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1. Im Anfange des Frühlings, der auf den Winter folgte, in welchem dieses geschah, kam der Consul Quintus Marcius Philippus nach seinem Aufbruche von Rom mit fünftausend Manncum quinque millibus]. – Es fehlen hier nicht nur einige Worte, sondern selbst die hier angegebene Zahl ist unrichtig, wie Crev. aus B. 43. Cap. 12. beweiset. Dort werden für Macedonien 6000 Römer und 6000 Latiner zu Fuß, 250 Römische und 300 Latinische Ritter bestimmt., die er zur Ergänzung seiner Legionen mit hinübernehmen wollte, zu Brundusium an. Der Consular Marcus Popillius und andere eben so vornehme junge Männer folgten dem Consul zu den Macedonischen Legionen als Obersten. In eben den Tagen kam auch der Prätor Cajus Marcius Figulus, dem der Oberbefehl auf der Flotte zugefallen war, nach Brundusium, und da sie zugleich mit einander von Italien abfuhren, erreichten sie am andern Tage Corcyra, am dritten Actium, den Hafen Acarnaniens. Aus dieser Gegend zog der Consul, der sich bei Ambracia ausschiffte, zu Lande nach Thessalien. Der Prätor, der um Leucatas herumfuhr, lief in den Corinthischen Meerbusen ein, ließ seine Schiffe zu Creusa, und ging, gleichfalls zu Lande, im Eilmarsche von Einem Tage mitten durch Böotien nach Chalcis zur Flotte. Aulus Hostilius hatte damals sein Lager in Thessalien bei Alt-Pharsalus; und hatte er gleich keine denkwürdige Kriegsthat verrichtet, so hatte er doch die Soldaten von ihrer völligen Zügellosigkeit zur Befolgung der Kriegszucht in allen Stücken zurückgebracht, die Bundesgenossen mit Treue behandelt und sie vor jeder Art von Kränkung geschützt. Als er die Ankunft seines Nachfolgers erfuhr, hielt er über Waffen, Mann und Roß genaue 366 Musterung und führte dem ankommenden Consul das Heer im Waffenschmucke entgegen. Ihre erste Zusammenkunft war nicht nur ihrer eignen und der Würde des Römischen Namens angemessen, sondern auch noch nachher bei den Unternehmungen nützlich. Denn der Proconsul, um das Heerin rebus deinde gerendis * etc.]. – Die von Sigonius und Pighius vorgeschlagenen Ergänzungen dieser beiden Lücken haben bei Crevier, Drakenb. u. A. kein Glück gemacht. Ich wage den Versuch, das hier Fehlende etwa so auszufüllen: et primus eorum congressus ex dignitate ipsorum ac Romani nominis et in rebus deinde gerendis utilis fuit. Proconsul enim, ad exercitum verbis etiam in amore patientiae, iustitiae ac modestiae, quo suis auspiciis imbuti essent, confirmandum, pro concione disciplinam militum, fidem in socios et continentiam adstanti successori ita collaudavit, ut eo dicente multus recte facti honos in animos influeret. Itaque ad honesti studium egregie excitatum exercitum quum tradidisset, non memoria solum sui, iam Romam reversi atque absentis, multos a licentia coërcuit, sed milites etiam, coram novo imperatore collaudati, in hoc non solum ducem, ad nova decora vocantem, sed tamquam ab Hostilio relictum sibi pristinae laudis testem et custodem additum intuebantur. Paucis post diebus etc. [auch durch einen Vortrag in der unter seiner Leitung ihm eingeflößten Liebe zur Ausdauer, zur Gerechtigkeit und Bescheidenheit zu bestärken, ertheilte vor der Versammlung seinen Soldaten über ihre Zucht, über ihre Redlichkeit und Enthaltsamkeit gegen die Bundesgenossen in Gegenwart seines Nachfolgers ein so schönes Lob, daß seine Worte Vielen hohe Achtung für Rechthandeln einflößten. So hielt denn auch, als er nach dieser musterhaften Erweckung des Gefühls für Tugend das Heer schon abgegeben hatte, nicht allein die Erinnerung an ihn, der schon nach Rom zurückgekehrt und abwesend war, Manchen von Ausschweifungen ab; sondern das vor dem neuen Feldherrn ertheilte Lob bewirkte auch, daß die Soldaten in ihm nicht bloß den Führer, der sie zu neuen Verdiensten rief, sondern gleichsam einen vom Hostilius ihnen zurückgelassenen Zeugen und zugegebenen Hüter ihres früheren Werthes sahen.] Wenige Tage nachher hielt auch der Consul eine Rede an die Soldaten. Er eröffnete sie mit der Erzählung des vom Perseus an seinem Bruder verübten, gegen seinen Väter im Sinne gehabten Mordes; ließ auf die durch Frevel errungene Thronbesteigung seine 367 Vergiftungen und Ermordungen folgen, den so boshaft auf den Eumenes angelegten Mordplan, seine Beleidigungen des Römischen Volks, seine bundbrüchigen Plünderungen Römischer Bundesstädte. Und wie misfällig dies Alles auch den Göttern sei, werde Perseus am Ausgange seiner Schicksale erfahren. Denn die Götter begünstigten Frömmigkeit und Treue, wodurch sich das Römische Volk zu einer solchen Höhe erhoben habe. Dann zeigte er das Verhältniß der Kräfte des Römischen States, welcher schon den Erdkreis umfasse, zu den Kräften Macedoniens, der Heere zu den Heeren, und daß die Zahl der Truppen, welche die viel größere Macht des Philipp und Antiochus gebrochen hätten, nicht größer gewesen sei, als die ihrige.
2. Als er durch Ermunterungen dieser Art den Muth der Soldaten befeuert hatte, hielt er Rath über die Führung des Krieges im Ganzen. Der Prätor Cajus Marcius kam von Chalcis, wo er die Flotte übernommen hatte, dazu. Es wurde beschlossen, nicht durch längeres Zögern in Thessalien die Zeit zu verlieren, sondern sogleich mit dem Lager aufzubrechen und geradeswegs in Macedonien einzurücken; und der Prätor solle dafür sorgen, daß zu gleicher Zeit auch die Flotte die feindliche Küste angriffe. Als der Consul den Prätor entlassen hatte, befahl er den Soldaten, auf einen Monat Mundvorrath mitzunehmen, brach am zehnten Tage nach Übernahme des Heers mit seinem Lager auf, berief nach zurückgelegtem Tagemarsche die Wegweiser, und nachdem sie im Kriegsrathe hatten angeben müssen, welchen Weg jeder zu nehmen dachte, ließ er sie abtreten und fragte nun bei dem Kriegsrathe an, welchen von allen er wählen solle. Einige wollten über Pythium gehen; Andre über das Cambunische Gebirge, den Weg des Consuls Hostilius im vorigen Jahre; Andre am See Ascuris vorbei. Noch hatten sie einen ziemlichen Weg zu machen, der nach allen diesen Gegenden führte: also wurde die Entscheidung dieser Frage bis auf jene Zeit verschoben, wann sie am Scheidepunkte der Straßen sich lagern würden. Von hier zog er nach Perrhäbien und blieb zwischen Azorum und Doliche mit seinem Lager 368 stehen, um wieder zu berathschlagen, welchen Weg er am besten nähme. Perseus, der in diesen Tagen die Annäherung des Feindes erfuhr, allein nicht wußte, welchen Weg er nehmen würde, entschloß sich, alle Pässe mit Mannschaft zu besetzen. Auf die Höhen der Cambunischen Gebirge, sie heißt dort Volustana, schickte er zehntausend Mann leichter Truppenlevis armaturae iuvenum]. – Crevier sagt: Dele otiosam vocem iuvenum, oder er vermuthet, daß in dem Worte iuvenum der Name des Volks zu suchen sei, von dem sie waren, weil es nachher heißt duodecim millium Macedonum. Da die Macedonischen leichten Truppen ein Gemisch von Griechen, Cretensern, Thraciern u. s. w. waren, so könnte vielleicht wegen der Ähnlichkeit mit dem unmittelbar vorhergehenden arMATVRAE das Wort MIXTORV ausgefallen sein. XXXXII. 51. Ex his mistis tot populis. 58. et mistum genus, delecta plurium gentium auxilia; beides von Perseus Truppen. unter Anführung des Asclepiodotus. Neben der Bergfestung, die über dem See Ascuris lag – der Ort heißt LapathusLapathus]. – Man vergl. [die vorhergehende Anmerkung]. – mußte Hippias den Paß mit zwölftausend Macedoniern besetzen. Er selbst mit den übrigen Truppen hatte anfangs ein Standlager bei Dium. Dann aber flog er mit der leichten Reuterei – man hätte denken sollen, die Verzweiflung sei bei ihm in Starrsucht übergegangen – an der Küste bald nach Heraclea, bald nach Phila, und von da wieder eben so schnell nach Dium zurück.
3. Unterdeß wurde der Consul mit sich eins, durch den Gebirgswald zu ziehen, in welchem, wie ich gesagt habe, bei Lapathusubi propter Octolophum]. – Daß Octolophus hier nicht zu suchen sei, weil es viel zu weit entfernt und auf einer ganz andern Seite liegt, haben schon Andere bewiesen. Ob aus der Stelle des vorigen Capitels, Lapathus vocatur locus, in unserm Cap. statt propter Octolophum zu lesen sei; propter Lapathum, oder Lapathunta, oder ob aus unsrer fehlerhaften Stelle auch im vorigen Cap. statt Lapathus vielleicht zu lesen sei Ortholapathus, oder Ortholophus, vocatur locus, wer könnte das entscheiden? Genug, jenes Lapathus scheint derselbe Ort zu sein, der hier Octolophus heißt. Denn da dem Consul drei Wege vorgeschlagen werden, 1) über Pythium, 2) über die Cambunischen Gebirge, 3) am See Ascuris vorbei; so ist wenigstens aus unserm Cap., wenn es heißt; nuncius ad Ascuridem paludem obcurrit, und aus Cap. 4. Hippias nuper ad tuendum saltum ab rege missus erat, qui ex quo castra Romana in tumulo conspexit, so viel klar, daß der Consul den Weg eingeschlagen sei, der neben dem See Ascuris zu der von Hippias besetzten Bergfestung (Lapathus? oder Octolophus? oder Ortholophus?) führte. Ich glaube also nicht zu weit vom Livius abzugehen, wenn ich die Lücke ungefähr so auszufüllen versuche: ubi propter Lapathum oder Lapathunta (oder Ortholophum?) diximus iussu regis castra Hippiam posuisse., auf Befehl des Königs, Hippias sein Lager genommen hatte. Doch fand er für gut, 369 viertausend Mann vorauf gehen zu lassen, um dem Feinde in der Besetzung der vortheilhaften Stellen zuvorzukommen: ihre Vorgesetzten waren Marcus Claudius und Quintus Marcius, des Consuls Sohn. Sogleich folgten ihnen die Truppen sämtlich. Allein der Weg war so steil, so rauh und abgerissen, daß die ohne Gepäck vorausgeschickten Truppen, nachdem sie nur mit Mühe in zwei Tagen einen Weg von funfzehntausend Schritten zurückgelegt hatten, sich lagern mußten. Der Platz, den sie bezogen, hieß dort der Schönwasserthurm. Von hier rückten sie am folgenden Tage siebentausend Schritte weiter, besetzten in der Nähe des feindlichen Lagers eine Anhöhe, und ließen dem Consul zurücksagen: «Sie seien bis zum Feinde gelangt, hätten sich an einem sichern und in jeder Rücksicht vortheilhaften Orte gesetzt: er möge den Marsch so stark als möglich machen, um nachzukommen.» Schon war der Consul in Unruhe, theils wegen der Schwierigkeit des Weges, auf den er sich eingelassen hatte, theils in Rücksicht auf die, die er in so geringer Anzahl mitten unter die Posten der Feinde voraufgeschickt hatte, als der Bote beim See Ascuris eintraf. Nun bekam er ebenfalls mehr Vertrauen und nach der Vereinigung mit seinen Truppen lehnte er sein Lager an die schon besetzte Höhe, da wo die Beschaffenheit des Orts es am besten gestattete. Hier halte er nicht bloß das feindliche Lager unter sich vor Augen, das etwas über tausend Schritte entfernt lag, sondern auch die ganze Gegend nach Dium und Phila und die Meeresküste, weil sich ihm von einem so hohen Bergrücken eine weite Aussicht eröffnete. Den Soldaten stieg der Muth, sobald sie den Platz zur Entscheidung des Krieges, die sämtlichen Truppen des Königs und das Land des Feindes so nahe erblickten. Da sie also voll Munterkeit den Consul aufforderten, sie dem feindlichen Lager näher 370 zu führen, so gab er ihnen nach der Ermüdung von dem beschwerlichen Wege einen Tag zur Ruhe. Am dritten Tage brach der Consul, mit Hinterlassung eines Theils der Truppen zur Besetzung des Lagers, gegen den Feind auf.
4. Hippias war erst neulich zur Besetzung des Waldes vom Könige hieher geschickt. Als er an der Höhe ein Römisches Lager erblickte, machte er die Seinigen auf den Kampf gefaßt und ging dem anrückenden Zuge des Consuls entgegen. Sowohl von den Römern, als von den Feinden, waren nur die Schlagfertigen zum Gefechte ausgerückt. Auf beiden Seiten waren nur die Leichtbewaffneten; zur Einleitung eines Treffens die tauglichste Truppenart. Da sie also geschwind an einander geriethen, schossen sie ihre Wurfpfeile ab. Bei diesem wilden Zusammenstürzen gab es auf beiden Seiten viele Wunden; allein der Gefallenen waren auf beiden Seiten nur Wenige. Nachdem sie sich so auf den folgenden Tag gegenseitig gereizt hatten, trafen sie in größerer Truppenzahl und mit größerer Erbitterung auf einander; wenn sie nur Platz genug gehabt hätten, sich in Linie auszubreiten: allein der Gipfel des Berges, der sich als ein keilförmiger schmaler Rücken erhob, ließ an der Stirn der Reihen nur eine Breite für drei Mann. Also stand, während diese Wenigen fochten, die übrige Menge, vorzüglich die unter den schweren Waffen, als Zuschauer des Kampfes da. Es waren nur Leichtbewaffnete, die auch mit Umgehung des Gipfels vordrangen, die feindlichen leichten Truppen auf den Seiten angriffen und über unebene und ebene Stellen hinaus zum Kampfe zu kommen suchten; und die Nacht schied die Streitenden, die auch an diesem Tage mehr Verwundete als Getödtete hatten. Am dritten Tage sah sich der Römische Feldherr in Verlegenheit. Auf einem nackten Berggipfel konnte er nicht bleiben; ohne Schimpf, ja ohne Gefahr, sich nicht zurückziehen: wohl aber konnte ihm, wenn er wich, der Feind von den Höhen herab in das Heer fallen: und es blieb ihm nichts übrig, als das unternommene Wagstück durch beharrliche Kühnheit, die sich oft im Ausgange als Klugheit bewähret, zu verbessern. Er sah sich der 371 Möglichkeit ausgesetzt, wenn sein Feind den ehemaligen Macedonischen Königen ähnlich gewesen wäre, eine große Niederlage zu erleiden. Allein der König, der bei Dium mit seinen Reutern an der Küste umherschwärmte und das Geschrei und Schlachtgetöse seiner zwölftausend Mann beinahe hören konnte, verstärkte dennoch weder diese durch Absendung frischer Truppen in die Stelle der Ermüdeten, noch war er, worauf doch das Meiste ankam, selbst bei dem Treffen gegenwärtig; indeß der Römische Feldherr, ein Mann schon über sechzig und von gewichtigem Körper, sich unverdrossen jeder Pflicht des Soldaten in eigner Person unterzog. Musterhaft hielt er bis ans Ende bei seiner kühnen Unternehmung aus. Er ließ den Popillius zurück, ihm die Höhe besetzt zu halten; schickte Leute, um Bahn zu machen, auf die Umwege voran, über welche er weiter zog; Attalus und Misagenes, beide mit den Hülfstruppen ihrer Nation, mußten die Arbeiter bei Eröffnung des Waldes decken; er selbst hatte die Reuterei und das Gepäck vor sich, und schloß mit den Legionen den Zug.
5. Unbeschreiblich war ihre Noth, als sie unter beständigem Niederstürzen der Packthiere und der Lasten bergab zogen. Kaum waren sie viertausend Schritte vorgerückt, so wünschten sie nichts sehnlicher, als auf dem Wege, den sie gekommen waren, wenn es möglich sein sollte, wieder umzukehren. Die Elephanten erfüllten, fast wie ein feindlicher Angriff, den ganzen Zug mit Getümmel. Kamen sie an ungangbare Stellen, so warfen sie ihre Lenker ab, und scheuchten unter furchtbarem Gekreische Alles um sich her, hauptsächlich die Pferde, bis man ein Mittel fand, sie weiter zu bringen. Durch den Abhang hinunter wurden so, daß man einen oberen Stützpunkt benutzte, nach unten hin zwei lange starke Pfähle in die Erde gerammet, welche nur etwas weiter, als die Breite des Thiers beträgt, von einander abstanden. Auf einem darüberPer proclive, sumto fastigio – – in eos transversi incumbentes]. – Diese Stelle hat den Erklärern viel zu schaffen gemacht. Bauers Erklärung der Worte sumto fastigio scheint mir zu schwankend. Er sagt initio facto a summo collocandorum asserum, qui a summo in imum sensim deferrent. Durch die Worte initio facto a summo collocandorum scheint er so, wie ich, dem Worte fastigium die Bedeutung der Höhe oder des oberen Stützpunkts zu geben; allein durch den Beisatz, qui a summo in imum sensim deferrent, giebt er wieder dem Worte fastigium, eben so wie Crevier, die Bedeutung einer schrägen Richtung oder Abdachung; denn Crevier erklärt fastigium durch modica totius asseris inclinatio. Zugegeben, daß hier fastigium dies bedeute, wie 27, 18. und anderwärts; wird dann auch sumere in der Verbindung mit fastigium so viel heißen können, als eine Abdachung vornehmen, anlegen, einrichten? Ich nehme, weil mir dies zu gezwungen scheint, ich auch kein Beispiel für diese letztere Bedeutung auffinden kann, fastigium für die Höhe, oder den oberen Stützpunkt auf welchem (nicht die duo validi asseres, sondern) die Dreißigerbalken ruhen sollten; und unter sumere verstehe ich eo, quod se obfert, uti, wie Horazens Sume, catelle! negat, oder auch quamcumque deus tibi fortunaverit horam, Grata sume manu (mach' Gebrauch davon, benutze sie!). Allein noch mehr habe ich gegen Crevier einzuwenden, wenn er unter duo validi asseres – in terra defigebantur die beiden langen Balken verstehen will, die als Träger der Dreißigerbalken von oben schräg ablaufen sollen. Denn 1) muß er nun für diese, seiner Meinung nach, schräg ablaufenden Balken unten eine Stütze schaffen, und deswegen erklärt er die Worte ex interiore parte in terra defigebantur so: inferiorem partem habebant innixam fulcris in terra defixis. Diese fulcra setzt er gegen den Livius eigenmächtig hinein, der doch, wenn er dies hätte sagen wollen, lieber fulciebantur oder fulcris nitebantur hätte sagen sollen. Die beiden longi duo validi asseres sind nicht die schräg vom Stützpunkte ablaufenden Balken, sondern sind eben die weiter unten stehenden fulcra selbst, die Crevier hier suchte. Nämlich 2) wären die duo longi validi asseres die beiden von der Höhe schräg ablaufenden Balken, auf denen nachher die 30 Fuß langen Balken liegen sollten, so müßten diese Dreißigerbalken quer über jene zwei zu liegen kommen. Dann aber hätten die Dreißigerbalken, da doch Livius sagt, die Brücke sei nur wenig (paullo plus) breiter geworden, als ein Elephant, wenn sie die Querbalken sein sollen, auf jeder Seite einen unnützen Überschuß von wenigstens 10 Fuß; wenn ich auch 10 Fuß auf die Breite eines Elephanten und seines Wege rechnen will; ferner lägen dann auch diese Dreißigerbalken quer über den Weg, und sie müssen doch in die Länge, den Abhang hinunter, liegen; denn auf ihnen soll ja der Elephant so lang als möglich hinabgehen. Die beiden langen starken Träger, von denen Livius sagt, in terra defigebantur, laufen nicht schräg hinab, sondern werden geradestehend in die Erde gerammt; – nicht mit ihrem unteren Theile: – (wozu dies? dies versteht sich von selbst) – sondern ex inferiore parte declivis soli, weiter am Abhange unten hin, vom oberen Stützpunkte an gerechnet. Sie sind die in der Erde aufrecht stehenden Träger. Nun fehlt uns nur noch der Querbalken, den sie tragen müssen, so daß die 10 oder 12 Dreißigerbalken, auf denen der Elephant hinabgehen soll, auf dem liegenden Querbalken und vermittelst dessen auf den stehenden Trägern ruhen können. Und diesen Querbalken hat Livius, wenn meine Conjectur besteht, nicht vergessen, nur seine Abschreiber haben ihm diesen genommen. Ich lese statt des fehlerhaften in eos transversi incumbentes tigni – welches hier einen Unsinn giebt – in eos transversi m incumben ti tigni. Das m von transversi m fiel wegen des in von incumbenti weg, und über das Zusammentreffen von incumben titigni fiel das eine ti aus. Hatte auch der Abschreiber einmal aus transvers im, den Nominativ transvers i gemacht, so mußte er nun auch aus incumben ti den Nominativ incumbent es machen. Livius sagt meiner Meinung nach: longi duo validi asseres in terra defigebantur: in eos transversim incumbenti (scil. tertio valido asseri – oder tertio valido asseri, in illos duos transversim incumbenti) iniungebantur tigni ad tricenos longi pedes. Das Ganze stände so der alten Ordnung nach beisammen: Per proclive, sumto fastigio, longi duo validi asseres ex inferiore parte in terra defigebantur, distantes inter se paullo plus, quam quanta beluae latitudo est: in eos transversim incumbenti, tigni, ad, tricenos longi pedes, ut pons esset, iniungebantur. Durch die Dreißigerbalken wird die Länge der Brücke bestimmt; durch die Worte paullo plus, quam qnanta beluae latitudo est, ihre Breite. Wollte man die Dreißigerbalken als in die Quere gelegt annehmen, so wäre die Länge der Brücke gar nicht angegeben, aber dagegen die Breite zweimal; 1) durch die Dreißigerbalken, die dazu viel zu lang sind, noch dazu in einem engen Passe; 2) unnützerweise (und sogar mit den Dreißigerbalken im Widerspruche) durch die Worte paullo plus, quam quanta beluae latitudo est. liegenden Querbalken wurden Balken von 372 beinahe dreißig Fuß Länge befestigt, so daß eine Brücke entstand; und oben darauf Erde geschüttet. Weiter unten 373 nach einem mäßigen Zwischenraume wurde eine ähnliche zweite Brücke gemacht; dann eine dritte und so der Reihe nach mehrere, so weit die Felsen abschüssig waren. Vom festen Boden schritt der Elephant auf die Brücke; ehe er an das Ende derselben gelangte, wurden die Träger weggehauen und das Einfallen der Brücke ließ ihn bis zum Anfange der folgenden Brücke allmälig hinabgleiten. Einige Elephanten behielten im Hinabgleiten das Stehen, andre sanken auf die Lenden. Hatte die Ebene der zweiten Brücke sie in Empfang genommen, so wurden sie eben so durch das Einfallen dieser unteren Brücke weiter hinabgesenkt, bis man in das ebnere Thal gelangte. Kaum etwas über siebentausend Schritte kamen die Römer an diesem Tage weiter. Das wenigste des Weges legten sie auf den Füßen zurück; meistens kamen sie, aber auf alle mögliche Art zerstoßen, nur dadurch weiter, daß sie sich selbst mit ihren Waffen und anderem Gepäcke hinabwälzten: so daß auch der, der sie diesen Weg geführt und ihnen dazu gerathen hatte, nicht leugnen konnte, mit einer Handvoll Leute hätte das ganze Heer vertilgt werden können. In der Nacht kamen sie an eine mäßige Plane; nur war keine Umsicht möglich, ob auch der rund umschlossene Platz nicht etwa gefährlich sei. Hatten sie gleich hier unverhofft einen Ort getroffen, wo sie endlich 374 auf festem Boden das Stehen behalten konnten, so mußten sie doch in dem so tiefen Thale, auch noch den folgenden Tag über, auf den Popillius und die mit ihm zurückgelassenen Truppen warten. Und diese ebenfalls, waren sie gleich auf keiner Seite von einem Feinde bedroht, wurden durch den schlimmen Weg, wie von einem Feinde, zerarbeitet. Am dritten Tage zogen sie in Vereinigung durch den Wald, welchen die Anwohner die Schönfichte nennen. Von hier gingen sie am vierten Tage über eben solche Umwege, aber aus Gewohnheit schon mit mehr Erfahrung, auch unter begünstigernden Hoffnungen, theils weil nie ein Feind sich zeigte, theils weil sie dem Meere näher kamen, auf die Gefilde herab und lagerten sich zwischen Heracleum und Libethrum mit dem Fußvolke, dessen größerer Theil die Höhen besetzte. Diese umschlossen das Thal und auch einen Theil des Feldes, wo die Reuterei lagern sollte.
6. Die Nachricht von des Feindes Ankunft wurde dem Könige gebracht, als er eben im Bade saß. Erschrocken sprang er aus der Wanne, raffte sich fort mit dem Geschreie, er sei ohne Schlacht überwunden, und indem er alle Augenblicke von dem einen übereilten Entschlusse und Befehle auf den andern verfiel, hieß er zwei von seinen Vertrauten, [den Nicias, nach Pella abgehen, wo der königliche Schatz niedergelegt war, und, was er dort an Gelde fände, ins Meer werfen; und dem Andronicus nach Thessalonich, um die Schiffswerfte anzuzünden. Zugleich zog er die Posten unter dem Hippias und Asclepiodotus] zurück und eröffnete so den Feinden jeden Zugang. Er selbst zwang die Bewohner von Dium, wo er eiligst die sämtlichen vergoldeten StandbilderIpse ab Dio]. – Die vorhin durch [ ] bemerkte Lücke habe ich nach Creviers Ergänzung übersetzt. Unter den von Dium mitgenommenen Standbildern waren nach Crev. (Man sehe Plin. Vellei. und Arrian.) die turma equestris, Lysippi opus, oder die Bilder der 25 Tapfern, die in der Schlacht am Granicus gefallen waren, nebst Alexanders Bilde, auf dessen Befehl Lysippus sie gefertigt hatte. – Das Komma, welches Drakenb. hinter Ipse setzt, lasse ich mit Crev. hier wegfallen, setze es aber hinter ab Dio. Dadurch entsteht der bessere Zusammenhang: Ipse ab Dio, auratis – – in classem congestis, ocius demigrare Pydnam cogit; nämlich incolas oder cives, welches Liv., da es sich von selbst versteht, eben so gut auslassen konnte, als 10, 9. vocare tribus extemplo populus (praeconem) iubebat; 39, 7. u. 34, 39. u. 42, 59. receptui canere (tubicines, cornicines) iussit; 42, 26. clamor iubentium (signiferos) referre signa; und gerade so, wie an unserer Stelle, 45, 27. ad Aeginium et Agassas diripiendas mittit: Agassas, quod, quum Marcio (cives) tradidissent urbem, – defecerant rursus ad Persea. Duker und Drakenb. geben davon an verschiedenen Stellen noch viel mehr Beispiele. Ich folge dieser Erklärung lieber, als wenn man annehmen wollte, daß von den beiden beisammenstehenden Worten ciuis ocius der Ähnlichkeit wegen der Accusativus in is Weggefallen sei, von welchem Drak. 22, 8, 7 Beispiele in Menge giebt., damit sie nicht 375 dem Feinde zum Raube würden, auf die Flotte bringen ließ, sogleich nach Pydna auszuwandern; und machte nun die anscheinende Unbesonnenheit des Consuls, auf einen Platz vorgerückt zu sein, von wo er sich ohne des Feindes Willen nicht zurückziehen konnte, zu einer nicht unüberlegten Kühnheit. Denn die Römer hatten nur zwei Gebirgswege, auf denen sie sich hier herausziehen konnten, den einen durch Tempe nach Thessalien, den andern nach Macedonien neben Dium vorbei; und beide waren vom Könige mit Posten besetzt. Hätte also ein Feldherr mit Fassung nur zehn Tage lang den ersten Anblick des drohend anrückenden Feindes ausgehalten, so hätten die Römer sich eben so wenig durch Tempe nach Thessalien zurückziehen können, als für ihre Zufuhr einen offnen Weg gehabt. Denn ein Durchzug durch das Waldgebirge Tempe hat seine Schwierigkeiten, wenn auch kein Krieg ihn unsicher macht. Den Paß entlang, der in einer Länge von fünftausend Schritten so enge fortgeht, daß für ein beladenes Packthier nur ein schmaler Weg bleibt, sind auf beiden Seiten die Felsen so schroff, daß man ohne schwindlicht und bewußtlos zu werden kaum hinabblicken kann. Auch das Tosen und die Tiefe des in der Mitte des Thales fließenden Stroms Peneus ist schrecklich. Diese schon durch die Natur so grauenvolle Gegend war an vier verschiedenen Stellen mit königlichen Posten besetzt. Der eine stand vorn am Eingange bei Gonnus, der andre bei Condylon in einem unbezwinglichen Bergschlosse, der dritte bei Lapathunt mit dem Zunamen der Schlagbaum; 376 der vierte war in der Mitte des Thals, wo es am engsten ist, über dem Wege selbst aufgestellt, so daß schon zehn Bewaffnete ihn mit Leichtigkeit behaupten konnten. Wäre also den Römern zugleich der Zugang der Lebensmittel durch das Tempe und zugleich die Rückkehr abgeschnitten, so müßten sie wieder zu den Gebirgen umkehren, über welche sie herabgekommen waren. Hatten sie das gekonnt, weil sie unbemerkt sich durchschlichen, so würde es ihnen jetzt vor des Feindes Augen, wenn er die oberen Höhen besetzt hatte, unmöglich: schon die Erinnerung an die ausgestandenen Mühseligkeiten würde sie muthlos gemacht haben. Es blieb ihnen, da sie sich aufs Gerathewohl eingelassen hatten, nichts weiter übrig, als sich nach Macedonien bei Dium mitten durch die Feinde hinauszuziehen; und selbst dies hatte, wenn nicht die Götter dem Könige den Verstand nahmen, ungeheure Schwierigkeiten. Denn da der Fuß des Gebirges Olympus nur etwas über tausend Schritte Raum an der Küste übrig läßt, und der bei seiner Mündung weit austretende Strom Baphyrus die eine Hälfte des Platzes bedeckt, die andre Hälfte der Ebene theils der Tempel Jupiters, theils die Stadt einnimmt; so konnte der sehr geringe Überrest von Platz leicht durch einen mäßigen Graben und Wall gesperrt werden; und der Steine und Bäume aus dem Walde waren so viele zur Hand, daß man sogar eine Mauer hätte vorziehen und Thürme aufführen können. Das Alles ließ sein vor dem plötzlichen Schrecken erblindender Verstand aus der Acht. Er entblößte alle Posten von Truppen, öffnete sie dem Feinde und floh nach Pydna zurück.
7. Der Consul, der sich durch die Dummheit und Unthätigkeit des Feindes um ein Großes gesichert und zu Hoffnungen berechtigt sah, ließ dem Spurius Lucretius nach Larissa zurücksagen, er möge die in der Gegend um Tempe vom Feinde verlassenen festen Plätze besetzen; schickte den Popillius vorauf, die Ausgänge bei Dium zu untersuchen; rückte auf die Nachricht, es stehe nach allen Seiten hin Alles offen, in zwei Märschen bis Dium vor, und ließ sein Lager, um alle Entweihung des Heiligthums 377 zu verhüten, unmittelbar unter dem Tempel abstecken. Bei seinem Einzuge in die Stadt, die freilich nicht groß, aber durch öffentliche Anlagen und eine Menge Standbilder verschönert und trefflich befestigt war, konnte er kaum glauben, daß bei der unnöthigen Aufopferung alles dessen nicht eine List zum Grunde liege. Die sämtlichen Umgebungen zu untersuchen, verweilte er Einen Tag, brach dann auf und rückte, in der Voraussetzung, er werde Getreide genug in Vorräthen finden, bis an einen Fluß, Namens Mitys. Auf seinem Zuge am folgenden Tage nahm er die Stadt Agassä in Besitz, deren Bewohner sich ergaben; und um die Herzen der übrigen Macedonier zu gewinnen, begnügte er sich mit Geiseln und sagte den Bürgern, er überlasse ihnen ihre Stadt ohne Besatzung; sie möchten, ohne Kriegssteuer zu zahlen, nach ihren eignen Gesetzen leben. Von hier rückte er Einen Tagemarsch weiter, und lagerte sich am Flusse Ascordus: da er aber, je weiter er sich von Thessalien entfernte, immer größeren Mangel an Allem fühlte, ging er nach Dium zurück: und es wurde Allen einleuchtend, wie schlimm es ihm gegangen sein würde, wenn man ihn von Thessalien abgeschnitten hätte, von dem er sich ohne Gefahr nicht einmal entfernen konnte.
Als Perseus seine sämtlichen Truppen und Heerführer zusammengezogen hatte, schalt er auf die Befehlshaber seiner Besatzungen, am meisten auf den Asclepiodotus und Hippias, welche, wie er sagte, die Schlüssel zu Macedonien den Römern überliefert hätten; eine Schuld, die doch niemand eigentlicher trug, als er selbst. Der Consul, der von seiner schon auf der hohen See erblickten Flotte hoffen konnte, daß sie ihm Zufuhr bringe, – denn das Getreide stand in sehr hohem Preise und war fast nicht zu haben – erfuhr, als sie jetzt in den Hafen eingelaufen war, sie habe die Schiffe mit den Ladungen zu Magnesia gelassen. Bei seiner Ungewißheit, was nun zu thun sei – so sehr hatte er mit seiner schwierigen Lage zu kämpfen, wenn auch nicht die mindeste Einwirkung von Seiten des Feindes sie verschlimmerte – meldete ihm sehr zur 378 gelegenen Zeit ein Brief vom Spurius Lucretius, er sei im Besitze der sämtlichen Bergschlösser oberhalb Tempe und um Phila, und habe darin einen Vorrath von Getreide und andern Bedürfnissen gefunden.
8. Hierüber sehr erfreuet zog der Consul von Dium nach Phila, zugleich, um hier die Besatzung zu verstärken, und den Truppen ihr Getreide auszutheilen, das ihnen zu langsam angefahren wurde. Diesen Zug nahm das Gerücht von einer sehr ungünstigen Seite. Einige sagten, der Feldherr habe sich aus Furcht vom Feinde zurückgezogen, weil er, wenn er geblieben wäre, hätte schlagen müssen; Andre, er wisse nicht, daß das Glück im Kriege täglich neue Verhältnisse gebe; denn er habe, ob sich gleich die Umstände ihm geboten hätten, aus den Händen gehen lassen, was er späterhin nicht wieder gewinnen könne. Auch weckte gleich der aufgegebene Besitz von Dium den Feind, so daß er nun endlich fühlte, er müsse das wieder erobern, was er vorhin durch seine Schuld verloren hatte. Als er den Abzug des Consuls erfuhr, ging er nach Dium zurück, und was die Römer aus einander geworfen und zerstört hatten, stellte er wieder her, die herabgestürzten Mauerzinnen legte er wieder auf und sorgte allenthalben für die Festigkeit der Mauern. Dann nahm er fünftausend Schritte von der Stadt ein Lager am diesseitigen Ufer des Stromes Enipeus, um selbst an dem Strome und seinen Schwierigkeiten des Übergangs ein Bollwerk zu haben. Dieser fließt aus einem Thale des Olympgebirges, im Sommer klein, im Winter durch die Regengüsse reißend; über den FelsenSupra rupes]. – So lese ich mit Crev. das Übrige nach Gronovs Verbesserung, nämlich: ingentes gurgites facit; et infra, prorutam in mare evolvendo terram, praealtas etc. Außerdem, daß rupes (nicht rupem) die alte Lesart ist, ist es auch an sich wahrscheinlicher, daß der Fluß in seinem Laufe an mehrere Klippen kam. bildet er gewaltige Wassermassen; unterhalb aber dadurch, daß er das aufgewühlte Erdreich ins Meer hinausspült, sehr tiefe Schlünde, und weil er die Mitte seines Bettes aushöhlt, auf beiden Seiten jähe Ufer. In der Hoffnung, durch diesen Fluß sei dem Feinde der Weg gesperrt, 379 beschloß Perseus, die übrige Zeit dieses Sommers so hinzubringen. Unterdeß schickte der Consul den Popillius mit zweitausend Bewaffneten von Phila nach Heracleum. Dies liegt beinahe fünftausend Schritte von Phila, in der Mitte zwischen Dium und Tempe auf einem über den Strom ragenden Felsen.
9. Ehe Popillius die Mauern durch seine Krieger angriff, ließ er durch Abgeordnete den Obrigkeiten und den Häuptern der Stadt die Vorstellung thun, sie möchten sich lieber dazu entschließen, die Zuverlässigkeit und Schonung der Römer kennen zu lernen, als die Gewalt ihrer Waffen. Seine Vorschläge blieben ohne Wirkung, weil man von dort aus die Wachtfeuer des königlichen Lagers am Enipeus vor Augen hatte. Nun begann die Belagerung zu Lande und zu Wasser – denn auch von der Seeseite her hatte die Flotte angelegt – zugleich durch Gefecht, durch Anlagen und Werkzeuge. Auch benutzten einige Römische Jünglinge ein Übungsspiel der Kampfbahn für den Krieg, und erstiegen so die Mauer, wo sie am niedrigsten war. Es war damals üblich, als unsre Übertreibung, die Kampfbahn mit Thieren aus aller Welt anzufüllen, noch nicht eingeführt war, für die Augenweide mehrere Arten von Spielen aufzusuchen, undgenera: nec, semel]. – Statt nec lese ich mit dem Msc. des Perizonius ac. wenn ein Rennwagen seine Umzüge nur einmal, oder ein Abspringer sie nur einmal machte, so verstrich mit dem Aufzuge beider kaum die Zeit einer Stunde. Unter andern stellte man auch bewaffnete Jünglinge auf, an die sechzig jedesmal; zuweilen, bei Spielen von größeremapparitoribus]. – Wer folgte nicht gern dem von Muretus so glücklich vorgeschlagenen apparatioribus? Aufwande, ihrer mehrere. Ihr Aufzug war theils bildlich dargestellte Kampfübung eines Heeres, theils Ausübungelegantioris exercitii]. – Einige wollen hier das Wort artis wegstreichen, Andere durch folgende Versetzung helfen: elegantioris, quam exercitii militaris, artis. Dies bleibt, wie ich meine, immer etwas gezwungen. Ich lese exercitio. Das Substantivum exercitio, onis, ist für die aurea Latinitas des Livius weder zu veraltet, denn zu Ulpians und Popinians Zeiten war es noch im Gebrauche; noch zu jung, denn schon Cato hat es. Man sehe die von Gesner im Thesaur. angeführten Stellen. Dann wäre exercitio der zu inductio und simulacrum und propior passende Nominativ. Allein der Abschreiber, der es für den Ablativ von dem ihm bekannteren exercitium hielt, verwandelte das ihm fremde exercitio in den zu elegantioris passenden Genitiv. In den bald folgenden Worten, Quum alios decursus, folge ich Duk., Doujat u. Crevier, welche Quum alios decursu lesen wollen. Auch lese ich statt praetecta mit Lips., Duk.. Drak., u. Crev. praetenta. eines eher 380 niedlichen, als für den Soldaten passenden Kunststücks, und näherte sich mehr einer Anwendung der Waffen im Geiste des Fechterspiels. Nach mehrerlei im Spielgefechte gemachten Bewegungen traten sie in ein Viereck zusammen, schoben die Schilde über ihren Köpfen dicht an einander, und zwar so, daß die Ersten aufrecht standen, die Zweiten etwas gebückt, noch mehr die Dritten und Vierten, und die Letzten sogar auf dem Kniee lagen; und so bildeten sie ein nach Art der Hausdächer schräg ablaufendes Schilddach. Dann liefen aus einer Entfernung von beinahe funfzig Fuß zwei Bewaffnete herbei; nach wechselseitiger Bedrohung machten sie sich auf den dichtgeschlossenen Schilden von unten zur Höhe des Schilddachs hinauf, und sprangen nicht anders, als auf festem Boden, bald, gleichsam zur Vertheidigung des Schilddachs, am äußersten Rande desselben herum, bald in der Mitte mit einander fechtend. Wie also die Soldaten auf einem ähnlichen Schilddache gegen die Mauer anrückten, so waren sie mit den Vertheidigern der Mauer in gleicher Höhe; und als sie diese verjagt hatten, stieg die Mannschaft von zwei Fahnen in die Stadt hinüber. Nur darin waren die Schilddächer verschieden, daß hier bloß die Vordersten in der ersten Reihe und auf den beiden Seiten die Schilde nicht über den Kopf emporhoben; sonst würden sie ihre Körper bloßgegeben haben; sondern sie ihrem Körper vorhielten, wie Fechtende. Nun konnte theils sie selbst im Anrücken kein von der Mauer herabgeworfenes Geschoß verwunden; theils glitten die auf das Schilddach geschossenen Pfeile, wie ein Regen, auf der ableitenden Schräge unschädlich hinunter. Der Consul selbst verlegte, nach der Eroberung von 381 Heracleum, sein Lager hieher, als wollte er nach Dium, und wenn er hier den König vertrieben hätte, sogar nach Pierien vorrücken. Da er sich aber schon auf die Winterquartiere anschickte, so gab er Befehl, für die aus Thessalien herbeizuschaffende Zufuhr die Wege zu pflastern und gelegene Plätze zu Vorrathshäusern zu wählen, wo die Überbringer der Zufuhr einkehren konnten.
10. Als Perseus endlich nach jenem Schrecken, von dem er bedonnert war, wieder Muth faßte, so wünschte er, man hätte lieber seine Befehle damals nicht befolgt, als er in der Bestürzung den Schatz zu Pella ins Meer werfen, die Schiffswerfte zu Thessalonich anzünden hieß. Andronicus, den er nach Thessalonich geschickt hatte, hatte gezögert, um ihm Raum zu geben, wie es nachher wirklich eintraf, sich eines Bessern zu besinnen. Weniger auf seiner Hut hatte Nicias zu Pella einen Theil der Geldsummen, so viel er gerade fand, ins Meer geworfen; hatte aber, wie es schien, einen Fehler begangen, der sich wieder gut machen ließ, insofern durch Taucher fast alles Geld wieder herausgezogen wurde. Und der König schämte sich jener Bestürzung so sehr, daß er die Taucher heimlich hinrichten ließ, nachher auch, um keinen Mitwisser jenes tollen Befehls zu haben, den Andronicus und Nicias.
Unterdeß war Cajus Marcius mit seiner Flotte von Heracleum nach Thessalonich gegangen, hatte das Gebiet auf mehreren Seiten durch die an der Küste ausgesetzten Soldaten weit umher verheeren lassen, und die Feinde, wenn sie aus der Stadt heranzogen, durch mehrere glückliche Gefechte genöthigt, eiligst in die Mauern zurückzufliehen. Schon bedrohete er die Stadt selbst; da wurdenquum – – percutiebantur]. – In der kleinen Ed., welche Hr. Walch (emendd. p. 184.) nicht gesehen hatte, erklärt Crevier diese Stelle ganz richtig so: iamque ipsi urbi terribilis erat, quum subito conversa est rerum facies, dispositis super urbis muros tormentis, quibus Romani – percutiebantur. durch Aufpflanzung eines vielfachen Wurfgeschützes nicht bloß die an den Mauern Herumstreifenden, zu unbehutsam sich Nähernden, sondern selbst seine Soldaten 382 auf den Schiffen, von den dem Wurfgeschütze entfliegenden Steinen getroffen. Er rief also die Truppen auf die Schiffe zurück, hob die Belagerung von Thessalonich auf, und sie segelten von hier nach Ania. Funfzehn tausend Schritte ist diese Stadt davon entfernt und liegt Pydna gegenüber, auf fruchtbarem Boden. Nach Verwüstung ihres Gebietes fuhren sie längs der Küste weiter und kamen nach Antigonea. Wie sie hier gelandet waren, verheerten sie zuerst die Gegend allenthalben und brachten eine ansehnliche Beute auf die Schiffe. Als sie sich nachher zerstreuten, griffen die Macedonier, aus Fußvolk und Reuterei gemischt, sie an, verfolgten sie auf ihrer gestreckten Flucht bis an das Meer, tödteten ihrer beinahe fünfhundert und nahmen eben so viele gefangen. Und nur die äußerste Noth, als sie sich ohne Gefahr auch nicht einmal auf ihre Schiffe retten konnten, brachte die Römer theils durch die Verzweiflung an jedem andern Rettungsmittel, theils durch den Unwillen, zur Erbitterung. Am Ufer begann der Kampf von neuem; und die Truppen auf den Schiffen unterstützten ihn. Hier fielen der Macedonier gegen zweihundert; eben so viele wurden Gefangene. Nach ihrer Abfahrt von Antigonea machten die Römer eine Landung auf eine Gegend von Pallene, um sie zu plündern. Diese Gegend gehörte zum Gebiete von Cassandrea, und war bei weitem die fruchtbarste auf der ganzen Küste, an welcher sie vorbeigesegelt waren. Hier stieß König Eumenes, der mit zwanzig Deckschiffen von Elea ausgesegelt war, zu ihnen; ferner fünf Deckschiffe, welche König Prusias schickte.
11. Diese Verstärkung seiner Macht gab dem Prätor Muth zu einem Angriffe auf Cassandrea selbst. Die Stadt ist vom Könige Cassander auf der Landenge selbst erbauet, welche das Pallenische mit dem übrigen Macedonien verbindet, auf der einen Seite vom Toroneischen, auf der andern vom Macedonischen Meerbusen eingeschlossen. Es ragt nämlich die Landzunge, auf welcher sie liegt, ins Meer hinaus, und tritt eben so weit vor, als das Gebirge Atho, hat aber mit ihren zwei ungleichen Vorgebirgen, 383 von denen das größere Posideum, das kleinere Canasträum heißt, ihre Richtung gegen Magnesien. Die Belagerer hatten sich in die Stellen zum Angriffe getheilt. Die Römer führten ihre Verschanzungen bei den sogenannten Schrägen vom Macedonischen Meere bis an das Toroneische, rammeten auch, um den Weg zu sperren, ästige Baumstämme vor: auf der andern Seite ist ein schmaler Wasserstrich; hier unternahm Eumenes den Sturm. Den Römern machte die Ausfüllung eines Grabens, welchen Perseus neulich zum Schutze des Orts gezogen hatte, die meiste Arbeit. Weil der Prätor hier nirgend Erdhaufen gewahr wurde, so fragte er, wo das Erdreich aus dem Graben hingeschaffet sei; und man zeigte ihm die angelegten Gewölbe, die aber nicht mit der alten Mauer in gleicher Dicke, sondern nur aus Einer Reihe von Backsteinen aufgeführt wären. Da kam er auf den Entschluß, mit Durchbrechung dieser Mauerwand den Weg in die Stadt sich zu öffnen. Dies würde er unbemerkt thun können, wenn er die Mauer auf einer andern Seite mit Sturmleitern angriffe, und mit dem hiedurch verursachten Lärme bewirkte, daß die Vertheidiger der Stadt, jene Stelle zu schützen, sich dorthin wendeten. Zur Besatzung lagen in Cassandrea, außer einer bedeutenden Mannschaft von Eingebornen, achthundert Agrianen und zweitausend Penesten aus Illyrien, welche Pleuratus von dortinde missi]. – Ich beziehe dieses inde auf ein in Penestarum Illyriorum steckendes ex Penestia Illyrici; so wie, wenn es hieße: legati a Siculis venere. Eo missi sunt, – aus a Siculis zu eo ein in Siciliam gedacht werden müßte. Herr Walch will statt inde missi lieber intromissi lesen. geschickt hatte, beides kriegerische Völker. Während die Römer gegen solche Vertheidiger der Mauern mit höchster Anstrengung hinaufzuklimmen suchten, eröffneten die im Augenblicke durchbrochnen Wände der Gewölbe die Stadt; und wären Bewaffnete zur Stelle gewesenquod si, qui irrupere, armati fuissent]. – Ich halte mich hier an Jak. Perizonius; nur interpungire ich die von ihm verbesserte Lesart so: Quod si, qui irrumperent armati, fuissent, – – Si fuissent für si praesto fuissent, qui cum armis irrumperent., welche 384 hätten hineindringen können, so würden sie die Stadt sogleich erobert haben. Als den Soldaten die Vollendung jener Arbeit gemeldet wurde, erhoben sie freudiges Muthes plötzlich ein Geschrei, weil der Eine auf dieser, der Andre auf einer andern Stelle einzudringen hoffte.
12. Die Feinde geriethen anfangs in Verwunderung, was das plötzliche Geschrei zu bedeuten habe. Als aber die Befehlshaber der Besatzung, Pytho und Philipp, hörten, der Weg in die Stadt sei gemacht, so stürzten sie, in der Überzeugung, daß jene Arbeit für den gethan sei, der mit dem Angriffe zuvorkomme, mit einer starken Schar Agrianen. und Illyrier hinaus, und jagten die Römer, die von hier und von dort sich sammelten und zum Einbruche in die Stadt zusammengerufen wurden, aber noch nicht in Schluß und Stellung waren, in die Flucht, setzten ihnen bis an den Graben nach und stürzten die Hineingesprengten haufenweise über einander. Hier wurden beinahe sechshundert Mann getödtet, und fast Alle, die zwischen der Mauer und dem Graben überfallen waren, verwundet. Durch seinen eignen Versuch geschlagen verlor der Prätor die Lust zu ähnlichen Entwürfen; auch Eumenes, ob er gleich zur See und zu Lande gleichzeitige Angriffe that, hatte nicht das gewünschte Glück. Folglich beschlossen Beide, ihre Posten zu verstärken, damit von Macedonien aus keine Hülfe hineingeschickt werden könne, und die Mauern, gegen welche ihnen der Sturm aus freier Hand nicht gelungen sei, durch Werke anzugreifen. Während sie hierzu die Anstalten trafen, schickte man von Thessalonich zehn königliche Boote mit auserlesenen Gallischen Hülfstruppen, und diese kamen, weil sie die feindliche Flotte auf der Höhe vor Anker wahrgenommen hatten, bei dunkler Nacht in Einer Reihe hinter einander, so nahe als möglich neben dem Ufer hin, zur Stadt. Der Ruf von dieser neuen Verstärkung nöthigte sowohl die Römer, als den König, von der Belagerung abzustehen, Sie fuhren um das Vorgebirge und landeten mit der Flotte bei Torone. Auch hier versuchten sie einen Sturm, segelten aber, sobald sie sich von der Stärke der Besatzung überzeugten, mit 385 Aufgebung ihres Unternehmens nach Demetrias. Als sie hier bei ihrer Annäherung die Menge der Bewaffneten auf den Mauern erblickten, fuhren sie vorbei und ließen die Flotte bei Iolcos landen, um, wenn sie dort die Gegend geplündert hätten, von hier aus auch Demetrias anzugreifen.