesten Fleischer dem Landmanne das Schlachtvieh bis zu einem Spottpreise herabdrücken und beim Kaufe sich in einem Tage tausendmal selbst verdammen und verfluchen, so sie einen Kreuzer gewännen. Ja, sie stellen sich, als ob sie schon am nächsten Tage zu Bettlern würden; sie bitten auch den Verkäufer um etwas Essen, indem sie nicht so viel gewännen, um sich einen Löffel Suppe kaufen zu können. Sie kaufen den Ochsen nicht selten um einen solchen Preis, daß ihnen das Pfund Fleisch nicht höher als auf vier, höchsten fünf Kreuzer zu stehen kommen kann und verkaufen nachher in der Stadt, wo die Armut am größten ist, das Pfund um zwölf Kreuzer. Meine liebe Maria! das ist ein himmelschreiender Wucher. Und siehe, so tun nun fast alle, die nun mit Lebensmitteln handeln.

4 Andere Reiche, die sonst noch die Armen und Dürftigen unterstützten, ziehen sich auch mehr und mehr zurück und suchen sich einzuschränken, so viel sie das nur immer können; aber alle diese leben gut; nur die Armen müssen all' das Elend, das rein nur die Wucherer erzeugen, zehnfach empfinden. Sieh, das wird den lange schlafenden Zorn Gottes in der Kürze erwecken und ein namenloses Gericht über alle Wechsler, Mäkler, Holzwucherer und Nährmittelwucherer, und auch über alle Reichen, die über die Not und Gebühr sich vor ihren armen Brüdern einschränken oder ihnen gar ihr Herz und Haus gänzlich verschließen. Ich sage dir, diesmal solle es also kommen, daß die Armen Gott preisen werden, und die Reichen aber fluchen allem, das ihnen entgegenkommen wird; aber das wird ihnen nichts helfen!«

5 Sagt die Maria: »Aber liebster Freud! woher weißt Du denn das so genau und sogar auch das, was der Herr tun wird? Bist Du denn gar so erfüllt von dem Geiste Gottes, daß Du alles das gerade so weißt, als wenn Du der Herr Selbst wärest?« – Sage Ich: »Nun, nun, jetzt gehe nur hin zu deinen Jüngern und berufe sie hierher, auf daß wir mit ihnen einmal in die volle Ordnung kommen.«

6 Nun geht die Maria hin und beruft die vielen Jünger sagend: »Meine lieben Brüder und Schwestern! Der Herr hat unser Flehen erhört und hat Boten aus den Himmeln an uns gesandt, auf daß sie uns weiter hinführen möchten in die Gefilde des Lichtes, des Lebens und der Wahrheit in Gott, Der das ewige Endziel aller unserer Bestrebungen und Mühen ist, und unsere Liebe für ewig! Erhebet euch alle und ziehet mit mir hin zu den zwei Boten!«

7 Alles frohlockt und zieht in guter Ordnung hin zu Mir und stellt sich in einem weiten Kreise in siebenfacher Reihe auf. Die Maria aber kommt wieder zu Mir und sagt: »Freund! siehe, da sind alle und es ist meines Wissens niemand darunter, der da nicht angetan wäre mit einem hochzeitlichen Gewande, und alle fühlen und denken so wie ich. So gut ich es verstand, habe ich sie auch unterrichtet und geführt bis hierher. Sie weiter zu führen wäre mir unmöglich, da mir fernerhin kein Weg mehr bekannt ist. Du bist erfüllt von der Liebe und der Kraft des Herrn so, daß mich die Liebe zu Dir verzehrt. O so lasse uns auch von der Überfülle der Liebe des Herrn zu Seinen Kindern, die Du in überschwenglicher Fülle in Dir birgst, in gnädigem Maße zukommen, und enthülle uns den heiligen Willen des Herrn, auf daß wir wissen und erkennen möchten, was uns für fernerhin zu tun übrig bleiben wird.«

8 Sage Ich: »Meine Liebe! Die Zeit drängt; der Donnerstag geht zu Ende, denn der Erde Sonne hat schon lange den abendlichen Horizont verlassen; daher werde Ich euch auch in aller Kürze dartun, woran ihr seid und was künftighin euer Geschäft sein wird; und so höret Mich denn: –

9 Der Herr, Den du so sehr liebst, Der nun dein alles ist, Den zu lieben aber du dich nun zwingen mußt, weil dein Herz Mich erfaßt hat, und Mich auch nimmer auslassen will und kann, bin eben – Ich Selbst! Hier sinkt die Maria auf ihre Knie. Und euer Geschäft ist, daß ihr Mir nun folget auf jenen Hügel dort nach Osten, allwo viele unser harren. Dort werdet ihr gesegnet und gestärkt werden mit Meiner Liebe, Gnade, Kraft und Macht!«

Am 24. Oktober 1850

10 Nach diesen Meinen Worten erholt sich die Maria ein wenig, richtet ihr Haupt empor und sagt mit liebegebrochenem Herzen: »Herr! Herr! Mein Gott, mein Vater! Jetzt erst begreife ich es, warum mein Herz nur für Dich also glühend ward; und als ich mittels meines Verstandes mich bemühte, das Herz zu Gott hin zu wenden, so war das Herz in sich verständiger als meine Sehe, und wollte von Dir nimmer ablassen. O darum sollen die Menschen auch stets mehr auf die rechte Bildung ihres Herzens als auf die ihres Verstandes halten; denn so das Herz in seiner Blindheit schon mehr sieht, als der gebildetste Verstand mit offenen Augen am hellen Mittage; was würde dann erst ein wohlgebildetes Herz alles zu schauen imstande sein! O Herr, Du ewige Liebe, Du Liebe der Liebe meines Herzens! Vergib es der großen Blindheit meines Verstandes, daß ich Dich nicht erkannt habe mit meiner Sehe, da Dich doch mein blindes Herz so leicht und so bald erkannt hat, als es Deine Nähe gewahrte!«

11 Sage Ich: »Sei nur ruhig, Meine liebe Maria! es ist nun schon alles in der besten und schönsten Ordnung. Stehe aber auf und sage deinen Jüngern, daß sie uns folgen sollen.« Maria erhebt sich nun sogleich mit dem von aller Freude und Liebe erfülltesten Herzen und gibt Meinen Willen schnell ihren Jüngern kund. Diese fallen alle auf ihre Angesichter und erheben ein starkes Lobgeschrei; die Maria aber redet sie sehr weise an, und sie horchen auf ihre Stimme, erheben sich vom Boden und sagen: »Heiliger Vater! sieh uns gnädig an und nimm uns als die allergeringsten Deiner Diener auf!«

12 Sage Ich: »Aller und jeder Friede sei mit euch! Eure Sorge ruht auf Meinen Schultern und Meine Gnade und Liebe sei euer Leben ewig! Das aber sei euer Geschäft, daß ihr Mich liebet! und alle eure Brüder und Schwestern wie euch selbst! Denn Mein Gesetz für die Erde ist auch ein Gesetz für alle Himmel! Nun aber folget Mir; ihr wisset schon wohin!«

13 Nun erheben sich alle und folgen Mir. – In wenigen Minuten sind wir an dem bekannten Punkte und werden von allen hoch begrüßt. Als wir alle am Rainerkogel uns befinden und diesen Punkt nun freilich bis in die Ebene herab einnehmen, segne Ich alle diese Neugewonnenen und lasse durch Robert ihnen das wahrhaftige Brot und den wahren Wein aus den Himmeln verabreichen. Alles, was nun mit Mir auf dieser Höhe sich befindet, wird nun sehr rührig und bedient diese neuen Ankömmlinge.

14 Als alle gesättigt sind, da erheben sie wieder einen Lob- und Dankgesang, der sich bis zum Aufgange des Freitages erhält. Beim Aufgange der irdischen Sonne aber versinken alle die Neuangekommenen in eine tiefe Andacht und beten zu Mir in der Tiefe ihrer Herzen und hören mit diesem schönen Beten erst gegen Mittag auf, in welcher Zeit eine beinahe zahllose Menge von lauter Mönchen aller Art von allen Seiten her sich dem Hügel zu nahen beginnt.


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