Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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35. Bei Lacedämon durften sie nicht Gewalt gegen die Stadt brauchen, sondern mußten nur den Zwingherrn überlisten. War er gleich von allen seinen Seeplätzen durch die Römer entblößt, und jetzt sogar in die Mauern von Lacedämon durch die Achäer zurückgedrängtGratiam rei apud Lacedaem.]. – Sollte nicht nach dem Worte rei die Abbreviatur appbat (apparebat) durch das folgende apud verdrängt sein? Ich gestehe, daß ich nichts finden kann, wovon das folgende eum – habiturum abhinge., so ließ sich doch leicht einsehen, daß der, der sich zuerst das Verdienst erwürbe, ihn zu tödten, bei den Lacedämoniern den Dank für Alles das davontragen werde. An einem Vorwande, jemand hinzuschicken, fehlte es ihnen nicht, da er selbst sie dringend bat, ihm Hülfstruppen zu geben, weil er auf ihr Wort den Krieg wieder angefangen habe. Sie gaben dem Alexamenus tausend Mann zu Fuß und dreißig auserlesene junge Männer zu Pferde. LetzterenIis a praetore]. – Ich folge Creviers Gründen, statt Iis lieber His zu lesen. Da Iis, Hiis und His so unzählige Male in den Msc. verwechselt werden, so sind, dünkt mich, hier 2 Msc. (cod. Victor et Gaertn.), wenn sie ausdrücklich His haben, zur Entscheidung hinreichend. wurde vom Prätor Damocritus in dem geheimen Senate, dessen ich oben erwähnte, angedeutet: «Sie möchten nicht glauben, daß sie zu einem Kriege 327 mit den Achäern, oder zu irgend einem Geschäfte abgeschickt würden, was der Eine so, der Andre so zu errathen hoffen könne. Wenn die Umstände dem Alexamenus noch so schleunig zu einem Entschlusse bestimmten, so müßten sie, so unerwartet, so unbesonnen und gewagt es immer sein möge, zur folgsamen Ausführung bereit sein, und die Sache so ansehen, als wären sie sich bewußt, gerade zu diesem einzigen Geschäfte von Hause abgeschickt zu sein.» Mit diesen so Unterrichteten ging Alexamenus zu dem Zwingherrn ab, den er gleich bei seiner Ankunft mit Hoffnungen erfüllte: «Antiochus sei schon nach Europa herübergekommen; nächstens werde er in Griechenland sein, und Länder und Meere mit Rüstungen und Mannschaft überdecken. Dann würden die Römer überführt werden, daß sie es nicht mit einem Philipp zu thun hätten. Die Zahl der Fußvölker, der Reuter, der Schiffe, lasse sich nicht ausmitteln: eine Linie von Elephanten werde schon durch ihren Anblick die Schlachten entscheiden. Die Ätoler hätten sich schon in Bereitschaft gesetzt, mit ihrem ganzen Heere nach Lacedämon zu kommen, sobald es die Umstände forderten; nur hätten sie jetzt dem Könige bei seiner Ankunft gern starkbesetzte Linien zeigen wollen. Auch Nabis müsse sich ebenfalls so einrichten, daß er die ihm zu Gebote stehenden Truppen nicht in den Quartieren in Unthätigkeit erschlaffen, sondern sie ausrücken lasse: er müsse sie unter den Waffen Entwickelungen machen lassen, um zugleich ihren Muth zu spornen, und ihre Körper zu üben. Durch die Gewohnheit werde ihnen die Beschwerde leichter werden, und Freundlichkeit und Güte des Feldherrn könne sie ihnen sogar angenehm machen.» Von nun an wurden die Truppen oft vor die Stadt in die Ebene am Flusse Eurotas geführt. Die Leibwache des Zwingherrn stand fast immer in der Mitte der Linie: er selbst ritt mit höchstens drei Rittern, unter denen sich gewöhnlich Alexamenus befand, vor den Reihen auf und ab und musterte auf den Ecken die Flügel: auf dem rechten standen die Ätoler, sowohl die schon vorher 328 als Hülfstruppen bei dem Zwingherrn gedient hatten, als die Tausend, die mit dem Alexamenus gekommen waren. Alexamenus hatte sichs zur Sitte gemacht, jetzt mit dem Zwingherrn einige Glieder durchzugehen und ihn auf das, was etwa zweckdienlich war, aufmerksam zu machen; dann ritt er wieder zu seinen Leuten auf dem rechten Flügel, und kam dann bald, als habe er seine nöthigen Anordnungen gemacht, zu dem Zwingherrn zurück. Als er aber an dem Tage, den er zur Ausführung der That bestimmt hatte, nach einem kurzen Ritte an der Seite des Zwingherrn, jetzt bei den Seinigen ankam, redete er die ihm von Hause mitgegebenen Reuter so an: «Jetzt, ihr jungen Männer, soll die That vor sich gehen und gewagt werden, die ihr unter meiner Anführung muthig auszuführen befehligt seid. Halte sich jeder gefaßt, mit Muth und Hand, mir das, was er mich thun sieht, sogleich nachzuthun. Nimmt einer Anstand und will nicht meinem, sondern seinem Bedünken folgen, der wisse, daß er nie seine Heimat wiedersehen wird.» Ein Schauer überfiel sie Alle und sie erinnerten sich der beim Ausmarsche ihnen mitgegebenen Weisung.

Jetzt kam der Zwingherr vom linken Flügel. Alexamenus hieß seine Reuter die Lanzen einlegen und auf ihn sehen. Von der Richtung auf eine so wichtige That in seinem Innern selbst befangen rief er sich zur nöthigen Fassung zurück. Als der Zwingherr sich näherte, sprengte er auf ihn ein, durchbohrte ihm das Pferd und warf ihn nieder. Als er da lag, richteten die Reuter ihn hin. Nach vielen vergeblichen Stößen auf den Panzer drangen endlich mehrere Stiche in den Körper selbst; und noch ehe man ihm aus der Mitte der Linie zu Hülfe kommen konnte, gab er den Geist auf.

36. Gleich von hier machte sich Alexamenus mit allen seinen Ätolern im Schnellschritte auf, zur Besetzung der Burg. Die Leibtrabanten wurden anfangs, weil die That vor ihren Augen geschah, von Entsetzen ergriffen: als sie aber die Ätoler abziehen sahen, liefen sie bei der zurückgelassenen Leiche des Zwingherrn zusammen, und 329 aus den Beschützern seines Lebens und Rächern seines Todes wurde ein Schwarm von Angaffern. Auch würde sich niemand geregt haben, hatte man nur sogleich, ohne von den Waffen Gebrauch zu machen, die Volksmenge zur Versammlung berufen, den Umständen gemäß eine Rede an sie gehalten, und dann ein Kohr Ätoler, ohne sich an jemand zu vergreifen, in den Waffen bleiben lassen. So aber that man, wie es bei einem tückisch angelegten Entwurfe gehen mußte, gerade Alles, was das Verderben derer beschleunigen mußte, die ihn ausgeführt hatten. Der Anführer, der sich auf die Burg einschloß, brachte Tag und Nacht damit zu, die Schätze des Zwingherrn hervorzusuchen: die Ätoler, nicht anders, als hätten sie die Stadt erobert, deren Befreier sie doch heißen wollten, machten sich ans Plündern. Eben so sehr hierüber empört, als sie verachtend, bekamen die Lacedämonier Muth, sich zusammenzuthun. Einige sagten, man müsse die Ätoler aus der Stadt jagen, und der Freiheit, um die man, gerade jetzt unter dem Scheine sie wiederzubekommen, betrogen würde, sich versichern; Andre, um den Unternehmungen ein Haupt zu geben, müsse man für die äußere Form irgend jemand vom königlichen Stamme hineinziehen. LaonicusLaconicus]. – Da die Lesart der meisten Msc. Laconicus kein Name eines Spartanischen Prinzen sein kann, und Eine Handschrift Lanonicus lieset, so folge ich Gronovs Lesart Laonicus, die wenigstens nach Laodamas, Laodamia, Laomedon u. dgl. analogisch richtig ist. war aus diesem Geschlechte, ein noch zarter Knabe, mit den Kindern des Zwingherrn erzogen. Ihn setzten sie auf ein Pferd, griffen zu den Waffen und hieben die in der Stadt zerstreuten Ätoler nieder. Dann brachen sie in die Burg. Hier wurde Alexamenus, der sich nur mit Wenigen zur Wehr setzte, getödtet. Die Ätoler, die sich am Chalciöcos, dem ehrnen Minerventempel, sammelten, wurden zusammengehauen. Nur Wenige retteten sich mit Wegwerfung ihrer Waffen theils nach Tegea, theils nach Megalopolis. Hier wurden sie von den Obrigkeiten aufgehoben und öffentlich zu Sklaven verkauft.

330 37. Da Philopömen, der auf die Nachricht von der Ermordung des Zwingherrn nach Lacedämon aufgebrochen war, Alles in ängstlicher Verwirrung fand, so berief er die Großen und gewann durch eine so an sie gehaltene Rede, wie sie Alexamenus hätte halten sollen, die Lacedämonier dem Bunde der Achäer; noch um so leichter, weil gerade um dieselbe Zeit Aulus Atilius mit vierundzwanzig Fünfruderern vor Gythium angekommen war. In diesen Tagen traf den Thoas bei Chalcis ein Schicksal von ganz andrer Art, als jenes war, das die Überrumpelung von Demetrias durch den Eurylochus begünstigte; ob er gleich durch den Euthymidas, einen der dortigen Großen, der nach des Titus Quinctius und seiner Mitgesandten Ankunft von der Römischen Partei vertrieben war, und durch den Herodorus, einen Kaufmann von Cia, der aber zu Chalcis durch seinen Reichthum ein Mann von Einfluß war, die Anhänger des Euthymidas zu einer Verrätherei schon vorbereitet hatte. Euthymidas näherte sich von Athen – dies hatte er zu seinem Wohnorte gewählt – zuerst nach Theben, von da nach Salganeus; Herodorus bis Thronium. Nicht weit von hier hatte Thoas an der Malieischen Bucht zweitausend Mann zu Fuß, zweihundert zu Pferde und an die dreißig leichte Frachtschiffe. Diese hieß er den Herodorus mit sechshundert Mann zu Fuß nach der Insel Atalanta hinüberführen, um von da, auf die erste Nachricht, daß die Landtruppen sich schon Aulis und dem Euripus näherten, nach Chalcis überzusetzen. Er selbst zog mit den übrigen Truppen, meistens in Nachtmärschen, so schnell er konnte, gegen Chalcis heran.

38. Mictio und Xenoclides, in deren Händen damals zu Chalcis, nach der Vertreibung des Euthymidas, die Regierung war, setzten bei dieser entweder von selbst vermutheten, oder ihnen angezeigten Gefahr, in der ersten Bestürzung ihre Hoffnung auf nichts anders, als auf Flucht. Als sich aber ihr Schrecken legte und sie einsahen, daß sie nicht allein ihre Vaterstadt als Verräther im Stiche ließen, sondern auch den Bund mit Rom, ließen 331 sie sich auf folgenden Plan ein. Zu Eretria war gerade um diese Zeit das jährliche Opferfest der Diana Amarynthis, zu welchem sich nicht nur die dortigen Einwohner, sondern auch die von Carystus zahlreich versammelten. Dahin schickten sie und, ließen die Eretrier und Carystier bitten: «Sie möchten sich nicht bloß ihrer, als Eingeborne Einer Insel, erbarmen, sondern auch des Bündnisses mit Rom eingedenk sein; sie möchten nicht zugeben, daß Chalcis an die Ätoler komme. Diese würden Euböa haben, sobald sie Chalcis hätten. Die Macedonier wären drückende Gebieter gewesen; noch weit unerträglicher würden die Ätoler sein.» Hauptsächlich bewog die beiden Städte die Rücksicht auf die Römer, deren Tapferkeit im Kriege, deren Gerechtigkeit und Milde im Siege sich ihnen erst neulich bewähret hatte. Beide also bewaffneten ihre besten jungen Krieger und schickten sie. Die Mauern von Chalcis zu bewachen, übertrugen die Bürger diesen, gingen dann mit ihrer ganzen Mannschaft über den Euripus und lagerten sich bei Salganeus. Von hier schickten sie zuerst einen Herold, und nachher Gesandte an die Ätoler mit der Anfrage: Welche Beleidigung durch Wort oder That sie als Bundsgenossen und Freunde durch einen Angriff auf Chalcis rächen wollten. Der Ätoler Feldherr Thoas antwortete: «Er komme nicht, sie anzugreifen, sondern sie von den Römern zu befreien. Sie lägen jetzt an einer glänzendern, aber auch weit schwereren Kette, als damals, da sie auf ihrer Burg Macedonische Besatzung gehabt hätten.» Die Gesandten von Chalcis versicherten: «Sie wüßten weder von irgend einer Dienstbarkeit, noch bedürften sie jemandes Schutz;» und mit dieser Behauptung gingen sie aus der Unterredung zurück zu den Ihrigen. Thoas und seine Ätoler, die ihre ganze Hoffnung nur auf eine überraschende Eroberung gesetzt hatten, zum offenen Kriege aber und zum Angriffe auf eine zu Wasser und zu Lande feste Stadt bei weitem nicht stark genug waren, nahmen ihren Rückweg nach Hause. Euthymidas, der von einem Lager seiner Landsleute bei Salganeus, und vom Abzuge der Ätoler 332 hörte, begab sich ebenfalls von Theben wieder nach Athen. Und Heradorus, der von Atalanta seit mehrern Tagen in vergeblicher Spannung nach dem verabredeten Zeichen aussah, auch ein Spähschiff abgehen ließ, um die Ursache der Zögerung zu erfahren, und nun den Plan von seinen Bundsgenossen aufgegeben sah, zog wieder nach Thronium ab, wo er hergekommen war.

39. Auch Quinctius kam auf diese Nachrichten von Corinth mit der Flotte, und traf im Euripus vor Chalcis mit dem Könige Eumenes zusammen. Sie machten aus, König Eumenes solle fünfhundert Mann zur Besatzung in Chalcis zurücklassen, selbst aber nach Athen gehen. Quinctius steuerte, weshalb er ausgelaufen war, weiter nach Demetrias, in der Erwartung, auch für die Magneten könne der Entsatz von Chalcis eine Veranlassung werden, die Verbindung mit Rom wieder aufzusuchen. Damit auch die Mitglieder seiner Partei nicht ohne allen Schutz sein möchten, so schrieb er dem Thessalischen Prätor Eunomus, er möge die Dienstfähigen bewaffnen. Auch schickte er nach Demetrias den Villius vorauf, um dort die Stimmung zu prüfen, weil er selbst unter keiner Bedingung sich auf die Sache einlassen wollte, wenn nicht wenigstens ein Theil der Einwohner geneigt sei, sich wieder nach der ehemaligen Verbindung umzusehen. Villius segelte mit seinem Fünfruderer nur bis in die Mündung des Hafens, und da die ganze Volksmenge der Magneten hieher hinausströmte, that er die Frage an sie, ob sie lieber wollten, daß er zu ihnen als Freunden, oder als Feinden komme. Eurylochus, als Magnetarch, antwortete: «Zu Freunden sei er gekommen; doch möge er aus dem Hafen bleiben, die Magneten bei ihrer Eintracht und Freiheit lassen, und nicht unter dem Vorwande einer Unterredung Unruhen im Volke stiften.» Und nun war das Ganze ein Gezänk, nicht mehr Unterredung, da der Römer die Magneten laut Undankbare schalt und ihnen ihr herannahendes Unglück vorhersagte; das Volk aber ihn mit Vorwürfen, bald gegen den Senat, bald gegen den Quinctius, tobend unterbrach. So nahm Villius 333 unverrichteter Sache seinen Rückweg zum Quinctius. Quinctius aber ließ dem Prätor sagen, er möge seine Truppen wieder nach Hause führen, und ging mit der Flotte zurück nach Corinth.

40. Griechenlands Angelegenheiten in dieser Verwickelung mit den Römischen haben mich gleichsam von meiner Bahn abgeführt, nicht etwa, weil sie eine eigene Auseinandersetzung verdienten, sondern weil sie den Krieg mit dem Antiochus veranlasseten.

Nach Ernennung der Consuln – denn hier lenkte ich ab – gingen die Consuln Lucius Quinctius und Cneus Domitius auf ihre Standplätze; Quinctius gegen die Ligurier, Domitius gegen die Bojer. Die Bojer verhielten sich ruhig; ja ihre Obrigkeiten ergaben sich samt ihren Familien an den Consul, auch die Heerführer mit der Reuterei; in Allem tausend fünfhundert Mann. Der andre Consul verheerte das Gebiet der Ligurier weit und breit und eroberte mehrere kleine Festungen, wo er nicht allein Beute aller Art und Gefangene machte, sondern auch den Feinden mehrere Römer und Römische Bundesgenossen, die sie in ihrer Gewalt hatten, wieder abnahm. In eben diesem Jahre wurde vermöge eines Senatsgutachtens und Volksschlusses eine Pflanzung nach Vibo ausgeführt. Dorthin gingen dreitausend siebenhundert Mann vom Fußvolke und dreihundert Ritter. Als Dreimänner leiteten die Ausführung Quintus Nävius, Marcus Minucius, Marcus Furius Crassipes. Jedem vom Fußvolke wurden funfzehn Morgen Landes gegeben, dem Ritter doppelt so viel. Das Land hatte zuletzt den Bruttiern gehört; die Bruttier hatten es den Griechen abgenommen. In dieser Zeit sah man in Rom zwei der schrecklichsten Ereignisse. Das eine, länger anhaltend, aber minder heftig, war ein achtunddreißigtägiges Erdbeben. In allen diesen Tagen standen bei der allgemeinen Beunruhigung und Furcht alle Geschäfte still, und man hielt deshalb eine dreitägige Betandacht. Das andre ließ es nicht bei dem bloßen Schrecken, sondern machte wirklich viele Unglückliche. In einer Feuersbrunst; die am Ochsenmarkte ausbrach, 334 standen einen Tag und eine Nacht die der Tiber zugekehrten Häuser in Flammen, und die sämtlichen Kramladen mit Waren von großem Werthe brannten nieder.

41. Schon war das Jahr fast zu Ende und mit jedem Tage vermehrte sich das Gerücht vom Kriege mit dem Antiochus und die Sorge der Väter. Deswegen brachten sie die Vertheilung der Amtsplätze unter die schon ernannten Obrigkeiten zur Sprache, um so viel eher bei ihnen Allen der Thätigkeit eine Richtung zu geben. Sie verordneten, die Posten der beiden Consuln sollten Italien und – noch Einer sein, den der Senat bestimmen werde: schon wußte jedermann, daß der Krieg mit dem Könige Antiochus gemeint sei. Wer diesen Platz bekäme, dem wurden viertausend Mann Römisches Fußvolk nebst dreihundert Rittern und sechstausend Mann Latinische Bundestruppen mit vierhundert Rittern bewilligt. Der Consul Lucius Quinctius bekam den Auftrag, sie auszuheben, damit der neue Consul durch nichts aufgehalten werde, sogleich auf den vom Senate ihm anzuweisenden Posten abzugehen. So wurde auch über die Plätze der Prätoren festgesetzt: Mit dem ersten Posten sollten zwei Ämter vereinigt sein; die Gerichtspflege über die Stadt und die über Bürger und Auswärtige; der zweite Posten sollte das Bruttische sein; der dritte die Flotte mit einer Bestimmung des Orts, die ihr der Senat noch anweisen werde; der vierte Sicilien; der fünfte Sardinien; der sechste das jenseitige Spanien. Außerdem wurde dem Consul Lucius Quinctius aufgetragen, zwei neue Legionen aus Römischen Bürgern und bei den Bundsgenossen und Latinern zwanzigtausend Mann zu Fuß und achthundert Ritter auszuheben. Dieses Heer bestimmten die Väter dem Prätor, welchem das Bruttische zufallen würde.

Dem Jupiter wurden in diesem Jahre zwei Tempel auf dem Capitole geweihet; verheißen hatte sie ihm Lucius Furius Purpureo, den einen als Prätor im Gallischen Kriege, den andern als Consul. Die Einweihung hatte Quintus Marcius Ralla als Zweiherr. Gegen die Wucherer sprachen die Gerichte in diesem Jahre, auf die 335 von den Curulädilen Marcus Tuccius und Publius Junius Brutus geschehenen Anklagen der Einzelnen, mehrmals mit Strenge. Von den Strafgeldern der Verurtheilten stellten sie auf dem Capitole in Jupiters Allerheiligstem ein vergoldetes Viergespann auf, und auf demin cella Iovis supra fastigium]. – Ich folge hier Drakenborchs Vorschlage, das et vor dem Worte duodecim lieber zwischen die Worte Iovis und supra zu setzen, da es sich nicht gut denken läßt, daß etwas zugleich in cella und supra fastigium aediculae aufgestellt sein könne. Gipfel dieser Capelle zwölf vergoldete Schilde: sie waren es auch, die vor dem Drillingsthore den Säulengang bei den Holzhändlern anlegten.

42. Wahrend die Römer die Zurüstungen zum neuen Kriege so ernstlich betrieben, säumte auch selbst Antiochus nicht längerne ab Antiocho quidem]. – Ich glaubte anfangs aus den von Hrn.  Döring aufgeführten Gründen, die Partikel ne weglassen zu müssen: denn, beim ersten Anscheine steht sie hier ganz an der unrechten Stelle. Da aber alle Msc. und Ausgaben dies ne beibehalten, und die drei Msc., die statt dessen nec lesen, selbst durch dies unrichtige nec doch anzeigen, daß in ihrer Urschrift ein diesem nec ähnliches Wort stand, so versuche ichs, das von Drakenborch, wie ich glaube, mit Recht beibehaltene ne zu retten. Livius hatte schon in einer Menge Stellen vom Kriege mit Antiochus so gesprochen, daß er seine Römer als die den Angriff Erwartenden und sich Rüstenden vorstellt, und es kommt immer nur von Seiten des zögernden Antiochus noch nicht dazu. XXXIIII.  33. 43. 59. 60. XXXV.  12. 20. 22. 23. 24. 25. 33. 41. Nun endlich, da er zum Entschlusse des bisher Zögernden einleitet, sagt er: ne ab Antiocho quidem u. s. w. Darum heißt es auch Cap. 43. Extemplo consilium mittendi Hannibalis – abiectum est, und gleich darauf: non ultra differre profectionem in Graeciam constituit. Wenn also die Römer schon so lange davon gehört und sich dazu angeschickt hatten, so kann Livius da, wo er endlich zur Erzählung der Überfahrt und des Angriffes übergehen will, mit Recht sagen ne ab Antiocho quidem cessabatur. Und dies finde ich auch durch die Rede des Antiochus an die Ätoler Cap. 44. bestätigt. Dort thut Antiochus gar nicht so, als ob er sich zu entschuldigen habe, quod cessaverit, sondern quod nimis festinaverit. Er sagt, er sei gekommen, quamvis nondum paratus ulla re et tempore ad navigandum immaturo. Folglich hatte er ja jetzt geeilt, und selbst durch diese Gründe sich nicht abhalten lassen. So spricht, dünkt mich, nicht der, der sich seines Zögerns wegen, sondern wegen seiner zu großen Eilfertigkeit entschuldigen will.. Nur hielten ihn noch die drei Städte auf, Smyrna, Alexandria Troas und Lampsacus, die er bis jetzt so wenig hatte erstürmen, als durch Erbietungen zum Übertritte bereden können, und doch auch, wenn er selbst nach Europa überginge, nicht gern als Feinde im Rücken behalten wollte. Auch war er lange 336 über den Hannibal unschlüssig gewesen. Und zwar fehlte es anfangs an den unbedeckten Schiffen, die er ihm nach Africa hatte mitgeben wollen. Dann wurde sogar die Frage, ob man ihn überhaupt abschicken solle, vorzüglich von dem Ätoler Thoas, in Anregung gebracht. Denn nachdem dieser in Griechenland Alles mit Empörungen erfüllet hatte, kam er mit der Nachricht an, Demetrias gehöre schon ihnen: und so wie er durch seine Unwahrheiten über den König und durch seine die Truppenzahl desselben vervielfältigenden Berichte so Manchen in Griechenland zu hohen Aussichten verleitet hatte, so schwellte er auch die Hoffnungen des Königs durch die Lüge: «Alles flehe in Gelübden um seine Ankunft. Alles werde an den Küsten zusammenlaufen, wo sich die königliche Flotte blicken lasse.» So nahm auch er sichs heraus, den beinahe schon festen Entschluß des Königs über den Hannibal zu hintertreiben. Er ließ sich so darüber aus: «Die königliche Flotte dürfe überhaupt keinen Theil ihrer Schiffe abgeben: und wolle man ja ein Geschwader nach Africa senden, so sei Hannibal gerade der Letzte, dem man die Anführung geben müsse. Er sei ein Flüchtling, und ein Punier, dem sein Schicksal und sein Kopf mit jedem Tage tausend neue Entwürfe eingeben könne. Und selbst dieser Kriegsruhm, der ihn gleichsam als seine Aussteuer an den Mann bringe, sei für den Feldherrn eines Königs zu groß. Der in die Augen fallende müsse der König sein; der König als der einzige Führer, als der einzige Oberfeldherr erscheinen. Sollte Hannibal eine Flotte, sollte er ein Heer verlieren, so werde der Schaden derselbe sein, als wenn sie durch einen andern Anführer verloren gingen: sollte er aber Glück haben, so werde den Ruhm Hannibal davontragen, nicht Antiochus. Ließe ihn gar das Glück den Krieg im Ganzen mit Besiegung der Römer endigen, ob es sich denken lasse, daß dann ein Hannibal unter einem Könige, abhängig von dem Einen, werde leben wollen, der sich kaum mit seinem Vaterlande vertragen habe? So habe er sich nicht von seiner Jugend zu benommen, er, dessen 337 Aussichten und Geist den Erdkreis umfasset hätten; daß er sich im Alter einen Herrscher sollte gefallen lassen. Mit dem Hannibal als Feldherr sei dem Könige nichts gedient; aber als Gehülfen und Rathgeber könne er ihn im Kriege gebrauchen. Eine mäßige Benutzung eines solchen Mannes falle weder zur Last, noch sei sie ohne Vortheil: allein der höchste Ertrag, bei einem solchen gesucht, werde auf dem Empfänger nicht weniger lasten, als auf dem Geber.»

43. Bei keiner Art von Menschen regt sich der Neid so geschwind, als bei denen, deren Geistesfähigkeiten einer hohen Geburt und großen Besitzungen nicht gleichkommen: denn eben deswegen sind ihnen Verdienst und Werth an Andern verhaßt. Sogleich wurde die einzige heilsame, beim Anfange des Krieges gefaßte, Maßregel, den Hannibal nach Africa gehen zu lassen, aufgegeben; und vorzüglich gehoben durch den Übertritt der Stadt Demetrias von den Römern zu den Ätolern, beschloß Antiochus, den Zug nach Griechenland nicht länger zu verschieben. Ehe er die Schiffe auslaufen ließ, ging er von der Küste nach Ilium hinauf, um der Minerva ein Opfer zu bringen. Nach seiner Rückkehr von dort zur Flotte fuhr er ab mit vierzig Deckschiffen und sechzig offnen; zweihundert Ladungsschiffe mit Zufuhr aller Art und andern Kriegsvorräthen folgten. Zuerst hielt er bei der Insel Imbrus an und setzte von hier nach Sciathus über. Als er hier die von der Flotte abgekommenen Schiffe auf der Höhe an sich gezogen hatte und zuerst bei Pteleum das feste Land erreichte, kamen ihm hier von Demetrias der Magnetarch Eurylochus und die vornehmsten Magneten entgegen. Voll Freude über ihre zahlreiche Gegenwart lief er am folgenden Tage mit der Flotte in den Hafen der Stadt ein. Nicht weit davon setzte er seine Truppen aus. Dies waren zehntausend Mann zu Fuß und fünfhundert zu Pferde, sechs Elephanten; eine Mannschaft, die kaum hinreichte, ein unbewaffnetes Griechenland zu besetzen, geschweige denn, einen Krieg mit den Römern auszuhalten. Als die Ätoler erfuhren, Antiochus sei zu 338 Demetrias angekommen, schrieben sie einen Landtag aus und faßten den Beschluß ab, ihn einzuladen. Der König, von dieser Ausfertigung zum voraus unterrichtet, war schon von Demetrias aufgebrochen und an die Malieische Busenküste, bis Phalara vorgerückt. Von da kam er, als die Ausfertigung angelangt war, nach Lamia, wo ihn der große Haufe mit außerordentlichen Beweisen der Zuneigung, unter Beifallruf und Jubelgeschrei und allen Äußerungen empfing, wodurch der Pöbel seine ausgelassene Freude zu erkennen giebt.

44. Als man in die Statenversammlung kam, in welche der Prätor Phäneas und die Vornehmen den König nur mit Mühe einführen konnten, nahm dieser nach erfolgter Stille zuerst das Wort. Im Eingange seiner Rede entschuldigte er sich, «daß er mit so viel weniger Truppen gekommen sei, als sie Alle gewünscht und geglaubt hätten. Dies müsse ihnen für seine eifrige Zuneigung zu ihnen der größte Beweis sein, daß er, obgleich noch in keinem Stücke gehörig in Bereitschaft und in dieser für die Schiffahrt noch zu frühen Jahrszeit, der Einladung ihrer Gesandten ohne Anstand Folge geleistet, und sich geschmeichelt habe, die Ätoler würden, wenn er sich ihnen nur zeigte, dies so aufnehmen, als werde ihnen schon in seiner Person jede Art des Schutzes verbürgt. Doch auch die Hoffnung derer, die für jetzt in ihren Erwartungen getäuscht schienen, werde er reichlich befriedigen. Denn sobald nur die frühestesimul primum]. – Dies primum gehört nicht zu simul, sondern zu anni tempus. Jahrszeit ein schiffbares Meer darbiete, wolle er ganz Griechenland mit Waffen, Menschen, Rossen, und die ganze Seeküste mit Flotten überfüllen. Auch werde er keine Kosten, keine Anstrengung oder Gefahr scheuen, bis er die Griechen, durch Abwälzung des Römischen Jochs von ihrem Nacken, in Wahrheit frei und unter ihnen die Ätoler zum ersten Volke gemacht habe. Mit seinen Heeren würden auch Zufuhren aller Art aus Asien ankommen. Für jetzt aber müßten die Ätoler dahin sehen, daß seine 339 Truppen mit Getreide versorgt und ihnen für einen leidlichen Preis auch die übrigen Bedürfnisse gereicht würden.»

45. So etwa redete der König unter großem Beifalle aller Zuhörer, und entfernte sich. Nach dem Austritte des Königs erhob sich unter den beiden Häuptern der Ätoler, Phäneas und Thoas, ein Streit. Phäneas sagte: «Man werde wohlthun, wenn man den Antiochus lieber als Friedensvermittler und Schiedsrichter in jenen Punkten gebrauche, worüber man mit den Römern in Streit sei, nicht aber als Anführer zum Kriege. Durch seine Gegenwart und hohe Würde könnten die Römer eher dahin vermocht werden, sich eines und des andern zu entsehen, als selbst durch die Waffen. Die Völker verständen sich, um nur nicht zum Kriege genöthigt zu sein, von selbst zu manchem Erlasse, zu dem sie durch keinen Krieg, durch keine Waffen gezwungen werden könnten.»Thoas antwortete: «Die wahre Absicht des Phäneas sei nicht der Friede, sondern daß sich die Zurüstungen zum Kriege zerschlagen sollten, damit einmal der König des langen Wartens müde in seinem Eifer nachlasse, und zum andern die Römer Zeit hätten, sich zu rüsten. Denn daß sie sich von den Römern durchaus keine Bewilligung selbst des Billigsten versprechen dürften, davon gäben die öftern nach Rom geschickten Gesandschaften und die mehrmaligen Wortkämpfe mit dem Quinctius selbst einen hinlänglichen Beweis; und wäre ihnen nicht alle Hoffnung abgeschnitten gewesen, so würden sie ja den Antiochus nicht um Hülfe angeflehet haben. Da man nun diese über alle Erwartung schnell eintreten sehe, so müsse man sich nicht verliegen, sondern den König bitten, da er schon den wichtigsten Schritt gethan und sich in Person als Griechenlands Retter gezeigt habe, nun auch seine Land- und Seemacht kommen zu lassen. Mit den Waffen in der Hand werde der König etwas bewirken; unbewehrt werde er sowohl für die Ätoler, als für sich selbst, in den Augen der Römer nicht das mindeste Gewicht haben.» Diese Meinung behielt die Oberhand. Sie beschlossen, den König zum Oberfeldherrn zu 340 ernennen, und wählten unter ihren Großen dreißig aus, die der König, falls er es für nöthig fände, zu Rathe ziehen sollte.

46. Nach dieser Verfügung schieden sie Alle, als die Versammlung entlassen wurde, in ihre Städte. Den folgenden Tag ging der König mit ihren Auserwählten darüber zu Rathe, mit welcher Unternehmung er den Krieg zu eröffnen habe. Man glaubte, am besten zu thun, wenn man zuerst Chalcis angriffe, auf welches die Ätoler neulich den fruchtlosen Versuch gemacht hatten; und hierzu habe man große Anstrengung und Vorkehrungen nicht so nöthig, als Geschwindigkeit. Also rückte der König mit tausend Mann zu Fuß, die ihm von Demetrias gefolgt waren, durch Phocis vor: auf einem andern Wege stießen die Häupter der Ätoler mit einer kleinen aufgebotenen Mannschaft bei Chäronea zu ihm und folgten ihm mit zehn Deckschiffen nach. Der König nahm sein Lager bei Salganeus, ging mit den Ätolischen Großen zu Schiffe über den Euripus, und da er nicht weit vom Hafen ausstieg, so begaben sich auch die Obrigkeiten und die Vornehmsten von Chalcis zu ihm hinaus vor das Thor. Zu einer Unterredung traten von beiden Seiten nur Wenige zusammen. Von den Ätolern wurden die Einwohner dringend aufgefordert: «der Römischen Freundschaft unbeschadet auch den König zu ihrem Bundesgenossen und Freunde anzunehmen. Er sei ja nicht nach Europa herübergekommen, Griechenland zu bekriegen, sondern es zu befreien, und zwar um es wirklich zu befreien, nicht den Worten und dem Scheine nach, wie die Römer gethan hätten. Für die Staten Griechenlands könne nichts von größerem Vortheile sein, als sich auf beide Verbindungen einzulassen. Dann nämlich werde es immer, geschützt durch die Eine und ihres Beistandes gewiß, vor Beeinträchtigungen von beiden sicher sein. Nähmen sie den König nicht auf, so möchten sie sehen, was ihnen jetzt gleich wiederfahren werde, da die Hülfe der Römer so fern, Antiochus aber, dem sie mit eigner Macht nicht widerstehen könnten, als Feind vor ihren Thoren sei.»

341 Hierauf antwortete Mictio, einer der Vornehmsten aus Chalcis: «Er könne nicht begreifen, was das für Leute sein möchten, zu deren Befreiung Antiochus mit Hinterlassung seines Reichs nach Europa herübergekommen sei. Denn er kenne in Griechenland keine einzige Stadt, die entweder eine Römische Besatzung habe, oder an die Römer Abgaben entrichte, oder an ein nachtheiliges Bündniß gekettet Gesetze zu dulden habe, in welche sie sich nicht fügen wolle. Die Bürger von Chalcis bedürften also weder eines Befreiers, da sie frei wären, noch einer Besatzung, da sie durch die Wohlthat des Römischen Volks zugleich Frieden und Freiheit hätten. Die Freundschaft des Königs wollten sie nicht zurückgewiesen haben, selbst die der Ätoler nicht; nur möchten diese sich dadurch zum ersten Male als ihre Freunde zeigen, daß sie die Insel räumten und abzögen. Denn sie hätten sich fest entschlossen, niemand in ihre Mauern aufzunehmen, auch sich nie auf irgend ein Bündniß einzulassen, außer mit Zustimmung der Römer.»

47. Als der König bei den Schiffen, wo er geblieben war, diesen Bescheid erhielt, beschloß er für jetzt – denn er war nicht mit so viel Truppen gekommen, daß er hätte Gewalt brauchen können – nach Demetrias zurückzugehen. Hier hielt er mit den Ätolern Rath, weil ihre erste Unternehmung fehlgeschlagen sei, was sie nun zu thun hätten. Es wurde beschlossen, einen Versuch auf die AchäerPlacuit, Achaeos et Amynandrum]. – Ich glaube, hier so lesen zu müssen: Placuit, Achaeos, et Boeotos, et Amynandrum cet. Daß das Wort Boeotos hier ausgefallen sei, hat schon Perizonius aus dem folgenden Zusammenhange bewiesen: nur bestimmt er diesem Worte nicht seinen eigentlichen Platz; und Andre haben geglaubt, es dem Worte Achaeos vorsetzen zu müssen. Allein Livius liebt es nicht, da, wo er eine Reihe wiederholt, sich an die einmal beobachtete Ordnung zu binden: er springt immer ab. Statt eine Menge von Beispielen anzuführen, verweise ich nur auf XXXV. 41. 6., vergl. mit XXXVI. 2. 6. Auch ist es nicht die Weise der Abschreiber, von mehrern ähnlichen Worten das erste auszulassen, sondern eins aus der Mitte. Wenn nämlich der Abschreiber Achae os et geschrieben hatte, so ließ er wegen der gleichen Endungen die Worte Boeotos et aus. Wäre hingegen Boeotos das erste gewesen, so würden wir dies noch im Texte finden, und stattdessen Achaeos ausgefallen sein., auf die Böotier und den Amynander, den König der 342 Athamanen, zu machen. Von den Böotiern glaubten sie, sie hätten seit der Ermordung des Brachyllas und den daraus erfolgten Auftritten sich ganz von den Römern abgewandt. Bei den Achäern war, ihrer Meinung nach, das Oberhaupt, Philopömen, aus Eifersucht über den Ruhm im Lacedämonischen Kriege, dem Quinctius abgeneigt und eben so bei diesem nicht gelitten. Amynander hatte die Tochter eines gewissen Alexander von Megalopolis, Apame, zur Gemahlinn, der, seiner Angabe nach ein Abkömmling Alexanders des Großen, seinen beiden Söhnen die Namen Philipp und Alexander, und der Tochter den Namen Apamefiliae Apamiam]. – Die nach dem Namen mehrerer Königinnen Apame benannten Städte heißen Apamia oder Apamea, die Frauen selbst Apame. Also lese ich auch hier mit Sigonius (aus Appians Απάμαν) Apamam. Wenn aber der Arcadier Alexander seiner Tochter den Namen Apame giebt, um dadurch auf eine Verwandschaft mit Alexander dem Großen schließen zu lassen, so bemerke ich: Apame, die Gemahlin des Seleucus Nicator und durch ihn die Stammmutter der Syrischen Seleuciden, war eine Schwester der Perserin Barsine, welche dem Macedonischen Alexander den jungen Hercules gebar. gegeben hatte: und ihr, in dem Glanze einer königlichen Gemahlinn, war der älteste ihrer Brüder, Philipp, nach Athamanien gefolgt. Diesem, den sie hierzu stolz genug fanden, ließen die Ätoler und Antiochus, wenn er den Amynander und die Athamanen zu des Antiochus Verbündeten machte, den Thron der Macedonischen Könige hoffen, da er ja ein ächter Sprößling dieses Stammes sei. Und dies leere Versprechen fand nicht bloß bei Philipp, sondern selbst beim Amynander eine Gültigkeit.

48. In Achaja wurden die Gesandten des Antiochus und der Ätoler zu Ägium einer Versammlung vorgestellt, in welcher Titus Quinctius zugegen war. Den Gesandten des Antiochus ließ man zuerst reden, nachher den Ätolischen. Jener, ein Großsprecher, wie so viele, die vom Überflusse der Könige mitessen, erfüllte Meer und Land mit seinem leeren Wortgetöne. «Von Reutern gehe eine unzählbare Menge über den Hellespont nach Europa über, theils gepanzert – diese heißen die Cataphracten – theils vom Pferde herab mit Pfeilen schießend, und 343 vor denen niemand sich völlig decken könne, da sie sogar auf fliehendem Rosse von rückwärts noch sichrer träfen. Könnten gleich die zusammengetriebenen Heere des gesammten Europa schon von diesen Reutereien niedergeritten werden, so komme doch ein vielfaches Fußvolk, wie er versicherte, noch hinzu», und selbst die fürchterlichen Namen solcher Völker, die kaum vor Menschenohren genannt waren, ließ er erklingen, indem er die Daher, Meder und Elymäer und Caddusier hernannte. «Von den Seetruppen aber, für welche alle Häfen in Griechenland zu klein wären, machten die Sidonier und Tyrier nur den rechten Flügel aus; den linken die Aradier und aus Pamphylien die Sideten; und nie habe irgend ein Volk an Geschicklichkeit und Tapferkeit zur See es ihnen gleich gethan. Nun noch des Geldes, noch der übrigen Kriegsvorräthe zu erwähnen, sei überflüssig. Sie wüßten selbst, daß Asiens Könige immer Gold in Überfluß gehabt hätten. Also würden es die Römer nicht mit einem Philipp, nicht mit einem Hannibal zu thun haben, von denen der eine ein Mann von Bedeutung in einer Freistadt, der andre auf die Gränzen des Macedonischen Reichs beschränkt sei, sondern mit dem Großen Könige von ganz Asien und einem Theile Europa's. Und dennoch fordere er, ob er gleich als Griechenlands Befreier von den äußersten Gränzen des Orients komme, von den Achäern nichts, wodurch ihre Treue gegen die Römer, ihre früheren Bundsgenossen und Freunde, verletzt werde. Denn er verlange nicht, daß sie mit ihm gegen jene zu den Waffen greifen, sondern nur, daß sie keinem von beiden Theilen sich anschließen sollten. Den Frieden möchten sie, wie es für Freunde von beiden sich schicke, beiden Theilen wünschen; nur in den Krieg selbst sich nicht mischen.»

Fast gleiches Inhalts war der Antrag des Ätolischen Gesandten Archidamus: «Sie möchten nur, was ihnen so leicht und für sie das Sicherste sei, sich ruhig verhalten, und als Zuschauer des Krieges die Entscheidung des Schicksals über Andre, ohne die mindeste Gefahr für sich 344 selbst, abwarten.» Und nun fuhr er, weil er seiner Zunge nicht Herr war, in Schmähreden bald gegen die Römer insgesamt heraus, bald insbesondere gegen den Quinctius selbst; indem er sie Undankbare nannte, und ihnen vorwarf, «nicht bloß den Sieg über Philipp, sondern selbst ihr Leben müßten sie der Tapferkeit der Ätoler danken. Die Rettung des Quinctius und seines Heers sei sein Werk. Er möchte wohl wissen, worin jener je seine Pflicht als Feldherr gethan habe. Indeß er, ihn zu decken, seine Person den feindlichen Pfeilen entgegengestellt habe, habe er ihn in der Schlacht, gleich einem Opfer begaffenden Wahrsager, die Vögel beobachten, Opferthiere schlachten und Gelübde herbeten sehen.»

49. Hierauf antwortete Quinctius: «Archidamus habe mehr Rücksicht darauf genommen, vor wem, als bei wem er zu reden habe. Denn die Achäer wüßten sehr gut, daß der ganze Trotz der Ätoler in Worten, nicht im Handeln, bestehe, und sich mehr in Versammlungen und Reden an das Volk, als in Schlachten zu Tage lege. Also habe ihr Gesandter sich wenig darum bekümmert, was die Achäer von ihnen denken möchten, da sie wüßten, daß diese sie kenneten: allein vor den königlichen Gesandten, und durch diese vor dem abwesenden Könige, habe er sich eine Größe geben wollen. Sollte jemand es vorher noch nicht gewußt haben, wodurch eigentlich die Verbindung zwischen Antiochus und den Ätolern bewirkt sei, so würde er dies aus der Sprache der Gesandten deutlich haben ersehen können. Durch gegenseitige Lügen, durch Großthun mit einer Macht, die sie nicht hätten, habe der Eine den Andern mit täuschenden Hoffnungen geschwellt, und von ihm sich schwellen lassen: während jene – so fuhr er fort – von sich erzählen, wie sie es gewesen, die den Philipp besiegt, wie sie durch ihre Tapferkeit das Römische Heer gerettet hätten, und, was ihr so eben gehört habt; so auch, daß ihr mit allen übrigen Städten und Völkern ihre Partei ergreifen würdet; und der König dagegen die Lüfte mit Wolken von Fußvolk und Reuterei erfüllt und 345 mit seinen Flotten die Meere pflastert. Es geht damit fast eben so zu, wie an der Tafel meines Gastfreundes zu Chalcis, eines braven Mannes und der seine Gäste zu bewirthen weiß. Als wir, um die Zeit des längsten Tages von ihm zu einem freundlichen Mahle geladen, uns wunderten, wie er zu dieser Jahrszeit so viel und so mancherlei von der Jagd aufzuweisen habe, so sagte der Mann – kein solcher Prahler, wie diese hier – mit Lächeln, mit Gewürzen habe man zahmes Schweinfleisch so verschiedenartig zugerichtet und ihm den Wildgeschmack gegeben. Dies läßt sich sehr gut auf die Truppen des Königs anwenden, mit denen man kurz vorhin so groß that. Die mancherlei Arten von Bewaffneten, die vielen unerhörten Namen von Völkerschaften, die Daher, die Meder, die Caddusier, die Elymäer, sind insgesammt nur Syrier; sind ihres knechtischen Sinnes wegen weit bessere Sklaven, als Soldaten. Und o! daß ich euch, ihr Achäer, das Hin- und Hertrippeln des Großen Königs bald von Demetrias nach Lamia zum Landtage der Ätoler, dann wieder nach Chalcis, vor die Augen stellen könnte! Sehen würdet ihr da im Lager des Königs ein Etwas, das kaum wie ein par halbvollzählige Legionen im Kleinen aussieht: würdet den König sehen, wie er bald bei den Ätolern um Getreide, das sie seinen Truppen zumessen sollen, beinahe bettelt; bald zur Löhnung für diese Geld auf Zinsen sucht; dann vor den Thoren von Chalcis steht, und geschwind wieder, weil er hier abgewiesen wird, ohne weiter etwas gethan zu haben, als Aulis und den Euripus nur zu sehen, nach Ätolien zurückgeht. Antiochus hat sehr übel gethan, daß er den Ätolern, und die Ätoler, daß sie der Großsprecherei eines Königs getrauet haben. Um so viel weniger müßt ihr euch hintergehen lassen; müsset so viel lieber auf die geprüfte und bewährte Treue der Römer bauen. Denn was auch jene immerhin sagen mögen, es sei für euch das Beste, euch gar nicht in den Krieg zu mischen; so betheure ich euch dennoch: Nichts verträgt sich mit eurer Lage weniger. Dann würdet ihr ja 346 ohne Dank, ohne Werth, die Beute des Siegers sein.»

50. Was er sagte, galt schon durch sich selbst als treffende Antwort gegen Beide, und bei wohlwollenden Zuhörern fand auch seine Rede so viel leichter Eingang. Ohne allen Wortstreit, ohne weiteres Bedenken erklärten Alle: Das Achäische Volk wolle eben die für seine Feinde und Freunde ansehen, die das Römische Volk für die seinigen erkenne; und beschlossen, sowohl dem Antiochus, als den Ätolern, den Krieg anzukündigen. Auch schickten sie sogleich Hülfstruppen, wohin sie Quinctius bestimmte; fünfhundert Mann nach Chalcis, und fünfhundert in den Piräeus. Denn zu Athen war die Lage der Dinge einem Aufruhre nahe, weil Einige den für Geld immer feilen Pöbel durch die zu hoffenden königlichen Spenden auf die Seite des Antiochus lenkten; bis die Römische Partei den Quinctius herbeirief, und Apollodorus, der den Abfall einleitete, auf die Anklage eines gewissen Leon verurtheilt und aus der Stadt verwiesen wurde. So kam denn die Gesandschaft des Antiochus von den Achäern mit einer unfreundlichen Antwort zum Könige zurück. Die Böotier antworteten sehr unbestimmt: «Wann Antiochus nach Böotien käme, würden sie in Überlegung nehmen, was sie zu thun hätten.»

Als Antiochus hörte, sowohl die Achäer, als König Eumenes, ließen zum Schutze von Chalcis Truppen abgehen, so fand er, er müsse eilen, wenn die Seinigen jenen zuvorkommen und sie noch im Anzuge auffangen sollten, und schickte mit fast dreitausend Mann den Menippus ab und mit der ganzen Flotte den Polyxenidas. Er selbst brach einige Tage später auf mit sechstausend Mann seiner eignen Leute und einer kleinen Anzahl Ätoler, so viel man zu Lamia von ihrem Truppenbestande in der Eile hatte sammeln können. Die fünfhundert Achäer und das mäßige Hülfskohr vom Könige Eumenes gelangten unter Anführung des Chalcidiers Xenoclides auf noch unbesetzten Wegen sicher über den Euripus nach Chalcis. Als aber die Römischen Truppen kamen – sie waren ebenfalls gegen fünfhundert stark – hatte schon Menippus vor Salganeus 347 ein Lager bei Hermäum, wo man aus Böotien nach der Insel Euböa überfährt. Mictio war bei ihnen, der als Gesandter von Chalcis an den Quinctius geschickt war, sich diese Hülfe zu erbitten. Als dieser den Paß von den Feinden besetzt sah, gab er den Weg nach Aulis auf und lenkte auf Delium ein, um von dort nach Euböa überzusetzen.

51. Delium ist ein auf der Küste ragender Tempel des Apollo, fünftausend Schritte von Tanagra, und nicht ganz viertausend beträgt von hier die Überfahrt zu Meere auf das nächste Ufer von Euböa. Diesem Heiligthume und seinem Haine gaben Verehrung und Rechte dieselbe Unverletzbarkeit, wie den übrigen Tempeln, die bei den Griechen den Namen der Freistätten führen: und die Römischen Soldaten, in aller Ruhe – weil der Krieg noch nicht angekündigt, oder doch nicht so weit gediehen war, daß ihnen das Gerücht hätte sagen können, das Schwert sei gezogen oder irgendwo schon Blut geflossen – waren hier darüber aus, Tempel und Hain in Augenschein zu nehmen, dort streiften sie ohne Waffen auf der Küste umher, und eine Menge hatte sich zur Holz- und Futterholung auf die Dörfer vertheilt; als plötzlich Menippus die allenthalben Zerstreuten angriff, sie zusammenhieb und an funfzig Gefangene machte. Nur sehr wenige entflohen, unter ihnen auch Mictio, den ein kleines Frachtschiff aufnahm. War dieser Vorfall für den Quinctius und die Römer durch den Verlust an Leuten kränkend, so fanden sie sich aber auch so viel mehr dadurch berechtigt, dem Antiochus den Krieg zu erklären.

Antiochus, an der Spitze seines bis Aulis vorgerückten Heeres, schickte abermals einige Abgeordnete, theils aus seinen Leuten, theils Ätoler, nach Chalcis hinein, ließ die neulichen Anträge unter härteren Drohungen wiederholen, und erreichte, aller Gegenbemühungen des Mictio und Xenoclides ungeachtet, seinen Zweck sehr leicht. Die Thore wurden ihm geöffnet. Die von der Römischen Partei räumten gegen die Ankunft des Königs die Stadt. Die Truppen der Achäer und des Eumenes hatten 348 Salganeus in Besitz genommen, und die wenigen Römer legten am Euripus eine Schanze an, um durch diesen Posten sich der Gegend zu versichern. Auf Salganeus unternahm Menippus den Angriff, auf die Schanze am Euripus der König selbst. Die Achäer und die Truppen des Eumenes waren die ersten, die unter der Bedingung eines freien Abzuges ihren Posten räumten: die Römer am Euripus vertheidigten sich hartnäckiger. Aber auch sie konnten, da sie zu Lande und zu Wasser eingeschlossen waren und schon das Sturmgeräth und Wurfgeschütz herbeikommen sahen, keine Belagerung aushalten.

Als der König jetzt die Hauptstadt von Euböa in Besitz hatte, verweigerten ihm auch die übrigen Städte der Insel die Unterwerfung nicht; und er glaubte den Krieg mit einer reichen Vorernte eröffnet zu haben, da er schon jetzt eine so große Insel und so viele Städte von so vortheilhafter Lage gewonnen sah.


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