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Livius Römische Geschichte ist zwar schon mehre Mahle in das Deutsche übersetzt, in früherer Zeit von Schöfferlin und Müntzer, in neuerer von Wagner und Westphal, Maternus von Cilano, Große und zuletzt von OstertagSiehe Ostertag's Verzeichniß der Übersetzungen des Livius vor dem ersten Bande seiner eigenen Übersetzung, und Degen's Versuch einer vollständigen Literatur der Deutschen Übersetzungen der Römer, B. II. S. 61 und ff.; allein keine dieser Dolmetschungen kann den Kenner befriedigen. Große – um nur von den beiden VI letzten Versuchen, als den besten, ein Wort zu sagen – hat hart und schleppend, Ostertag zu flüchtig übersetzt; beide haben nicht selten den Sinn des Geschichtschreibers verfehlt, und die eigenthümliche Gediegenheit und Schönheit des Originals in ihren Nachbildungen gar nicht wiedergegeben. Hoffentlich wird die gegenwärtige Verdeutschung den Forderungen der Kritik mehr genügen. Sie ist das Werk eines mehr als dreißigjährigen Fleißes, an welchem der Verfasser, mein innigst von mir verehrter Freund, unablässig gefeilt hat.
Er begann sie schon, als er noch Conrector an dem Wolfenbüttelschen Gymnasium war; wurde im Jahr 1790 durch seine Versetzung nach Braunschweig als Director des Catharineums, welches er aus dem VII tiefsten Verfalle durch seinen Eifer als trefflicher Schulmann zur schönsten Blüthe wieder erhob, eine Zeitlang darin unterbrochen; kehrte aber, so wie er einige Muße gewann, zu seiner ihm immer werther gewordenen Beschäftigung zurück, und vollendete sie kurz vorher, ehe der Tod ihn aus diesem Leben abrief.
Livius war Heusingers Lieblings-Schriftsteller. Ihm widmete er die vornehmsten Stunden der Muße, die ihm von seinen Schulgeschäften übrig blieb; bei ihm fand sein reger Geist, selbst während seiner langen Kränklichkeit, die süßeste Beschäftigung und Erheiterung.
Nicht der Leser, der die Nachbildung mit der Urschrift vergleichen kann und will, nicht der bloße Dilettant, der den Römer VIII nur durch den Deutschen Dolmetscher zu verstehen wünscht, wird unbefriedigt bleiben, Doch nicht mir, sondern dem gelehrten Publicum gebührt die Würdigung dieser Arbeit. Die ehrenvollen Zeugnisse zweier berühmten Sprachgelehrten., des Hrn. Geh.R. Wolf und des Hrn. Bibliothekars D. Buttemann darüber, hat der Hr. Verleger schon seiner Ankündigung des Werkes beigefügtIch wiederhole am Schlusse das Urtheil der beiden großen Männer, um es dadurch besser aufzubewahren, als durch die bloße Ankündigung geschehen konnte.. Nur das sei mir erlaubt hinzuzusetzen, daß, sollte Heusinger manchen der neuesten Übersetzer der Alten nicht ganz ähnlich sein, die durch ihre zu große Liebe zur Wörtlichkeit oft undeutsch werden, ihm gerade dies mit Recht den Beifall der meisten IX Leser erwerben möchte. Er hat den Römer in seiner eigenthümlichen Manier dargestellt, ohne unserer Muttersprache Gewalt anzuthun. Daß Dichter und auch einige Prosaisten, z. B. Thukydides und Tacitus, anders übersetzt werden müssen, versteht sich von selbst,
Da, wo der Text Lücken hat, sind die von Drakenborch aufgenommenen Ergänzungen Crevier's übersetzt, um dem Deutschen Leser den Zusammenhang nicht zu unterbrechen.
Die von dem verewigten Verfasser seiner Übersetzung beigefügten Anmerkungen werden gewiß dem Leser eine willkommene Zugabe seyn. Sie sind theils erläuternd, d. h. kurze Nachweisungen aus der Geschichte, Geographie, den Alterthümern, Berechnung X der Geldsummen nach unserer Münze und dergleichen; theils, und noch mehr, kritisch. In den letztern, deren über 800 sind, wird der Sprachgelehrte sicher meinem Freunde meistens beistimmen, und auch da, wo er etwa andern Ansichten folgt, Heusingers Scharfsinne und seinem Eindringen in den Geist der Lateinischen Sprache überhaupt, und in den Geist des Livius insbesondere, Gerechtigkeit widerfahren lassen.
Sehr zu bedauern ist es übrigens, daß der Übersetzer durch den Tod verhindert wurde, seinem Werke selbst eine Vorrede vorzusetzen, die dem Leser gewiß noch manche Belehrung, oder doch wenigstens manchen Wink über die Verfahrungsart bei der Abfassung der Übersetzung und der XI kritischen Bemerkungen gegeben haben würde. Allein er starb bald nach der Beendigung seiner Arbeit, fast bis zu seinem Todestage – dem 12. Januar 1820 – mit der Glättung seines Werks beschäftigt, Um indessen dasselbe nicht ganz ohne Einleitung den Lesern zu übergeben, habe ich auf den Wunsch der würdigen Gattinn meines Freundes, und zugleich auf den Wunsch des Hrn. Verlegers, der sich schon um mehre alte Classiker durch deren Herausgabe in einem gefälligen äußern Gewande verdient gemacht, und den Dank der Philologen erworben hat, dieses kurze Vorwort vorausgeschickt.
Braunschweig am 21.März 1821.
Dr. G. A. C. Scheffler, Prof.