Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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14. Die Häupter des Senats bezeigten dem Consul über seinen Antrag im Ganzen ihre Zufriedenheit; nur bemerkten sie, weil die Schuld dieser Völker ihre verschiedenen Stufen habe, man werde, wenn man gegen jedes nach Verdienst erkennen wolle, nur dann erst zum Schlusse kommen, wenn die Consuln die Sache jedes Volkes namentlich zum Vortrage brächten. Also erfolgte Antrag und Beschluß über jedes besonders. Den Lanuvinern wurde das Bürgerrecht ertheilt und ihr Gottesdienst wieder freigegeben, mit der Bedingung, daß der Tempel und Hain der Juno Sospita den Lanuvinern als Bürgern einer Freistadt und dem Römischen Volke gemeinschaftlich gehören solle. Die Ariciner, Nomentaner und Pedaner erhielten bei der Aufnahme in die Bürgerschaft mit den Lanuvinern gleiche Rechte. Den Tusculanern ließ man das Bürgerrecht, das sie schon hatten, und sah den ihnen zur Last gelegten Abfall nicht als bösen Vorsatz des Gesamtvolks, sondern für das Werk einiger wenigen Empörer an. Gegen die Veliterner, die als alte Bürger Roms sich so oft empört hatten, verfuhr man mit Härte. Ihre Mauern wurden niedergerissen, ihr Senat dort abgeführt, mit dem Befehle, jenseit der Tiber zu wohnen, so daß jedes Mitglied desselben, wenn es sich diesseit der Tiber betreffen ließe, tausendNimmt man den schweren oder pfündigen Ass der damaligen Zeit, wo 1000 Pfund Erz nur den Werth Eines Römischen Pfundes Silber hatten, ungefähr zu sechs Pfennigen an, so sind dies etwa 20 Thaler. Pfund Erz als Pfandgebühr zu erlegen hätte, und der, der einen solchen einfinge, ihn nicht eher, als nach geleisteter Zahlung, der Haft entlassen sollte. Auf die Ländereien der Senatoren wurden neue Pflanzer geschickt, und da diese an die alten angereihet wurden, gewann Veliträ das Ansehen seiner ehemaligen Volksmenge wieder. Auch nach Antium wurde eine neue Pflanzung ausgeführt, zugleich aber den Antiaten freigestellt, sich selbst als Pflanzer anstellen zu lassen. Man nahm ihnen ihre Kriegsschilfe, 181 untersagte dem Volke von Antium das Meer und gab ihm das Bürgerrecht. Die Tiburtiner und Pränestiner wurden um Land gestraft, nicht bloß für die neulich sich zugezogene Schuld des Abfalls, die sie mit andern Latinern gemein hatten, sondern weil sie vorher aus Unzufriedenheit mit der Römischen Regierung, sich mit den rohen Barbaren, den Galliern, in ein Waffenbündniß eingelassen hatten. Den übrigen Latinischen Völkerschaften untersagte man die gegenseitigen Verheirathungen, die Handelsverbindungen und öffentlichen Zusammenkünfte unter einander. Den Campanern gab man aus Achtung für ihre Ritter, weil sie nicht mit den Latinern hatten abfallen wollen; auch den Einwohnern von Fundi und Formiä, weil sie immer einen sichern und friedlichen Durchmarsch durch ihr Gebiet verstattet hatten, das Bürgerrecht, doch ohne Stimme. Die Einwohner von Cumä und Suessula setzte man mit Capua auf gleiche Rechte, mit derselben Einschränkung. Die Schiffe der Antiaten wurden theils auf die Rehde Roms gebracht, theils verbrannt; mit ihren Schnäbeln ließ man die Rednerbühne auszieren, die auf dem Gerichtsplatze gebauet wurde, und nannte diese geweihete Stäte die Rostra (die Schnäbel).

15. Als unter den Consuln Cajus Sulpicius Longus, Publius Älius Pätus zwar auch die Macht der Römer, aber eben so sehr auch die durch Wohlthaten erworbene Liebe das Ganze in gesegnetem Frieden beherrschte, brach zwischen den Sidicinern und Aurunkern ein Krieg aus. Die Aurunker waren, seitdem sie sich an den Consul Titus Manlius ergeben hatten, ohne Empörung treu geblieben: mit so viel größerem Rechte konnten sie sich von den Römern Beistand erbitten. Ehe aber die Consuln mit dem Heere von der Stadt aufbrachen; denn der Senat hatte die Aurunker zu schützen befohlen; lief die Nachricht ein, die Aurunker hätten aus Furcht ihre Stadt verlassen und sich als Flüchtlinge mit Weib und Kind in Suessa befestigt, welches davon noch jetzt das Aurunkische heißt, und ihre alten Mauern samt der Stadt hätten die Sidiciner zerstört. Aufgebracht gegen die Consuln, deren Zögern Verbündete 182 preisgegeben habe, ließ der Senat einen Dictator ernennen. Man ernannte den Cajus Claudius Regillensis, und dieser den Cajus Claudius Hortator zum Magister Equitum. Fromme Bedenklichkeiten wegen dieses Dictators und die Aussage der Vogelschauer, daß bei seiner Wahl ein Fehler vorgefallen sei, veranlassten ihn und den Magister Equitum, wieder abzudanken. In diesem Jahre wurde die, anfangs ihres zu netten Putzes wegen in Verdacht gerathene, dann bei den Oberpriestern von einem aussagenden Sklaven als schuldig angegebene Vestalinn Minucia, nachdem ihr durch ein Erkenntniß der Priester der Opferdienst und die Freilassung ihrer Sklaven untersagt war, nach erfolgter Verurtheilung, bei dem Collinischen Thore, rechter Hand der gepflasterten Straße, auf dem Frevelfelde lebendig unter der Erde vermauert. Den Namen bekam der Ort, wie ich glaube, vom Frevel der Unzucht. In eben diesem Jahre wurde Quintus Publilius Philo der erste, aus dem Bürgerstande gewählte Prätor; so sehr dies auch der Consul Sulpicius, selbst durch die Erklärung, daß er ihn bei der Wahl gar nicht in Betracht ziehen werde, zu hindern suchte: denn der Senat zeigte sich in der Behauptung dessen, was ihm bei den höchsten Befehlshaberstellen nicht gelungen war, bei der Prätur so eifrig nicht.

16. Dem folgenden Jahre, welches den Lucius Papirius Crassus und Cäso Duilius zu Consuln hatte, gab der Krieg mit den Ausonen mehr durch seine Neuheit, als durch seine Wichtigkeit, eine Auszeichnung. Dieses Volk bewohnte die Stadt Cales. Es hatte seine Waffen mit den Sidicinern, seinen Nachbaren, vereinigt: und in einem einzigen, kaum denkwürdigen Gefechte wurde das Heer beider Völker geschlagen, dem die Nähe seiner Städte eine Einladung zur früheren Flucht, und auf der Flucht selbst größere Sicherheit gewährte. Gleichwohl gab der Senat seine Aufmerksamkeit für diesen Krieg nicht auf, weil die Sidiciner schon so oft entweder selbst Krieg angefangen, oder Kriegende unterstützt, oder doch Krieg veranlasset hatten. Also gab er sich alle Mühe, dem größten Feldherrn jener Zeit, dem Marcus Valerius Corvus, das vierte 183 Consulat zu verschaffen: und zum Amtsgenossen bekam Corvus den Marcus Atilius RegulusDen Großvater des im ersten Punischen Kriege so berühmt gewordenen Regulus.. Damit auch das Los nicht etwa fehlgreifen möchte, ersuchte man die Consuln, diesen Krieg dem Corvus ohne Los zu bestimmen. Als er mit dem von den vorigen Consuln ihm übergebenen siegreichen Heere bei Cales, dem ursprünglichen Sitze des Krieges, angelangt war, und den Feind, den auch die Erinnerung an das vorige Treffen muthlos machte, im ersten Geschreie und Heransturze geschlagen hatte, so unternahm er den Angriff auf die Stadt selbst. Und die Soldaten hatten so glühenden Muth, daß sie sogleich mit Sturmleitern an die Mauern rücken wollten und sie zu ersteigen versprachen. Allein Corvus wollte, weil dies zu mißlich war, zur Erreichung seines Zwecks die Soldaten lieber einer größern Arbeit, als Gefahr aussetzen. Schon waren ein Sturmwall und Annäherungshütten aufgeführt, und Thürme an die Mauern gerollt, als ein begünstigender Zufall den Gebrauch derselben unnöthig machte. Ein gefangener Römer, Marcus Fabius, dem es bei der Nachlässigkeit der Wachen an einem Festtage gelang, seine Bande zu sprengen, hing sich an ein um die Mauerzinne gebundenes Seil, ließ sich an der Mauer mit den Händen in die Römischen Werke herab, und bewog den Feldherrn, die den Wein und Schmaus ausschlafenden Feinde zu überfallen; und so wurden die Ausonen samt ihrer Stadt in einem eben so leichten Kampfe bezwungen, als sie vorher im Treffen besiegt waren. Die Legionen machten ansehnliche Beute, und nach Zurücklassung einer Besatzung in Cales wurden sie nach Rom zurückgeführt. Vermöge eines Senatsschlusses hielt der Consul den Aufzug des Triumphs; und damit der andre Consul nicht von allem Ruhme ausgeschlossen bliebe, erhielten beide Consuln Befehl, ein Heer gegen die Sidiciner auszuführen. Vorher ernannten sie nach einem Senatsschlusse zur Haltung des Wahltages den Lucius Ämilius Mamercinus zum Dictator, und dieser ernannte den 184 Quintus Publilius Philo zum Magister Equitum. Auf dem vom Dictator gehaltenen Wahltage wurden Titus Veturius und Spurius Postumius ConsulnDies sind die in ihrem zweiten Consulate im J. 433. durch ihr Unglück bei Caudium so berühmt gewordenen Consuln.. War gleich der Sidicinische Krieg noch nicht ganz geendigt, so trugen sie dennoch, um dem sehnlichen Wunsche der Bürger durch die Wohlthat zuvorzukommen, auf die Ausführung einer Pflanzung nach Cales an; und als der Senatsschluß zu Stande kam, daß zweitausend fünfhundert zur Absendung eingezeichnet werden sollten, ernannten sie zu Dreiherren der Ausführung und Landvertheilung den Cäso Duilius, Titus Quinctius, Marcus Fabius.

17. Als darauf die neuen Consuln von den alten das Heer übernommen hatten, rückten sie in das feindliche Gebiet und drangen unter Verheerungen bis an die Mauern der Stadt. Weil aber theils die Sidiciner selbst, nach Aufstellung eines ansehnlichen Heeres, hier für ihre letzte Hoffnung das Äußerste wagen zu wollen schienen, theils, dem Gerüchte nach, Samnium zur Theilnahme am Kriege aufriefen, so ernannten die Consuln nach einem Senatsgutachten einen Dictator, den Publius Cornelius Rufinus, und Magister Equitum wurde Marcus Antonius. Allein fromme Bedenklichkeiten fanden die Rechtmäßigkeit dieser Wahl zweifelhaft, und beide dankten ab. Und da nun noch eine Pest dazu kam, so ließ man, nicht anders, als ob jene fehlerhafte Wahl sich auf Alle erstrecke, in deren Händen die Götterleitung war, eine Zwischenregierung eintreten, (J. R. 422.Ich habe das Jahr 422 mit seinen Consuln hier in Parenthese eingeschaltet. Livius selbst sagt uns, B. IX. Cap. 7. daß im Jahre Roms 433 L. Papirius Cursor zum zweitenmale zum Consul gewählt sei, nämlich für das folgende Jahr 434. Er muß also irgendwo vorher das erste Consulat dieses Papirius Cursor angegeben haben: es fehlt aber mit der ganzen Geschichte jenes Jahrs, ich weiß nicht, ob durch seine Schuld, oder durch die der Abschreiber. Indeß einen andern Fehler scheint doch Livius begangen zu haben, weil der Synchronismus in seinen Zeiten noch schwieriger auszumitteln war. Er nimmt an, (B. VIII. C. 24.) Alexandrien sei im J. R. 429 gebaut, unter den Consuln C. Pötelius und L. Papirius Mugillanus, welchen letztern andre Annalen, nach Livius eigner Bemerkung, L. Papirius Cursor nennen. Er fand nämlich der Wahrheit gemäß die Erbauung Alexandriens auf das Consulat eines Papirius Cursor angesetzt. Nun verwechselt er aber, weil er den Papirius Mugillanus (Cap. 23 am Schlusse) auch unter dem Namen Papirius Cursor fälschlich angegeben fand, das Jahr 429, in welchem der (unrichtig Cursor benannte) Mugillanus Consul war, mit dem Jahre 422, in welchem der wahre Papirius Cursor sein erstes Consulat führte. Denn nach Solinus wurde Alexandrien im J. R. 422 gebaut: und dieser Angabe folgen Pighius, Crevier (zu Cap. XXIV.), Almeloveen und Blair's Tabellen. Man muß also nicht mit Dodwell die einzuschaltenden Consuln Papirius Cursor (1) und C. Pötelius auf das Jahr 424 einschieben, sondern auf das Jahr 422; man muß nicht in den Annalen des Livius unmittelbar auf das Jahr 423 das Jahr 425 folgen lassen, sondern auf das Jahr 421 das Jahr 423. Dies könnte vielleicht auch noch durch die Bemerkung bestätigt werden, daß alsdann zwischen dem ersten und zweiten Consulate des Papirius Cursor vom Jahre 422 bis zum Jahre 434 volle elf Jahre verflossen, da nach dem Gesetze (B. VII. C. 42) niemand dasselbe Amt in zehn Jahren zweimal bekleiden durfte. Indeß ergeben die Consularischen Fasten, daß selbst in diesen Zeiten das noch nicht alte Gesetz nicht immer strenge befolgt sei. L. Papirius Cursor (1), C. Pötelius, Q. F. Libo Coss.) Nach Eröffnung dieser 185 Zwischenregierung wurden erst vom fünften Zwischenkönige – dieser war Marcus Valerius Corvus – Consuln gewählt, Aulus Cornelius zum zweitenmale und Cneus Domitius.

Mitten in der Ruhe bewirkte die Nachricht von einem Anzuge der Gallier einen so schnellen Aufruf zum Kriege, daß man auch die Wahl eines Dictators nöthig fand. Ernannt wurde Marcus Papirius Crassus, und zum Magister Equitum Publius Valerius Publicola: und schon hielten sie die Werbung mit größerer Strenge, als bei den Kriegen mit den Nachbarn; da erfuhr man durch ausgeschickte Kundschafter, daß bei den Galliern alles ruhig sei. Auch erhielt sich der Verdacht, daß Samnium unter Entwürfen zum Abfalle in Gährung sei, schon in das zweite Jahr; deshalb wurde das Römische Heer aus dem Sidicinischen nicht zurückgezogen. Allein der Krieg des Epirotischen Alexander rief die Samniten zu den Lucanern hinüber; und beide Völker lieferten dem Könige, als er bei Pästum eine Landung wagte, eine förmliche Schlacht. Alexander, in diesem Kampfe Sieger, schloß mit den Römern einen Vertrag, ohne daß man bestimmen kann, wie treu er ihn gehalten haben würde, wenn er ferner gleiches Glück gehabt hätte. In eben diesem Jahre wurde eine Schatzung gehalten, und die neuen Bürger geschatzt: um ihrer willen 186 bekam Rom zwei neue Bezirke, den Mäcischen und Scaptischen: Diese Vergrößerung war das Werk der Censorn Quintus Publilius Philo, Spurius Postumius. Die Bürger von Acerrä wurden Römer, auf den vom Prätor Lucius Papirius gemachten Antrag, nach welchem sie das Bürgerrecht ohne Stimmrecht erhielten. Dies sind die friedlichen und kriegerischen Begebenheiten dieses Jahrs.

18. Das folgende Jahr wurde entweder durch ungesunde Witterung oder durch menschliche Bosheit ein abscheuliches Jahr; es hatte die Consuln Marcus ClaudiusDer fünfmalige Consul, der den Hannibal bei Nola schlug, war der Urenkel dieses Marcellus. Marcellus, Cajus Valerius. Den Zunamen dieses Consuls finde ich in den Jahrbüchern verschieden, bald Flaccus, bald Potitus, angegeben ohne daß es uns viel verschlägt, was hier die Wahrheit sein mag. Die Angabe hingegen, die ich auch nicht bei allen Schriftstellern finde, möchte ich gern für unrichtig halten dürfen, daß diejenigen, durch deren Tod dies Jahr mit dem Rufe eines Pestjahrs gebrandmarkt ist, an Giften gestorben sein sollen. Um indeß keinem der Erzähler seine Glaubwürdigkeit abzusprechen, will ich die Sache darlegen, wie sie gemeldet wird.

Da die Vornehmsten des States an einerlei Krankheit starben, die auch fast bei allen einen gleichen Ausgang nahm, so machte sich eine Magd gegen den Adelsädil, Quintus Fabius Maximus, anheischig, die Ursache des allgemeinen Sterbens aufzudecken, wenn er ihr die Versicherung gäbe, daß die Anzeige sie nicht unglücklich machen solle. Fabius berichtete die Sache sogleich den Consuln, die Consuln an den Senat, und mit Beistimmung des ganzen Standes erhielt die Anzeigerinn jene Zusage. Nun entdeckte sie, daß an diesem Unglücke des Stats weibliche Bosheit Schuld sei und daß Frauen von Rang dergleichen Gifte kochten: man könne sie auf der That ertappen, wenn man ihr sogleich folgen wolle. Man folgte der Aussagerinn, und fand Einige mit dem Kochen solcher Mittel beschäftigt, manches schon Gekochte auf die Seite gestellt. 187 Man brachte Alles auf den Markt; an die zwanzig Frauen, bei denen man so etwas gefunden hatte, wurden durch den Gerichtsboten vorgefordert; zwei von ihnen, Cornelia und Sergia, beide aus patricischen Geschlechtern, betheuerten die Unschädlichkeit ihrer Arzeneien, und da die Klägerinn durch ihre Gegenbehauptung sie aufforderte, um zu beweisen, daß sie eine Unwahrheit vorgebracht habe, möchten sie selbst ihre Tränke austrinken, erbaten sie sich Zeit, mit einander Rücksprache zu halten. Das Volk mußte zurücktreten: sie brachten vor aller Augen die Sache bei den übrigen Frauen zur Anfrage, und da sich auch diese zum Trinken bereit erklärten, so tranken sie sämtlich ihre Tränke aus und büßten ihre Bosheit mit ihrem Leben. Die zu ihrer Begleitung gehörigen Sklavinnen, derer man sich sogleich bemächtigte, gaben eine große Anzahl von Frauen an, von denen an hundert und siebzig verdammt wurden. Nie war vorher zu Rom wegen Giftmischerei eine Untersuchung gewesen. Man fand in der Sache eine Vorbedeutung von Unglück, und sie schien sich mehr zu einer Verrücktheit des Verstandes, als zu einer Frevelthat zu eignen. Da man sich also aus den Jahrbüchern erinnerte, daß ehemals bei den abtrünnigen Auswanderungen des Bürgerstandes ein Dictator einen Nagel eingeschlagen, und diese Sühne die in der Zwietracht zum Unsinne übergegangenen Köpfe wieder zur Besinnung gebracht habe, so beschloß man, zur Einschlagung des Nagels einen Dictator zu wählen. Cneus Quinctilius, der dazu gewählt wurde, ernannte den Lucius Valerius zum Magister Equitum; und als der Nagel eingeschlagen war, traten sie beide von ihren Ämtern wieder ab.

19. Consuln wurden Lucius Papirius Crassus zum zweitenmale und Lucius Plautius Venno. Im Anfange dieses Jahrs kamen Gesandte von den Volskischen Städten Fabrateria und PoluscaWeil Livius selbst weiter unten Cap. XXV. sagt, die Lucaner hätten vorher mit den Römern, durchaus in keinem Verhältnisse gestanden, so können sie auch hier den Römern sich nicht zur Übergabe anbieten, nicht durch eine Römische Gesandschaft vor den Samniern geschützt werden. Dies haben schon mehrere Herausgeber und Erklärer dargethan. Ich folge also mit Crevier der Vermuthung des Alb. Rubenius, welcher statt Lucanis Poluscanis lieset, Polusca war nach II. 33. eine Stadt der Volsker. nach Rom, mit der Bitte, ihre 188 Übergabe anzunehmen. Wenn sie vor den Waffen der Samniten geschützt würden, so wollten sie treu und gehorsam unter Römischer Hoheit leben. Da fertigte der Senat Gesandte ab, und ließ den Samniten andeuten, sich jedes Angriffs auf das Gebiet dieser Völker zu enthalten. Und diese Gesandschaft fand Gehör, nicht sowohl weil die Samniten zum Frieden so willig, als weil sie zum Kriege noch nicht in Bereitschaft waren.

In diesem Jahre begann auch der Privernatische Krieg, an welchem die Einwohner von Fundi Theil nahmen; ja der Feldherr war ein Fundaner, Vitruvius Vaccus, ein Mann, der nicht bloß in seiner Heimat, sondern selbst zu Rom in Ansehen stand. Ihm gehörte auf dem Palatium ein Haus, welches nach Niederreißung des Gebäudes als öffentlicher Platz den Namen der Vaccische grüne Platz bekam. Weil er die Gegend von Setia, Norba und Cora weit und breit verheerte, zog Lucius Papirius gegen ihn aus, und setzte sich nicht weit vom Lager desselben. Vitruvius hatte weder weise Selbstkenntniß genug, sich gegen einen stärkeren Feind im Lager zu halten, noch Muth, zu einer Schlacht sich vom Lager zu entfernen. Kaum ließ er seinem Heere die Zeit, völlig aus dem Lagerthore zu rücken, so lieferte er schon, ohne Plan, ohne Entschlossenheit, eine Schlacht, in der seine Soldaten ihre Blicke mehr rückwärts auf die Flucht, als auf das Gefecht und auf den Feind richteten, Indeß, mit so leichter Mühe und so entschieden er geschlagen war, so sicherte er doch, selbst durch den Mangel an Raum und durch die Leichtigkeit des Rückzuges in das Lager, sein Heer ohne Schwierigkeit vor großem Verluste; denn im Treffen selbst fiel fast niemand, sondern nur Wenige im Gedränge des fliehenden Nachtrabes, als sie ins Lager zurückstürzten; und beim ersten Dunkel ging der Zug in voller Eile nach Privernum, um sich lieber hinter Stadtmauern, als hinter einem Lagerwalle, zu vertheidigen.

189 Der andre Consul, Plautius, nachdem er das Gebiet von Privernum allenthalben verheert und Beute gemacht hatte, rückte mit seinem Heere in das Gebiet von Fundi. Als er die Gränzen betrat, kam ihm der Fundanische Senat mit der Erklärung entgegen: «Sie kämen nicht, für den Vitruvius und seine ihm nachgelaufene Bande zu bitten, sondern für das Fundanische Volk, dessen Schuldlosigkeit in Hinsicht auf den Krieg Vitruvius selbst dadurch erhärtet habe, daß er auf seiner Flucht sich nach Privernum gerettet habe, und nicht in seine Vaterstadt Fundi. «Zu Privernum also müsse das Römische Volk seine Feinde aufsuchen und in ihnen Leute verfolgen, welche zugleich von den Fundanern und von den Römern, mit gleicher Treulosigkeit gegen beide Vaterstädte, abgefallen wären. Zu Fundi herrsche Friede und Römische Gesinnung und dankbare Erinnerung an das erhaltene Bürgerrecht. Sie bäten den Consul, sich alles Krieges gegen ein unschuldiges Volk zu enthalten. Ihr Land, ihre Stadt, sie selbst mit Weib und Kind wären des Römischen Volkes Eigenthum und würden es ferner sein.» Der Consul bezeigte den Fundanern seine Zufriedenheit, meldete schriftlich nach Rom, daß Fundi unter die getreuen Städte gehöre, und wandte sich gegen Privernum. ClaudiusQuadrigarius. Siehe B. VI. C. 42. schreibt, der Consul habe vorher noch die Häupter der Verschwörung zur Strafe gezogen; habe an dreihundert und fünfzig von den Verschwornen in Fesseln nach Rom geschickt, der Senat aber habe diese Auslieferung nicht gelten lassen, weil er den Fundanern die Absicht beigemessen habe, mit der Bestrafung dieser dürftigen und geringen Leute abzukommen.

20. Während der Einschließung von Privernum durch zwei consularische Heere wurde der eine Consul des Wahltags wegen nach Rom zurückgerufen. In diesem Jahre wurden in der Rennbahn zum erstenmale Schranken aufgestellt. Noch hatte man sich der Sorge für den Privernatischen Krieg nicht entledigt, als sich das fürchterliche Gerücht 190 von einem drohenden Gallischen Überfalle verbreitete, welches die Väter nicht leicht unbeachtet ließen. Deswegen wurden die neuen Consuln, Lucius Ämilius Mamercinus und Cajus Plautius, sogleich am Antrittstage ihres Amts, am ersten Quinctilis, befehligt, über die Plätze ihrer Anstellung entscheiden zu lassen, und insbesondre Mamercinus, dem das Los den Gallischen Krieg bestimmte, sich bei der Werbung auf keine Nachsicht gegen vorgeschützte Dienstfreiheit einzulassen. Ja es heißt, man habe auch die sonst zum Kriegsdienste gar nicht geeignete Classe der Arbeiter und sitzenden Handwerker aufgeboten, und ein großes Heer nach Veji zusammengezogen, um von dort aus den Galliern entgegen zu gehen. Sich weiter zu entfernen hielt man nicht für rathsam, um nicht den Feind, wenn er einen andern Weg zur Stadt einschlüge, zu verfehlen. Als man sich wenige Tage nachher völlig versichert hatte, daß man für jetzt vor den Galliern nichts zu fürchten habeVielleicht setzte Livius die beiden Worte a Gallis in das folgende Komma, um den Doppelsinn zu meiden, welcher entstanden wäre, wenn er sie in dem zunächst vorhergehenden angebracht hätte. Denn eigentlich wäre doch wohl hier quies a Gallis zusammenzunehmen., zog sich der ganze Krieg gegen Privernum.

Hier giebt es zwei Erzählungen. Einige melden, die Stadt sei im Sturme erobert, und Vitruvius lebendig gefangen genommen: Andre, ehe es zum Äußersten gekommen sei, hätten sich die Bürger unter Vortragung eines Friedensstabes dem Consul auf Gnade ergeben, und den Vitruvius ausgeliefert. Der Senat beschied den Consul Plautius, auf dessen Anfrage über den Vitruvius und die Privernaten, wenn er Privernums Mauern niedergerissen und eine starke Besatzung dort gelassen habe, zum Triumphe; befahl, bis zur Rückkunft des Consuls den Vitruvius im Gefängnisse zu verwahren, und dann ihn zu peitschen und hinzurichten. Sein Haus auf dem Palatium sollte niedergerissen, seine Güter dem Semo SancusDem Dius Fidius der Sabiner. geheiligt werden; und von dem daraus gelöseten Gelde wurden eherne Kugeln verfertigt und in der Capelle des Sancus auf jener 191 Seite aufgestellt, welche nach dem Quirinustempel hinsieht. Über den Senat von Privernum fiel der Beschluß dahin aus, daß jeder, der zu Privernum nach dem Abfalle von Rom als Senator geblieben sei, unter eben der Verpflichtung, wie die Veliterner, jenseit der Tiber wohnen solle. Nach diesen Beschlüssen kam die Sache der Privernaten bis zum Triumphe des Plautius nicht wieder im Senate vor: allein nach seinem Triumphe glaubte der Consul, weil Vitruvius und seine Mitschuldigen den Tod schon gelitten hatten, bei Zuhörern, die durch die Hinrichtungen so vieler Schuldigen versöhnt wären, der Privernaten ohne Gefahr erwähnen zu können, und sprach: «Da die Urheber des Abfalls ihre verdiente Strafe von den unsterblichen Göttern und von euch, ihr versammelten Väter, empfangen haben, so fragt es sich, was eurem Willen gemäß mit dem schuldlosen Haufen geschehen soll. Ist es gleich meinem Amte angemessener, eure Meinungen zu erfragen, als die meinige mitzutheilen, so wünschte ich doch für meine Person, wenn ich in den Privernaten die Nachbarn der Samniten sehe, eines Volks, dessen friedliches Verhältniß zu uns jetzt so unsicher steht, es möchte zwischen uns und ihnen nicht die mindeste Abneigung zurückbleiben.»

21. Da in einer Sache, die ohnehin zwei Seiten hatte, Jeder nach seiner eignen Denkungsart entweder mehr zur Strenge oder zur Gelindigkeit rieth, so machte sie Alle Einer der Privernatischen Gesandten dadurch noch unschlüssiger, daß er, mehr der Lage, in welcher er geboren war, als seines jetzigen Unglücks eingedenk, einen der Rathsherrn von der strengeren Partei auf die Frage: «Was die Privernaten seiner Meinung nach für eine Strafe verdient hätten,» zur Antwort gab: «Die, welche Männern gebührt, die sich der Freiheit würdig halten.» Als der Consul bemerkte, daß über diese kühne Antwort diejenigen, die schon vorher der Sache der Privernaten entgegen waren, noch aufgebrachter wurden, so sprach er, in der Hoffnung, jenem durch eine freundlichere Frage auch eine sanftere Antwort abzugewinnen: «Wie? wenn wir euch 192 die Strafe erließen, was für einen Frieden würden wir uns dann von euch zu versprechen haben?» – «Ist der Friede,» erwiederte jener, «den ihr uns geben werdet, schonend; einen treuen, daurenden: ist er drückend; einen kurzen.» Nun vollends riefen Einige: «Ein Privernat unterstehe sich, zu drohen, und so ganz unverhohlen: solche Äußerungen seien dazu geeignet, sogar friedliche Völker zur Empörung zu reizen.» Allein der bessere Theil des Senats suchte der Antwort eine bessere Deutung zu geben und sagte: «Das habe ein Mann, und ein Freier, gesprochen. Ob es glaublich sei, daß irgend ein Volk; oder selbst ein einzelner Mensch, in einer Lage, mit der er unzufrieden sei, länger ausdauren werde, als der Zwang gebiete? Treuer Friede sei nur da zu finden, wo die Menschen aus freier Zustimmung ihn hielten; nie aber müsse man sich Treue da versprechen, wo man Sklaverei einführen wolle.» Vor allen andern gewann der Consul selbst die Gemüther für diese Meinung dadurch, daß er zu wiederholtenmalen den Consularen, an welche die Stimmenden sich anschlossen, so laut, daß es Mehrere hören konnten, zurief: «Nur solche Männer, welche auf nichts, als Freiheit, dächten, verdienten Römer zu werden.» Also ging die Sache nicht nur im Senate durch; sondern es wurde auch nach einem Gutachten der Väter bei dem Volke darauf angetragen, den Privernaten das Bürgerrecht zu ertheilen. Auch wurden in diesem Jahre dreihundert Bürger nach Anxur als Anbauer geschickt: sie bekamen jeder zwei Morgen Landes.

22. Es folgte ein Jahr, das sich durch keine Begebenheit, weder im Kriege, noch im Innern, auszeichnet, unter den Consuln Publius Plautius Proculus, Publius Cornelius Scapula; außer daß nach Fregellä, welches mit seinem Gebiete vorher den Sidicinern, nachher den Volskern gehört hatte, eine Pflanzung ausgeführt, und vom Marcus Flavius bei der Beerdigung seiner Mutter dem Volke Fleisch ausgetheilt wurde. Es fehlte nicht an Leuten, welche dies so auslegten: er habe unter dem Scheine, seine Mutter zu ehren, dem Volke die verdiente Zahlung abtragen wollen, 193 weil es ihn, als er von den Ädilen vor Gericht gefordert war, von der Anklage, eine Ehefrau geschändet zu haben; freigesprochen habe. Diese zum Danke für die vormaliges Lossprechung veranstaltete Fleischvertheilung verhalf ihm auch zu einem Amte, und bei der nächsten Bürgertribunenwahl wurde er abwesend den gegenwärtigen Bewerbern vorgezogen.

Nicht weit von dem jetzigen Neapolis lag sonst Paläpolis, und Ein Volk bewohnte beide Städte. Es stammte von Cumä. Die Cumaner haben ihren Ursprung aus Chalcis in Euböa. Die Flotte, auf der sie von ihrer Heimat hier angekommen waren, gab ihnen an der von ihnen besetzten Küste ein großes Gewicht. Zuerst landeten sie auf den Inseln Änaria und PithecusäDie jetzigen. Inseln Ischia und Procita. Die letzte heißt sonst bei den alten Geographen Pithecusa, und ihre Stadt Pithecusae im Plurale. Entweder giebt Livius hier auch der Insel den Plural, wie in Syracusae; oder er kann auch mit Procita das jetzige Nisida unter dem Namen der Pithecusen verstehen.; dann hatten sie es gewagt, sich auf dem festen Lande anzusiedeln. Dieser Stat erlaubte sich theils im Vertrauen auf seine Macht; theils auf die Unzuverlässigkeit des Samnitischen Bündnisses mit den Römern, oder auch, weil er die Pest in Anschlag brachte, welche den Nachrichten zufolge in Rom ausgebrochen war, mancherlei Feindseligkeiten gegen die Römischen Bewohner des Campanischen und Falernischen. Da nun unter den Consuln Lucius Cornelius Lentulus und Quintus Publilius Philo – dieser war es zum zweitenmale – die Bundespriester, die man wegen der zu fordernden Entschädigung nach Paläpolis gesandt hatte, von ihnen, als Griechen, einem mehr zu Worten als zu Thaten tauglichen Völkerstamme, eine trotzige Antwort zurückbrachten, so wurde nach einem Gutachten der Väter der Krieg gegen die Paläpolitaner vom Gesamtvolke beschlossen. Bei der Entscheidung über den Geschäftskreis der Consuln bestimmte das Los den Krieg, der die Griechen bestrafen sollte, dem Publilius: mit einem zweiten Heere wurde Cornelius, falls sich die Samniten regen sollten, 194 diesen entgegengestellt. Und wirklich hieß es, sie würden nur den Abfall der Campaner abwarten und dann mit einem Heere heranrücken. Cornelius also hielt es für das Beste, sein Standlager bei ihnen zu nehmen. Und beide Consuln meldeten dem Senate, für die Beibehaltung des Friedens mit den Samniten sei wenig Hoffnung.

23. Publilius hatte berichtet, daß die Griechen, mehr von den Nolanern gezwungen, als aus freiem Willen, zweitausend Nolanische und viertausend Samnitische Soldaten in Paläpolis aufgenommen hätten: Cornelius hingegen, die Behörden hätten eine Werbung ausgeschrieben, ganz Samnium sei im Aufstande und wiegele offenbar die benachbarten Völker auf, die von Privernum, Fundi und Formiä. Da man durch diese Gründe sich bewogen gefunden hatte, vor der Eröffnung des Krieges Gesandte an die Samniten abgehen zu lassen, so ertheilten die Samniten eine trotzige Antwort. Ja sie setzten sich durch ihre Klagen über Ungerechtigkeiten der Römer in den Angriff, ohne doch ihre Vertheidigung gegen die ihnen gemachten Vorwürfe mit geringerer Wärme zu führen. «Wenn die Griechen durch Theilnahme oder Hülfsleistungen unterstützt würden, so sei dies keine Folge eines Statsbeschlusses: auch wären die Fundaner und Formianer nicht von ihnen aufgewiegelt; sie könnten, falls sie sich zum Kriege entschlössen, mit ihrer eignen Macht zufrieden sein. Übrigens könnten sie den Verdruß nicht verhehlen, den der Samnitische Stat darüber empfinde, daß das Römische Volk Fregellä, welches sie den Volskern abgenommen und zerstört hätten, von neuem aufgebaut, und hier auf Samnitischem Boden eine Pflanzstadt aufgestellt habe, welcher die Römischen Anbauer den Namen Fregellä wiedergegeben hätten. Dieser beschimpfenden Kränkung würden sie sich, wenn sie ihnen nicht von denen selbst, die sie ihnen angethan hätten, abgenommen würde, aus allen Kräften erwehren.»

Als hier der Römische Gesandte sie aufforderte, den Streit vor dem Richterstuhle gemeinschaftlicher Bundsgenossen und Freunde auszumachen, so antwortete Einer: 195 «Wozu diese Decke über unsern Verhandlungen? Unsern Streit, ihr Römer, kann kein Gespräch der Gesandten, kein Sterblicher als Schiedsrichter schlichten, sondern das Campanische Feld, auf dem wir zusammentreffen müssen, und die Waffen, und das über beide Theile waltende Kriegsglück. Wohlan! zwischen Capua und Suessula laßt uns Lager gegen Lager aufschlagen! dort werde es entschieden, ob Italiens Gebieter Samniten oder Römer sein sollen.» Indeß hier die Römischen Gesandten zur Antwort gaben, Die Römer pflegten nicht dahin zu gehen, wohin der Feind sie bescheide, sondern wohin sie von ihren Feldherren geführt würden; hatte Publilius schon, durch eine zwischen Paläpolis und Neapolis gewonnene vortheilhafte Stellung, den Feinden alle Vereinigung zu gegenseitiger Hülfe, die bis dahin der eine Ort dem andern, so wie dieser litt, geleistet hatte, unmöglich gemacht. Da nun der Wahltag heranrückte, und es durchaus nicht rathsam war, den Publilius, der schon an den Mauern der Feinde hinanstieg, von der mit jedem Tage zu hoffenden Eroberung der Stadt abzurufen, so mußten nach genommener Abrede die Tribunen bei dem Gesamtvolke darauf antragen, daß Publilius Philo, nach seinem Abgange vom Consulate, so lange als Consul in Thätigkeit bleiben solle; bis der Krieg mit den Griechen beendet sei. An den Lucius Cornelius schrieb man, – denn auch ihn wollte man, weil er schon in Samnium eingerückt war, im Gange des Krieges nicht unterbrechen – er möge zur Abwartung des Wahltages einen Dictator ernennen. Er ernannte den Marcus Claudius Marcellus, und dieser den Spurius Postumius zum Magister Equitum. Gleichwohl wurde der Wahltag nicht vom Dictator gehalten, weil die Gültigkeit Seiner eignen Wahl in Untersuchung kam. Die deshalb befragten Vogelschauer erklärten, ihres Bedünkens sei der Dictator fehlerhaft gewählt. Dies Benehmen machten die Tribunen durch eine laute Rüge verdächtig und allgemein verrufen; «Denn Einmal sei es so leicht nicht, einen solchen Fehler zu entdecken, da sich der Consul um Mitternacht in aller Stille zur Ernennung eines Dictators erheben müsse: zum 196 Andern habe der Consul weder von Amtswegen, noch für sich, an irgend jemand hierüber das Mindeste geschrieben; und keine Menschenseele sei zu finden, die etwas gesehen oder gehört haben wolle, wodurch die Anfrage bei den Göttern gestört sei; auch hätten doch wohl die Vogelschauer durch bloßes Stillsitzen in Rom nicht erspähen können, was für eine Unrichtigkeit dem Consul im Lager aufgestoßen sei. Wem es nicht einleuchte, daß die Vogelschauer den ganzen Fehler darin fänden, daß der Dictator bürgerliches Standes sei?» Dies und mehr dergleichen wurde von den Tribunen vergeblich vorgebracht: doch kam es darüber wieder zu einer Zwischenregierung; und da der Wahltag bald unter diesem, bald unter jenem Vorwande verschoben wurde, so konnte erst der vierzehnte Zwischenkönig Lucius Ämilius die Consulnwahl zu Stande bringen. Sie traf den Cajus Pötelius und Lucius Papirius Mugillanus, den ich in andern Jahrbüchern unter dem Zunamen Cursor finde.

24.Ich verweise wegen der in diesem Cap. angegebenen Erbauung Alexandriens und über den am Schlusse des vorigen Cap. genannten Papirius Cursor auf meine Anmerkung zu Cap. 17. in der Mitte. In diesem Jahre soll auch Alexandrien in Ägypten erbauet sein; und Alexander, König von Epirus, den ein Lucanischer Vertriebener tödtete, durch sein Ende den Ausspruch des Dodonäischen Jupiter bestätigt haben. Als er von den Tarentinern nach Italien gerufen wurde, hatte das Orakel ihm kund gethan, «Er solle sich vor dem Acherusischen Wasser und der Stadt Pandosia hüten: dort sei seinen Schicksalen das Ende beschieden.» Desto eiliger setzte er nach Italien über, um sich so weit als möglich von der Stadt Pandosia in Epirus zu entfernen, und von dem Flusse Acheros, welchen nach seinem Laufe aus Molossis durch die sogenannten Höllischen Teiche der Thesprotische Meerbusen aufnimmt. So wie wir aber gemeiniglich durch die Flucht uns unsrer Bestimmung in die Arme liefern, so hatte auch Alexander die Bruttischen und Lucanischen Legionen mehrmals geschlagen, die Pflanzstadt der Tarentiner Heraclea erobert, den Lucanern 197 Consentia und Sipontum, den Bruttiern Terina, und den Messapiern und Lucanern noch andre Städte abgenommen; hatte dreihundert vornehme Familien als Geisel nach Epirus geschickt, und lagerte sich jetzt nicht weit von der Stadt Pandosia, die zugleich die Lucanischen und Bruttischen Gränzen berührt, auf drei Hügeln, die einander nicht ganz nahe lagen, um von hier aus in alle Gegenden des feindlichen Gebietes Einfälle zu thun. Als eine Leibwache, auf die er sich verlassen zu können glaubte, dienten ihm beinahe zweihundert Lucanische Vertriebene, die sich aber, nach der gewöhnlichen Denkungart solcher Leute, mit ihrer Treue nach dem Glücke richteten.

Anhaltende Regengüsse, welche die sämtlichen Felder unter Wasser setzten, hatten dem dreifach getheilten Heere alle gegenseitige Hülfe unmöglich gemacht; die beiden Kohre, welche vom Könige getrennt waren, hatte ein unvermutheter feindlicher Angriff zu Grunde gerichtet, und kaum waren diese aufgerieben, so vereinigten sich die sämtlichen Feinde zur Einschließung des Königs. Nun beschickten die Lucanischen Vertriebenen die Ihrigen, und versprachen ihnen für die bedungene Wiederaufnahme, den König lebendig oder todt zu liefern. Der König, von seinem Muthe zu einer ausgezeichneten That beseelt, brach mit seinen Auserlesenen mitten durch die Feinde, erlegte den Feldherrn der Lucaner, der sich in Person mit ihm einließ, und indem er die durch die Flucht zerstreuten Seinigen sammelte, kam er an einen Strom, der ihm den Weg des Übergangs nur durch die noch frischen Trümmer der von der Gewalt des Wassers weggeführten Brücke bezeichnete. Als der Zug die unzuverlässigen Tiefen durchwatete, rief einer der Soldaten, der, von Furcht und Anstrengung erschöpft, den unglücklichen Namen des Flusses verwünschte: «Du heißest mit Recht Acheros!» Noch hörte der König den Klang dieser Worte, da fiel ihm augenblicklich die ihm gewordene Prophezeihung ein, und unschlüssig, ob er hinübergehen sollte, machte er Halt. Jetzt eröffnete ihm sein Waffenträger Sotimus, einer von den königlichen Edelknaben, mit der Frage, wie er im 198 entscheidenden Augenblicke einer so großen Gefahr zögern könne, den Anschlag der Lucaner auf sein Leben. Als der König zurückblickend sie aus der Ferne in geschlossener Schar anrücken sah, zog er sein Schwert und setzte zu Pferde mitten durch den Strom. Schon hatte er festen Boden gewonnen, als ihn ein Lucanischer Vertriebener mit einem Wurfpfeile von weitem durchbohrte. Den entseelten Körper des Gefallenen mit dem darin steckenden Geschosse führte der Strom unter die Posten der Feinde. Hier wurde der Leichnam jämmerlich zerfleischt. Sie hieben ihn in der Mitte durch, schickten die eine Hälfte nach Consentia, und behielten die andre, ihr Gespött damit zu treiben. Noch zielten sie darnach mit Pfeilen und Steinen, als eine Frau sich in den mit kaum glaublicher Unmenschlichkeit wüthenden Haufen wagte, etwas einzuhalten bat, und mit Thränen sagte: «Sie habe Mann und Kinder als Gefangene bei den Feinden; sie hoffe, für den königlichen Leichnam, so verstümmelt er sei, die Ihrigen zu lösen.» Nun hörte die Zerfleischung auf. Zu Consentia wurden die Körperreste von einer einzigen Frau bestattet, die Gebeine den Feinden nach Metapontum ausgeliefert und von da nach Epirus seiner Gemahlinn Cleopatra und seiner Schwester Olympias übersandt, von denen diese Alexanders des Großen Mutter, jene seine Schwester war. Mit diesen wenigen Worten glaubte ich mich über den traurigen Ausgang des Epirotischen Alexander auslassen zu dürfen, weil er, wenn ihn gleich sein Schicksal zu keinem Kriege mit den Römern kommen ließ, doch seine Kriege in Italien geführt hatte.

25. In eben diesem Jahre feierte man zu Rom, zum fünftenmale nach Erbauung der Stadt, ein Göttermahl, zur Versöhnung derselbigen Götter, denen man die vorigen geweihet hatte.

Als hierauf die neuen Consuln vermöge Befehls vom Gesamtvolke die Bundespriester mit der Kriegserklärung an die Samniten gesandt hatten, so trafen sie nicht allein selbst zu diesem Kriege größere Vorkehrungen, als gegen die Griechen, sondern es bot sich auch, da sie jetzt an 199 nichts weniger dachten, von einer andern Seite eine neue Hülfe. Die Lucaner und Apulier, Völker, welche mit den Römern bis jetzt in keiner Beziehung gestanden hatten, traten auf die Seite Roms, und versprachen zu diesem Kriege Waffen und Truppen. Sie wurden in einem Vertrage für Freunde erklärt. Zu gleicher Zeit hatten auch die Unternehmungen in Samnium glücklichen Erfolg. Man unterwarf sich drei Städte, Allifä, Callifä, Ruffrium; und auch das übrige Gebiet der Feinde wurde gleich mit der Ankunft der Consuln weit und breit verheert.

Bei dem glücklichen Gange dieses Krieges erreichte auch der andre mit den belagerten Griechen sein Ende. Denn außerdem, daß der eine Theil der Feinde durch die unterbrochene Verbindung zwischen ihren Werken vom andern abgeschnitten war, waren auch die Drangsale, die sie innerhalb ihrer Mauern auszustehen hatten, weit härter, als die, womit der Feind ihnen zusetzte, und sie mußten gleichsam als Kriegsgefangene ihrer eignen Besatzungen die empörendste Behandlung ihrer Kinder und Gattinnen und alles Äußerste dulden, was nur eroberten Städten begegnen kann. Da nun nach einem Gerüchte sowohl von Tarent, als von den Samniten, neue Hülfsvölker im Anzuge sein sollten, so hatten sie, ihrer Meinung nach, der Samniten schon mehr in ihren Mauern, als ihnen lieb war; nach den Tarentinischen Truppen hingegen sehnten sie sich, als Griechen nach Griechen, in der Hoffnung, sich durch diese eben so sehr der Samniten und Nolaner, als der feindlichen Römer zu erwehren. Zuletzt aber hielten sie die Übergabe an die Römer für das kleinste Übel.

Charilaus und Nymphius, die ersten Männer der Stadt, theilten sich nach einem verabredeten Plane in die Rollen der Ausführung: der eine sollte als Überläufer zum Römischen Feldherrn gehen; der andre, um von der Stadt aus dem Plane die Hand zu bieten, zurückbleiben. Charilaus – denn er war es, der zum Publilius Philo kam – begann mit dem Wunsche, «Daß aus seinem Entschlusse, «die Stadt zu übergeben, Glück, Heil und Segen für die Paläpolitaner und für das Römische Volk erwachsen 200 möge. Ob er sich durch diese That den Schein eines Verräthers seiner Vaterstadt, oder ihres Retters zuziehen werde, das hänge jetzt von der Rechtlichkeit der Römer ab. Für sich insbesondre habe er weder Bedingungen noch Bitten vorzutragen: für die Stadt aber wage er mehr die Bitte, als die Forderung, daß die Römer, wann das Vorhaben gelungen sein würde, sich lieber an die Bereitwilligkeit und an die Gefahr erinnern möchten, mit der sie zur Freundschaft zurückgekehrt sei, als an die thörichte Unbesonnenheit, mit welcher sie die friedlichen Gesinnungen verlassen habe.» Der Feldherr, der ihm seine Zufriedenheit bezeigte, gab ihm dreitausend Mann, sich des von den Samniten besetzten Theils der Stadt zu bemächtigen; und die Anführung dieses Kohrs bekam der Kriegstribun Lucius Quinctius.

26. Zu gleicher Zeit verleitete auch Nymphius den Prätor der Samniten durch seine List zu einem falschen Schritte. Er hatte ihm vorgestellt, weil jetzt das ganze Römische Heer entweder um Paläpolis, oder in Samnium stehe, so möge er ihn mit einer Flotte den Seitenweg gegen das Römische nehmen lassen, nicht bloß, um an der Küste, sondern selbst in der Nähe Roms zu plündern. Wenn er aber unbemerkt hinauskommen solle, müsse er bei Nacht absegeln, und jetzt gleich die Schiffe flott machen. Zur schnellern Ausführung wurde ihm die sämtliche Samnitische Mannschaft, die unentbehrlichste Bedeckung der Stadt ausgenommen, ans Ufer mitgegeben. Während hier Nymphius in dunkler Nacht und in einem sich selbst hindernden Gewühle von Menschen die Zeit absichtlich unter lauter einander aufhebenden Befehlen hinbrachte, ließ Charilaus, der von seiner Partei der Abrede gemäß in die Stadt eingelassen war, sobald er die Höhen der Stadt mit Römischen Soldaten besetzt hatte, ein Geschrei erheben, auf welches die Griechen nach einem Winke von ihren Führern sich ruhig verhielten. Die Nolaner rannten fliehend durch die entlegene Seite der Stadt auf die nach Nola führende Heerstraße. Die Samniten, von der Stadt ausgesperrt, fanden die Flucht für diesen 201 Augenblick, so viel weniger gehindert, allein, sobald sie der Gefahr entronnen waren, auch so viel trauriger: denn ohne Waffen und mit Zurücklassung jedes Eigenthums in Feindes Händen, kehrten sie zum Gespötte, nicht bloß des Auslandes, sondern ihrer eignen Mitbürger, geplündert und als Bettler in ihre Heimat zurück.

Ist mir gleich die andre Meinung nicht unbekannt, nach welcher die Stadt von den Samniten verrathen sein soll, so habe ich mich doch theils an Gewährmänner gehalten, welche glaubwürdiger sind; theils macht das Bündniß mit der Stadt Neapolis – denn sie wurde nachher der Hauptsitz des Großgriechischen States – es wahrscheinlicher, daß die Rückkehr zur Freundschaft ihr eignes Werk gewesen sei.

Dem Publilius wurde der Triumph zuerkannt; weil man überzeugt war, daß nur die Noth der Belagerung die Übergabe der Feinde bewirkt habe. Die zwiefache Auszeichnung, die diesem Manne wiederfuhr, war die erste dieser Art; die Verlängerung des Heerbefehls, die vor ihm noch keinem gegeben war, und der Triumph nach seinem Abgange vom Amte,

27. Gleich darauf entstand wieder ein Krieg, der mit den Griechen an der andern Küste. Denn als die Tarentiner, von denen die Paläpolitaner mit vergeblicher Hoffnung auf Hülfe eine Zeitlang hingehalten waren, jetzt erfuhren, daß die Römer die Stadt erobert hätten, so schalten sie auf die Paläpolitaner, gleich als wären sie von diesen im Stiche gelassen, und nicht diese von ihnen; auf die Römer wurden sie wüthend, vor Zorn und Neid; auch aus dem Grunde, weil sie hörten, daß die Lucaner und Apulier – denn in diesem Jahre kam mit beiden Völkern das Bündniß zu Stande – des Römischen Volks Schutzverwandte geworden waren. «Beinahe sei die Reihe nun an ihnen, und bald werde es dahin kommen, daß man die Römer entweder als Feinde, oder als Herren betrachten müsse. Die Entscheidung über ihre Lage hänge in der That nur von dem Samnitischen Kriege und seinem Ausgange ab. Dies einzige Volk sei noch übrig, und 202 noch dazu nach dem Abfalle der Lucaner nicht stark genug. Noch könne man diese wieder gewinnen und zur Aufhebung des Römischen Bündnisses vermögen, wenn man geschickt genug sei, Mishelligkeiten zu veranlassen.»

Da sie mit diesen Anschlägen bei denjenigen Lucanern, welche eine Abänderung des Statsverhältnisses wünschten, Eingang fanden, so zerpeitschten einige bestochene junge Lucaner, die unter ihren Landsleuten mehr in Ruf, als ehrenvollem Namen standen, sich unter einander mit Ruthen, stellten sich mit entblößtem Körper der Bürgerversammlung dar und schrieen, weil sie es gewagt hätten, das Römische Lager zu betreten, habe sie der Consul mit Ruthen peitschen und beinahe mit dem Beile hinrichten lassen. Da der an sich scheußliche Anblick für eine erlittene Mishandlung weit scheinbarer sprach, als für einen Betrug, so zwang die aufgebrachte Menge durch ihr Geschrei die Obrigkeit, den Senat zu berufen; ein Theil umringte die Rathsversammlung und forderte Krieg gegen Rom; ein andrer zerstreuete sich, um die Leute auf dem Lande zur Ergreifung der Waffen aufzuwiegeln; und da der Auflauf auch die Vernünftigen um die Fassung brachte, so wurde beschlossen, das Bündniß mit den Samniten zu erneuern und deshalb eine Gesandschaft abgehen zu lassen. Weil eine so unerwartete Veränderung eben so sehr Mistrauen einflößen mußte, als sie ohne Veranlassung war, so wurden sie von den Samniten genöthigt, Geisel zu geben, und in ihre festen Plätze Besatzungen aufzunehmen; und geblendet von Betrug und Erbitterung verstanden sie sich zu Allem. Bald nachher kam es mit der Betriegerei dadurch zur Aufklärung, daß die Erfinder jener falschen Beschuldigungen nach Tarent auswanderten: jetzt aber blieb den Lucanern, da sie alle Selbstständigkeit weggegeben hatten, nichts übrig, als eine vergebliche Reue,


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