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16. «Dennoch hätte es weniger auf sich, wenn sie durch Entehrungen bloß verweibet wären – diese Schande träfe großentheils nur sie selbst – und hätten der Hand die Frevelthat, dem Herzen die Tücke nicht gestattet. Aber nie gab es im State ein Übel von dieser Größe; nie umfaßte eines mehr Schuldige, nie der Verbrechen mehr. Wisset; Alles, was in diesen Jahren durch Unzucht, Bosheit und Frevel gesündigt ist, ging ganz allein aus diesem Weihwinkel hervor. Und bis jetzt stehen die Verbrechen, zu denen sie sich verschworen haben, nicht alle auf der Liste der schon verübten. Bis jetzt beschränkt sich die ruchlose Vereidung, weil sie zur Unterdrückung des Stats noch nicht Stärke genug hat, auf Verschuldungen am Einzelnen. Allein das Übel wächset und greift täglich um sich. Schon ist es größer, als daß es auf Habe und Gut eines Privatmannes sich einengen sollte: es richtet seinen Blick auf den gesammten Stat. Seid ihr nicht auf eurer Hut, Quiriten, dann könnte bald dieser bei Tage gehaltenen, gesetzmäßig vom Consul berufenen Versammlung jene nächtliche gleich sein. Jetzt fürchten sie einzeln eure Versammlung des Ganzen. Bald aber, wenn ihr in eure Häuser, auf eure Fluren aus einander gehet, und sie dann zusammentreten, dann rathschlagen sie über ihre Erhaltung und euer Verderben zu gleicher Zeit: dann wird ihre Gesamtheit euch Einzelnen furchtbar sein. Folglich muß Jeder von euch wünschen, daß die Seinigen Alle ihr Herz bewahret haben. Hat aber Unkeuschheit, hat Wahnsinn Einen von ihnen in jenen Strudel fortgerissen, dann sehe er ihn als Jenen gehörig an, mit denen er sich zu jeder Schandthat, zu jedem Frevel verschworen hat, nicht als den Seinigen. Ja ich bin selbst in Rückgicht eurer nicht außer Sorge, daß nicht Einer 24 oder der Andre aus Irrthum fehle. Denn nichts hat einen trieglicheren Schein, als falsche Götterfurcht. Wo der heilige Wille der Götter Frevelthaten zum Deckmantel gegeben wird, da schleicht sich in unser Herz die Besorgniß, wir könnten uns durch Bestrafung dessen, was menschliche Bosheit ist, an dem versündigen, was dabei Gottes ist. Von dieser frommen Bedenklichkeit befreien euch unzählige Verordnungen der Oberpriester, Senatsbefehle und Bescheide der Opferschauer. Wie oft ist zu unserer Väter und Großväter Zeiten den Obrigkeiten der Auftrag gegeben, ausländischem Gottesdienste zu steuern, Opferern und Wahrsagern den Markt, die Rennbahn, die Stadt zu verbieten, prophetische Bücher aufzusuchen und zu verbrennen, jede Lehrart des Opferdienstes, die sich nicht an Römische Gebräuche hält, zu verbannen? Nach dem Urtheile dieser, des gesammten sittlichen und menschlichen Rechts so kundigen Männer war nichts so wirksam, alle Gottesfurcht zu vertilgen, als wenn man bei den heiligen Gebräuchen, statt der vaterländischen Sitte, die des Auslandes befolgt. Dies glaubte ich euch im voraus sagen zu müssen, damit euch nicht etwa ein Irrglaube beunruhigen möchte, wenn ihr uns die Winkel der Bacchanalien zerstören und die schändlichen Rotten aus einander sprengen sähet. Das Alles werden wir thun unter Begünstigung und Zustimmung der Götter, welche ungnädig darüber, daß ihre Heiligkeit durch Verbrechen und Unzucht befleckt wurde, diese aus ihrem geheimen Dunkel an das Licht hervorgezogen haben, und nicht die Absicht hatten, sie dazu offenbar werden zu lassen, daß sie ungestraft bleiben, sondern daß wir uns ihrer erwehren und sie unterdrücken sollten. Der Senat hat zur Untersuchung der Sache mir und meinem Amtsgenossen den Auftrag außerordentlich gegeben: wir werden, was uns selbst dabei obliegt, mit Eifer ins Werk richten. Die Sorge für die Nachtwachen in der Stadt haben wir den Unterobrigkeiten aufgetragen. Auch euch geziemt es, was eure Obliegenheiten sind, da, wo Jeder angestellt wird, und 25 was ihm befohlen wird, mit Eifer auszurichten, und dahin zu sehen, daß nicht aus der Bosheit der Schuldigen für uns Gefahr oder Aufruhr entstehe.»
17. Nun ließen die Consuln die Senatsbeschlüsse vorlesen und setzten eine Belohnung für jeden Angeber aus, der ihnen einen der Schuldigen lieferte oder den Namen eines Abwesenden anzeigte. «Wer als Angegebener entflöhe, dem würden sie einen festgesetzten Tag bestimmen, und wenn er sich auf die Vorladung an diesem nicht meldete, ihn abwesend verurtheilen. Würde jemand genannt, der jetzt nicht auf Italischem Boden sei, so wollten sie ihm, wenn er sich zur Verantwortung stellen wolle, eine längere Frist gestatten.» Darauf machten sie bekannt: «Es solle niemand, um zu fliehen, etwas verkaufen oder kaufen: ferner solle niemand die Flüchtigen aufnehmen, verbergen oder irgend womit unterstützen.» Nach entlassener Versammlung war ganz Rom in großem Schrecken, und er beschränkte sich nicht auf die Ringmauern der Stadt oder auf ihr Gebiet, sondern allenthalben in ganz Italien, so wie Briefe von Gastfreunden mit der Nachricht von dem Senatsschlusse, von der gehaltenen Versammlung, von der Verordnung der Consuln einliefen, gerieth Alles in Bewegung. Viele wurden in jener Nacht, welche dem Tage folgte, an dem die Entdeckung der Versammlung mitgetheilt war, auf ihrer Flucht von den Dreimännern der peinlichen Gerichtspflege ergriffen und zurückgebracht: Viele wurden namentlich angegeben. Einige darunter, Männer und Weiber, gaben sich den Tod. Wie es hieß, hatten sich an Männern und Weibern über siebentausend auf diesen Geheimbund eingelassen. Die Häupter der Rotte aber waren – und dies wußte man – die beiden Atinier, Marcus und Cajus, von der niedrigen Volksclasse zu Rom; Lucius Opiternius, ein Falisker, und Minius Cerrinius, der Campaner; auch, daß alle Frevel und Schandthaten von ihnen herrührten; daß sie die Oberpriester und Stifter dieses Gottesdienstes waren. Man ließ sichs angelegen sein, sie, so bald als möglich, festzunehmen. Sie wurden vor die 26 Consuln gebracht, und gestanden, was sie selbst betraf, ohne den Gang der Untersuchung aufzuhalten.
18. Übrigens war das Flüchten aus der Stadt so groß geworden, daß die Prätoren Titus Mänius und Marcus Licinius, weil so Manchem sein Klagerecht und seine Ansprüche verloren gingen, sich genöthigt sahen, alle Klagesachen auf dreißig Tage auszusetzen, bis die Consuln die Untersuchungen beendigt hätten. Eben dies Ausbleiben der Angegebenen, die zu Rom weder sich stellten, noch hier aufgefunden wurden, nöthigte die Consuln, die Gerichtsorte zu bereisen und hier Untersuchungen und Gericht zu halten. Diejenigen, welche bloß eingeweiht waren, und bei der Eidesformel, die ihnen der Priester wörtlich vorsagte, zwar das Gelübde nachgebetet hatten, in welchem die ruchlose Vereinigung zu allen Freveln und Schandthaten enthalten war, jedoch von allen den Unthaten, wozu der Eid sie verpflichtete, keine weder an sich noch an Andern ausgeübt hatten, blieben in gefänglicher Haft: aber die durch Schändungen oder Mordthaten Entweiheten, oder die sich durch falsche Zeugnisse, nachgemachte Siegel, untergeschobene Testamente und andre Bubenstücke entehrt hatten, wurden mit dem Tode bestraft. Die Zahl der Hingerichteten überstieg die der Verhafteten; unter beiden waren Männer und Weiber in großer Menge. Die verurtheilten Sünderinnen übergab man ihren Verwandten, oder denen, unter deren Aufsicht sie standen, damit diese selbst die Strafe in der Stille vollziehen könnten; fand sich niemand, der zu ihrer Hinrichtung sich eignete, so wurde sie öffentlich vollzogen. Nun bekamen die Consuln den Auftrag, jede Stätte der Bacchanalien zuerst in Rom, dann durch ganz Italien, zu zerstören, die alten Altäre oder geweihten Götterbilder, die etwa in denselben ständen, ausgenommen. Dann wurde für die Zukunft durch einen Senatsschluß verordnet: «Es sollten weder in Rom, noch in Italien Bacchanalien sein. Glaube jemand, die Feier eines solchen Gottesdienstes sei für ihn festgesetzt und nothwendig, und er könne sie ohne Gewissensangst und Versündigung nicht unterlassen, 27 so möge er darüber bei dem Stadtprätor Anzeige thun und der Prätor bei dem Senate anfragen. Würde ihm in einer Senatssitzung, die nicht unter hundert Mitglieder haben dürfe, die Erlaubniß ertheilt, so könne er diesen Gottesdienst unter der Bedingung begehen, daß nicht über fünf Personen am Opfer Theil nähmen, daß sie keine Gemeincasse hätten, und niemand Vorsteher des Gottesdienstes oder Priester sei.»
19. Dann wurde auf Antrag des Consuls Quintus Marcius ein zweiter, jenem sich anschließender, Senatsbefehl abgefaßt: «Daß über diejenigen, welche die Consuln zu Aussagern gehabt hätten, von neuem bei dem Senate angefragt werden solle, wenn Spurius Postumius nach beendigten Untersuchungen wieder in Rom einträfe.» Die Väter beschlossen, den Campaner Minius Cerrinius zur gefänglichen Haft nach Ardea zu schicken und den Obrigkeiten der Ardeaten andeuten zu lassen, daß sie ihn in genauerer Verwahrung hielten, damit er weder entfliehen könne, noch Gelegenheit finde, sich Gewalt anzuthun. Eine geraume Zeit nachher kam Spurius Postumius wieder nach Rom. Auf seinen Antrag wurde über die Belohnung des Publius Äbutius und der Fecenia Hispala ein Senatsschluß abgefaßt, «daß ihnen die Schatzmeister der Stadt aus dem Statsschatze Jedem hunderttausendEtwa 3124 Gulden Conv. M. Ass auszahlen sollten. Auch solle der Consul die Bürgertribunen dahin vermögen, so bald als möglich bei dem Bürgerstande darauf anzutragen, daß Publius Äbutius so angesehen werde, als habe er seine Dienstjahre ausgehalten, daß er zu Kriegsdiensten nicht gezwungen werde und kein Censor ihm ein Pferd vom State zutheile. Ferner solle Fecenia Hispala berechtigt sein, von ihren Gütern wegzugehen, sie zu vermindern, aus der Familie ihres Freigebers herauszuheirathen, und sich selbst ihren Pfleger zu wählen, als habe ihr dies Recht der Mann im Testamente gegeben. Ferner solle ihr erlaubt sein, sich an einen Mann von Stande zu 28 verheirathen, und dem, der sie zur Frau nähme, solle dies nicht zum Vorwurfe oder zum Schimpfe gereichen. Ferner die Consuln und Prätoren, die jetzigen und die künftigen sollten dafür sorgen, daß sich niemand an dieser Person vergreife und daß sie Sicherheit habe. Dies sei des Senats Wille, und er erkläre für recht, daß dies also geschehe.» Alles dies kam bei dem Bürgerstande zum Antrage und ging dem Senatsschlusse gemäß in Erfüllung: auch erhielten die Consuln Vollmacht, die übrigen Aussager theils zu begnadigen, theils zu belohnen.
20. Und schon war Quintus Marcius, der in seiner Gegend die Untersuchungen beendigt hatte, im Begriffe, auf seinen Posten nach Ligurien abzugehen, und hatte an Römern dreitausend Mann Fußvolk, hundert und funfzig Ritter; an Latinern fünftausend Mann zu Fuß und zweihundert Ritter als Ergänzungstruppen bekommen. Eben dieser Posten und eben so viele Truppen zu Fuß und zu Pferde waren auch seinem Amtsgenossen angewiesen. Sie bekamen die Heere, welche im vorigen Jahre die Consuln Cajus Flaminius und Marcus Ämilius gehabt hatten. Außerdem wurden sie durch einen Senatsschluß befehligt, zwei neue Legionen zu errichten; ließen die Bundsgenossen und Latiner zwanzigtausend Mann zu Fuß und tausend dreihundert Ritter stellen, und hoben dreitausend Römer zu Fuß und zweihundert Ritter aus. Dies ganze Heer mit Ausnahme der Legionen sollte dem Spanischen Heere zur Ergänzung zugeführt werden. Während also die Consuln selbst durch die Untersuchungen verhindert wurden, übergaben die Väter die Leitung des Werbungsgeschäfts dem Titus Mänius. Nach beendigten Untersuchungen brach zuerst Quintus Marcius gegen die Apuanischen Ligurier auf. Darüber, daß er sie tief in ihre versteckten Bergpässe verfolgte, welche ihnen immer zu Schlupfwinkeln und Zufluchtsörtern gedient hatten, wurde er in einer engen, schon von den Feinden besetzten Stellung, wo er im Nachtheile stand, umringt. Er verlor viertausend Mann: auch fielen drei Fahnen der zweiten Legion und elf Standarten von den Latinischen 29 Bundestruppen den Feinden in die Hände und eine Menge Waffen, welche man allenthalben von sich geworfen hatte, weil sie auf Pfaden durch Waldungen die Flucht erschwerten. Die Ligurier hörten eher auf, zu verfolgen, als die Römer, zu fliehen. Sobald sich der Consul aus dem feindlichen Gebiete gerettet hatte, entließ er, um die Größe seines Verlustes an Leuten nicht sichtbar werden zu lassen, in Freundes Lande sein Heer. Dennoch konnte er den Ruf von seiner erlittenen Niederlage nicht vertilgen: denn der Wald, aus welchem ihn die Ligurier zurückgeschlagen hatten, hieß nachher der Marcische.
21. Um die Zeit, als diese Nachricht aus Ligurien bekannt wurde, wurde ein Brief aus Spanien vorgelesen, der eine mit Freude gemischte Traurigkeit bewirkte. Cajus Atinius, der vor zwei Jahren als Prätor auf jenen Posten abgegangen war, hatte den Lusitanern im Gebiete von Asta eine förmliche Schlacht geliefert. Von den Feinden fielen gegen sechstausend; die Übrigen wurden geschlagen, verjagt und verloren ihr Lager. Nun führte er seine Legionen zum Angriffe auf die Stadt Asta. Er nahm auch diese, wie das Lager, nach einem nicht viel schwereren Kampfe; allein wenig Tage darauf starb er an seiner Wunde, die er bei zu dreister Annäherung an die Mauern bekommen hatte. Nach vorgelesenem Berichte über den Tod des Proprätors beschloß der Senat, nach dem Hafen Luna, dem Prätor Cajus Calpurnius einen Boten nachzuschicken und ihm sagen zu lassen, der Senat finde für gut, damit jener Posten nicht ohne Oberbefehlshaber sei, ihn seine Abfahrt beschleunigen zu lassen. In vier Tagen kam der Bote nach Luna, und wenige Tage vorher war Calpurnius schon abgefahren. Auch im diesseitigen Spanien lieferte Lucius Manlius Acidinus – er und Cajus Atinius waren zugleich auf ihre Posten abgegangen – den Celtiberern eine Schlacht. Beide Theile schieden, ohne des Sieges gewiß zu sein; doch in der nächsten Nacht verlegten die Celtiberer ihr Lager weiter rückwärts, und die Römer konnten die Ihrigen begraben und die feindlichen Leichen ausziehen. Wenige Tage 30 nachher forderten die Celtiberer mit einem zusammengebrachten größeren Heere bei der Stadt Calagurris die Römer zum Treffen auf. Warum sie, trotz dieser Verstärkung, dennoch unterlagen, darüber finde ich nichts angegeben. Genug, sie verloren die Schlacht. Ihrer gegen zwölftausend fielen, über zweitausend wurden Gefangene; auch nahmen ihnen die Römer das Lager: und hätte nicht sein Nachfolger durch seine Ankunft den Lauf des Siegers unterbrochen, so würden die Celtiberer bezwungen sein. Beide neuen Prätoren führten ihre Heere in die Winterquartiere.
22. In den Tagen, da diese Nachrichten aus Spanien einliefen, wurde die zweitägige gottesdienstliche Feier der Taurischen Spiele begangen. Darauf gab Marcus Fulvius zehn Tage lang die prächtigen Spiele, die er im Ätolischen Kriege verheißen hatte. Ihm zu Ehren fanden sich dabei viele Künstler aus Griechenland ein; und die Römer hatten jetzt zum ersten Male das Schauspiel eines Wettstreites von Athleten: auch gab er eine Löwen- und Pantherjagd; und die Feier dieser Spiele erreichte an Mannigfaltigkeit und Abwechselung beinahe unser Zeitalter. Darauf trat ein neuntägiges Opferfest ein, weil im Picenischen ein dreitägiger Steinregen gefallen war und weil hin und wieder ein vom Himmel gekommenes Feuer mehrere Leute hauptsächlich an den Kleidern leicht versengt haben sollte. Nach einer Verordnung der Oberpriester wurde noch Ein Bettag zugegeben, weil der Tempel der Ops auf dem Capitole vom Blitze getroffen war. Diese Sühne besorgten die Consuln mit größeren Opferthieren, und sie entsündigten die Stadt durch feierliche Reinigung. Um eben die Zeit wurde auch aus Umbrien gemeldet, man habe einen beinahe zwölfjährigen Zwitter entdeckt. Mit Abscheu sich dagegen verwahrend gab man den Befehl, dies Ungethüm schleunigst aus Roms Gebiete zu tilgen und zu tödten. Die Gallier, die in diesem Jahre von jener Seite der Alpen ohne Plünderung oder Krieg in das Venetianische herüberzogen, besetzten nicht weit von der Gegend, wo jetzt Aquileja steht, einen Platz zur Anlegung 31 einer Stadt. Die Römischen Gesandten, die deswegen über die Alpen gehen mußten, bekamen zur Antwort: «Die Nation habe jene eben so wenig zur Auswanderung aufgefordert, als sie jetzt wisse, was sie in Italien vernähmen.» Jetzt gab Lucius Scipio zehn Tage lang von den ihm hierzu von mehreren Königen und Staten eingelieferten Geldern die Spiele, die er laut seiner Angabe im Kriege gegen den Antiochus verheißen hatte. Valerius von Antium berichtet, Scipio sei nach seiner Verurtheilung und nach dem Verkaufe seiner Güter als Gesandter nach Asien geschickt, um die Streitigkeiten zwischen den Königen Antiochus und Eumenes beizulegen. Damals habe er diese zusammengelegten Summen erhalten und die Künstler in Asien gesammelt: und erst nach dieser Gesandschaft sei es im Senate zur Verhandlung über die Spiele gekommen, deren Scipio gleich nach dem Kriege, in welchem er sie seiner Angabe nach verheißen hatte, nicht Erwähnung gethan habe.
23. Schon war mit dem Ausgange des Jahres die Zeit da, wo der abwesende Quintus Marcius sein Amt niederlegen mußte. Spurius Postumius, der die Untersuchungen mit höchster Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt beendigt hatte, hielt die Wahlversammlungen. Zu Consuln wurden gewählt Appius Claudius Pulcher, Marcus Sempronius Tuditanus. Die am folgenden Tage ernannten Prätoren waren Publius Cornelius Cethegus, Aulus Postumius Albinus, Cajus Afranius Stellio, Cajus Atilius Serranus, Lucius Postumius Tempsanus, Marcus Claudius Marcellinus. Am Schlusse des Jahrs ernannte der Stadtprätor Titus Mänius, weil der Consul Spurius Postumius angezeigt hatte, er habe, bei den gerichtlichen Untersuchungen auf seinen Reisen an beiden Küsten Italiens, die beiden Pflanzstädte, Sipontum am Ober-, Buxentum am Untermeere; entvölkert gefunden; vermöge eines Senatsschlusses den Lucius Scribonius Libo, Marcus Tuccius, Cneus Bäbius Tamphilus zu Dreiherren, um die dorthin zu führenden Pflanzbürger aufzuzeichnen.
32 Der damals noch zukünftige Krieg mit dem Könige Perseus und den Macedoniern, wurde nicht auf die Art, wie man meistens glaubt, auch nicht vom Perseus selbst veranlasset. Den Anfang leitete schon Philipp ein; und er selbst würde, wenn er länger gelebt hätte, diesen Krieg geführt haben. Als er sich nach seiner Besiegung an Vorschriften gebunden sah, war ihm vorzüglich der Eine Punkt empfindlich, daß ihm der Senat die Befugniß genommen hatte, diejenigen Macedonier, die in diesem Kriege von ihm abgefallen waren, seinen Zorn empfinden zu lassen, so sehr er auch, weil Quinctius in den Friedensbedingungen die Sache unentschieden ließ, auf eine mögliche Bewilligung gehofft hatte. Als sich darauf, nach Besiegung des Königs Antiochus bei Thermopylä, Consul Acilius und Philipp in die Unternehmungen theilten, und zu gleicher Zeit jener Heraclea, dieser Lamia belagerten, so fand sich Philipp dadurch beleidigt, daß der Consul nach der Eroberung von Heraclea ihm die Belagerung von Lamia aufzuheben befahl und die Stadt den Römern zu Theile wurde. Der Consul besänftigte den Zürnenden dadurch, daß er ihm, weil er selbst nach Naupactus eilte, wohin die fliehenden Ätoler ihren Weg genommen hatten, die Erlaubniß gab, Athamanien und den Amynander zu bekriegen und die den Thessaliern von den Ätolern weggenommenen Städte seinem Reiche einzuverleiben. Ohne großen Kampf hatte Philipp nicht allein den Amynander aus Athamanien vertrieben, sondern auch mehrere Städte erobert. Ja er hatte sich auch Demetrias, diese starke Festung von einer in jeder Rücksicht vortheilhaften Lage und das Volk der Magneten unterworfen. Dann hatte er noch einige Städte in Thracien, die der verführerische Genuß einer neuen und ungewohnten Freiheit durch die Meutereien ihrer Großen in Aufruhr gesetzt hatte, sich dadurch eigen gemacht, daß er sich immer den Parteien anschloß, welche in dem inneren Kriege die Schwächeren waren.
24. Hiedurch war der Zorn des Königs auf die Römer für jetzt beruhigt; doch verlor er nie sein Augenmerk, 33 während des Friedens Kräfte zu sammeln, um davon, bei der ersten günstigen Gelegenheit, zum Kriege Gebrauch zu machen. Die Einkünfte des Throns vermehrte er nicht bloß durch Abgaben von den Feldfrüchten und durch Seezölle, sondern er setzte auch die alten liegen gebliebenen Bergwerke wieder in Bau und legte an vielen Orten neue an. Um die ehemalige, durch die Niederlagen im Kriege geschmälerte, Volksmenge wieder herzustellen, beförderte er nicht bloß den Anwachs einer neuen Jugend durch den Befehl an Jedermann, zu heirathen und Kinder zu erziehen, sondern er hatte auch eine große Menge Thracier nach Macedonien herübergeführt, und bei der dauernden Ruhe vom Kriege seine ganze Sorge darauf gerichtet, die Kräfte seines Reichs zu verstärken. Nun traten wieder Veranlassungen ein, seinen Zorn gegen die Römer von neuem zu wecken. Die Klagen der Thessalier und Perrhäber über seine Besitznehmungen von ihren Städten, die Klagen der Gesandten des Königs Eumenes über die von Philipp mit Gewalt genommenen Städte Thraciens und über die nach Macedonien verpflanzte Menschenmasse waren so aufgenommen, daß man wohl sah, sie blieben nicht unbeachtet. Den meisten Eindruck machte bei den Vätern die Nachricht, daß Philipp es jetzt auch auf den Besitz von Änus und Maronea anlege: um die Thessalier kümmerten sie sich weniger. Auch Athamanische Gesandte fandenAthamanes quoque venerunt.] – Der Cod. Lov. 2. lieset venerant. Ohne dies geradezu als die richtigere, besser zu den übrigen venerant passende, Lesart anzunehmen, setze ich doch dies venerunt in diejenige Zeit, als Philipp (XXXVI. 14.) ganz Athamanien erobert hatte, ehe es ihm (XXXVIII. 1. 2. 3.) von Amynander wieder abgenommen wurde. Denn Cap. 25. am Ende können die Athamanen, die ihr übriges Land schon wieder haben, nur noch Athenäum und Pötneum von ihm zurückfordern. Konnten gleich die Römer Philipps Macht jetzt nicht mehr aus dem Grunde fürchten, daß sie durch Athamaniens Besitz verstärkt sei, so wußten sie doch, daß er es hatte erobern können. sich ein, nicht etwa mit der Klage über den Verlust eines Theils, oder über Schmälerung ihres Gebiets, sondern daß sich der König in den völligen Besitz von ganz Athamanien gesetzt habe. Ferner meldeten die verbanneten Maroniten – sie waren, weil sie 34 die Sache der Freiheit verfochten hatten, von der königlichen Besatzung vertrieben – nicht bloß Maronea, sondern auch Änus sei in Philipp's Gewalt. Von Philipp erschienen ebenfalls Gesandte, ihn dagegen zu rechtfertigen. Sie versicherten, das Alles sei mit Genehmigung der Römischen Feldherren geschehen. «Die Städte der Thessalier, Perrhäber und Magneten, auch das Volk der Athamanen, so wie Amynander, hätten mit den Ätolern gleiche Sache gehabt. Nach Vertreibung des Königs Antiochus habe der Consul, beschäftigt mit Belagerungen Ätolischer Städte, den König Philipp hingeschickt, jene Städte wegzunehmen. Durch Gewalt der Waffen unterjocht leisteten sie jetzt Gehorsam.» Der Senat, um nicht in Abwesenheit des Königs zu verfügen, ließ zur Untersuchung dieser Streitigkeiten den Quintus Cäcilius Metellus, Marcus Bäbius Tamphilus, Tiberius Sempronius als Gesandte abgehen. Gleich nach ihrer Ankunft wurden die sämtlichen Städte, welche mit dem Könige in Streit waren, in das Thessalische Tempe zu einer Versammlung beschieden.
25. Als hier die Römischen Gesandten auf dem Platze der Schiedsrichter, die Thessalier, Perrhäber und Athamanen als die ausgemachten Kläger, Philipp um Beschuldigungen anzuhören gleichsam als Beklagter, sich gesetzt hatten, so sprachen die Häupter der Gesandschaften, Jeder nach seiner Sinnesart, undet gratia cum Phil. aut odio]. – Daß der eine lenius, der andre acerbius sprach, hatte seine zwei Gründe. Sie sprachen pro ingenio quisque suo; ET (si Philippum spectes) gratia aut odio. je nachdem er mit Philipp wohl oder übel stand, in einem mehr bitteren oder mehr sanften Tone. In Streitfrage kamen aber Philippopolis, Tricca, Phaloria, Eurymenä und die übrigen Städte ihrer Nachbarschaft; ob sie zu Thessalien gehört hätten, als die Ätoler sie gewaltsam wegnahmen und besetzten; – denn daß Philipp sie den Ätolern abgenommen habe, war ausgemacht – oder ob sie von jeher Ätolische Städte gewesen wären. «Denn nur dann habe sie Acilius dem Könige überlassen, wenn sie zu Ätolien gehört hätten und aus eignem Willen, nicht durch Gewalt und Waffen gezwungen, es mit den Ätolern hielten.» Gleiches Inhalts war die Streitfrage über die Städte der Perrhäber und Magneten: denn die Ätoler hatten durch die gelegentliche Besitznehmung die Verhältnisse Aller umgestoßen. Zu diesen Punkten, welche zu einer Auseinandersetzung sich eigneten, kamen nun noch die Klagen der Thessalier, «daß er ihnen jene Städte, wenn sie ihnen auch jetzt zurückgegeben würden, doch nicht anders als geplündert und verödet wiedergeben werde. Denn außerdem, daß so Mancher durch die Unfälle des Krieges weggerafft sei, habe Philipp fünfhundert der vornehmsten Jünglinge nach Macedonien fortgeführt und misbrauche ihre Dienste zu Sklavengeschäften: und habe er ja eins und das andre den Thessaliern herausgeben müssen, so habe er auch dafür gesorgt, es ihnen unbrauchbar zurückzugeben. Phthiotisch ThebäDies ist die Stadt, die Philipp nach sich benannt hatte, und die oben in unserm Cap. Philippopolis genannt wird. Die Thessalier aber nennen sie mit Fleiß nach dem alten Namen, den sie als Thessalische Stadt gehabt hatte. Crev. , ihr vorzüglichster Lagerplatz an der Küste, sei ehemals den Thessaliern sehr vortheilhaft und einträglich gewesen. Den ganzen dortigen Seehandel habe der König dadurch, daß er Frachtschiffe zugelegt habe, welche vor Thebä vorbei nach Demetrias hätten gehen müssen, hieher gezogen. Schon entsehe er sich seiner Gewaltthaten nicht einmal an den Gesandten, welche doch das Völkerrecht heilige. Er habe ihnen auf ihrer Reise zum Titus Quinctius auflauern lassen. Dadurch habe er denn auch allen Thessaliern eine solche Furcht eingejagt, daß niemand in seiner eignen Vaterstadt, niemand auf den allgemeinen Zusammenkünften der Nation zu lauten wage. Denn die Römer, die Stifter ihrer Freiheit, seien zu weit entfernt; aber ein furchtbarer Herrscher sei ihnen an die Seite gebannt und lasse sie die Wohlthaten des Römischen Volks nicht genießen. Was da frei sein könne, wo nicht einmal die Sprache frei sei? Selbst jetzt, im 36 Vertrauen auf die Gesandten und unter ihrem Schutze, brächten sie doch mehr – Seufzer als Worte vor. Träfen die Römer nicht irgend eine Vorkehrung, bei den an Macedonien wohnenden Griechen die Furcht und bei Philipp den Übermuth zu beschränken, so sei es umsonst, daß sie ihn besiegt und sie befreiet hätten. Er müsse, wie ein störriges Roß, das dem Zügel nicht gehorche, durch ein härteres Gebiß gebändigt werden.» So bitter sprachen die letzten Redner, da die früheren, mit sanfter Schonung seines Zorns, ihn nur gebeten hatten, «Er möge ihnen verzeihen, wenn sie für ihre Freiheit sprächen; möge die Härte eines Sklavenherrn ablegen und sich daran gewöhnen, als Bundsgenoß und Freund sich zu zeigen; möge die Römer zum Muster nehmen, «denen es lieber sei, wenn ihre Bundsgenossen aus Liebe, als aus Furcht sich ihnen anschlössen.» Als die Thessalier geredet hatten, behaupteten die Perrhäber, Gonnocondylum, von Philipp mit dem Namen Olympias belegt, habe zu Perrhäbien gehört und müsse ihnen zurückgegeben werden. Eben so forderten sie Mallöa und Ericinium. Die Athamanen verlangten Sicherheitlibertatem repetebant.] – Man vergleiche Drakenborch zu Cap. 24. §. 8. und meine dort gemachte Anmerkung. Die Athamanen waren schon wieder im Besitze ihres Landes, Athenäum und Pötneum ausgenommen. Also können sie nicht die Freiheit von Philipp fordern, sondern daß er sie in Freiheit lassen, ihre Freiheit anerkennen, seine Ansprüche aufgeben soll. Durch diese Erklärung glaube ich den von Drakenb. gerügten Widerspruch wegzuräumen, dessen sich Livius sonst schuldig machen würde. vor seinen Ansprüchen und die Zurückgabe der kleinen Festungen Athenäum und Pötneum.
26. Philipp, um sich lieber das Ansehen des Klägers, als des Beklagten zu geben, begann ebenfalls mit Klagen, und beschwerte sich: «Die Thessalier hätten in Dolopien die Stadt Menelais, die zu seinem Reiche gehört habe, mit stürmender Hand genommen; eben so hätten gleichfalls die Thessalier und Perrhäber die Stadt Petra in Pierien erobert. Xyniä, unstreitig eine Ätolische Stadt, hätten sie sich selbst zugesprochen; und Parachelois, welches unter Athamanien stehe, sei 37 widerrechtlich unter Thessalische Hoheit gekommen. Was aber die ihm gemachten Vorwürfe betreffe, daß er einer Gesandschaft habe auflauern lassen, daß der eine Seehafen viel Besuch habe, der andre gar keinen; so sei das zweite eine höchst lächerliche Forderung, daß er darüber Rechenschaft geben solle, in was für Hafen die Kaufleute oder Schiffer einliefen; und das erste sei gegen seine Art zu handeln. In einer Reihe von Jahren habe es nie an Gesandten gefehlt, welche Verläumdungen gegen ihn bald den Römischen Feldherren, bald, nach Rom selbst, dem Senate zugetragen hätten. Ob jemals irgend einer nur mit einem Worte beleidigt sei? Einmal habe er ihnen – so sage man – auf ihrer Reise zum Quinctius auflauern lassen; man setze aber nicht hinzu, was ihnen denn widerfahren sei. Solche Beschuldigungen kämen nur von Leuten, die eben darum, weil sie nichts Wahres anzugeben hätten, auf falsche Anklagen ausgingen. Die Thessalier misbrauchten die Nachsicht der Römer durch Übermuth und Unmäßigkeit, gerade so, als ob sie in dem geistigen Getränke der Freiheit nach langem Durste gar zu gierige Züge thäten. Darum erlaubten sie sich auch, gleich Sklaven, die man wider ihre Erwartung auf einmal freigebe, diese Dreistigkeit in Ton und Sprache, und gefielen sich in der Verunglimpfung und Schmähung ihrer Herrschaft.» Im Zorne herausfahrend setzte er hinzu: «Noch sei nicht aller Tage Abend gekommen.» Nicht bloß die Thessalier, sondern auch die Römer, zogen sich dies als eine Drohung an. Ein lautes Murren erhob sich auf diese Worte, und als es sich endlich legte, kam er nun den Perrhäbischen und Athamanischen Gesandten zur Antwort. «Mit den Städten, welche sie in Anspruch nähmen, habe es gleiche Bewandniß. Der Consul Acilius und die Römer hatten sie ihm als damals feindliche Städte überlassen. Wenn die Geber selbst ihr Geschenk zurücknehmen wollten, so wisse er, daß er es abtreten müsse; sie aber würden, leichtsinnigen und unbrauchbaren Bundesgenossen zu Liebe, einem tauglichen und treuen Unrecht thun. 38 Für keine Wohlthat sei der Dank von kürzerer Dauer, als für ertheilte Freiheit; vorzüglich bei Leuten, welche sie durch einen schlechten Gebrauch sich selbst verderben würden.»
Als sich die Römischen Gesandten über die Sache unterrichtet hatten, thaten sie den Ausspruch: «Sie fänden für gut, daß die Macedonischen Besatzungen aus jenen Städten abgeführt würden, und Macedonien sich auf seine alten Reichsgränzen beschränke. Wie zwischen diesen Völkern und Macedonien über die Beleidigungen zu entscheiden sei, welche sie laut ihrer Klage sich gegenseitig zugefügt hätten, darüber solle ihnen zur Verfolgung ihres Rechts eine Formel festgesetzt werden.»
27. So sehr sie auch den König beleidigt hatten, gingen sie doch von hier weiter nach Thessalonice, um auch das Verhältniß der Thracischen Städte zu untersuchen. Hier sprachen die Gesandten des Eumenes: «Wenn die Freiheit von Änus und Maronea im Plane der Römer liege, so wüßten sie sich zu bescheiden, daß sie nichts weiter zu sagen, sondern die Römer bloß zu erinnern hätten, diese Städte auch in der That, nicht bloß den Worten nach, als frei zu hinterlassen und nicht zuzugeben, daß ihr Geschenk von einem Dritten untergeschlagen werde. Sollten aber die Römer an diesen in Thracien liegenden Städten nicht so viel Antheil nehmen, so sei es weit billiger, daß sie als ehemalige Unterthanen des Antiochus ein Preis des Krieges für den Eumenes, als für Philipp, würden; theils für die Verdienste seines Vaters Attalus in dem Kriege, den die Römer gegen Philipp selbst geführt hätten; theils für seine eigenen, da er in dem Kriege gegen Antiochus sich zu Wasser und zu Lande allen Beschwerden und Gefahren unterzogen habe. Außerdem habe er die vorläufige Entscheidung der zehn Abgeordneten für sich, welche ihm durch die Anweisung auf Chersones und Lysimachien unstreitig auch Maronea und Änus gegeben hätten, die schon durch ihre nahe Lage gleichsam zu Anhängen des Hauptgeschenkes würden. Denn was den Philipp 39 betreffe, so möchten sie wohl fragen, entweder welchem Verdienste um die Römer, oder welchem Besitzgrunde zufolge er diese von Macedoniens Gränzen so entfernt liegenden Städte mit Besatzungen belegt habe. Sie möchten die Maroniten rufen lassen: von ihnen würden sie über das Verhältniß dieser Städte Alles noch bestimmter erfahren.»
Die hereingerufenen Gesandten der Maroniten erzählten: «Bei ihnen liege nicht so, wie in andern Städten, eine königliche Besatzung bloß in Einem Platze der Stadt, sondern zugleich in mehrern, und Maronea sei voll von Macedoniern. Folglich wären die königlichen Schmeichler ihre Herrscher. Diese allein hätten die Freiheit, im Senate und in den Versammlungen zu sprechen. Alle Ehrenstellen besetzten diese theils selbst, theils gäben sie sie Andern. Die Rechtlichsten alle, die Freunde der Freiheit und der Gesetze, lebten entweder, aus ihrer Vaterstadt vertrieben, in der Verbannung, oder ohne Amt und von Nichtswürdigen abhängig schwiegen sie.» Auch gaben sie noch in wenig Worten über die Gränzgerechtigkeit die Auskunft: «Quintus Fabius Labeo habe bei seinem Hiersein der Gränze Philipps die Richtung der alten Heerstraße entlang gegeben, die zwar an Thraciens Küstenlande hinlaufe, nirgends aber zum Meere selbst abbeuge. Philipp aber habe nachher einen neuen Weg ablaufen lassen, der ihm die Städte und das Gebiet der Maroniten mit einschließe.»
28. Hiergegen schlug Philipp einen ganz andern Weg der Rechtfertigung ein, als neulich gegen die Thessalier und Perrhäbe. «Nicht mit den Maroniten, sprach er, «oder mit dem Eumenes, sondern jetzt habe ich es mit euch zu thun, ihr Römer, von denen ich, wie ich schon lange bemerke, auch die Gewährung des Billigsten nicht erlangen kann. Daß mir die Macedonischen Städte, welche während des Waffenstillstandes von mir abgefallen waren, wiedergegeben würden, hielt ich für billig; nicht etwa, weil dies für mein Reich ein großer Zuwachs gewesen sein würde – denn es sind ja nur kleine 40 Städte und sie liegen auf den äußersten Gränzen; – sondern weil dies als Beispiel sehr wirksam sein mußte, die übrigen Macedonier in ihrer Pflicht zu erhalten. Es ist mir abgeschlagen. Als ich im Ätolischen Kriege, vom Consul Manius Acilius angewiesen, Lamia zu belagern, mich lange vor dem Platze in Gefechten und Anlegung der Werke abgemühet hatte, und jetzt eben daran war, über die Mauern einzudringen, rief mich der Consul von der beinahe schon erstürmten Stadt zurück und zwang mich, mit meinen Truppen abzuziehen. Diese Kränkung verschmerzen zu können, bekam ich Erlaubniß, in Thessalien einige – Städte, kann ich nicht sagen, sondern Schanzen – hinzunehmen. Auch diese, Quintus Cäcilius, habt ihr vor wenig Tagen mir genommen. Und so eben nahmen es die Gesandten des Eumenes, wenn es Gottes Wille war, als völlig ausgemacht an, daß die vom Antiochus besetzt gewesenen Stücke billiger dem Eumenes gehören müßten, als mir. Darüber bin ich ganz andrer Meinung. Eumenes nämlich konnte sich in seinem Reiche nicht halten, ich will nicht sagen, wenn die Römer nicht siegten, sondern auch dann nicht, wenn sie diesen Krieg nicht führten. Also habt ihr ein Verdienst um ihn, nicht er um euch. Mein Reich hingegen war in allen seinen Theilen vor jeder Gefahr so gesichert, daß ich den Antiochus, ob er mir gleich für meinen Beitritt dreitausend Talente, eine Flotte von funfzig Deckschiffen und den Wiederbesitz aller Griechischen Städte ungefordert antrug, abweisen konnte. Ja ich erklärte mich schon für seinen Feind, ehe noch der Consul Manius Acilius sein Heer nach Griechenland übersetzte, und ließ mich mit diesem Consul gemeinschaftlich auf jeden von ihm angewiesenen Zweig der Kriegsunternehmungen ein. So ließ ich auch den folgenden Consul Lucius Scipio, als er den Heerzug an den Hellespont zu Lande machen wollte, nicht bloß durch meine Staten ziehen, sondern ich pflasterte ihm auch die Straßen, baute Brücken, versah ihn mit Zufuhr; und das nicht bloß auf dem Wege durch 41 Macednien? sondern auch durch Thracien, wo ich ihm über das Alles noch vor den Barbaren Sicherheit schaffen mußte. Römer! mußtet ihr zur Vergeltung dieses meines Eifers, ich will nicht sagen, meiner Verdienste um euch, mir aus eigner Freigebigkeit lieber einiges zulegen, mein Reich ansehnlicher und größer machen, oder mußtet ihr, was ich aus eignem Rechtsanspruche oder als euer Geschenk besaß, mir entreißen? Und das thut ihr jetzt. Macedonische Städte, die selbst nach eurem Geständnisse meinem Reiche gehören, werden mir nicht zurückgegeben. Eumenes kommt, mich zu plündern, als wäre ich Antiochus, und beschönigt die schamloseste Rechtsverdrehung, wenn es Gottes Wille wäre, mit derselben Verordnung der zehn Bevollmächtigten, die gerade dazu geeignet ist, ihn zu widerlegen und zu überführen. Denn es steht darin ausdrücklich und mit klaren Worten: Chersones und Lysimachia werden dem Eumenes gegeben. – Wo sind hier Änus, Maronea und Thraciens Städte als Zugabe genannt? Was er von ihnen nicht einmal zu fordern wagte, soll er von euch, als hätten es ihm jene bewilligt, erhalten? Es kommt jetzt darauf an, für wen ich bei euch gelten soll. Habt ihr euch vorgenommen, mich als euren Widersacher und Feind zu verfolgen, so fahret so fort, wie ihr angefangen habt. Habt ihr aber noch einige Rücksicht auf mich, als einen mit euch verbündeten und befreundeten König, so bitte ich euch, es auch unwürdig zu finden, daß ich so tief gekränkt werde.»
29. Die Rede des Königs machte starken Eindruck auf die Gesandten. Also wichen sie der Entscheidung auf einem Mittelwege durch die Antwort aus: «Wenn eine Verordnung der zehn Bevollmächtigten jene Städte dem Eumenes zugesprochen habe, so änderten sie darin nichts. Habe sie Philipp in dem Kriege bekommen, so müsse er nach Kriegesrecht den Lohn seines Sieges behalten. Sei beides nicht der Fall, so bleibe ihrer Meinung nach die Entscheidung dem Senate, und müßten, um Alles völlig in seinem Zustande zu lassen, die Besatzungen, die in 42 jenen Städten lägen, abgeführt werden.» Vorzüglich aus diesen Gründen kamen Philipps feindliche Gesinnungen gegen die Römer; so daß es den Anschein gewinnt, sein Sohn Perseus habe den Krieg nicht aus neuen Veranlassungen eröffnet, sondern der Vater habe ihn aus jenen Gründen dem Sohne vermacht.
Zu Rom versah man sich eines Macedonischen Krieges im geringsten nicht. Der Proconsul Lucius Manlius war aus Spanien zurückgekehrt. Als er im Tempel der Bellona bei dem Senate um den Triumph anhielt, sprach freilich die Größe seiner Thaten für die Gewährung; man scheute aber das Beispiel: denn es war immer bei dem Gebrauche der Vorfahren geblieben, daß niemand triumphiren durfte, der sein Heer nicht mitbrachte, außer, wenn er das eroberte Land seinem Nachfolger völlig in Unterwürfigkeit und Frieden übergeben hatte. Doch traf man, dem Manlius seine Ehre zu erweisen, den Ausweg, ihn im kleinen Triumphe zur Stadt einziehen zu lassen. Er brachte zweiundfunfzig goldene Kränze ein, ferner hundert und zweiunddreißig PfundEtwa 41,166 Gulden Conv. M. Gold, sechzehntausend dreihundert Pfund509,372 Gulden. Silber, und zeigte im Senate an, daß sein Schatzmeister Quintus Fabius noch zehntausend312,500 Gulden. Pfund Silber und achtzig Pfund25,000 Gulden. Gold nachbringe: auch diese werde er dem Schatze einliefern. In diesem Jahre war in Apulien ein großer Sklavenaufstand. Tarent hatte der Prätor Lucius Postumius zu seinem Posten. Er also hielt über diese Zusammenrottung der Hirten, welche die Heerwege und öffentlichen Trifften durch Straßenräubereien unsicher machten, eine strenge Untersuchung, und verurtheilte an siebentausend Menschen. Viele nahmen die Flucht, viele wurden hingerichtet. Die Consuln, durch die Werbungen lange in der Stadt gehalten, gingen endlich auf ihre Posten ab.
30. In Spanien rückten in diesem Jahre die Prätoren 43 Cajus Calpurnius und Lucius Quinctius, als sie mit Frühlingsanfang nach dem Aufbruche aus den Winterquartieren ihre Truppen in Bäturien vereinigt hatten, in die Gegend, wo das feindliche Lager stand, nach Carpetanien, mit dem Vorsatze, nach gemeinschaftlichem Entschlusse und Plane zu Werke zu gehen. Nicht weit von den Städten Hippo und Toletum kam es zwischen den Futterholenden zu einem Gefechte. Dadurch, daß ihnen auf beiden Seiten aus ihrem Lager Hülfe nachrückte, wurden nachher die sämtlichen Truppen in die Schlachtreihe hinausgezogen. In diesem ungeregelten Kampfe gaben dem Feinde seine Gegenden und die Art des Gefechts den Vortheil. Beide Römischen Heere wurden geschlagen und in ihr Lager getrieben: doch setzten den Bestürzten die Feinde nicht nach. Die Römischen Prätoren, die für den folgenden Tag einen Angriff auf das Lager fürchteten, führten in der Stille der nächsten Nacht ihr Heer auf ein geräuschloses Zeichen davon. Mit anbrechendem Tage rückten die Spanier in Schlachtordnung vor den Wall, und bei ihrem Einzuge in das wider ihre Erwartung leer gefundene Lager, rafften sie zusammen, was die Römer in der nächtlichen Eile zurückgelassen hatten, gingen in ihr Lager zurück und blieben hier einige Tage ruhig stehen. Die Römer und ihre Verbündeten hatten im Treffen und auf der Flucht gegen fünftausend Gefallene. Mit den ihnen abgenommenen Waffen machten sich die Feinde bewehrt, und zogen nun weiter an den Tagusstrom. Diese ganze Zeit wandten indeß die Römischen Prätoren dazu an, aus den Spanischen Bundesstädten Hülfsvölker an sich zu ziehen, und den durch das unglückliche Gefecht niedergeschlagenen Muth der Ihrigen wieder aufzurichten. Als sie sich stark genug hielten, auch der Soldat, den früheren Schimpf zu tilgen, einen Gang mit dem Feinde forderte, schlugen sie zwölftausend Schritte vom Flusse Tagus ein Lager. Von hier brachen sie um die dritte Nachtwache auf, und in schlagfertigem Zuge kamen sie mit dem ersten Morgenlichte am Ufer des Tagus an. Jenseit des Flusses stand auf einem Hügel das Lager der Feinde. 44 Sogleich führten an zwei Orten, wo der Fluß seichte Stellen sehen ließ , Culpurnius zur Rechten, zur Linken Quinctius das Heer hindurch; und der Feind, der sie gerade jetzt, im Gedränge des Übergangs durch den Strom, hätte in Verwirrung bringen können, saß über ihre plötzliche Erscheinung staunend und unter Entwürfen still. Die Römer, die unterdeß auch ihr sämtliches Gepäck herüberbrachten und auf Einen Platz zusammenführten, stellten sich nun, weil sie den Feind in Bewegung sahen und zur Befestigung eines Lagers die Zeit fehlte, in Schlachtordnung. In der Mitte standen die fünfte Legion, des Calpurnius, und die achte, des Quinctius. Sie machten die Stärke des ganzen Heeres aus. Bis zum Lager der Feinde hatten sie ein offenes Feld, wo kein Hinterhalt zu fürchten war.