Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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13. Die Menge der Feinde, auf nichts, als ihre Anzahl, sich verlassend und beide Linien nur mit den Augen messend, fing die Schlacht ohne Besonnenheit an und gab sie ohne Besonnenheit auf. Nur zum Geschreie, zum Gebrauche ihrer Wurfgeschosse und im ersten Angriffe der Schlacht voll Muth, konnte sie die Schwerter, das Standgefecht und das von Kampflust blitzende Auge des Feindes nicht ertragen. Ihre Vorderreihe wurde zurückgedrängt, die Verwirrung verbreitete sich auf das Hintertreffen, und die einhauende Reuterei vermehrte den Schrecken. Da wurden ihre Glieder auf mehrern Punkten durchbrochen, keine Stellung behauptet und auf der ganzen Linie zeigte sieh eine wogende Bewegung. Als endlich nach dem Falle des 23 Vordermanns jeder das Gemetzel auf sich hereinbrechen sah, kehrten sie dem Feinde den Rücken. Die Römer hinterdrein; und so lange der Feind, noch bewaffnet und in Haufen, abzog, war das Fußvolk an der Reihe des Verfolgens: als man aber allenthalben die Waffen sinken und die feindliche Linie auf der Flucht sich über die Felder zerstreuen sah; da wurden die Geschwader der Reuterei in Flug gesetzt, die den Befehl hatten, nicht etwa dadurch, daß sie beim Niederhauen der Einzelnen verweilten, die Menge entkommen zulassen; es sei hinlänglich, durch Pfeile und drohenden Angriff sie im Laufe zu hindern und durch bloßes Entgegensprengen den Zug aufzuhalten, bis das Fußvolk nachkommen und durch ein vollständiges Gemetzel den Feind vertilgen könne.

Flucht und Verfolgung nahmen vor Nacht kein Ende; auch wurde noch an diesem Tage das Lager der Volsker erobert und geplündert, und die sämtliche Beute, mit Ausnahme der Freigebornen, dem Soldaten überlassen. Der größte Theil der Gefangenen bestand aus Latinern und Hernikern, und zwar nicht aus geringen Leuten, von denen man hätte glauben können, daß sie um Sold gedient hätten, sondern man fand junge Männer vom ersten Range, zum offenbaren Beweise, daß ihr Stat Roms Feinden, den Volskern, diese Hülfe bewilligt habe. Auch erkannte man Bürger von Circeji und Pflanzstädter von Veliträ; und als sie sämtlich nach Rom geschickt waren, bestätigten sie vor den Ersten der Väter auf geschehene Nachfrage, was sie schon dem Dictator gestanden hatten, jeder in unzweideutiger Aussage den Abfall seines Volks.

14. Der Dictator hielt sein Heer im Standlager, in der gewissen Erwartung, daß die Väter den Krieg mit diesen Völkern genehmigen würden, als ein größerer zu Hause ausgebrochener Sturm seine Zurückberufung nach Rom gebot, wo eine Gegenpartei, die durch ihr Oberhaupt eine mehr als gewöhnliche Furcht erregte, täglich weiter um sich griff. Denn schon waren nicht bloß die Reden des Marcus Manlius, sondern auch seine Handlungen von der Art, daß sie unter dem Scheine, ihn als Volksfreund 24 darzustellen, wenn man ihre Absicht erwogIch lese statt intuenda mit Gronov, Drakenborch, Crevier und Stroth: intuenti., einen Aufruhr bezweckten. Einen Hauptmann, dem seine Kriegsthaten Ruhm erworben hatten, sah er Schulden halber verurtheilt wegführen, kam in der Mitte des Markts mit seiner Schar herzugelaufen, setzte sich mit Gewalt gegen die Abführung, und nachdem er sich laut über die Tyrannei der Väter, die Grausamkeit der Wucherer, das Elend der Bürger, und über die Verdienste und das Schicksal des Mannes herausgelassen hatte, sprach er: «Dann müßte ich wahrhaftig mit dieser Rechten Capitol und Burg umsonst gerettet haben, wenn ich zusehen kann, wie mein Mitbürger und Schlachtgenoß gleich als von siegenden Galliern gefangen, zu Sklaverei und Banden weggeschleppt wird.» Dann bezahlte er vor allem Volke dem Gläubiger die Schuld, und gab den durch feierlich dargewogene Zahlung Gelöseten frei, der nunmehr Götter und Menschen beschwur, «sie möchten dem Marcus Manlius, seinem Befreier, dem Vater des Römischen Bürgerstandes, dies nicht unvergolten lassen.» Sogleich in den aufrührerischen Haufen aufgenommen, vermehrte nun auch dieser den Aufruhr dadurch, daß er seine im Vejentischen, Gallischen und in mehrern andern Kriegen erhaltenen Wunden aufwies. «Bei seinen Kriegsdiensten,» sagte er, «bei dem Wiederaufbaue seines zerstörten Hauses, wären die Schulden, deren Capital er vielfach abbezahlt habe; dadurch daß die Zinsen das Capital immer wieder verschlungen hätten, über ihm zusammengeschlagen. Daß er das Tageslicht sehe, den Markt, das Antlitz seiner Mitbürger, sei das Werk des Marcus Manlius: alle Wohlthaten, die man Ältern verdanke, verdanke er ihm: «ihm gelobe er den Rest seiner Körperkraft, seines Lebens, seines Blutes zum Eigenthum: alle die Verpflichtungen, die er gegen Vaterland, gegen die Schutzgötter des Stats und seines Hauses gehabt habe, habe er jetzt gegen den einzigen Mann.»

25 Durch solche Reden begeistert, gehörten die Herzen des Volks schon dem Einzigen, der nun nach einem für die beabsichtigte Umwälzung des Ganzen noch wirksamerenStroth sagt in seiner Anmerkung zu dieser Stelle, in der er meiner Meinung nach die Lesart commotioris mit Recht verwirft: «Angenommen, daß das Wort commotioris so viel bedeuten soll, als commoventioris, Quid tum hoc ipsum commovens aliud esset, quam turbans?» Und damit erklärt er den Pleonasmus in den Worten consilium, maiorem vim turbandi ad turbanda omnia habens, mit Recht für unerträglich. Allein ich nehme dies commoventioris, das ich für die richtige Lesart halten möchte, in Schutz, und erwiedere auf Stroths Frage: Quid aliud, quam efficacioris, magis promoventis, proficientis? Denn commotus ira ist ja noch nicht gerade zu so viel als turbatus ira. Dies letztere sagt mehr; dahingegen commotus ira nur den bezeichnet, auf den der Zorn gewirkt hat. So führt Oesner aus Liv. 3o. . . an: Posteaquam nihil commovebant, und setzt sehr richtig hinzu: i. e. nihil proficiebant verbis; und aus Cic. de Or. 2. Facilius est currentem incitare, quam commovere languentem. Auch hier darf man ja unter commovere durchaus kein turbare verstehen; Wenn also commoventior so viel heißen kann, als magis promovens, oder efficacior, so wäre selbst Stroths Wunsch erfüllt, der am Ende seiner Note sagt, es müsse hier ein Wort stehen, das so viel bedeute, als efficax, maiorem vim habens. So erklärt auch A. W. Ernesti im Glossar. Liv. die Lesart commotius durch vehementius atque adeo efficacius ad turbas movendas. Plane einen neuen Auftritt folgen ließ. Er unterwarf das Hauptstück seines Vermögens, sein im Vejentischen belegenes Grundstück, dem Ausgebote zur Versteigerung, mit der Angabe: «Nein! ich kann es nicht geschehen lassen, ihr Quiriten, daß einer von euch, so lange von meinem Vermögen noch das Mindeste übrig ist, als Verurtheilter oder in die Sklaverei Hingegebener weggeführt werde.» Dies vollends entflammte die Gemüther so, daß sie bereit schienen, dem Retter ihrer Freiheit zu jeder, erlaubten und unerlaubten, That zu folgen.

Außerdem hielt er in seinem Hause, wo er als zu einer Versammlung sprach, Vorträge, voll von Beschuldigungen gegen die Väter; und da er hier manches vorbrachte, ohne daß es ihm auf Wahrheit oder Unwahrheit ankam, so ließ er sich auch verlauten, «daß die Väter das gesammelte Gallische Gold versteckt hielten. Schon sei ihnen der Besitz der Statsländereien nicht genügend, wenn sie nicht auch öffentliche Gelder unterschlügen. Wenn dieser Umstand aufgedeckt würde, so könne der Bürgerstand aus allen Schulden kommen.» Bei dieser 26 vorgespiegelten Hoffnung fanden es die Leute vollends unwürdig, daß sie damals, als zur Loskaufung des Stats von den Galliern das Gold habe aufgebracht werden müssen, dies durch auferlegte Steuer zusammengeschossen hatten, und daß nun eben dies den Feinden wieder abgenommene Gold einigen Wenigen zur Beute geworden sei. Also drangen sie mit Fragen in ihn, wo denn ein so wichtiger Unterschleif verheimlicht werde. Und da er auswich und es zu seiner Zeit anzuzeigen versprach, so beschäftigten sich aller Gedanken, mit Zurücksetzung alles Übrigen, nur hiermit: und offenbar versprach ihm die Wahrheit seiner Aussage nicht geringe Liebe, war sie aber falsch, nicht weniger Feinde.

15. Bei dieser erwartungsvollen Lage der Dinge kam der vom Heere abgerufene Dictator zur Stadt. Nachdem er in einer am folgenden Tage gehaltenen Senats Versammlung die Gesinnungen gehörig geprüft, und dem Senate befohlen hatte, ihm nicht von der Seite zu gehen; ließ er, gedeckt von dieser Schar, seinen Stuhl auf dem Vorplatze aufpflanzen und beschickte den Marcus Manlius durch einen Gerichtsboten. Auf den Befehl des Dictators, zu erscheinen, gab dieser seiner Partei das Zeichen, des Kampfes gewärtig zu sein, und kam mit einem zahlreichen Gefolge vor den Richterstuhl. Dort hatte sich der Senat, hier das Volk, wie in Schlachtordnung aufgestellt, und hier und dort wandte jeder den Blick auf seinen Führer. Nach gebotener Stille sprach der Dictator:

«Möchten ich und die Väter Roms in allen übrigen Stücken eben so mit den Bürgern einverstanden sein, als wir nach meiner festen Überzeugung in Betreff deiner und über den Punkt einverstanden sein werden, über den ich dich jetzt zu vernehmen habe. Es ist erwiesen, daß du der Bürgerschaft Hoffnung gemacht hast, die Schulden könnten, ohne Nachtheil für den Credit, von dem Gallischen Schatze, den die Vornehmsten der Väter verheimlichen sollen, bezahlt werden. Dies zu verhindern bin ich so weit entfernt, daß ich dich vielmehr auffordere, Marcus Manlius, die Bürger Roms von dem 27 Zinsendrucke zu befreien, und jene Ungeheuer, die auf diesem dem State gehörigen Schatze brüten, von dem verheimlichten Raube herabzuwälzen. Thust du das nicht, so werde ich dich, entweder als Selbsttheilnehmer am Raube, oder deiner falschen Angabe wegen, ins Gefängniß führen lassen, und nicht länger zugeben, daß der große Haufe von dir durch triegliche Hoffnungen aufgewiegelt werde.»

Hierauf erwiederte Manlius: «Es sei ihm nicht entgangen, daß der Dictator nicht gegen die Volsker ernannt sei, die so oft Feinde sein müßten, als es den Vätern zuträglich sei, auch nicht gegen die Latiner und Herniker, welche man durch falsche Beschuldigungen in die Waffen jage, sondern gegen ihn und den Römischen Bürgerstand. Schon wende man mit Beiseitsetzung eines Krieges, den man nur vorgegeben habe, sich gegen ihn; schon bekenne sich der Dictator zum Beschützer der Wucherer gegen die Borger; schon suche man in der Liebe des Volks zu ihm ein Verbrechen und sein Verderben. Ist dir,» fuhr er fort, «Aulus Cornelius, und euch, ihr versammelten Väter, die meine Person umschließende Menge anstößig? Warum leitet ihr sie nicht, Jeder durch seine Wohlthaten, von mir ab, wenn ihr für sie als Vermittler aufträtet, eure Mitbürger dem Spannstocke entrisset, es verhindertet, daß sie nicht verurtheilt und als Sklaven abgeführt werden, und von dem, was euren Reichthümern zuströmt, die Bedürfnisse eures Nächsten decktet? Doch was ermahne ich euch, vom Eurigen aufzuwenden? Setzt endlich einmal die Schuldsumme festIch folge der durch Handschriften bestätigten, von Drakenborch nicht widerlegten, auch von Stroth aufgenommenen Gronovischen Lesart aliquam, und der Erklärung von Doujat: Offerte certam aliquam summam, quae semper eadem sit, nec per accessionem usurarum in dies crescat. So scheinen auch Gronov und Crevier die Stelle zu verstehen.; zieht, was an Zinsen abbezahlt ist, vom Capitale ab: und meine Umgebung wird sich vor der eines jeden Andern nicht auszeichnen. Wie aber? warum trage denn ich allein diese Sorge für meine Mitbürger? Hierauf wüßte ich eben so wenig zu antworten, als wenn mich jemand 28 fragte, warum denn ich so allein Capitol und Burg gerettet hätte. Damals ließ ich die Hülfe, die in meinem Vermögen stand, Allen angedeihen, und jetzt will ich sie den Einzelnen angedeihen lassen. Was nun die Gallischen Gelder anbetrifft, so macht bloß eure Frage die an sich leichte Sache schwierig. Denn warum fragt ihr nach etwas, das ihr wisset? warum verlangt ihr, statt selbst die Sache darzulegen, daß wir euch die Falte, in der ihr sie versteckt haltet, ausschütteln sollen, wenn nicht ein Betrug dahinter steckt? Je mehr ihr darauf dringt, daß man euch eure Taschenspielerkniffe angeben soll, je mehr fürchte ich, daß ihr euren Beobachtern sogar die Augen gestohlen habt. Folglich muß nicht ich dazu gezwungen werden, euren Raub euch nachzuweisen, wohl aber ihr dazu, ihn herauszugeben.»

16. Als er auf die Weisung des Dictators, die Umschweife fahren zu lassen, und auf die Zunöthigung, entweder die Wahrheit seiner Aussage darzulegen, oder sich des Verbrechens schuldig zu erklären, den Senat fälschlich verläumdet und ihm einen erlogenen Diebstahl aufgebürdet zu haben, zur Antwort gab, Er lasse sich von seinen Feinden nicht vorschreiben, was er reden solle, so befahl der Dictator, ihn ins Gefängniß zu führen. Vom Gerichtsdiener ergriffen rief er: «Allmächtiger Jupiter! Königinn Juno! du, Minerva! und ihr Götter und Göttinnen alle, die ihr das Capitol und die Burg bewohnt, so lasset ihr euren Krieger und Beschützer so von seinen Feinden mishandeln? Diese Rechte, mit der ich die Gallier von euren Tempeln hinabschleuderte, soll von jetzt an in Fesseln und Ketten sein?»

Jedes Auge und Ohr fühlte sich durch den empörenden Auftritt beleidigt. Allein die Bürgerschaft, gewohnt einer gerechten Regierung sich mit größter Willigkeit zu fügen, hatte gewisse Statsämter selbst gegen ihren Eingriff gesichert, und so wagten gegen die dictatorische Gewalt weder die Bürgertribunen, noch die Bürger selbst einen dreisten Blick oder ein lautes Wort.

Als Manlius ins Gefängniß geworfen war, legte ein 29 großer Theil des Bürgerstandes, laut einstimmigen Nachrichten, Trauerkleider an; eine Menge Menschen ließ Bart und Hare wachsenLivius selbst hat uns oben V. 41. erzählt, daß die Römer damals Bärte trugen, und wir wissen auch aus Plinius VII. 59. daß sie erst um das J. R. 434., also ungefähr 100 Jahre nach den Zeiten des Camillus und Manlius sich scheren ließen. Stroth glaubt ihn also von dieser scheinenden Zeitverrechnung durch die Behauptung zu retten, Livius sei als Geschichtschreiber nur verpflichtet, das Gerippe oder die Grundzeichnung seiner Erzählung der geschichtlichen Zeitfolge getreu zu geben, Fleisch aber und Farben könne er, seinen eignen Zeiten gemäß auftragen, wenn er auch hierin jener früheren Zeit widerspräche, ohne darum Tadel zu verdienen. Ich glaube, Stroth selbst würde bei seinem Gefühle für Wahrheit und. Schönheit es einem Mengs nicht verziehen haben, wenn ihm dieser eine Belagerung Jerusalems mit Kanonen, oder den Arion auf dem Delphin mit einer Geige in der Hand gegeben hätte. Und Livius ist auch ein Mengs. Ich setze also lieber aus Drakenborchs Note zu II. 23. 4. eine meiner Meinung nach gültigere Entschuldigung für unsern Livius hieher. «Ließen gleich, in jenen frühen Zeiten die Römer Bart und Hare wachsen, so versteht es sich doch, nicht so lang, als sie immer wachsen mochten, sondern bis zu einer Länge, wie die jedesmalige Mode sie forderte. Sie stutzten beides bald etwas länger, bald kürzer ein, und es war immer noch barba et coma promissa, im Gegensatze mit einer Tonsur. Folglich zeichneten die, die sich in Trauer zeigen wollten, sich immer noch dadurch aus, daß sie Bart und Hare länger wachsen ließen, als andre Leute.» Dieser Meinung ist auch Crevier. und Betrübte gingen in Haufen vor dem Eingange des Kerkers auf und ab. Der Dictator triumphirte über die Volsker, und sein Triumph gereichte ihm mehr zum Vorwurfe, als zum Ruhme. Denn man rief laut, «er habe ihn in Rom, nicht im Felde erworben, und über einen Mitbürger, nicht über den Feind, gehalten. Das Eine habe seinem Übermuthe noch gefehlt, daß Marcus Manlius nicht vor dem Wagen voraufgeführt sei.» Und schon standen die Sachen nahe zum Aufruhre, als der Senat, ihn durch ein gelindes Mittel abzuwenden, ohne daß es jemand forderte, unerwartet den freiwilligen Geber machte. Er gab den Befehl, zweitausend Römische Bürger als Pflanzer nach Satricum auszuführen, mit der Anweisung für jeden auf dritthalb Morgen Landes. Da man dies aber als eine Kleinigkeit, als ein nur Wenigen ertheiltes Geschenk, und als einen Preis betrachtete, um welchen man den Manlius sinken lassen sollte, so wurde das Gegenmittel ein Sporn zum Aufruhre. Theils machten die Anhänger des Manlius, in der Trauer ihres Aufzugs und 30 Blicks den Angeklagten gleich, diese Auszeichnung immer auffallender; theils gestattete die nach dem Triumphe durch Niederlegung der Dictatur geschwundene Furcht den Leuten freiere Sprache und freieren Muth.

17. Folglich hörte man ihre Äußerungen ganz öffentlich, in welchen sie dem Volke einen Vorwurf daraus machten, «daß es jedesmal durch seinen Beifall seine Vertheidiger auf eine steile Höhe emporhebe, und sie dann in der dringendsten Gefahr im Stiche lasse. So sei Spurius Cassius unglücklich geworden, weil er den Bürgerstand zum Ackerbesitze eingeladen habe; eben so Spurius Mälius, weil er sein Geld daran gewandt habe, den Hunger vom Munde seiner Mitbürger zu verscheuchen; so sei Marcus Manlius seinen Feinden geopfert, weil er den unter Schulden versunkenen und vergrabenen Theil der Bürgerschaft wieder zur Freiheit und an das Tageslicht habe hervorziehen wollen. Der Bürgerstand mäste seine Volksfreunde, um sie schlachten zu lassen. Ob ein Consular sich so behandeln zu lassen brauche, weil er nicht gleich auf den Wink eines Dictators geantwortet habe? Angenommen, er habe zuvor gelogen, und darum nicht gewußt, was er jetzt antworten sollte: ob denn je ein Sklave einer Lüge wegen in Fesseln geworfen sei? Ob ihnen nicht das Andenken jener Nacht vorgeschwebt habe, die beinahe die letzte und ewige Nacht des Römischen Namens geworden sei? nicht das Bild, der am Tarpejischen Felsen heransteigenden Schar der Gallier? nicht des Marcus Manlius selbst, wie sie ihn in seinen Waffen, von Schweiß und Blut überdeckt gesehen hätten, als er jetzt, man möchte sagen, den Jupiter selbst den Händen der Feinde entrissen hatte? Ob sie etwa mit ihren halben Pfunden Mehl dem Retter des Vaterlandes vergolten hätten? Ob sie zugeben wollten, daß ein Mann, den sie beinahe zu einem der Himmlischen, wenigstens durch seinen Zunamen dem Capitolinischen Jupiter gleich gemacht hätten, gefesselt im Kerker, in Finsterniß, bei jedem Athemzuge von der Willkür des Henkers abhängig sein solle? So viele Hülfe habe Allen dieser Eine leisten 31 können, und so ganz und gar keine finde sich, bei so Vielen für den Einen?»

Schon verlief sich ihr Haufe nicht einmal zur Nachtzeit von diesem Platze, und sie droheten, den Kerker zu erbrechen, als vermöge eines Senatschlusses, in welchem man ihnen nachließ, was sie schon sich selbst ertrotzen wollten, Manlius aus dem Gefängnisse losgegeben ward; eine Maßregel, die nicht den Aufruhr stillete, sondern dem Aufruhre ein Oberhaupt gab.

In diesen Tagen erhielten die Latiner und Herniker, und zugleich die Pflanzstädter von Circeji und Veliträ, die sich von dem den Volskerkrieg betreffenden Vorwurfe reinigen wollten und um die Auslieferung der gefangenen Ihrigen baten, um sie nach eignen Gesetzen zu bestrafen, eine sehr unfreundliche Abfertigung; eine noch härtere die Pflanzstädter, weil sie sich als Römische Bürger so unverantwortlich auf Angriffe gegen ihr Vaterland eingelassen hätten. Man verweigerte ihnen also nicht nur die Gefangenen, sondern ließ ihnen im Namen des Senats andeuten – doch gegen die Bundsgenossen entsah man sich dieser Erklärung – sofort die Stadt zu räumen, und sich nicht vor den Augen des Römischen Volks sehen zu lassen, damit nicht etwa der Schutz des Gesandschaftsrechts bei ihnen ungültig werde, da dieser nur Auswärtigen, nicht aber Bürgern zum Besten aufgestellet sei.

18. Als der Mantianische Aufruhr wieder zum Ausbruche stand, wurde am Ende des Jahrs der Wahltag gehalten, und aus den Vätern zu Kriegstribunen mit Consulgewalt Servius Cornelius Maluginensis zum drittenmale gewählt, Publius Valerius Potitus zum zweitenmale, Marcus Furius Camillus zum sechstenmaleDaß hier die Zahl vom Livius angegeben sei, sieht man schon daraus, daß 9 Handschriften bei Drakenborch Quintus oder Q. lesen, weil frühere Abschreiber von der Zahl VI. den letzten Strich übersehen hatten, und spätere dann einen falschen Vornamen aus quintum machten. In andern hingegen trug der folgende Vornamen Ser. dazu bei, das recht geschriebene sext, zu verdringen., Servus Sulpicius Rufus zum zweitenmale, Cajus Papirius Crassus, Titus Quinctius Cincinnatus zum andernmale.

32 Der auswärtige Friede, den der Anfang dieses Jahrs gewährte, war den Vätern sowohl, als dem Bürgerstande sehr willkommen; dem Bürgerstande, weil er, durch keine Werbung abgerufen, die Hoffnung faßte, sich unter einem so mächtigen Führer die Befreiung von Schulden zu erkämpfen; den Vätern, weil sie durch keine auswärtige Drohung von der Aufmerksamkeit auf die Heilung der innern Übel abgezogen wurden. Da also beide Parteien sich mit weit größerem Eifer aufmachten, so stellte sich auch Manlius zum herannahenden Kampfe. Nachdem er die Bürgerlichen in sein Haus berufen hatte, rathschlagte er mit den Ersten unter ihnen Tag und Nacht über Entwürfe zu einer Regierungsveränderung, weit unternehmender und aufgebrachter, als er vorhin gewesen war. Den Zorn hatte in dem Gemüthe eines Mannes, dem Schmach vorher unbekannt gewesen war, die neuliche Beschimpfung entflammt: Muth machte ihm der Gedanke, theils daß sich der Dictator gegen ihn nicht dasselbe erlaubt habe, was Quinctius Cincinnatus an einem Spurius Mälius vollzogen habe; theils daß dem aus seiner Verhaftung erwachsenden Hasse nicht allein der Dictator durch Niederlegung seiner Dictatur ausgewichen sei, sondern auch nicht einmal der Senat habe Trotz bieten wollen. Hiedurch zugleich aufgeblasen und erbittert sprach er zu den von selbst schon entglüheten Herzen der Bürger noch in folgenden Aufforderungen:

«Wie lange wollt ihr denn eigne Kräfte verkennen, die nach dem Willen der Natur nicht einmal den Thieren unbekannt sein sollten. Zählt doch wenigstens, wie viele eurer sind, und wie viele Gegner ihr habtDer Satz: Quot enim clientes etc. ist kein Beweis für den unmittelbar vorhergehenden: Si singuli singulos etc., sondern für den früheren: Numerate saltem etc. Darum erinnert Crevier, wenn man die Sätze in der angenommenen Ordnung stehen lassen wolle, so müsse man vor den Werten: Quot enim clientes ein ganzes Glied des Schlusses einschieben, etwa so eins: Aber die Sache verhält sich ganz anders: denn so viele eurer sonst als Clienten etc. Ich möchte fast vermuthen, daß der Abschreiber, nachdem er das Wort habea tis geschrieben hatte, durch die Endung getäuscht, geglaubt habe, er habe schon den Satz adversus unum hostem eri tis beendet. Folglich ließ er die Worte: Quot enim bis hostem eritis weg, und schob sie, als er nachher seinen Fehler entdeckte, hinter dem Satze: Si singuli bis certaturos ein. Dann würden die Sätze im besten Zusammenhange so auf einander folgen: «Zählt doch wenigstens, wie viele eurer sind, und wie viele Gegner ihr habt. Denn so viele eurer sonst als Schutzbedürftige einen einzigen Schutzherrn umstanden, so viele werden eurer jetzt gegen Einen Feind sein. Wenn ihr aber auch Mann gegen Mann auftreten müßtet, so würde ich doch glauben,» u. s. w. Sollte diese Versetzung zu gewagt scheinen, so ließe sich auch annehmen, daß vor den Worten Si singuli singulos ein etsi gestanden habe. Dann würde dieser Satz sich als Parenthese dicht an den voraufgehenden anschließen; und so habe ich hier, um die größere Versetzung zu vermeiden, übersetzt. Daß aber die vielen gleichlautenden Endungen in den Worten sitis, habeatis, essetis, eritis für die Abschreiber eine Klippe werden konnten, beweiset Drakenborch durch die Bemerkung, daß wirklich 2 Handschriften die Worte: Si singuli singulos aggressuri essetis ganz ausgelassen haben.; ob ich 33 gleich, wenn ihr Mann gegen Mann auftreten müßtet, euch zutrauen dürfte, daß ihr eifriger für eure Freiheit streiten würdet, als sie für ihre Herrschaft, Denn so viele eurer sonst als Schutzbedürftige einen einzigen Schutzherrn umstanden, so viele werden eurer jetzt gegen Einen Feind sein. Zeigt nur den Krieg, und ihr werdet Frieden haben. Laßt sie sehen, daß ihr zur Gewalt entschlossen seid, so werden sie selbst ihre Ansprüche fallen lassen. Entweder müßt ihr als Gesamtheit etwas wagen, oder jeder Einzelne sich Alles gefallen lassen. Wie lange wollt ihr euch nach Hülfe bei mir umsehen? Ich werde zwar keinem von euch entstehen; sehet ihr aber dahin, daß mir das Glück nicht entstehe. Ich, euer Retter, war im Augenblicke, sobald es meinen Feinden beliebte, in ein Nichts verwandelt; und ihr Alle sahet den in Fesseln legen, der von jedem unter euch die Fesseln abgewehrt hatte. Was habe ich zu hoffen, wenn sich meine Feinde noch mehr gegen mich erlauben sollten? Soll ich dem Ende eines Cassius, eines Mälius entgegen sehen? Ganz recht, daß ihr verabscheuend ausrufet: ««Das werden die Götter verhüten!»» allein sie werden nie meinetwegen vom Himmel steigen. Euch müssen sie den Sinn verleihen, dies nicht zuzugeben, so wie sie mich in den Waffen und in der Toga beseelten, euch von wilden Feinden, euch von übermüthigen Bürgern zu retten. Hat ein so großes Volk so wenig Muth, daß ihr euch immer am bloßen Beistande gegen eure Feinde genügen lasset, und 34 weiter keinen Streit mit den Vätern kennet, als den, in wie weit ihr euch von ihnen beherrschen lassen wollet? Auch liegt das nicht von Natur in euch, sondern ihr lasset euch in Beschlag nehmen, weil ihr es gewohnt seid. Denn warum habt ihr gegen Auswärtige so viel Muth, daß ihr glaubt, es gebühre euch, sie zu beherrschen? Weil ihr gewohnt seid, mit diesen um die Oberherrschaft zu kämpfen; gegen jene die Freiheit mehr zu versuchen, als zu behaupten. Demungeachtet habt ihr, was ihr auch für Anführer hattet, und wie es immer um euch selbst stehen mochte, bisher alles, was ihr fordertet, entweder durch Gewalt, oder durch euer Glück erlangt. Es ist Zeit, sich auch an größere Dinge zu machen. Stellt nur euer Glück auf die Probe, und mich, euren, wie ich hoffe, schon glücklich Bewährten. Mit geringerer Mühe werdet ihr den aufstellen, der über die Väter herrschen soll, als ihr bisher diejenigen aufstelltet, die den Herrschenden Trotz bieten sollten. Die Dictaturen und Consulate müssen dem Boden gleichgemacht werden, damit der Römische Bürgerstand sein Haupt erheben könne. Also stellet euch ein! lasset es in den Geldangelegenheiten zu keinem Rechtsspruche kommen! Ich erkläre mich für den Schutzherrn des Bürgerstandes, mit welchem Namen mein Eifer und meine Treue mich schon bekleidet. Wollt ihr aber euren Führer mit einem Titel belegen, der auf eine ausgezeichnete Macht und Würde deutete, so werdet ihr euch seiner zur Erlangung dessen, was ihr wünscht, mit so viel größerem Nachdrucke bedienen können.»

Und hierauf sollen nun die Entwürfe zu einer königlichen Regierung in Anregung gekommen sein: allein mit wem, und wie weit sie gediehen seien, darüber sind die Nachrichten nicht deutlich genug.

19. Auf der andern Seite kamen die Winkelversammlungen der Bürgerlichen in einem Privathause, das noch dazu auf der Burg lag, und die der Freiheit drohende Gefahr im Senate zur Beratschlagung. Ein großer Theil rief laut: «Hier bedürfe es eines Servilius Ahala, der einen Statsfeind nicht durch den Befehl, ihn zu verhaften, reize, 35 sondern durch Aufopferung Eines Bürgers den inneren Krieg beende.» Man ging aber zu einem andern Vorschlage über, der den Worten nach gelinder, übrigens von gleichem Nachdrucke war: «Die Obrigkeiten hätten dahin zu sehen, daß der Stat durch die verderblichen Anschläge des Marcus Manlius nicht gefährdet werde.» Und nun überlegten die Consulartribunen, so wie die Bürgertribunen – – denn auch diese hatten sich, weil sie ihre Gewalt, so wie die Freiheit Aller, mit gleichem Ende bedroht sahen, dem Gutachten des Senats gefügt – – sie Alle, sage ich, überlegten jetzt gemeinschaftlich, was zu thun sei. Da nun Keiner auf einen andern Ausweg, als Gewalt und Mord, verfiel, und man gleichwohl einsah, daß hiermit ein allgemeiner Kampf verbunden sein werde, so sprachen die Bürgertribunen Marcus Mänius und Quintus Publilius: «Warum machen wir das zu einem Streite zwischen Vätern und Bürgern, was eigentlich der ganze Stat gegen Einen verderblichen Bürger auszufechten hat? Warum greifen wir den und den Bürgerstand zugleich an, den wir sicherer durch den Bürgerstand selbst angreifen können, um ihn unter der Last seiner eignen Macht stürzen zu lassen? Unser Plan wäre der, ihm einen Klagetag zu setzen. Nichts ist mit der Liebe des Volks weniger verträglich, als Absicht auf den Thron. Sobald jene Menge sehen wird, daß der Kampf nicht ihr gilt; sobald die Bürger aus seinen Beiständen zu seinen Richtern gemacht werden, sobald sie bürgerliche Kläger und einen patricischen Beklagten vor Augen haben, und die Absicht auf den Thron als Beschuldigung vor ihnen daliegt, so werden sie für Niemand so innig Partei nehmen, als für ihre eigne Freiheit.»

20. Da ihnen Alle beipflichteten, so setzten sie dem Manlius einen Klagetag. Dies Verfahren erregte gleich anfangs den Unwillen der Bürger, vollends als sie den Beklagten in Trauerkleidung und mit ihm nicht nur keinen von den Vätern sahen, sondern auch keinen seiner Blutsfreunde und Verwandten, ja endlich nicht einmal seine Brüder; die beiden Manlier, Aulus und Titus; da es bis 36 auf diesen Tag noch nie der Fall gewesen war, daß in einer so großen Gefahr nicht zugleich die nächsten Verwandten die Kleidung verändert hätten. «Als Appius Claudius ins Gefängniß geführt sei, habe sich Cajus Claudius, sein Feind, und das ganze Claudische Geschlecht in Trauerkleidern gezeigt. Es sei Verabredung, den Mann als Volksfreund zu unterdrücken, weil er der erste sei, der von den Vätern zum Bürgerstande übergetreten sei.»

Was dem Beklagten, als jener Tag erschien, außer den Versammlungen des großen Haufens, seinen aufrührischen Äußerungen, seinen Schenkungen und außer jener falschen Anzeige, in näherem Bezuge auf die ihm angeschuldigte Absicht auf den Thron, von seinen Anklägern vorgeworfen sei, finde ich von niemand angegeben. Doch bin ich außer Zweifel, daß es nicht unbedeutend gewesen sein muß, da der Grund, warum das Volk mit seiner Verdammung Anstand nahm, nicht in seiner Sache, sondern im Orte lag. Um aber die Welt erfahren zu lassen, was für herrliche und große Auszeichnungen die unselige Begierde nach dem Throne nicht bloß unverdienstlich, sondern selbst verhaßt werden ließ, mag Folgendes nicht unaufgezeichnet bleiben. Er soll beinahe vierhundert Menschen vorgeführt haben, denen er Geld ohne Zinsen geliehen, denen er ihr Eigenthum von der Versteigerung, die er selbst von der Übergabe in die Sklaverei gerettet hatte. Außerdem soll er seine Ehrenzeichen aus dem Kriege nicht bloß erwähnt, sondern auch zur Schau vorgelegt haben, Rüstungen erlegter Feinde an dreißig, Geschenke von Feldherren an vierzig, worunter sich zwei Mauer-, acht Bürgerkronen auszeichneten. Noch mehr, er habe Bürger vorgeführt, die er von den Feinden errettet hatte, und unter ihnen habe man den Magister Equitum, Cajus Servilius, als Abwesenden genannt. Und da er auch dessen, was er im Kriege geleistet hatte, um der Höhe seiner Verdienste nichts zu vergeben, verherrlichend in einer Darstellung erwähnte, deren Ausdrücke sich zu den Thaten emporschwangen, soll er seine von Wunden der Schlacht 37 benarbete Brust entblößt, und zum Capitole hinaufblickend einmal über das andre den Jupiter und die anderen Götter aufgefordert haben, ihm von oben herab in seinem Unglücke zu helfen; soll sie angeflehet haben, den Sinn, den sie ihm bei der Vertheidigung der Capitolinischen Burg zur Rettung des Römischen Volks verliehen hätten, jetzt in seiner Gefahr dem Römischen Volke zu verleihen; soll die Bürger einzeln und insgesamt gebeten haben, zum Capitole und zur Burg hinansehend und den unsterblichen Göttern zugekehrt, über ihn zu richten.

Da das Volk auf dem Marsfelde centurienweise zum Stimmen aufgerufen wurde, und der Beklagte, die Hände zum Capitole hinstreckend, sich mit seinen Bitten von den Menschen an die Götter wandte, so sahen die Tribunen ein, wenn sie das Denkmal eines so großen Verdienstes nicht auch für die Augen der Leute unwirksam machten, so würde das von der Wohlthat bestochene Urtheil der Richtenden die Klage nie für gerecht erklären. Also wurde nach Verlegung des Tages die Volksversammlung in den Pötelinischen Hain vor dem Nomentanischen Thore beschieden, wo man keine Aussicht auf das Capitolium hatte. Hier wurde die Beschuldigung gültig; und festen Sinnes fällte man den harten, selbst den Richtern schmerzhaften Spruch. Es fehlt nicht an Angaben, welche behaupten, er sei durch Duumvirn verurtheilt, die man dazu ernannt habe, gegen ihn auf Leib und Leben zu klagen. Die Tribunen stürzten ihn vom Tarpejischen Felsen, und so wurde derselbe Ort für denselben Mann das Denkmal seines ausgezeichneten Ruhms und seiner Hinrichtung, Auch trafen ihn noch Beschimpfungen im Tode; die eine vom State, da bei dem Volke darauf angetragen wurde, weil sein Haus da stand, wo jetzt der Tempel und die Werkstatt der Moneta steht, daß keinem Patricier erlaubt sein solle, auf der Burg oder dem Capitolium zu wohnen: die andre von seiner Familie, die durch einen Beschluß festsetzte, daß künftig Keiner ihres Stammes Marcus Manlius heißen solle. Dies war das Ende eines, wäre er nicht in einem freien State geboren gewesen, preiswürdigen Mannes.

38 Bald erwachte bei dem Volke, als es jetzt nichts mehr von ihm zu fürchten hatte, und sich seiner Verdienste ohne weitere Rücksicht erinnerte, die Sehnsucht nach ihm. Da auch gleich nachher eine Pest ausbrach, so galt sie bei vielen, weil sich keine auffallende Veranlassung dieses großen Unglücks zeigte, für eine Folge von der Hinrichtung des Manlius. «Das Capitol sei durch das Blut seines Retters entweihet; und den Göttern sei die ihnen beinahe zur Schau gestellte Todesstrafe dessen, der ihre Tempel den Händen der Feinde entrissen habe, ein Greuel gewesen.»

21. Auf die Pest folgte im nächsten Jahre, in welchem Lucius Valerius zum viertenmale, Aulus Manlius zum drittenmale, Servius Sulpicius zum drittenmale, Lucius Lucretius, Lucius Ämilius zum drittenmale, und Marcus Trebonius Consulartribunen waren, ein Getreidemangel, und auf den sich verbreitenden Ruf von beiden Drangsalen vielfacher Krieg. Als neue Feinde traten, außer den Volskern, die gleichsam vom Verhängnisse fast auf immer dem Römischen Soldaten zur Übung beschieden waren, außer den Pflanzstädten Circeji und Veliträ, deren Abfall schon lange im Werke war, und den verdächtigen Latinern, nun auch unerwartet die Lanuviner auf, bisher eine der treuesten Städte. Die Väter, in der Voraussetzung, dies sei eine Folge der daraus erwachsenen Verachtung, daß man die Veliterner, als Mitbürger, für ihren Abfall so lange ungestraft gelassen habe, beschlossen, auf den ihnen anzukündigenden Krieg je eher je lieber beim Volke anzutragen, und um die Bürger zu diesem Feldzuge so viel geneigter zu machen, ernannten sie Fünfmänner zur Vermessung der Pomptinischen Länderei, und Dreimänner zur Ausführung einer Pflanzung nach Nepete. Nun wurde bei dem Volke darauf angetragen, den Krieg zu bewilligen, und aller Gegenvorstellungen der Bürgertribunen ungeachtet, erklärten sich die Bezirke sämtlich für den Krieg. Die Rüstung ging noch in diesem Jahre vor sich; allein der Pest wegen rückte das Heer nicht aus. Diese Verzögerung hätte den Pflanzstädtern Zeit gegeben; den 39 Senat um Verzeihung zu bitten, und viele von ihnen stimmten auch dafür, eine Gesandschaft mit dieser Bitte nach Rom abgehen zu lassen; wäre nicht, wie so oft, die Gefahr des Stats mit der Gefahr der Einzelnen verflochten gewesen, und hätten nicht die Urheber des Abfalls von den Römern, aus Furcht, als die einzigen Schuldigen dem Zorne der Römer zu Sühnopfern ausgeliefert zu werden, die Pflanzstädte von den Friedensgedanken zurückgebracht. Von ihnen wurde nicht allein in ihrem Senate jene Sendung hintertrieben, sondern sie vermochten auch einen großen Theil ihrer Bürger dahin, ins Römische Gebiet auf Plünderung auszugehen. Auch kamen in diesem Jahre die ersten Nachrichten vom Abfalle der Pränestiner in Umlauf; allein der Senat gab den Tusculanern, Gabinern und Lavicanern, welche sie dessen beschuldigten, da sie ihnen ins Land gefallen waren, eine so schonende Antwort, daß man wohl sah, die Anklagen fänden nur darum weniger Glauben, weil man nicht gern wollte, daß sie wahr sein möchten.

22. Im folgenden Jahre führten die beiden Papirier, Spurius und Lucius, als neue Consulartribunen die Legionen gegen Veliträ, und ließen ihre vier Amtsgenossen, den Servius Cornelius Maluginensis, der dies Tribunat zum viertenmale, den Quintus Servilius, Servius Sulpicius, Lucius Ämilius, der es zum viertenmale bekleidete, zum Schutze der Stadt und gegen die neuen Bewegungen zurück, die etwa aus Hetrurien gemeldet werden möchten; denn von dortaus versah man sich nichts Gutes.

In der Schlacht bei Veliträ, in der die feindlichen Hülfsvölker von Präneste fast noch stärker waren, als das zahlreiche Heer der Pflanzstadt selbst, siegten die Römer, weil sich der Feind durch die Nähe seiner Stadt zur früheren Flucht bestimmen ließ, so wie sie auch sein einziger Zufluchtsort wurde. Einen Sturm auf den Ort unternahmen die Tribunen nicht, theils weil er mißlich war, theils weil sie sich einen Kampf zum Untergange der Pflanzstadt nicht erlauben wollten. In ihrem schriftlichen Berichte, der mit der Siegesbotschaft an den Senat nach Rom ging, führten 40 sie härtere Beschwerden über die Feindseligkeiten der Pränestiner, als der Veliterner. Also wurde vermöge eines Senatsschlusses und mit Genehmigung des Volks den Pränestinern der Krieg angekündigt; welche dann, mit den Volskern vereinigt, im folgenden Jahre Satricum, diese Pflanzstadt des Römischen Volks, so tapfer sie auch die Pflanzer vertheidigten, mit Sturm eroberten, und ihren Sieg auf eine schreckliche Art gegen die Besiegten misbrauchten. Hierüber aufgebracht wählten die Römer den Marcus Furius Camillus zum siebtenmale zum Kriegstribun. Zu Amtsgenossen wurden ihm gegeben die beiden Postumius Regillensis, Aulus und Lucius; ferner Lucius Furius nebst dem Lucius Lucretius und Marcus Fabius Ambustus. Den Volskischen Krieg bestimmte man dem Marcus Furius außerordentlich. Von den übrigen Tribunen beschied ihm das Los den Lucius Furius zum Gehülfen, nicht sowohl dem State zum Besten, als um durch ihn seinem Amtsgenossen jede Art von Ehre erwachsen zu lassen; man mag nun auf das Ganze sehen, wo Camillus wieder gut machte, was jenes Unbesonnenheit verdorben hatte, oder auf den einzelnen Mann, der von dem Fehltritte des Andern lieber dessen Verpflichtung, als eignen Ruhm gewinnen wollte.

Camillus war schon hoch in die Jahre, und selbst auf dem Wahltage hatte er, schon bereit, den bei vorgeschützter Schwächlichkeit gewöhnlichen Eid zu leisten, nur der allgemeinen Stimme des Volkes nachgegeben: allein bei innerer Lebenskraft regte sich in ihm ein thätiger Geist; er hatte noch seine Munterkeit bei ungeschwächten Sinnen, und da er sich mit den bürgerlichen Angelegenheiten schon nicht mehr so emsig beschäftigte, so wurden die Kriege für ihn ein Erregungsmittel. Nach einer Werbung von vier Legionen, jede zu viertausend Mann, zog er mit dem Heere, das er auf den folgenden Tag an das Esquilinische Thor beschieden hatte, gegen Satricum. Hier erwarteten ihn die Eroberer der Pflanzstadt ganz unbefangen, voll Vertrauen auf die Anzahl ihrer Krieger, worin sie ihm bei weitem überlegen waren. Als sie die 41 Annäherung der Römer gewahr wurden, rückten sie sogleich in Schlachtordnung aus, um die Entscheidung nicht länger aufzuschieben. «In diesem Falle werde der Schwäche der Feinde die Geschicklichkeit des seltenen Feldherrn, worauf sie sich einzig verließen, ohne Nutzen sein.»


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