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1. Die folgenden Consuln waren Marcus Genucius und Cajus Curtius. Dies Jahr brachte Widerwärtigkeiten von innen und von außen. Denn theils trug der Bürgertribun Cajus Canulejus gleich im Anfange des Jahrs auf die Ehen zwischen den Adlichen und Bürgerlichen an, worin aber die Väter eine Entehrung ihres Bluts und eine Vermischung der den Stammhäusern eignen Rechte zu finden glaubten: theils gedieh eine anfangs glimpfliche Anregung von Seiten der Tribunen, daß es erlaubt sein müsse, den Einen Consul aus dem Bürgerstande zu nehmen, endlich so weit, daß neun Tribunen den Vorschlag aushingen: «Es müsse dem Volke freistehen, die Consuln nach Gefallen aus dem Bürgerstande oder aus den Vätern zu wählen.» Sollte gar das geschehen, so glaubten die Väter, sie würden die Regierung des Stats nicht bloß mit den Niedrigsten zu theilen haben, sondern sie werde ganz aus den Händen der Vornehmeren auf die Bürgerlichen übergehen. Folglich freuten sie sich über die Nachrichten, daß die Ardeaten wegen des ihnen ungerechter Weise abgesprochenen Landes das Bündniß aufgehoben, daß die Vejenter auf den Gränzen des Römischen Gebiets geplündert und die Volsker und Äquer gegen die Befestigung von Verrugo sich laut erhoben hätten: so viel lieber war diesen sogar ein unglücklicher Krieg, als ein Friede mit Schande. Von dem allen machten die Väter noch mehr Aufhebens, um unter dem Getöse so vieler Kriege die Tribunen mit ihren Vorschlägen zum Schweigen zu bringen; befahlen, Werbungen zu halten, sich aus allen Kräften zum Kriege zu rüsten, und wo möglich noch mit größerer Anstrengung, als unter dem Consul Titus Quinctius. Da erklärte Cajus Canulejus mit wenigen Worten im Senate laut: «Der Versuch der Consuln, die Bürger durch jene 310 Nachrichten von der Theilnahme an den neuen Vorschlägen abzuschrecken, sei umsonst: so lange er lebe, sollten sie nie eine Werbung halten können, bevor nicht seine und seiner Amtsgenossen Vorschläge vom Bürgerstande genehmigt wären.» Und ungesäumt berief er das Volk zur Versammlung.
2. Zu gleicher Zeit also erbitterten die Consuln den Senat gegen den Tribun, und der Tribun das Volk gegen die Consuln.
Die Consuln sagten: «Die Wuth der Tribunen werde unausstehlich. Sie sei schon aufs höchste gestiegen. Zu Hause würden mehr Kriege erregt, als auswärts. Allein die Schuld treffe nicht sowohl den Bürgerstand, als die Väter; die Tribunen nicht eigentlicher, als die Consuln. «Was man in einem State durch Belohnungen fördere, habe immer das herrlichste Gedeihen, und so bekomme man tüchtige Männer im Frieden, wie im Kriege. Zu Rom stehe der höchste Lohn auf Meuterei, und Einzelne sowohl, als ganze Körperschaften seien dadurch immerzu Ehren gestiegen. Sie möchten es zu Herzen nehmenWenn hier ein Ms. zusagte, so könnte ich glauben, es habe Reminiscerentur ne da gestanden, damit das Ganze als Frage leichter eingeschoben werden könne, und zu dem folgenden utrum (welches Drakenborch für ut aufnimmt) besser passe. Reminiscerenturne, quam maiestatem senatus ipsi a patribus accepissent, quam liberis tradituri essent? utrum (quemadmodum plebs) gloriari possent cet., in welcher Größe ihnen ihre Väter die Würde des Senats hinterlassen hätten, und wie geschmälert sie ihren Kindern von ihnen werde überliefen werden! Ob sie eben so, wie die Bürgerlichen, sich rühmen könnten, ihr Ansehen erweitert und erhöhet zu haben? Darum finde hier keine Gränze Statt, und werde auch nie stattfinden, so lange die Stifter des Aufruhrs eben so hoch angestellt würden, als jeder Aufruhr von glücklichem Erfolge sei. An wie viele und wichtige Dinge sich nicht ein Cajus Canulejus gewagt habe? Er werfe die Familien in Ein Gewühl zusammen! er stifte Verwirrung in der Befragung der Vögel von Seiten des Stats, von Seiten der Familien! damit alle Reinheit, alle Unbeflecktheit aufhöre, 311 und, wenn aller Unterschied aufgehoben sei, niemand weder sich selbst, noch die Seinigen ferner kenne! Was sonst für eine Folge die vermischten Heirathen haben würden, als daß sich Bürgerliche und Adliche durch einander, etwa wie das liebe Vieh, in wilder Mischung gatteten, so daß der aus einer solchen Ehe entsprungene nicht wisse, zu welchem Blute, zu welchen Opfern er gehöre? halb ein Adlicher, halb ein Bürgerlicher, mit sich selbst im Widerspruche stehe? Nicht damit zufrieden, alles Göttliche und Menschliche so durch einander zu werfen, wagten sich die Aufwiegler des Pöbels sogar an das Consulat. Anfangs hätten sie es bloß gesprächsweise hingeworfen, daß doch nur der Eine Consul aus dem Bürgerstande zu wählen sein möchte: jetzt werde öffentlich darauf angetragen, daß das Volk beide Consuln nach Gefallen aus den Vätern oder Bürgern nehmen solle. Und sicher werde man dann aus dieser Classe den lautesten Aufrührer am liebsten wählen. Dann würden lauter Canulejer und Icilier Consuln sein. Möge doch das der allmächtige Jupiter verhüten, daß eine Regierung, mit königlicher Hoheit ausgestattet, so tief herabsinke: auch würden sie sich lieber einen tausendfachen Tod gefallen lassen, als solche Entehrungen zugeben. Sie wären überzeugt, wenn ihre Vorfahren es hätten ahnen können, daß der Bürgerstand durch ihre beständigen Bewilligungen nicht gegen sie sanfter werden, sondern nur widerspänstiger von einer unbilligen Forderung zu noch unbilligeren fortgehen würde, so bald ihm die erste bewilligt wäre; so würden auch sie sich lieber dem mißlichsten Kampfe unterzogen haben, ehe sie solche Vorschläge sich hätten aufbürden lassen. Weil man damals Tribunen bewilligt habe, habe man sie abermals bewilligen müssen. Hier sei kein Ende zu erwarten. In Einem State könnten Bürgertribunen und Väter nicht bestehen. Entweder müsse man diesen Stand, oder jenes Amt eingehen lassen; und lieber zu spät, als nie, der Frechheit und Unbesonnenheit entgegen gehen. Ob es nicht schändlich sei, daß jene Menschen zuerst als Stifter der Zwietracht die 312 Nachbaren zu Kriegen weckten? dann gegen eben die Kriege, die sie geweckt hätten, dem State alle Bewaffnung und Vertheidigung untersagten? die Feinde so gut als herbeiriefen, und dennoch nicht gestatten wollten, daß gegen die Feinde Heere geworben würden? sondern ein Canulejus die Frechheit habe, vor dem Senate auszurufen: Falls die Väter nicht zugeben würden, daß man sich seine Gesetze, als die eines Überwinders, gefallen lasse, so werde er die Werbung untersagen? Könne dies etwas anders sein, als Drohung, er wolle an seinem Vaterlande zum Verräther werden? er wolle es belagern, erobern lassen? Mit welchem Muthe ein solcher Ausspruch – sie wollten nicht sagen, den Römischen Bürgerstand, sondern – die Volsker, Äquer, Vejenter beseelen müsse? Ob sie nicht hoffen müßten, unter dem Anführer Canulejus das Capitol und die Burg ersteigen zu können, wenn es den Tribunen gelingen sollte, den Vätern zugleich mit ihren Rechten und ihrer Würde auch den Muth zu entreißen? Sie, die Consuln, böten sich zu Führern dar, allein zuvörderst gegen den Frevel ihrer Mitbürger, und dann erst gegen die Waffen der Feinde.»
3. Gerade während dieser Vorträge im Senate hielt Canulejus für seine Vorschläge und gegen die Consuln folgende Rede: «Die tiefe Verachtung, in welcher ihr, Quiriten, bei den Vätern steht, ihre Überzeugung von eurer Unwürdigkeit, mit ihnen in Einer Stadt, in einerlei Mauern zu leben, glaube ich zwar auch vormals oft bemerkt zu haben, vorzüglich aber jetzt, da sie mit solcher Wuth diese meine Anträge bestürmen, in denen wir sie doch – woran denn sonst, als daran nur? – erinnern, daß wir ihre Mitbürger sind, und wenn wir gleich nicht dieselben Reichthümer haben, doch mit ihnen dieselbe Vaterstadt bewohnen. In dem einen verlangen wir das Eherecht, das auch benachbarten Völkern und Auswärtigen bewilligt wird. Haben wir doch das Bürgerrecht, von wichtigerem Belange, als das Eherecht, sogar besiegten Feinden gegeben. In dem andern bringen wir nichts Neues auf, sondern fordern nur das zurück und machen 313 Gebrauch von dem, was dem Volke schon gehört; daß das Römische Volk seine Ehrenämter anvertrauen dürfe, wem es will. Kann hierin der Grund liegen, warum sie Himmel und Erde zusammenstürzen wollen? warum sie jetzt eben im Senate mich beinahe anfielen? drohen, sie würden es bis zu Thätlichkeiten treiben? sich verheißen, sie würden selbst meines geheiligten Amtes nicht schonen? Wenn also dem Römischen Volke die freie Stimmenwahl gestattet wird, das Consulat übertragen zu können, wem es will; und auch dem Bürgerlichen nicht alle Hoffnung abgeschnitten wird, falls er der höchsten Stelle würdig ist, die höchste Stelle zu erreichen; so soll unsre Stadt nicht länger stehen können? so ist es um unser Reich geschehen? Und heißt denn die Anfrage, obIch lese mit Stroth und Crevier: Plebeiusne, in Einem Worte. ein Bürgerlicher Consul werden könne, eben so viel, als wenn jemand sagte, ein Sklave oder Freigelassener soll Consul werden? Fühlt ihrs nun, ihr Quiriten, in wie tiefer Verachtung ihr lebt? Hinge es von ihnen ab, sie nähmen euch gern diesen Antheil am Tageslichte. Daß ihr Odem schöpft, daß ihr Töne der Sprache und Menschengestalt habt, ärgert sie. Ja sie sagen sogar – denkt euch, um des Himmels willen! – es sei sündlich, einen Bürgerlichen zum Consul zu machen! Ich bitte euch, wenn wir gleich keinen Zutritt zu den Jahrverzeichnissen, zu den Zeitbüchern der Oberpriester haben, sollten wir darum auch das nicht einmal wissen, was jeder Fremdling weiß, daß die Consuln an die Stelle der Könige traten? daß sie nicht das mindeste Recht, nicht die mindeste Würde haben können, die nicht vorher auf den Königen ruhete? Nun aber sagt mir, ist das eine so unerhörte Geschichte, daß Numa Pompilius, dem so viel zum Patricier fehlte, daß er nicht einmal Römischer Bürger war; den man aus dem Sabinischen holte, nach einer von den Vätern bestätigten Volkswahl den Römischen Thron besessen habe? daß späterhin Lucius Tarquinius, – nicht von Römischem, nicht einmal von Italischem Blute, 314 – ein Sohn des Korinthiers Damaratus, der bloß von Tarquinii hereingezogen war, noch bei Lebzeiten der Söhne des Ancus, König wurde? daß gleich nach ihm Servius Tullius, von einer gefangenen Corniculanerinn geboren, von unbekanntem Vater, von einer dienstbaren Mutter, durch Geist und Verdienst zum Throne gelangte? Habe ich nöthig, den Titus Tatius anzuführen, den Sabiner, den der Vater unsrer Stadt, Romulus selbst, neben sich auf den Thron nahm? So wuchs der Römische Stat, weil man da, wo man hervorleuchtendes Verdienst sah, sich nie an Abkunft stieß. Und wir sollten jetzt einen bürgerlichen Consul unzulässig finden, da unsern Vorfahren Ankömmlinge als Könige nicht anstößig waren, und unsre Stadt auch nach Vertreibung der Könige ausländischem Verdienste nicht gesperrt wurde? Wenigstens haben wir nach Vertreibung der Könige das Claudische Geschlecht aus dem Sabinerlande nicht bloß in unser Bürgerrecht, sondern selbst in die Zahl der Patricier aufgenommen. Ein Ausländer also soll Patricier, und dann Consul werden können, und einem gebornen Römer, wenn er vom Bürgerstande ist, soll alle Hoffnung auf das Consulat untersagt sein? Sollen wir es wohl gar entweder für eine Unmöglichkeit halten, daß es im Bürgerstande einen wackern, verdienstvollen, im Frieden und Kriege brauchbaren Mann, einen zweiten Numa, Lucius Tarquinius, Servius Tullius, geben könne? oder, wenn es ihn giebt, sollen wir ihn dessen ungeachtet nicht an das Statsruder treten lassen, und lieber Consuln haben, die den Decemvirn, diesen Scheusalen von Menschen, die damals alle aus dem Adel waren, ähnlicher sind, als den freilich ahnenlosen, aber Besten der Könige?»
4. «Allein seit Vertreibung der Könige ist noch nie ein Bürgerlicher – Consul gewesen, – – Und was nun weiter? Darf denn gar nichts Neues eingeführt werden? Und soll das, was noch nie geschah – und in einem neuen Volke ist Vieles noch nie geschehen – auch dann nicht einmal geschehen dürfen, wenn es nützlich ist? Oberpriester, Priester des Vogelflugs hatte man 315 unter der Regierung des Romulus noch nicht: Numa Pompilius schuf sie. Es gab keine Schatzung im State, keine Eintheilung in Centurien und Classen: Servius Tullius machte sie. Consuln waren nie gewesen: nach Vertreibung der Könige wurden sie gewählt. Von einem Dictator kannte man weder Amt noch Namen: zu unsrer Väter Zeiten kam beides auf. Bürgertribunen, Ädilen, Quästoren waren nicht: es wurde festgesetzt, daß sie sein sollten. Decemvirn zur Abfassung der Gesetze haben wir innerhalb dieser zehn Jahre erwählt und wieder aus dem State vertilgt. Wer zweifelt daran, daß in einer Stadt, die für die Ewigkeit gebaut ist und ins Unendliche wächst, nicht noch neue Statsämter, Priesterthümer, Rechte der Geschlechter und der Einzelnen eingeführt werden? Selbst dies Verbot, daß zwischen Adlichen und Bürgerlichen keine Heirath stattfinden soll, haben es nicht vor wenig Jahren erst die Decemvirn gegeben, zum größten Nachtheile für den Stat, zur höchsten Beleidigung des Bürgerstandes? Kann ein Schimpf größer und ausgezeichneter sein, wenn der eine Theil der Bürgerschaft, als wäre er unrein, des Rechts der Ehe für unwürdig gehalten wird? heißt das nicht, neben dem andern in einerlei Mauern leben und doch der Ausgestoßene, der Verwiesene sein? Jede Einmischung von unserer Seite durch Heirath, durch Abstammung, wollen sie verhüten, daß sie ja nicht durch die Bande des Blutes mit uns vereinigt werden. Wie? wenn das euren so hohen Adel verunreinigt, den ihr doch meistentheils als ursprüngliche Albaner und Sabiner nicht eurer Abkunft, nicht eurem Blute, sondern der Aufnahme unter die Väter verdankt, denen ihr entweder durch die Könige, oder nach Vertreibung der Könige durch einen Volksschluß eingereihet wurdet; konntet ihr ihn nicht, jeder für sich, dadurch unbefleckt erhalten, daß ihr weder selbst eine Frau vom Bürgerstande nahmt, noch eure Töchter und Schwestern aus dem Adelstande heraus heirathen ließet? Kein Bürgerlicher würde einer Jungfrau von jenem Stande Gewalt angethan haben: so etwas gelüstet nur Adliche. 316 Wir würden keinen von euch gezwungen haben, wider seinen Willen einen Ehevertrag zu schließen. Daß es aber sogar durch ein Gesetz verboten sein soll; daß alle Ehen zwischen Adlichen und Bürgerlichen für unstatthaft erklärt werden, nur darin liegt für den Bürgerstand das Schimpfliche. Warum vereinigt ihr euch nicht zu dem Gesetze, daß sich Reiche und Arme nicht heirathen sollen? Was allenthalben immer Sache der häuslichen Berathung blieb, daß ein Mädchen sich in ein Haus verheirathete, wenn es ihr anstand, und der Mann sich die Frau aus jedem Hause holte, wo er sich zu verloben für gut fand, das unterwerft ihr jetzt dem Zwange eines mehr als tyrannischen Gesetzes, um dadurch alle bürgerliche Verbindung zu zerreißen und Einen Stat in zwei aufzulösen? Warum verordnet ihr nicht, daß kein Bürgerlicher eines Adlichen Nachbar sein, nicht mit ihm einerlei Straße reisen, mit ihm zu Gaste gehen oder auf einerlei Marktplatze stehen soll? Denn – in der Sache selbst – was könnte es da verschlagen, ob ein Adlicher eine Bürgerinn, oder ein Bürgerlicher eine Adliche nimmt? Was gäbe es da für eine Änderung in den Rechten? Die Kinder folgen ja dem Vater. Auch suchen wir in der Ehe mit euch nichts weiter, als für Menschen, für Mitbürger zu gelten: und ihr selbst könnt keinen Grund haben, euch dagegen zu setzen; wenn es euch nicht etwa Vergnügen macht, einen Streit zu unsrer Schmach und Beschimpfung zu führen.»
5. «Endlich, wem gehört denn die höchste Gewalt, dem Römischen Volke, oder euch? Würde etwa durch die Vertreibung der Könige euch herrische Obmacht, oder Allen gleiche Freiheit errungen? Dem Römischen Volke muß es freistehen, wenn es will, ein Gesetz zu genehmigen. Oder müßt ihr etwa, sobald ein Vorschlag ausgehängt wird, zur Strafe die Werbung anbefehlen? Und mußt du, als Consul, sobald ich als Tribun die Bezirke zum Stimmen schreiten lasse, die Dienstfähigen in Eid nehmen, ins Lager hinausführen, und dem Bürgerstande und dem Tribun drohen wollen? Ja wenn ihr nicht schon 317 zweimal erfahren hättet, wie wenig diese Drohungen gegen die Einmuth der Bürger vermögen. Aber freilich, ja; ihr enthieltet euch des Streites aus Wohlmeinung mit unserm Besten. Oder kam es vielmehr darum nicht zum Kampfe, weil die stärkere Partei auch die gemäßigte war? – Auch jetzt, ihr Quiriten, wird es nicht zum Streite kommen: euren Muth werden sie immer auf die Probe stellen, aber von eurer Stärke keine Erfahrung machen wollen.»
«Zu jenen Kriegen also, ihr Consuln, sie mögen erdichtet, oder wahr sein, stehen euch die Bürger bereit, wenn ihr, mit Einräumung des Eherechts, endlich Einheit in den Stat bringt; wenn sie sich an euch anschließen und durch nähere Verbindung sich mit euch vereinigen und verknüpfen dürfen; wenn der Zutritt zu Ehrenstellen tüchtigen und braven Männern gestattet wird; wenn sie mit euch an der Statsregierung Antheil haben, zum Bunde mit gehören, und wie es bei gleicher Freiheit sein muß, in jährlichen Ämtern wechselseitig gehorchen und gebieten sollen. Will dies aber jemand verhindern, so tragt jene Kriege in Gesprächen herum, vervielfältigt sie durch Gerüchte: es wird sich niemand einzeichnen lassen, niemand zu den Waffen greifen, niemand für übermüthige Gebieter fechten wollen, mit denen er weder in öffentlicher Amtsverbindung, noch in häuslicher Verwandschaft steht.»
6. Als nun auch die Consuln in die Versammlung traten und auf die zusammenhängenden Reden ein Wortwechsel erfolgte, so antwortete ein Consul dem Tribun auf die Frage: «Warum denn ein Bürgerlicher nicht Consul werden dürfe,» vielleicht der Wahrheit, nur nicht dem Zeitpunkte der Erbitterung gemäß: «Weil kein Bürgerlicher die Vögel befragen dürfe; und deshalb hätten die Decemvirn diese Ehen nicht zugelassen, damit nicht die gemischte Abkunft derer, die die Vögel befragen müßten, hierin eine nachtheilige Störung verursache.» Gerade dies entflammte die Bürgerlichen zum höchsten Unwillen, sich für Menschen halten zu lassen, die zur Beachtung des 318 Vogelflugs den unsterblichen Göttern viel zu misfällig wären. Und da der Bürgerstand in dem Tribun den unternehmendsten Anführer fand, und selbst mit ihm in Beharrlichkeit wetteiferte, so hörten die Streitigkeiten nicht eher auf, bis die besiegten Väter zu dem Vorschlage wegen der Ehen endlich ihre Zustimmung gaben, obgleich nicht ohne den Seitenblick, daß auf diese Art die Tribunen noch am ersten den Streit über die bürgerlichen Consuln entweder ganz aufgeben, oder bis nach dem Kriege verschieben möchten und der vorerst durch das Ehegesetz befriedigte Bürgerstand sich zur Werbung stellen werde. Allein da den Canulejus sein Sieg über die Väter und seine Gunst bei den Bürgern zum großen Manne machte, so verfochten die übrigen Tribunen, um so viel streitlustiger, auch ihren Vorschlag aus allen Kräften, und widersetzten sich, so sehr die Kriegsgerüchte sich täglich mehrten, aller Werbung. Die Consuln, die durch den Senat, bei der Einsage der Tribunen, nichts zu Stande bringen konnten, beriethen sich mit den Vornehmeren zu Hause. Es lag am Tage, daß man entweder den Feinden, oder den Mitbürgern, den Sieg einräumen müsse. Die einzigen von den Consularen, welche diesen Berathschlagungen nicht beiwohnten, waren Valerius und Horatius. Die Meinung des Cajus Claudius gab den Consuln gegen die Tribunen die Waffen in die Hände. Die Quinctier hingegen – Cincinnatus und Capitolinus – fanden es unverantwortlich, Mord und Gewalt gegen Männer zu gebrauchen, welche man in dem mit dem Bürgerstande getroffenen Vergleiche als unverletzlich anerkannt habe.
Durch diese Berathschlagungen wurde die Sache dahin geleitet, daß man sich die Ernennung von Kriegstribunen mit Consulgewalt gefallen lassen wollte, welche gemischt aus Adlichen und Bürgerlichen gewählt sein könnten; in Absicht der Consulnwahl aber sollte keine Veränderung stattfinden. Und damit begnügten sich die Tribunen und eben so der Bürgerstand.
Darauf wurde ein Versammlungstag zur Wahl dieser Kriegstribunen mit Consulgewalt bestimmt. Kaum war 319 er angesetzt, so drückten alle, die sich in ihren Reden oder Thaten als Aufrührer benommen hatten, hauptsächlich gewesene Tribunen, den Leuten die Hände und liefen in Feierkleidern auf dem ganzen Markte umher; so daß die Patricier schon aus Verzweiflung, bei dieser Erbitterung des Bürgerstandes das Amt zu bekommen, zurücktraten, dann aber auch aus Unwillen, wenn sie es zugleich mit Leuten dieses Schlages zu führen haben sollten. Doch hielten sie endlich auf die dringenden Vorstellungen der Großen darum an, damit es nicht scheine, als hätten sie selbst den Besitz der Statsregierung aufgegeben. Der Ausgang dieses Wahltages war ein Belag für die Verschiedenheit der Gesinnungen im Streite für Freiheit und Ehre, und in der Unbestechlichkeit des Urtheils nach Beilegung des Streites. Denn das Volk wählte lauter Patricier zu Tribunen und begnügte sich damit, daß man doch auf Bürgerliche habe Rücksicht nehmen dürfen. Wo würde man jetzt den Einzelnen mit dieser Mäßigung, Billigkeit und Geisteshöhe finden, die damals einem ganzen Volke eigen war?
7. Im Jahre dreihundert und zehn nach Erbauung Roms traten zum erstenmale statt der Consuln Kriegstribunen als Obrigkeit ins Amt: Aulus Sempronius Atratinus, Lucius Atilius und Titus Cäcilius, in deren Amte die innere Einigkeit auch Frieden von außen gewährte. Einige Schriftsteller sagen, ohne des Vorschlages, daß bürgerliche Consuln hätten gewählt werden sollen, zu erwähnen, man habe wegen des zu dem Äquer- und Volskerkriege und zu dem Abfalle der Ardeaten noch hinzugekommenen Vejenterkrieges, weil zwei Consuln so viele Kriege auf einmal nicht hätten bestreiten können, drei Kriegstribunen gewählt, welche dann auch consularische Gewalt und Ehrenzeichen gehabt hätten. Gleichwohl stand diese Art der Ausübung obrigkeitlicher Gewalt noch nicht festbegründet: denn schon im dritten Monate nach übernommenem Amte traten sie, vermöge eines Erkenntnisses der Priester des Vogelflugs, als fehlerhaft Gewählte von ihrer Stelle wieder ab, weil Cajus Curtius, der bei ihrer 320 Wahl den Vorsitz gehabt hatte, der SchauhütteDie Gegend des Himmels, welche der Vogelschauer mit seinem Krummstabe bezeichnete, um innerhalb dieser Gränzen die Vögel zu erwarten, hieß Templum, und der Platz in diesem geweihten Bezirke, von wo aus der Vogelzug beobachtet wurde, Tabernaculum, das Tabernakel oder die Schauhütte. nicht die gehörige Stellung gegeben habe.
Von Ardea kamen Gesandte nach Rom, die in ihren Beschwerden zu erkennen gaben, daß die Ardeaten Verbündete und Freunde bleiben wollten, wenn das ihnen geschehene Unrecht durch Zurückgabe des Grundstücks wieder gut gemacht würde. Der Senat antwortete ihnen: «Der Ausspruch des Gesamtvolks könne vom Senate nicht umgestoßen werden außerdem daß er hierin ohne Beispiel und unbefugter Weise handeln würde, auch der Einigkeit der Stände wegen. Wenn die Ardeaten ihre Zeit abwarten und dem Senate die Milderung ihres Unrechts anheimstellen wollten, so würden sie einst Ursache haben, sich der Mäßigung ihres Zorns zu erfreuen, und hinterher einsehen, daß es der Väter ernstlicher Wille gewesen sei, Unrecht bei ihnen eben so wenig eintreten, als das eingetretene lange dauern zu lassen.» Die Gesandten sagten, sie wollten, ohne eine Enderklärung zu geben, die Sache melden, und wurden freundschaftlich entlassen.
Da der Stat ohne höchste Obrigkeit war, so traten die Patricier zusammen und ernannten einen Zwischenkönig. Der Streit, ob Consuln oder Kriegstribnnen gewählt werden sollten, verlängerte die Zwischenregierungen auf mehrere Tage. Der Zwischenkönig und der Senat wollten einen Wahltag für Consuln, die Bürgertribunen und die Bürger für Kriegstribunen, angesetzt haben. Die Väter behielten den Sieg, theils weil der Bürgerstand, der diese Ehrenstelle so gut, wie jene, an Patricier geben wollte, einen fruchtlosen Streit sehr unnöthig fand; theils weil selbst die Vornehmeren des Bürgerstandes eine solche Wahl lieber sahen, bei welcher auf sie nicht Rücksicht genommen werden konnte, als die, bei der sie als Unwürdige 321 übergangen würden. Ja die Bürgertribunen ließen sich die Aufgebung eines Streites ohne Erfolg von den Ersten der Väter als eine Gefälligkeit anrechnen. Titus Quinctius Barbatus wählte als Zwischenkönig die Consuln Lucius Papirius Mugillanus und Lucius Sempronius Atratinus.
Unter diesen Consuln wurde das Bündniß mit den Ardeaten erneuert, und eben dies ist das Denkmal, daß sie in diesem Jahre Consuln gewesen sind, da sie sich sonst weder in den alten Jahrbüchern, noch in den Verzeichnissen der Obrigkeiten finden. Da im Anfange des Jahrs Kriegstribunen gewesen waren und diese Consuln nur an deren Stelle nachgewählt wurden, so sind die Namen der Consuln vermuthlich in der Meinung übergangen, daß die Kriegstribunen das ganze Jahr regiert hätten. Licinius Macer bezeugt, daß sie sich in dem Ardeatischen Bündnisse und in den auf Leinwand geschriebenen Büchern im Tempel der Moneta gefunden haben. Bei der Menge drohender Gerüchte, die sich von Seiten der Nachbarn gemeldet hatten, blieb doch von außen Alles ruhig, und so auch im Innern.
8. Diesem Jahre – mag es nun Tribunen allein, oder auch in den Platz der Tribunen gesetzte Consuln gehabt haben – folgt ein Jahr, das unstreitig Consuln hatte, den Marcus Geganius Macerinus zum zweiten- und den Titus Quinctius Capitolinus zum fünftenmale. Es war das Anfangsjahr der Censur, die vom Kleinen ausging, in der Folge aber einen so großen Umfang bekam, daß ihr die Aufsicht über Roms Sitten und Zucht, über den Senat und die Rittercenturien gehörte, das Erkenntniß über Ehre und Schande ein Geschäft dieser Obrigkeit wurde, und die Gerechtsame aller öffentlichen und Privatplätze, so auch die Einnahme und Ausgabe der Statseinkünfte des Römischen Volks von ihrer Bewilligung und Einrichtung abhingen. Die Sache wurde angefangen, weil die Schatzung des Volks, das seit vielen Jahren nicht geschatzt war, nicht länger verschoben werden, und sich doch die Consuln, bei den drohenden Kriegen so vieler Völker, mit diesem Geschäfte nicht befassen konnten. Sie brachten es im SenateAuch Stroth lieset mit Pighius: Mentio illata ab consulibus in senatu est. in Anregung: «Eine so mühvolle, für Consuln gar nicht geeignete Verrichtung erfordere ihr besonderes Amt, von dem die Geschäfte der Schreiber, die Aufbewahrung und Fertigung der Verzeichnisse und die Abfassung der Schatzungsformel abhängen könnten.»
Die Väter ließen sich die Sache, so klein sie schien, dennoch, um so viel mehrere adliche Ämter im State zu haben, gern gefallen; auch sahen sie vermuthlich den wirklichen Erfolg voraus, daß demnächst das Ansehen derer, welche der Stelle vorständen, ihr selbst mehr Einwirkung und Hoheit zubringen werde. Und die Tribunen, die darin mehr die Besorgung eines nothwendigen Geschäftes, und das war es wirklich, als eines ehrenvollen fanden, setzten sich, um nicht unwillkommene Gegner auch in jeder Kleinigkeit zu sein, nicht sehr dawider. Da sich die Ersten im State für diese Ehrenstelle zu groß hielten, so setzte das Volk durch Stimmenwahl den Papirius und Sempronius – deren Consulat wir eben bezweifelt sahen – um ihnen für ihr zu kurzes Consulat durch dieses Amt Ersatz zu geben, als Vorsteher der zu haltenden Schatzung an. Den Namen Censorn bekamen sie von der SacheDie Schatzung hieß census..
9. Während dies in Rom geschah, kamen Gesandte der Ardeaten, mit der Bitte, um ihrer uralten Freundschaft, um ihres jüngst erneuerten Bündnisses willen, ihrer beinahe zerstörten Stadt zu helfen. Den Genuß des Friedens nämlich mit dem Römischen Volke, den sie so redlich gehalten hatten, verwehrte ihnen ein innerlicher Krieg, dessen Veranlassung und Ausbruch von einem Streite zwischen Parteien abhing, einem Statsübel, das so vielen Völkern verderblicher ward und sein wird, als auswärtige Kriege, als Hungersnoth und Seuchen, und was man sonst noch göttlichen Strafgerichten, als dem höchsten Unglücke der Staten, zuschreibt.
Um eine Jungfrau von bürgerlicher Abkunft, die 323 hauptsächlich durch ihre Schönheit Aufsehen machte, warben zwei junge Männer. Der Eine war mit ihr gleiches Herkommens, und verließ sich auf ihre Vormünder, welche ebenfalls von jenem Stande waren: der andre, ein Edelmann, war bloß von ihrer Schönheit bezaubert. Ihn begünstigten die Bemühungen der Vornehmen, worüber der Streit der Parteien sogar bis in das Haus des Mädchens drang. Der Adliche bekam den Vorzug durch die Erklärung der Mutter, welche ihre Tochter so glänzend als möglich verheirathen wollte: die Vormünder hingegen, auch hierin ihrem Anhange getreu, wünschten sie dem Ihrigen zuzuwenden. Als sich die Sache zwischen vier Wänden nicht abthun ließ, kam man vor Gericht. Die Obrigkeit, nachdem sie Mutter und Vormünder vernommen hatte, erkannte der Mutter das Recht zu, ihre Tochter zu verheirathen, wie sie wollte: allein Gewalt vermochte mehr. Denn die Vormünder, die sich in öffentlichen Reden auf dem Markte gegen die Anhänger ihrer Partei über das Unrecht beklagten, das ihnen durch diesen Spruch geschähe, brachen mit einem Haufen in das Haus der Mutter und raubten das Mädchen. Zu noch größerer Gewaltthat traten gegen jene die Vornehmen in Schlachtordnung auf, unter Anführung des durch die Beleidigung erbitterten Jünglings. Es kam zu einem blutigen Gefechte. Die geschlagenen Bürger, den Römischen in allen Stücken unähnlich, zogen bewaffnet aus der Stadt, besetzten eine Anhöhe und verwüsteten von hier aus die Landgüter der Vornehmen mit Feuer und Schwert. Durch die Hoffnung der Beute lockten sie eine Menge Handwerker aus der Stadt, und eine Belagerung drohete nun auch denjenigen Einwohnern, die vorher an dem Streite keinen Theil genommen hatten. Der Krieg zeigte sich in allen seinen Gestalten und traurigen Folgen, da sich die Wuth zweier Jünglinge, die auf den Trümmern ihrer Vaterstadt ein unglückliches Beilager halten wollten, als eine Ansteckung über den ganzen Stat verbreitete. Auch waren für beide Theile die Hülfsmittel zum Kriege und sein Ausbruch im Innern noch nicht genügend. Die Vornehmen riefen die Römer der belagerten 324 Stadt zu Hülfe; die Bürgerlichen die Volsker, ihnen Ardea erobern zu helfen. Die Volsker erschienen, unter Anführung des Äquus Clölius, zuerst vor Ardea und warfen vor den Mauern der Feinde einen Wall auf. Als dies nach Rom gemeldet wurde, brach sogleich der Consul Marcus Gegamus mit einem Heere auf, nahm dreitausend Schritte vom Feinde sein Lager, und weil sich der Tag schon neigte, hieß er seine Soldaten durch Pflege sich vorbereiten. Um die vierte Nachtwache rückte er vor, und die angefangene Schanzarbeit ging so schnell von statten, daß sich die Volsker bei Sonnenaufgang von den Römern mit einem festeren Pfahlwerke eingeschlossen sahen, als die Stadt von ihnen selbst. Von einer andern Seite lehnte der Consul einen Arm seines Walles an die Mauer von Ardea, damit seine Leute zur Stadt aus- und eingehen konnten.
10. Als der vom Walle umschlossene Volskische Feldherr sein Heer, das er bis auf diesen Tag nicht von zusammengefahrnen Vorräthen, sondern von dem auf dem Lande nur für Einen Tag geraubten Getreide erhalten hatte, plötzlich an Allem Mangel leiden sah, so lud er den Consul zu einer Unterredung und sagte: «Falls die Römer gekommen sein sollten, der Belagerung ein Ende zu machen, so sei er bereit, mit seinen Volskern abzuziehen.»
Hierauf erwiederte der Consul: «Überwundene müßten Bedingungen annehmen, nicht vorschreiben: und die Volsker sollten nicht eben so eigenmächtig, wie sie gekommen wären, Bundesgenossen des Römischen Volks zu belagern, auch wieder abziehen. Sie müßten ihren Feldherrn ausliefern und die Waffen strecken, als Geständniß, daß sie besiegt und dem Gebote unterwürfig wären. Widrigenfalls werde er, als unversöhnter Feind, sie möchten weggehen oder bleiben, lieber einen Sieg über die Volsker, als einen unsichern Frieden, mit nach Rom nehmen.» Da die Volsker, welche mit der schwachen Hoffnung auf ihre Waffen – denn jede andre war ihnen auf allen Seiten abgeschnitten – einen Versuch machten, außer ihrem übrigen Misgeschicke auf einem Boden angriffen, welcher ungünstig zur Schlacht, noch ungünstiger zur 325 Flucht war; so gingen sie, von allen Seiten niedergehauen, vom Kampfe zu Bitten über, lieferten ihren Feldherrn aus, streckten die Waffen, zogen unter dem Jochgalgen durch und wurden in einem einzigen Kleidungsstücke, mit Schimpf und Unglück überhäuft, entlassen. Und da sie sich nicht weit von der Stadt Tusculum setzten, wurden sie unbewaffnet in einem Überfalle ein Opfer des alten Hasses der Tusculaner, so daß kaum einige entrannen, die von dem Gemetzel nachsagen konnten.
Zu Ardea stellte der Römische Consul die durch den Aufruhr zerrüttete Ordnung wieder her, bestrafte die Häupter der Unruhen mit dem Beile und ließ ihre Güter dem Stadtschatze der Ardeaten anheimfallen: und durch diese so große Wohlthat des Römischen Volks war in den Augen der Ardeaten die Ungerechtigkeit jenes Richterspruchs schon getilgt; allein der Römische Senat glaubte, um das Andenken an die Habsucht seines Volkes auszulöschen, ein Mehreres thun zu müssen.
Der Consul kehrte in die Stadt im Triumphe zurück, in welchem er den Feldherrn der Volsker, Clölius, vor seinem Wagen daherführen und die Waffen vorantragen ließ, die er dem feindlichen Heere, bei dem Durchgange unter dem Jochgalgen, ausgezogen hatte.
Der Consul Quinctius erreichte im Friedenskleide, was nicht leicht ist, den Ruhm seines bewaffneten Amtsgenossen; denn er gab seiner Aufmerksamkeit auf Eintracht und Frieden im Innern, dadurch, daß er die Rechte der Niedrigsten und Höchsten im Gleichgewichte hielt, eine solche Haltung, daß er nach dem Urtheile der Väter consularische Amtsstrenge, und nach dem der Bürgerlichen, Milde genug bewies. Er setzte Manches gegen die Tribunen durch, öfter vermöge seines Ansehens, als durch Streit. Fünf Consulate, mit gleich festem Gange verwaltet, und sein ganzes Leben, mit consularischem Anstande verlebt, gaben beinahe dem Manne selbst mehr Ehrwürdiges, als seinem Amte. Deswegen geschah auch unter diesen Consuln einer Wahl von Kriegstribunen gar nicht Erwähnung.
326 11. Man wählte Consuln; den Marcus Fabius Vibulanus und Postumus Äbutius Cornicen. Je größern Ruhm im Frieden und Kriege jene Männer erworben hatten, an deren Stelle sich die Consuln Fabius und Äbutius gesetzt sahen – und sie glaubten, jenes Jahr müsse den benachbarten Bundesgenossen und Feinden höchst denkwürdig sein, weil man sich der Ardeaten in ihrem Unglücke mit solchem Eifer angenommen habe, – desto mehr ließen sie es sich angelegen sein, damit sie bei der Welt das Andenken an den schimpflichen Richterspruch völlig tilgen möchten, den Senatsschluß zu Stande zu bringen, daß nach Ardea Anbauer zur Besatzung gegen die Volsker abgesandt werden müßten, weil die dortige Bürgerzahl durch den innern Aufruhr auf so wenige herabgesunken sei. Und so wurde der Schluß in die öffentlichen Urkunden eingetragen, um dem Bürgerstande und den Tribunen den Plan, der ihren Richterspruch umstoßen sollte, zu verdecken. Man verabredete nämlich, daß an die eingezeichnete Anzahl von Pflanzern, zu denen man weit mehr RutulerArdea war die Hauptstadt der Rutuler. als Römer nahm, kein Grundstück weiter vertheilt werden sollte, als jenes durch den verrufenen Ausspruch entwandte, und daß auch dort keinem einzigen Römer eine Scholle Landes angewiesen würde, bevor nicht jeder Rutuler seinen Antheil bekommen hätte. So kam dies Land wieder an die Ardeaten.
Die zur Ausführung der Pflanzer nach Ardea erwählten Dreimänner waren Agrippa Menenius, Titus Clölius Siculus, Marcus Äbutius Elva. Da sie nun durch dies dem Volke gar nicht erfreuliche Geschäft, gerade das Land an Bundesgenossen zu vertheilen, welches das Römische Volk für sein erklärt hatte, den Bürgern anstößig wurden, und sich eben so wenig bei den Ersten der Väter beliebt machten, weil sie nie die von dem oder dem Empfohlnen begünstigten; so entzogen sie sich den Plackereien der Tribunen, die ihnen schon einen Gerichtstag bei dem Volke angesetzt hatten, dadurch, daß sie sich als Anbauer 327 einzeichneten und in der Pflanzstadt blieben, die ihnen ihre Unbestechlichkeit und Gerechtigkeit bezeugen konnte.
12. Der innere und äußere Friede dauerte in diesem sowohl, als in dem folgenden Jahre fort, in welchem Cajus Furius Pacilus und Marcus Papirius Crassus Consuln waren. Die Spiele, welche die Decemvirn auf Befehl des Senats, während der Entfernung des Bürgerstandes von den Vätern, gelobet hatten, wurden in diesem Jahre gefeiert.
Veranlassung zum Aufruhre suchte Pötelius umsonst. So sehr er sich zu Beidem verheißen hatte, und eben darum zum zweitenmale Bürgertribun geworden war, so konnte er doch das Erste nicht durchsetzen, daß die Consuln auf Vertheilung von Ländereien an die Bürger im Senate antragen sollten; und als er das zweite durch großen Streit bewirkte, daß die Väter befragt werden sollten, ob man sich zur Consuln- oder zur Tribunenwahl zu versammeln habe, so kam der Befehl, Consuln zu wählen: und vollends lächerlich wurde der Tribun mit seiner Drohung, die Werbung verhindern zu wollen, da man bei der Ruhe der Nachbarn weder Krieg, noch Anstalt zum Kriege nöthig hatte.
Auf diese Stille im State folgt ein Jahr, unter den Consuln Proculus Geganius Macerinus und Lucius Menenius Lanatus, das sich durch mancherlei Unglück und Gefahr auszeichnete, durch Aufruhr, Hungersnoth und dadurch, daß man beinahe für eine lockende Spende den Nacken in das Joch des Königthums geschmiegt hätte. Ein einziges fehlte noch; Krieg von außen: hätte der das Unheil noch lastender gemacht, so würde man selbst mit aller Götter Hülfe kaum haben widerstehen können.
Mit der Hungersnoth fing die Reihe der Übel an, entweder weil die Witterung den Früchten ungünstig war, oder man hatte über die Unterhaltung, welche die Versammlungen und die Stadt gewährten, den Ackerbau versäumt: denn Beides wird angegeben. Die Väter beschuldigten die Bürger der Trägheit, und die Bürgertribunen die Consuln bald böser Absichten, bald einer Nachlässigkeit. Endlich bewirkten die Bürgerlichen, ohne Widerstand vom Senate, die Ernennung des Lucius Minucius zum 328 Proviantmeister; dem es beschieden war, in diesem Amte mit größerem Glücke zur Rettung der Freiheit beizutragen, als zu dem Zwecke seines eigentlichen Geschäfts; wiewohl er sich zuletzt, auch wegen verminderter Theurung, nicht unverdienten Dank und Ruhm erwarb.
Da er durch die vielen zu Wasser und zu Lande bei den benachbarten Völkern vergeblich umhergeschickten Gesandschaften – außer daß ein unbedeutender Getreidevorrath aus Hetrurien ankam – keine Veränderung der Kornpreise bewirkt hatte; sich also genöthigt sah, zur gleichen Vertheilung des Mangels seine Zuflucht zu nehmen, (so daß er Jeden zwang, sein Getreide anzugeben und, was für Einen Monat zu viel war, zu verkaufen; ferner den Sklaven einen Theil ihrer täglichen Kost abziehen ließ; dann auch die Kornhändler beschuldigte und sie der Erbitterung des Volkes preisgab;) und durch strenge Untersuchungen die Noth mehr aufdeckte, als milderte: so stürzten sich viele von den Bürgern aus Verzweifelung, ehe sie eines qualvollen langsamen Todes sterben wollten, mit verhülltem Haupte in die Tiber.
13. Hier ließ sich Spurius Mälius, vom Ritterstande, und für die damalige Zeit ein sehr reicher Mann, auf eine Unternehmung ein, die an sich löblich, allein von bösem Beispiele und von noch schlimmerer Absicht war. Nachdem er nämlich durch die Hülfe seiner Gastfreunde und Schützlinge für sein Geld Getreide in Hetrurien zusammengekauft hatte – und gerade dies mußte, wie ich glaube, dem State die Sorge für niedrigere Kornpreise erschweren – so fing er an, Spenden in Korn zu machen; und zog mit vielem Aufsehen und einem Großthun, welches die Stufe eines Privatmannes überstieg, allenthalben, wo er ging, die durch sein Geschenk gewonnenen Bürger hinter sich her, deren Gunst und Erwartungen ihm das Consulat mit Gewißheit versprachen. Er selbst aber – wie der menschliche Geist sich nie an dem genügen läßt, was das Glück ihm bietet – strebte nach dem Höheren und Unerlaubten; und weil er doch auch das Consulat von den Vätern, wider ihren Willen, erzwingen mußte; so 329 legte er es auf das Königthum an: dies allein könne der würdige Preis eines so großen Aufwandes von Entwürfen sein, und eines Kampfes, der ihm noch vielen Schweiß kosten werde. Indeß rückte der Tag zur Consulnwahl heran, und gerade dies gereichte ihm, weil seine Plane noch nicht geordnet oder reif genug waren, zum Verderben.
Titus Quinctius Capitolinus wurde zum sechstenmale Consul, gar kein Mann für einen Neuerer: zum Amtsgenossen gab man ihm den Agrippa Menenius, mit dem Zunamen Lanatus; und Lucius Minucius wurde als Proviantmeister entweder zum zweitenmale angestellt, oder war, so lange er nöthig sein würde, auf unbestimmte Zeit gewählt: denn es findet sich hierüber nichts Gewisses, außer daß in den leinenen Büchern der Name dieses Aufsehers für beide Jahre unter den Obrigkeiten aufgeführt ist. Da dieser Minucius dasselbe Geschäft öffentlich zu besorgen hatte, welches Mälius für sich betrieb, so brachte er, weil in beiden Häusern dieselbe Classe von Menschen aus- und einging, den Anschlag in Erfahrung und legte ihn dem Senate vor. «In des Mälius Haus würden Waffen geschafft; er halte bei sich Zusammenkünfte, und mache zuverlässig Entwürfe zu einem Königthume. Nur die Zeit des Ausbruchs sei noch nicht bestimmt; alles Übrige schon verabredet: schon seien die Tribunen zum Verrathe der Freiheit erkauft, auch den Anführern des großen Haufens ihre Rollen zugetheilt. Im Verhältnisse mit der Gefahr komme Minucius mit dieser Anzeige beinahe schon zu spät, weil er nicht gern etwas Ungewisses und Grundloses habe berichten wollen.»
Als auf diese Meldung die Vornehmsten der Väter von allen Seiten den Consuln des verwichenen Jahres Vorwürfe machten, daß sie dergleichen Spenden und Versammlungen der Bürger im Hause eines Einzelnen hätten dulden können; – und den neuen Consuln, daß sie gesäumt hätten, bis ein Proviantmeister eine Sache von solcher Wichtigkeit zur Sprache brächte, die einen Consul nicht bloß zur Anregung, sondern auch zur Bestrafung auffordere: so sagte Titus Quinctius: «Die Consuln 330 hätten diese Verweise nicht verdient, weil sie, umstrickt von Gesetzen der Ansprache, welche zur Vernichtung ihrer Macht gegeben wären, durchaus nicht so viel Kraft in ihrem Amte, als eignen Muth hätten, eine solche Sache ihrer Abscheulichkeit gemäß zu bestrafen. Sie erfordere einen Mann, der nicht bloß Festigkeit habe, sondern auch von den Banden der Gesetze frei und entledigt sei. Darum wolle er den Lucius Quinctius zum Dictator ernennen, dessen Geist der hohen Macht dieses Amtes entspreche.»
Da ihm Alle beipflichteten, so weigerte sich Quinctius anfangs und fragte sie: «Was ihnen das helfen könne, daß sie ihn, als verlebten Greis, einem so schweren Kampfe entgegenstellten.» Als sie ihm aber von allen Seiten versicherten, sein gereifter Geist übertreffe nicht bloß an Weisheit, sondern auch an Festigkeit, sie Andern alle; ihn mit höchst verdienten Lobsprüchen überhäuften, und der Consul von seiner Bitte nicht abstand; so ließ sich endlich Cincinnatus, der in das Gebet ausbrach, die unsterblichen Götter möchten sein Alter dem State in dieser dringenden Noth nicht zum Nachtheile, noch zur Unehre gereichen lassen, vom Consul zum Dictator erklären. Er selbst ernannte dann den Cajus Servilius Ahala zum Magister Equitum.
14. Als er Tages darauf nach mehreren ausgestellten Posten auf den Markt herabgekommen war, und Alles über die neue unerklärliche Erscheinung die Augen auf ihn richtete; die Partei des Mälius samt ihrem Anführer einsah, daß dies Amt mit so hoher Gewalt ihnen selbst gelte; alle Übrigen hingegen, mit den Anschlägen auf den Thron unbekannt, einmal über das andre fragten: «Welcher plötzliche Aufstand oder Krieg das hohe Amt einer Dictatur überhaupt, und insbesondre den Quinctius nach seinem achtzigsten Jahre als Oberhaupt des States nöthig gemacht habe:» so ging auf Befehl des Dictators der Magister Equitum Servilius auf den Mälius zu und sprach: «Der Dictator fordert dich!» Bestürzt fragte jener: Was er ihm wolle, und Servilius kündigte ihm an, er habe 331 sich zu verantworten und die Anklage zu widerlegen, welche Minucius an den Senat gebracht habe. Da zog sich Mälius in seine Schar zurück und sah sich, anfangs unschlüssig, nach allen Seiten um: endlich aber, als ihn der Gerichtsdiener auf Befehl des Magister Equitum mit sich nahm, rief er, durch Hülfe der Umstehenden los gemacht und fliehend, die Römischen Bürger zum Beistande auf, versicherte, die Väter hätten sich zu seiner Unterdrückung verschworen, weil er dem Bürgerstande wohlgethan habe, und bat, sie möchten ihm in seiner höchsten Noth ihre Hülfe gewähren und ihn nicht vor ihren Augen ermorden lassen.
Mitten in diesem Geschreie holte Servilius Ahala ihn ein und machte ihn nieder. Bespritzt vom Blute des Erschlagenen und gedeckt von einer Schar junger Patricier brachte er dem Dictator den Bescheid: Der vor ihn geforderte Mälius habe den Gerichtsdiener zurückgestoßen, das Volk erregen wollen, und dafür seine verdiente Strafe empfangen. Da sprach der Dictator: «Meinen Beifall, Cajus Servilius, der Großthat, durch welche du dem State die Freiheit wiedergabst!»
15. Nun ließ er die lärmende Menge, die nicht wußte, wie sie die That aufnehmen sollte, zur Versammlung berufen, und erklärte: «Wenn auch Mälius des Verbrechens, nach dem Throne gestrebt zu haben, nicht schuldig gewesen sein sollte, so sei er doch mit Recht getödtet, da er, vom Magister Equitum vor den Dictator gefordert, sich nicht gestellt habe. Er habe hier die Sitzung eröffnet, um die Sache zu untersuchen, und nach beendeter Untersuchung würde des Mälius Schicksal seiner Sache angemessen gewesen sein. Da er aber Gewalt gebraucht habe, um sich dem Gerichte zu entziehen, so sei er mit Gewalt zur Ruhe gebracht. Auch habe man den Menschen gar nicht als einen Mitbürger behandeln müssen: denn in einem freien Volke, unter dem Schutze der Rechte und Gesetze sei er geboren; habe gewußt, daß gerade diese Stadt die Könige ausgetrieben habe, und daß in eben dem Jahre die Söhne vom der Schwester des Königs, 332 die Kinder vom Consul selbst, dem Befreier des Vaterlandes, auf geschehene Anzeige von einem Vertrage, den sie zur Wiederaufnahme der Könige in die Stadt eingegangen waren, von ihrem eignen Vater mit dem Beile bestraft wurden; habe gewußt, daß man hier den Consul Tarquinius Collatinus bloß aus Haß gegen seinen Namen zur Abdankung und Auswanderung zwang; gewußt, daß man hier mehrere Jahre nachher den Spurius Cassius wegen eines gemachten Anschlages auf den Thron am Leben strafte; daß man hier noch neulich die Decemvirn königlichen Übermuth mit der Einziehung ihrer Güter, Verweisung und Hinrichtung büßen ließ – und habe dennoch in derselben Stadt – er! ein Spurius Mälius! – sich unterstanden, den Thron zu hoffen. Und als was für ein Mensch? Zwar öffne kein Adel, kein Ehrenamt, kein Verdienst irgend jemand den Weg zur Alleinherrschaft: indeß ein Claudius, ein Cassius, habe sich doch noch durch Consulate, Decemvirate, durch seine und seiner Vorfahren Ehrenämter, durch den Glanz seines Geschlechts verleiten lassen, nach einer verbotenen Höhe emporzustreben. Spurius Mälius aber, für den ein Bürgertribunat mehr etwas Wünschenswerthes, als zu Hoffendes, gewesen sei, – ein reicher Kornhändler, – habe gehofft, für zwei Pfund Korn seinen Mitbürgern die Freiheit abgekauft zu haben und durch ein vorgeworfenes Stück Brot das Volk, das aller benachbarten Völker Sieger sei, in die Sklaverei locken zu können, so daß alsdann eben die Bürgerschaft, die sich ihn kaum als Rathsherrn hätte gefallen lassen können, ihn als König hätte dulden müssen; es hätte ansehen müssen, wie er mit den Majestätszeichen und der königlichen Macht eines von den Göttern entsprossenen und zu den Göttern zurückgegangenen Erbauers Romulus bekleidet sei. Dies müsse man nicht etwa für einen Frevel, für ein Scheusal müsse man es anerkennen. Auch sei sein Blut dafür keine genügende Sühne, wenn nicht auch sein Haus und die Wände, zwischen denen ein solcher Unsinn ausgebrütet sei, aus einander geworfen, und seine Güter, welche in 333 Berührung mit dem für die Freiheit gebotenen Kaufgelde verpestet wären, eingezogen würden. Er befehle hiemit den Schatzmeistern, diese Güter zu verkaufen und den Ertrag in die Statskasse zu legen.»