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25. Diese Vorfälle kamen mehrmals im Senate sowohl, als in der Versammlung zur Sprache. Da nun bei der allgemeinen Freude der Dictator allein weder dem Gerüchte, noch dem Briefe glauben wollte, ja sich sogar äußerte, gesetzt, daß Alles wahr sei, so besorge er von dergleichen Glücke mehr, als vom Misgeschicke; so erklärte der Bürgertribun Marcus Metilius; «Das sei doch wahrhaftig unausstehlich. Der Dictator habe sich nicht allein, so lange er dort gewesen sei, jeder Unternehmung widersetzt, sondern befeinde auch jetzt abwesend dies schon gelungene That, und bringe die Zeit mit Verzögerung des Krieges und zwarIn ducendo bello ac sedulo]. – Dies ac erklärt Drak. durch et quidem, und führt für dasselbe die Putean., Florentin. und noch 9 andre Handschriften an.in der Absicht hin, so viel länger im Amte zu sein und sowohl zu Rom als im Heere den Oberbefehl allein zu haben. Denn der eine Consul sei in der Schlacht gefallen, der andre, unter dem Vorwande, die Punische Flotte zu verfolgen, weit von Italien verschickt. Zwei Prätoren habe man mit Sicilien und Sardinien zu beschäftigen gewußt, da doch keine von ihren beiden Provinzenquorum – – – provincia praetore egeat]. – Das Wort quorum beziehe ich auf praetores duos, ohne es von egeant abhängen zu lassen. Quorum praetorum ambae provinciae praetore non egeant. Statt ambae non egent sagte Livius neutra eget. Es bedarf so weder der Abänderung von quorum in quarum, noch der Ausschließung des Worts praetore. unter jetzigen Umständen eines Prätors bedürfe. Den Magister Equitum Marcus Minucius habe er, damit dieser ja keinen Feind zu sehen bekäme, ja nichts, Kriegerisches unternähme, beinahe wie in Haft gehalten. So habe denn der Feind – sei es 544 Gott geklagt! – nicht bloß Samnium, das man schon wie ein jenseit des Ebro gelegenes Land den Puniern eingeräumt habe, sondern sogar das Campanische, Calenische und Falernische von Grund aus verwüstet, indeß der Dictator zu Casilinum gesessen und mit den Legionen des Römischen Stats sein Landgut gedeckt habe. Das Heer, nach einer Schlacht sich sehnend, und den Magister Equitum, habe er beinahe als Eingesperrte im Lager gehalten; ihnen gleich gefangenen Feinden die Waffen genommen. Da sie endlich, als der Dictator abgereiset sei, wie aus einer Belagerung Erlösete, aus dem Walle hätten ausrücken können, hätten sie den Feind geschlagen und in die Flucht gejagt. Aus diesen Gründen würde er, wenn noch der alte Geist auf dem Römischen Bürger ruhete, dreist darauf angetragen haben, den Oberbefehl des Quintus Fabius für aufgehoben zu erklären; so aber wolle er nur auf die schonendere Verfügung antragen, die Rechte des Magisters Equitum und des Dictators gleich zu stellen, aber auch so den Dictator nicht eher zum Heere gehen zu lassen, als bis er an des Cajus Flaminius Stelle einen Consul nachgewählt habe.»
Der Dictator hielt sich von den Volksversammlungen zurück, da sich sein Vortrag den Beifall des Volks unmöglich versprechen konnte; ja selbst im Senate hörte man ihm eben nicht gern zu, wenn er den Feind in seinen Reden erhob; wenn er die Niederlagen dieser zwei Jahre als Folgen der Unüberlegtheit und Unwissenheit der Feldherren darstellte; und wenn er sagte, der Magister Equitum müsse darüber, daß er gegen seinen Befehl sich in ein Treffen eingelassen habe, zur Rechenschaft gezogen werden. «Bliebe der Oberbefehl und die Leitung des Ganzen in seinen Händen, so hoffe er nächstens den Leuten begreiflich zu machen, daß ein tüchtiger Feldherr das Glück nur sehr gering in Anschlag bringe, daß Verstand und Überlegung das Ganze bestimme. Das Heer zur Zeit der Noth und ohne Ehrverlust erhalten zu haben, gereiche ihm zu größerem Ruhme, als wenn er Tausende von Feinden erlegt hätte.» Nach mehreren vergeblichen 545 Reden dieses Inhalts und nach gehaltener Consulwahl, die den Marcus Atilius Regulus traf, ging er, um nicht selbst die Beschränkung seines Oberbefehls zur Entscheidung gebracht zu sehen, in der Nacht vor jenem Tage, an welchem hierauf angetragen werden sollte, zum Heere ab.
Als mit Tagesanbruch die Volksversammlung gehalten wurde, so fühlten die Leute mehr eine Regung stummer Unzufriedenheit mit dem Dictator und des Wohlwollens für den Magister Equitum, als daß dieser oder jener Muth genug gehabt hätte, zur Empfehlung dessen, was der große Haufe wünschte, aufzutreten; und bei der Gewißheit einer günstigen Aufnahme fehlte es dem Antrage dennoch an einer Einführung. Da fand sich als Fürsprecher des Vorschlages ein Einziger an, Cajus Terentius Varro, der im vorigen Jahre Prätor gewesen war, ein Mann, nicht bloß von niedriger, sondern sogar schmutziger Herkunft. Sein Vater soll Fleischer gewesen sein und selbst als Umträger seiner Ware eben diesen Sohn zu den knechtischen Handreichungen seines Gewerbes gebraucht haben.
26. Als der junge Mensch durch das Geld, das ihm der Vater von dieser Art des Erwerbes hinterließ, sich zur Hoffnung eines ehrenvolleren Ranges berechtigt hielt, und ein Standeskleid und öffentliches Leben für ihn Reize hatten; so gelang es ihm zuerst dadurch, daß er die schmutzigsten Personen und Parteien, der Sache und dem guten Rufe rechtlicher Leute zum Nachtheile als Schreier in Schutz nahm, zu einer Bekanntschaft bei dem Volke und dann zu Ehrenämtern zu kommen. Und da er nach Verwaltung der Quästur und beider Ädilenämter, des bürgerlichen und des adlichen, zuletzt auch der Prätur, sich nunmehr zur Aussicht auf das Consulat gehoben fühlte, so suchte er, listig genug, von dieser Unzufriedenheit mit dem Dictator für sich die Zuneigung des Volks zu gewinnen: und als der Volksschluß zu Stande kam, war er es allein, dem man dies verdankte.
Jedermann, zu Rom sowohl, als im Heere, Freund und Feind, sah in dem durchgegangenen Vorschlage eine beabsichtigte Herabsetzung des Dictators: er selbst nur 546 nicht. Hatte er mit fester Würde seine bei der Menge ihn verläumdenden Feinde ertragen, so ertrug er auch mit dieser das ihm vom aufgebrachten Volke zugefügte Unrecht: und da er das Schreiben mit dem SenatsschlusseLiteris senatusque consulto.] – Dieser Verbesserung Gronovs treten Crevier und Drakenborch bei. Und hieß dieser Schluß gleich vorher ein plebis scitum, was er auch war, so bemerkt doch Crevier sehr richtig, daß die Väter, die seit der Absetzung der Decemvirn durch die Consuln Horatius und Valerius an die Plebissciten gebunden waren, sich dadurch in den Vortheil setzten, daß sie den Plebissciten durch ihre Senatsconsulte die Bestätigung zu geben schienen. über die Theilung des Oberbefehls noch unterweges erhalten hatte, so kam er, fest überzeugt; daß durch den gegebenen Antheil an den Rechten eines Oberfeldherrn nicht auch die Geschicklichkeit des Oberfeldherrn mitgetheilt sei, in einer von seinen Mitbürgern eben so wenig, als vom Feinde besiegten Fassung, bei dem Heere wieder an.
27. Minucius hingegen, den schon vorher sein Glück und die Begünstigung des Pöbels beinahe unausstehlich gemacht hatten, rühmte sich, nun vollends ohne sich zu mäßigen oder zu schämen, seines Sieges über den Hannibal nicht angelegentlicher, als über den Quintus Fabius. «Gerade der Feldherr, den man in der Noth als den Vorzüglichsten, als Gegenmann für einen Hannibal ausgesucht habe, sei gegen alles Beispiel in den Jahrbüchern, sei als der Vorgesetzte seinem Untergeordneten, als Dictator seinem Magister Equitum auf Befehl des Gesamtvolks in eben dem State gleichgestellt, in welchem sollst jeder Magister Equitum vor den Ruthenbündeln und Beilen eines Dictators gezittert und geschaudert habe. In einem so glänzenden Lichte habe sich sein Glück und seine Tapferkeit gezeigt. Sollte nun der Dictator bei seiner von Göttern und Menschen verworfenen Saumseligkeit und Unthätigkeit beharren, so werde er sich an sein Glück halten.» Also gleich den ersten Tag, an dem er mit dem Quintus Fabius zusammenkam, erklärte er: «Vor allen Dingen müsse festgesetzt werden, wie sie es mit dem gleichgemachten Oberbefehle halten wollten. Seiner Meinung nach sei es am besten, daß einen Tag um den andern, 547 oder falls man sich für größere Zeiträume bestimme, auch hierin wechselsweise, alle Gewalt und Anordnung von Einem abhänge, damit es dieser bei sich darbietender Gelegenheit nicht bloß in der Anlage, sondern auch in der Stärke mit dem Feinde aufnehmen könne.» Dies wollte sich Quintus Fabius durchaus nicht gefallen lassen, «weil sonst, wenn man der Unbesonnenheit seines Amtsgenossen Alles hingäbe, auch Alles dem Zufalle hingegeben werde. Ihm sei der Oberbefehl gemeinschaftlich mit ihm gegeben, aber nicht genommen. Also werde er nie gutwillig davon zurücktreten, auf den Theil, bei dem es ihm noch möglich sei, nach seiner Einsicht zu wirken; werde sich nie mit ihm in Zeiten oder Tage des Oberbefehles, sondern in die Heere theilen, und nach seinen Maßregeln, weil ihm die Rettung des Ganzen nicht mehr freistehe, so viel zu retten suchen, als er könne.» Dadurch bewirkte er, daß sie sich, wie es bei den Consuln üblich ist, in die Legionen theilten. Die erste und vierte gab das Los dem Minucius, die zweite und dritte dem Fabius. So theilten sie sich auch in die Reuterei und in die Hülfstruppen der Bundesgenossen und Latinischen Völker beide gleich. Ja der Magister Equitum fand sogar für gut, sein abgesondertes Lager zu haben.
28. Hierüber hatte Hannibal eine doppelte Freude: denn es blieb ihm nichts von Allem, was bei den Feinden vorging, unbekannt, weil er theils durch Überläufer Vieles erfuhr, theils seine Kundschafter hatte. Er sah, wenn er die nunmehr fesselfreie Verwegenheit des Minucius in die Falle locken wollte, sich freie Hand gelassen: er sah der Geschicklichkeit des Fabius die Hälfte der Wirkungskraft entzogen.
Zwischen dem Lager des Minucius und dem der Punier war eine Anhöhe. Wer diese nahm, setzte unstreitig von hieraus den Feind in den Nachtheil. Hannibal wünschte sie nicht sowohl ohne Gefecht zu besetzen, wiewohl selbst dies der Mühe werth war, als dadurch ein Gefecht mit dem Minucius zu veranlassen, bei dem er sicher darauf rechnen konnte, daß er jedesmal, zur 548 Verhinderung seiner Absichten, ihm entgegentreten werde. Das ganze Feld dazwischen war zur Anlage eines Hinterhalts dem ersten Anscheine nach unbrauchbar, weil es auch nicht Eine mit Waldung oder nur mit Gesträuch bekleidete Stelle hatte; in der That aber war es einen Hinterhalt zu decken um so mehr geeignet, weil sich in einem nackten Thale eine solche List gar nicht fürchten ließ, und doch hatte es in seinen Krümmungen Felsenhöhlen, so groß, daß einige zweihundert Bewaffnete fassen konnten. In diese Schlupfwinkel ließ er sich, so viel als jeden derselben bequem besetzen konnten, zusammen fünftausend Mann zu Fuß und zu Pferde verstecken. Damit aber nicht hier oder dort durch die Bewegung eines zu unvorsichtig hervortretenden oder durch die blitzenden Waffen der Betrug in einem so offenen Thale sich verriethe, so gab er dem Auge des Feindes durch Absendung einer geringen Mannschaft, die mit Anbruch des Tages die vorhin genannte Anhöhe besetzen mußte, eine Beschäftigung. Kaum erblickten diese die Römer, so erfüllte sie die schwache Zahl mit Verachtung, und den Auftrag, die Feinde dort zu vertreiben, forcierte Jeder. Als einer der prahlendsten und kecksten bot sie der Feldherr selbst zur Einnahme des Ortes auf und rief dem Feinde leere Muthergießungen und Drohungen entgegen. Zuerst entließ er die Leichtbewaffneten, dann sandte er die Reuterei in geschlossenem Zuge; zuletzt, als er sah, daß auch den Feinden Unterstützung nachrücke, trat er mit seinen schlagfertigen Legionen auf. Auch Hannibal, der den bedrängten Seinigen mit steigendem Kampfe eine Verstärkung über die andre nachschickte, hatte schon die volle Linie aufgestellt und auf beiden Seiten war die gesammte Stärke in Arbeit. Die Römischen Leichtbewaffneten an der Spitze, die aus der Tiefe herauf zu dem besetzten Hügel hinanstiegen, erfüllten, so wie sie geschlagen und hinuntergeworfen waren, die nachrückende Reuterei mit Bestürzung, und flohen auf die Glieder der Legionen. Die Linie des Fußvolks blieb unter den bestürzten allein unerschrocken, und wie es schien, würde sie allerdings, wenn sie hätte 549 in einer ordentlichen Schlacht oder dem Feinde gerade gegenüber fechten können, ihm gewachsen gewesen sein. Allein die plötzlich aus dem Hinterhalte Hervorbrechenden, bewirkten durch ihren Angriff auf beide Seiten und vom Rücken her Verwirrung und Schrecken in so hohem Grade, daß Allen der Muth zum Fechten entsank, ja selbst die Hoffnung zu entfliehen.
29. Fabius, als er zuerst ihr Angstgeschrei hörte, dann von fern die Linie in Unordnung sah, rief: «Da haben wirs! Nicht schneller, als ichs gefürchtet habe, hat das Unglück die Unbesonnenheit gefaßt. Der dem Fabius im Oberbefehle gleich Gesetzte sieht im Hannibal seinen Obmann an Tapferkeit und Glück. Doch zum Hadern und Zürnen wird sich eine andre Zeit finden. Jetzt zu den Fahnen! Ausgerückt! Dem Feinde wollen wir seinen Sieg abgewinnen, und unsern Mitbürgern das Geständniß ihrer Verirrung!» Als ein großer Theil hier schon niedergehauen war, dort sich nach der Flucht umsah, erschien plötzlich, wie vom Himmel herabgesandt, das Heer des Fabius zu ihrer Hülfe. Sehr begreiflich hielt es schon, ehe es sich auf Schußweite näherte oder handgemein wurde, seine Mitbürger von der völligen Flucht, und die Feinde im zu dreisten Verfolge des Gefechts zurück. Die aus den gesprengten Gliedern zerstreut umherliefen, eilten von allen Seiten dem neuen Heere zu; die in Einem Haufen mit einander geflohen waren, zogen sich jetzt, dem Feinde wieder zugekehrt und im geschlossenen Kreise, mehr allmälig zurück, oder behaupteten, in einen dichten Schwarm zusammengedrängt, ihren Platz. Und schon waren die Linien des geschlagenen und die des neuen Heeres beinahe zu Einer gediehen und rückten gegen den Feind an, als auf Punischer Seite zum Rückzuge geblasen wurde, nicht ohne Hannibals lautes Geständniß: Er habe den Minucius, Fabius ihn besiegt.
Als so der größere Theil des Tages unter wechselndem Glücke verstrichen war, sprach Minucius nach der Rückkehr in sein Lager, vor seinen zusammenberufenen Soldaten: «Ich habe oft gehört, Soldaten, der sei der erste 550 Mann, der selbst das zur Sache Dienliche angeben könne; der zweite der, der gutem Rathe Folge leiste: wer aber selbst weder anzugeben, noch einem Andern sich zu fügen verstehe, zeige die größte Geistesschwäche. Weil uns nun der erste Rang an Verstandes- und Geistesstärke nicht beschieden ist, so wollen wir uns an den zweiten, mittleren halten, und bis wir befehlen lernen, dem Entschlusse Raum geben, dem Klügeren uns zu fügen. Laßt uns unser Lager wieder mit Fabius vereinigen. Sobald ich ihn dann, wenn wir die Fahnen auf dem Feldherrnplatze aufgestellt haben, Vater anrede, wie es seinem Verdienste um uns und seiner Erhabenheit gebührt, so müsset ihr, Soldaten, die, deren Waffen und Arm euch so eben beschützt haben, als eure Schutzherren begrüßen: und wenn wir von diesem Tage weiter nichts gewinnen, so soll er uns wenigstens den Ruhm eines dankbaren Herzens erworben haben.»
30. Nach gegebenem Zeichen erfolgte der Aufruf zum Einpacken. Ihr Ausrücken und der geschlossene Zug zum Lager des Dictators setzte diesen selbst und Alle, die um ihn waren, in Verwunderung. Als nach Aufpflanzung der Fahnen vor der Feldherrnbühne der Magister Equitum, der vor die Übrigen heraustrat, den Fabius mit dem Namen Vater angeredet und sein ganzer Zug die umströmten Soldaten des Fabius, Schutzherren gegrüßt hatten, sprach er:
«Dictator! meinen Ältern, denen ich dich so eben durch die Benennung, so weit die Sprache reicht, gleichgestellte, verdanke ich bloß mein Leben; dir die Rettung sowohl meiner selbst, als dieser Aller. Was also den Volksschluß betrifft, mit dem ich mehr belastet, als beehrt bin, so bin ich der Erste, der ihn verwirft und aufhebt: ich kehre – möge es für dich und mich, möge es für diese deine Heere, das gerettete sowohl, wie seine Retter, die glücklichsten Folgen haben! – unter deinen Oberbefehl, in deine Obhut zurück, und liefere dir diese Fahnen und Legionen wieder. Du aber, ich bitte dich, laß als der Verzeihende mich mein Amt als Magister Equitum, diese hier Jeden seine Stelle behalten.» Jetzt 551 schlossen Beide Hand in Hand, und die angekommenen Soldaten wurden nach entlassener Versammlung von Bekannten und Unbekannten liebevoll und gastfreundschaftlich eingeladen; und aus einem noch kurz vorher so traurigen und fast verwünschenswerthen Tage ward ein Tag der Freude.
Zu Rom, als die Nachricht von diesem Auftritte einlief, und dann durch die Briefe der Feldherren selbst nicht eigentlicher, als der gemeinen Soldaten aus beiden Heeren sich bestätigte, erhob Jeder nach seiner Weise den Maximus mit Lobsprüchen bis zum Himmel. Gleichen Ruhm ließen ihm selbst die Feinde, Hannibal und die Punier, widerfahren, und nun endlich wurden sie inne, daß sie mit Römern, und in Italien, Krieg führten. Denn in den letzten zwei Jahren waren ihnen die Römischen Heerführer sowohl, als die Heere, so unbedeutend geworden, daß sie kaum mit demselben Volke zu kriegen glaubten, von dem ihnen ihre Väter eine so fürchterliche Schilderung gemacht hatten. Auch Hannibal soll bei seinem Rückzuge aus der Schlacht gesagt haben: «Endlich habe die Wolke, die immer auf den Berghöhen gelegen habe, Sturm und Platzregen gebracht.»
31. Während dies in Italien vorging, segelte der Consul Cneus Servilius Geminus, der mit einer Flotte von hundert zwanzig Schiffen die Küste von Sardinien und Corsica umfahren war und sich an beiden Orten Geisel hatte geben lassen, nach Africa über; und nachdem er noch, ehe er hier zur Landung kam, die Insel Menix verheeret, und sich von den Einwohnern Cercina's zehn Talente SilbersUngefähr 12,000 Thaler. als Brandschatzung hatte zahlen lassen, erreichte er die Küste von Africa und schiffte seine Truppen aus. Die sogleich zur Plünderung des Landes geführten Soldaten und Seeleute schwärmten so ausgelassen umher, als ob sie auf jenen menschenarmen Inseln plünderten. Da sie sich also durch ihre Unbehutsamkeit in einen Hinterhalt geführt, als Zerstreute von vollen Haufen, als 552 Fremde von der Gegend Kundigen umringt sahen, so wurden sie in schimpflicher Flucht mit Vielem Verluste zu den Schiffen zurückgejagt. Sie büßten an tausend Mann ein, unter diesen den Quästor Sempronius Bläsus. Die Flotte, die von der mit Feinden erfüllten Küste in eiliger Verwirrung abstieß, setzte ihre Fahrt bis Sicilien fort und zu Lilybäum übergab sie der Consul dem Prätor Titus Otacilius, um sie durch seinen Legaten Publius Sura nach Rom zurückführen zu lassen. Er selbst nahm seinen Weg durch Sicilien zu Lande und setzte durch die Meerenge nach Italien über, wohin ihn sowohl, als seinen Amtsgenossen Marcus Atilius ein Brief vom Quintus Fabius beschieden hatte, um von ihm, weil das halbe Jahr seines Oberbefehls beinahe abgelaufen sei, die Heere zu übernehmen.
Die Verfasser beinahe der sämtlichen Jahrbücher lassen den Fabius, was er gegen Hannibal gethan hat, als Dictator thun; und Cölius schreibt sogar, er sei der erste DictatorAls zweiten vom Volke ernannten Diktator rechnete Cölius (nach Crevier's Bemerkung) den Sulla, der sich vom Volke wählen ließ. gewesen, den das Volk gewählt habe. Doch Cölius sowohl, als die übrigen, bedachten nicht, daß dem Consul Cneus Servilius, den damals die Führung des Krieges in Gallien weit entfernt hielt, das Recht, einen Dictator zu ernennen, allein zustand; daß man aber in der Stadt, weil man im Schrecken über die Niederlage einen so langen Aufschub nicht abwarten konnte, die Auskunft traf, vom Volke einen Prodictator wählen zu lassen; und daß nachher die Thaten und der ausgezeichnete Ruhm dieses Feldherren, ferner seine Nachkommen, welche die Unterschrift des Ahnenbildes heben wollten, leicht veranlassen konnten, daß der, der nur Prodictator war, als Dictator angegeben wurde.
32. Als die Consuln nach Übernahme der Heere, Atilius des Fabischen, Servilius Geminus des Minucischen, sich im Winterlager frühzeitig verschanzt hatten, denn es war schon am Ende des Herbstes; setzten sie in höchster 553 Eintracht den Krieg nach des Fabius Maßregeln fort. Wenn Hannibal auf Getreideholung ausrücken ließ, so zeigten sie sich von entgegengesetzten Seiten im Vortheile, schnitten Theile seines Heeres ab und fingen die Zerstreuten auf. Zu dem mißlichen Wurfe eines allgemeinen Kampfs, nach welchem Hannibal mit allen Künsten rang, ließen sie es nie kommen. Und Hannibal sah sich von Mangel so bedrängt, daß er, wenn er nicht gefürchtet hätte, sich jetzt durch einen Abzug den Schein des Fliehenden zu geben, nach Gallien zurückgegangen sein würde, weil ihm zur Erhaltung seines Heeres in diesen Gegenden keine Hoffnung übrig blieb, sobald die folgenden Consuln den Krieg nach eben diesen Maßregeln führten.
Als die Unternehmungen, vom Winter behindert, bei Geronium still standen, kamen nach Rom Gesandte von Neapolis. Sie überreichten im Rathhause vierzig goldene Schalen von großer Schwere, und gaben ihrem Vortrage die Einkleidung, daß sie sagten: «Die Neapolitaner wüßten, daß die Schatzkammer des Römischen Volks durch den Krieg erschöpft werde, und da er für die Städte und Länder der Bundesgenossen nicht minder geführt werde, als für das Haupt und die Burg Italiens, für die Stadt Rom und deren Oberherrschaft; so hätten sie es für billig erachtet, mit dem Golde, was ihnen ihre Vorfahren theils zur Zierde der Tempel, theils zum Nothpfennige hinterlassen hätten, dem Römischen Volke auszuhelfen. Wenn sie sich selbst eine thätige HülfsleistungSi quam opem]. – Da es schon vorher hieß iuvare, so ist hier das Wort opem wahrscheinlich unrichtig. Deswegen wollte Duker Si quam aliam opem lesen. Stroth sagt opem de armorum ope intelligamus necesse est. Ich glaube, opem sei aus opam entstanden, welches operam heißen sollte. Cic. de off. II. 15. At qui opera, id est virtute atque industria, liberales erunt. Nep. Cat. Magni eius opera existimata est in praelio apud Senam. Doch Hr. Walch erklärt S. 179 in sese durch in semet ipsis: und hierunter könnte allerdings die von mir vorgeschlagene opera begriffen sein. hätten zutrauen dürfen, so würden sie diese mit gleicher Dienstbeflissenheit angeboten haben. Die Väter und die Bürger Roms würden ihnen einen Gefallen erzeigen, wenn sie alles Eigenthum der Neapolitaner als das Ihrige ansähen 554 und sie für würdig hielten, ein Geschenk von ihnen anzunehmen, das durch die Gesinnung und den guten Willen derer, die es mit Freuden gaben, größer und ehrenvoller sei, als durch sich selbst.» Der Senat stattete den Gesandten für die darbietende Güte und Theilnahme ihrer Sender seinen Dank ab, und nahm die Schale an, die das kleinste Gewicht hatte.
33. Gerade in diesen Tagen wurde ein Carthagischer Kundschafter, der zwei Jahre lang unentdeckt geblieben war, zu Rom ertappt, und mit abgehauenen Händen entlassen: auch wurden fünfundzwanzig Sklaven gekreuzigt, weil sie angeblich sich auf dem Marsfelde zu einer Verschwörung verbunden hatten. Den Anzeiger belohnte man mit der Freiheit und zwanzigtausend schweren KupferassenStroth, der den As libralis zu 7 Ggr. 8 Pf. annimmt, giebt die 20,000 aeris gravis zu etwas über 6388 Thlr. an. Allein da nach Creviers Erinnerung der schon zu den Zeiten des ersten Punischen Krieges zu 1/6 und unter der Dictatur des Q. Fabius zu Hannibals Zeilen auf 1/12 herabgesetzte Ass jenen hohen Werth nicht mehr hatte, so folge ich lieber Creviers Berechnung, nach welcher diese Summe ungefähr nur 624 Gulden Conv. M. beträgt. Dann hat der As 6 Pf., der Denarius 5 Ggr.. Auch schickte man eine Gesandschaft an den Macedonischen König Philipp, mit dem Antrage, den Demetrius von Pharia auszuliefernDiesen Illyrischen Fürsten und Vormund des nachher genannten Königs Pineus hatte der Consul L. Ämilius Paullus, eben der, der in seinem zweiten Consulate bei Cannä blieb, im J. R. 533, dem letzten vor dem Ausbruche des zweiten Punischen Krieges, besiegt. Er war von der Illyrischen Insel Pharus oder Pharia (im Adriatischen Meere) gebürtig., welcher nach dem unglücklichen Kriege mit Rom zu ihm geflohen sei; eine andre an die Ligurier, um sie darüber zur Rede zu setzen, daß sie die Punier mit Vorräthen und Hülfstruppen unterstützt hatten; und zugleich, um in der Nähe zu beobachten, was man bei den Bojern und Insubriern unternähme. Auch an den König Pineus gingen Gesandte nach Illyrien ab, die Geldlieferungen einzufordern, deren Zahlungsfrist schon abgelaufen war, oder, wenn er sie verlängern wollte, sich Geisel geben zu lassen. So wenig vernachlässigten die Römer, ob sie gleich mit einem schweren Kriege belastet waren, irgendwo ein Geschäft, selbst wenn es aus 555 weiter Ferne besorgt sein wollte. Auch machte man sich darüber ein Gewissen, daß man den Bau eines Tempels der Eintracht, welchen auf Veranlassung eines Soldatenaufruhrs in Gallien der Prätor Lucius Manlius vor zwei Jahren gelobet hatte, bis jetzt noch nicht in Arbeit gegeben habe. Also gaben zu diesem Geschäfte vom Stadtprätor Marcus Ämilius ernannte Zweiherren, Cneus Pupius und Cäso Quinctius Flamininus, den Bau des Tempels, der auf der Burg stehen sollte, in Bestellung.
Eben dieser Prätor mußte nach einem Senatsschlusse den Consuln schreiben, wenn sie es für gut fänden, so möchte der Eine von ihnen zur Consulnwahl nach Rom kommen: er wolle dann auf den Tag, den sie bestimmen würden, die Wahlversammlung ankündigen. Hierauf schrieben die Consuln zurück: «Ohne Nachtheil für das Ganze könnten sie sich vom Feinde nicht entfernen. Es sei also besser, die Wahl durch einen Zwischenkönig besorgen zu lassen, als einen von den Consuln vom Kriege abzurufen.» Die Väter hielten es für zweckmäßiger, daß ein Consul zur Haltung der Wahl einen Dictator ernenne. Lucius Veturius Philo, der dazu ernannt wurde, erklärte den Manius Pomponius Matho zum Magister Equitum. Da aber bei ihrer Wahl ein Fehler vorgefallen war, und sie vierzehn Tage nachher ihr Amt niederlegen mußten, so kam es doch zu einer Zwischenregierung.
34. Den Consuln wurde der Oberbefehl auf ein Jahr verlängert. Die von den Vätern aufgestellten Zwischenkönige waren Cajus Claudius Centho, des Appius Sohn; dann Publius Cornelius Asina. In seiner Zwischenregierung ging der Wahltag, unter einem heftigen Streite zwischen Vätern und Bürgerlichen, vor sich.
Dem Cajus Terentius Varro, den der große Haufe als einen Mann seines Standes, sogar zum Consulate emporzuheben strebte, weil er sich durch Verunglimpfung großer Männer und andre dem Volke schmeichelnde Mittel bei dem Bürgerstande in Gunst gesetzt, und dadurch, daß er den Einfluß des Quintus Fabius und die Gewalt eines Dictators erschütterte, die Unzufriedenheit des Volks 556 mit Jenem zu seinem eignen Glanze benutzt hatte; ihm widersetzten sich die Väter aus allen Kräften, damit man sich nicht daran gewöhnen möchte, in ihrer Verunglimpfung den Weg zur Gleichstellung mit ihnen zu finden. Der Bürgertribun Quintus Bäbius Herennius, ein Verwandter des Cajus Terentius suchte durch Beschuldigungen nicht bloß des Senats, sondern auch der Vogelschauer, weil diese den Dictator verhindert hätten, die Wahl zu Stande zu bringen, bei dem Hasse, den er auf diese fallen ließ, seinem Bewerber Liebe im Volke zu erschwatzen. «Die Adlichen, die seit vielen Jahren Krieg gesucht hätten, hätten den Hannibal nach Italien hereingeführt, und eben diese wären es, die den Krieg, der schon gewendet sein könne, listig genug in die Länge zögen. Daß man mit vier Legionen zusammengenommen zur Schlacht habe auftreten dürfen, sei dadurch erwiesen, daß Marcus Minucius in Fabius Abwesenheit mit Glück gefochten habe: dann hätten sich zwei Legionen dem Feinde zum Gemetzel preisgeben, und hinterher vom Gemetzel retten lassen müssen, damit nur eben der Mann den Namen Vater und Schutzherr davontrüge, der den Siegen der Römer früher in den Weg getreten sei. als ihrer Besiegung. Darauf hätten die Consuln mit Fabischen Künsten den Krieg, den sie hätten beendigen können, verlängert. Hierzu ständen die Adlichen alle im Bunde; und man würde das Ende des Krieges nicht eher erleben, bis man einen wirklich Bürgerlichen, oder, welches einerlei sei, einen Emporkömmling zum Consul mache: denn die vom Bürgeradel wären schon in eben die Geheimnisse eingeweiht, und verachteten, seitdem sie nicht mehr von den Vätern verachtet würden, jeden Bürgerlichen. Wem es nicht einleuchte, daß man bloß deswegen darnach getrachtet und gerungen habe, eine Zwischenregierung eintreten zu lassen, damit die Väter über die Wahl zu schalten hätten? Dies hätten beide Consuln mit ihrem Dortbleiben beim Heere erreichen wollen: nachher habe man, weil gegen ihren Willen zur Haltung des Wahltages ein Dictator ernannt sei, es dennoch zu 557 erzwingen gewußt, daß die Vogelschauer die Dictatorwahl für fehlerhaft erklärt hätten. So habe man denn eine Zwischenregierung. Allein wenigstens Eine Consulstelle gehöre doch dem Römischen Bürgerstande. Das Volk werde darüber nach freiem Willen verfügen, und sie dem ertheilen, der lieber wirklich siegen, als lange Feldherr sein wolle.»
35. Durch solche Vorträge aufgebracht wählte der Bürgerstand, obgleich drei Altadliche, Publius Cornelius Merenda, Lucius Manlius Vulso, .Marcus Ämilius Lepidus, und zwei aus schon adlichen Bürgerfamilien, nämlich Cajus Atilius Serranus und Quintus Älius Pätus sich zugleich bewarben, von denen der Eine Oberpriester, der Andre Vogelschauer war, den Cajus Terentius allein zum Consul, so daß der zur Wahl seines Amtsgenossen anzusetzende Tag von ihm abhing. Da mußte sich auf Antrieb des Adels, dem es nicht entgangen war, daß die Mitbewerber nicht Gewicht genug gehabt hatten, Lucius Ämilius Paullus, so anhaltend und ernstlich er sich weigerte, zum Consulate melden, ein Mann, der mit dem Marcus Livius Consul gewesen und bei der Verurtheilung seines Amtsgenossen, ja es fehlte nicht viel, bei seiner eigenen, kaum mit ganzer Haut davongekommen war; ein abgesagter Feind des Bürgerstandes. Dieser wurde am nächsten Wahltage, da vor ihm Alle, die mit dem Varro in die Schranken getreten waren, zurücktraten, dem Consul, ich möchte lieber sagen, zum Amtsgegenmanne, als zum Amtsgenossen gegeben. Darauf wurde die Prätorenwahl gehalten. Gewählt wurden Manius Pomponius Matho und Publius Furius Philus. Das Los, zu Rom die städtische Gerichtspflege auszuüben, traf den Pomponius, und die zwischen Römischen Bürgern und Fremden, den Publius Furius Philus. Man setzte aber noch zwei Prätoren an, den Marcus Claudius Marcellus für Sicilien, den Lucius Postumius Albinus für Gallien. Sie alle wurden abwesend gewählt, und keinem von ihnen, den Consul Terentius ausgenommen, ein Amt übertragen, das er nicht schon vorher verwaltet gehabt hätte, indem man sogar 558 mehrere wackere und brauchbare Männer überging, weil man glaubte, in der gegenwärtigen Lage dürfe man keinem ein Amt anvertrauen, das ihm noch neu sei.
36. Auch die Heere wurden verstärkt. Wie viel aber die Vermehrung an Fußvolk und Reuterei betragen habe, darüber sind, sowohl in Hinsicht der Zahl, als der Art der Truppen, die Angaben so wenig übereinstimmend, daß ich es kaum wage, irgend einer, als der ausgemacht gewissen beizutreten. Einige sagen, man habe als Ergänzungstruppen neue zehntausend Mann ausgehoben: Andere, man habe vier neue Legionen errichtet, um mit acht Legionen zur Schlacht auftreten zu können; auch habe man den Legionen eine größere Kopfzahl an Fußvolk und Reuterei gegeben, in so fern man jede um tausend Mann zu Fuß und hundert zu Pferde verstärkt habe, so daß sich jede auf fünftausend zu Fuß und vierhunderttreceni equites essent]. – Da uns Livius schon an mehrern Stellen (XXI. 17. VIII. 8.) selbst gesagt hat, daß jede Legion ihre 300 Ritter gehabt habe, so kann er hier diejenigen, nach deren Angabe jede Legion diesmal um 100 Ritter vermehrt wurde, nicht sagen lassen wollen, daß die Summe nach der Vermehrung nur 300 betragen habe. Crevier sagt zwar: Hic requirimus Livii diligentiam, und zeigt dann aus den oben angeführten Stellen, daß Livius nicht nöthig gehabt habe, die Vermehrung um hundert Mann zu Hülfe zu nehmen, um die Ritterzahl der Legion auf 300 zu bringen, da die Legion schon vorher 300 Ritter gehabt habe. Allein ich sage lieber: Hic requirimus, ut saepe, librariorum diligentiam, und folge der von Lipsius vorgeschlagenen, von Duker und Drakenborch gebilligten Vermuthung, daß hier quadringeni equites gelesen werden müsse, um so viel lieber, wenn ich mir den Abschreiber denke, der in der Lesart CCCCeni (dies sollte quadringeni heißen) das letzte C nicht als Zahl, sondern, als zur Endung gehörig, in ceni zusammenlas. Duker bestätigt diese Verbesserung des Lipsius noch durch die angeführte Stelle XXIII. 34., wo Livius gleich im folgenden Jahre wieder erzählt, man habe (wie es die Noth und Feind Hannibal geboten) nicht 300, sondern 400 Reuter auf die Legion geworben. Da Livius immer nur 300 Mann Ritter auf die Legion angegeben hatte, so würde er bei dem gleich folgenden Jahre 537 über diese Vermehrung etwas haben sagen müssen, wenn er es nicht an unsrer Stelle bei dem Jahre 536, wenn gleich nicht in seinem eignen Namen, sondern in der Angabe der zweiten Meinung über die Truppenzahl bei Cannä, gethan hätte. Man wende nicht dagegen, wie Duker, ein, daß Livius sich dann selbst durch die angegebene Summe von 87,200 widersprechen würde, weil durch Vermehrung der Ritter auf 400 und die davon abhängige Verdoppelung der Bundesreuterei die Summe von 89,600 herauskommen werde. Dies widerspricht ja dem Livius nicht, der uns selbst vorhin gesagt hat, daß er hier keine eigne Meinung aufstellen könne. Er liefert uns drei Angaben: 1) man habe das Heer mit 10,000 Neuausgehobenen verstärkt; 2) man habe 4 neue Legionen ausgehoben, und also 8 Legionen aufgestellt, die folglich mit der vermehrten Zahl der Reuterei (sie beträgt 9,600 Mann) eine Summe von 89,000 Mann geben würden; 3) Einige gaben nur 87,300 Mann an, die bei Cannä gefochten haben sollten. Diese dritte Meinung, so verschieden sie von der zweiten ist, trifft doch zu, und muß zutreffen, wenn man die – nur nach der zweiten Meinung angegebene – Vermehrung der Reuterei nicht mit hineinrechnet. Perizonius und Crevier wollen aber die beiden letzten Meinungen in Eine ziehen. Die letzte Angabe soll bloß die nachgerechnete Summe aufführen, die bei der Berechnung nach der zweiten Angabe herauskäme, und also mit der zweiten Eins sein. Dann aber tritt jener vom Lipsius so glücklich gehobene Widerspruch des Livius mit sich selbst wieder ein. Sie wollen ferner das quidam autores sunt, einmal ihrem Irrthume zu Liebe, und zum andern, weil hier ein fuisse fehle, entweder in fuisse, autores sunt, oder in iidem autores sunt verwandeln, und so die Angabe einer dritten Meinung ganz verdrängen. Das ist aber 1) gegen alle Msc, 2) gegen den gesunden Verstand des Livius, 3) gegen die richtige Rechnung des Lipsius. Freilich ist es wahrscheinlich, daß in der angeführten dritten Angabe das Wort fuisse durch Schuld der Abschreiber weggefallen sei. Denn es bleibt immer eine Härte, wenn man ohne das Wort fuisse zusammenlesen soll: Septem et octoginta millia armatorum – – in castris Romanis, – quidam autores sunt. Allein man muß, um dies fuisse wieder einzuschalten, nur nicht das zur Aufstellung einer dritten Meinung so nöthige quidam verdrängen wollen. Ich glaube, ich wüßte wohl für dieses fuisse eine richtigere Stelle. Zwei alte Msc. lesen hier octoginta quinque millia, fünf andre und mit ihnen viele alte Ausgaben: Septem et octoginta quinque millia. Dies ist gegen alle Wahrheit. Allein es muß doch ein Wort dagewesen sein, woran sie ihr unrichtiges quinque geschaffen haben. Dies, vermuthe ich, war unser vermißtes fuisse; wenigstens war der Irrthum, statt FVI, QVI zu lesen, nicht unmöglich. Auch schien den Abschreibern, weil sie Zahlen vor sich hatten, ein octoginta quinque millia besser fortzulaufen, als octoginta fuisse millia. Die ganze Stelle würde also, wenn ich des Lipsius, Perizonius, Dukers und meine Vermuthungen vereinigen darf, so lauten: Ut quina millia peditum, quadringeni equites essent, socii duplicem cet. – – – Septem et octoginta fuisse millia armatorum et decentos – – – quidam auctores sunt. zu Pferde 559 belief, und die Bundsgenossen an Reuterei die Doppelzahl gaben, an Fußvolk den Römern gleich waren. Einige geben die Summe der Bewaffneten im Römischen Lager, als man bei Cannä schlug, auf siebenundachtzig tausend zweihundert an. Darin aber stimmen alle Berichte überein, daß man diesmal weit ernstlicher und kräftiger zu Werke gegangen sei, als in den vorigen Jahren, weil die Hoffnung, den Feind besiegen zu können, durch den Dictator geweckt war.
Ehe indeß die neuen Legionen von der Stadt aufbrachen, wurde wegen der Besorgniß, welche durch neue Schreckzeichen allgemein unter den Leuten verbreitet war, den Zehnmännern der Auftrag gegeben, sich an die 560 heiligen Bücher zu wenden und aus ihnen sich zu belehren. Denn es war nicht nur gemeldet, daß es zu gleicher Zeit zu Rom auf dem Aventinus und zu Aricia Steine gehagelt, sondern auch, daß im Sabinischen Götterbilder von vielem Blute getrieft haben sollten, und in den Bädern zu Cäre blutigesIn Sabinis caedis, aquas e fonte calidas.] – In der Übersetzung bin ich Creviers Vorschlage gefolgt: Caeretes aquas e fonte cruentas cet., ob ich ihm gleich nicht beipflichten kann. Denn weil er Caeretes statt caedis lieset, so mußte er auch calidas in cruentas verwandeln, weil die aquae Caeretes an sich calidae sind, also die Angabe calidas e fonte manasse, kein Prodigium sein kann. Allein von der Lesart cruentas findet sich in den Msc. auch nicht die leiseste Spur. Wenn Stroth, der die Lesart Caeretes aufnahm, hinterher calidas stehen ließ, so ist dies vermuthlich ein Versehen. – Ich möchte bei dieser Stelle lieber mit Lipsius sagen: Illud Caedis nomen aliquod loci in Sabinis est, mihi ignoti. Sollte es vielleicht heißen: In Sabinis Caeduis? so daß, wie silva caedua, oder der Ort Caeduum bei Soest, der Ort im Sabinischen Caedua, orum, (das Gehau) geheißen hätte? Mit Jak. Gronov und Drakenb. signa in Sabinis Cereris zu lesen, gefällt mir aus zwei Gründen nicht; 1) ich sehe nicht, warum die Abschreiber das ihnen bekannte Wort Cereris sollten in caedis so einmüthig verwandelt haben; 2) würde dann auch, meiner Meinung nach, Livius gesagt haben: signa Cereris in Sabinis, oder: in Sabinis signa Cereris, nicht aber: signa in Sabinis Cereris. Mehr Wahrscheinlichkeit hat in meinen Augen Drakenborchs Vorschlag über die letzte Hälfte dieser Stelle. Er lässet calidas, als die Lesart aller Msc, stehen, vermuthet aber, weil so viele Msc. hinter aquas das Wort que einschieben, daß dies QVE aus VII entstanden sei. Es gab nämlich (nach Cluver) im Sabinischen ein Gewässer Namens Septem Aquae. Dann würde Livius an die übrigen Prodigia in Sabinis auch dieses anreihen: Aquasque Septem e fonte calidas manasse. Der Abschreiber fand AQVASQ.VII und machte aus Q.VII sein QVE. Wasser gequollen sei. Weil sich diese Erscheinung zu wiederholten Malen ereignete, wurde sie dadurch so viel drohender. Auch hatte auf der Schwibbogen-Straße – sie war in der Nähe des Marsfeldes – der Blitz mehrere Menschen getroffen und getödtet. Man traf dieser Zeichen wegen die Verfügungen nach den heiligen Büchern. Von Pästum kamen Gesandte nach Rom, goldene Schalen zu überreichen. Der Senat erklärte ihnen, eben so wie den Neapolitanischen, seinen Dank, nahm aber das Gold nicht an.
37. In diesen Tagen lief zu Ostia eine Flotte vom Hiero mit vieler Zufuhr ein. Die Syracusanischen Gesandten, als sie dem Senate vorgestellt wurden, meldeten: «Die Nachricht von dem Verluste des Consuls Cajus 561 Flaminius und seines Heers sei dem Könige Hiero so schmerzhaft gewesen, daß ihm kein Misgeschick, wenn es ihn selbst und sein Reich betroffen hätte, habe empfindlicher sein können. Darum habe er, obgleich völlig überzeugt, daß sich die Größe des Römischen Volks in widrigen Schickungen beinahe noch bewundernswürdiger zeige, als im Glücke, dennoch allerlei hergeschickt, was man in Kriegen als eine Beisteuer von redlichen und treuen Bundsgenossen zu bekommen pflege, und ersuche die versammelten Väter inständig, ihm die Annahme nicht zu versagen. Vorzüglich brächten sie zur guten Vorbedeutung eine goldene Siegsgöttinn von dreihundert und zwanzig Pfunden mit. Sie möchten sie annehmen, ihres Besitzes sich versichern und sie als ihr bleibendes Eigenthum betrachten. Auch hätten sie dreihunderttausend Maß Weizen hergefahren und zweihunderttausend Maß Gerste, um einem Mangel an Lebensmitteln vorzubauen; und was etwa noch nöthig sein möchte, würden sie da anfahren lassen, wo es die Väter beföhlen. Der König wisse, daß sich das Römische Volk keiner andern Soldaten und Reuterei bediene, als geborner Römer und Latiner, doch habe er leichte Hülfstruppen auch von Auswärtigen im Römischen Lager gesehenIm ersten Punischen Kriege.. Also habe er tausend Bogenschützen und Schleuderer mitgeschickt, ein Kohr, das sich gegen Balearen und Mauren und andre auf den Schuß geübte Völker gebrauchen lasse.»
Diese Geschenke begleiteten sie mit dem guten Rathe, daß man den Prätor, dem die Verwaltung Siciliens zu Theil geworden sei, mit einer Flotte nach Africa übersetzen lassen möchte, damit auch der Feind den Krieg im Lande habe, und ihm so viel weniger freie Hand gelassen werde, dem Hannibal Unterstützung nachzusenden.
Der Senat ließ dem Könige zurücksagen; «Hiero sei ein Muster der Redlichkeit und ein Bundsgenoß ohne Gleichen. Er habe, seitdem er mit dem Römischen Volke Freundschaft geknüpft, eine ununterbrochene Treue 562 bewiesen und sich jederzeit und aller Orten der Sache Roms durch reiche Spenden angenommen. Dies erkenne das Römische Volk, seiner Schuldigkeit gemäß, mit Dank. Die goldenen Geschenke, die auch einige andre Staten dargebracht hätten, habe das Römische Volk, ohne den guten Willen zu verkennen, zurückgegeben. Die Siegsgöttinn aber und die Vorbedeutung nehme es an: es eigne und weihe der Göttin das Capitolium, den Tempel des allmächtigen Jupiters, zum Sitze: auf dieser Burg der Stadt Rom in ihrer Heiligkeit aufgestellt, werde sie als segnende Geleiterinn sich dem Römischen Volke fest und unwandelbar anschließen.» Die Schleuderer und Bogenschützen nebst dem Getreide wurden an die Consuln abgeliefert. Die Flotte, die unter dem Proprätor Titus Otacilius in Sicilien stand, verstärkte man mit fünfundzwanzig Fünfruderern, und stellte es ihm frei, sobald er es dem State für zuträglich hielte, nach Africa überzusetzen.