Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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503 Zweiundzwanzigstes Buch.

1. Jetzt nahete der Frühling, als Hannibal, der es schon vorhin bei der unerträglichen Kälte vergebens versucht hatte, über den Apenninus zu gehen, und nicht ohne große Gefahr und Besorgniß so lange hier gestanden hatte, aus den Winterquartieren aufbrach. Als die Gallier, welche die Hoffnung des Beutemachens und Plünderns ihm zugeführt hatte, statt dessen, daß sie selbst auf fremdem Boden zu rauben und zu plündern dachten, ihr eignes Land zum Schauplatze des Krieges gemacht und mit den Winterquartieren der beiderseitigen Heere belastet sahen, so ging ihr Haß von den Römern wieder auf Hannibal über: und Hannibal, schon mehrmals von den Nachstellungen ihrer Großen bedroht, hatte ihrer eignen gegenseitigen Treulosigkeit, mit der sie ihre Entwürfe eben so leichtsinnig verriethen als verabredeten, seine Rettung verdankt, oder auch durch öfters veränderte Kleidung und Kopfbedeckung in seiner Unkenntlichkeit Schutz gefunden. Doch war auch diese Besorgniß ein Grund für ihn, den Aufbruch aus den Winterquartieren zu beschleunigen.

Um eben diese Zeit trat zu Rom der Consul Cneus Servilius am fünfzehnten März sein Amt an. Als er bei dieser Gelegenheit die Übersicht der Lage des States zur Sprache bringen mußte, erwachte der Unwille über den Cajus Flaminius von neuem. «Zwei Consuln,» sagten die Väter, «hätten sie gewählt, und nur Einen hätten sie. Denn wie könne man von jenem behaupten, daß er einen rechtmäßigen Oberbefehl, daß er die Götterleitung habe? Diese müsse ja jeder Beamtete von der Heimat aus, von den Schutzgittern des Stats und seines Hauses, nach begangener Feier der Latinischen Festtage, nach 504 verrichtetem Opfer auf der Höhe, nach förmlicher Ablegung der Gelübde auf dem Capitole, mit sich hinausnehmen; sie schließe sich nie an den Privatmann, und wer ohne Götterleitung abgereiset sei, könne sich ja nicht im Auslande eine neue und eben so gültige selbst geben.» Und Schreckzeichen, welche von mehrern Orten zugleich einberichtet wurden, vermehrten diese Furcht. In Sicilien sollten mehrern Soldaten, in Sardinien, zu SulciIn Sardinia autem in muro]. – Es fällt auf, daß der Name der Stadt fehlt, von deren Mauer hier die Rede ist. Da aber so viele Msc. das sonst so bekannte Wort autem in audes, rudes, und die meisten und besten es in sudes verwandeln, und Sulci eine der ersten Städte Sardiniens war, so folge ich der von Drakenb. und Crevier gebilligten Vermuthung Jak. Gronovs, der (statt des autem) aus sudes Sulcis zu lesen vorschlug. Man sehe Drakenb. , dem Ritter, der auf der Mauer bei den Wachen die Runde machte, der Stab in der Hand gebrannt; die Küsten von vielem Feuer geleuchtet; zwei Schilde Blut geschwitzt, der Blitz einige Soldaten erschlagen, und die Sonnenscheibe sich verkleinert gezeigt haben. Zu Präneste sollten brennende Fackelnardentes lampades caelo cecidisse]. – Drakenborch erklärte sich mit Recht für diese Lesart des Latinius und Lykosthenes; und Stroth nahm sie billig in den Text auf. Denn wenn es hier geheißen hätte, lapides cecidisse, so würde auch nachher bei den Anstalten zur Abwendung des durch die Zeichen gedroheten Unheils eines novemdiale sacrum erwähnt sein, wie das immer nach einem Steinregen der Fall war. So hieß es XXI, 62. ob cetera prodigia libros adire decemviri iussi. Quod autem lapidibus pluisset in Piceno, novemdiale sacrum edictum. XXIII. 31. fin. Lapidibus circa id templum pluit. Ob quem imbrem novemdiale, ut assolet, sacrum fuit: ceteraque prodigia cum cura expiata. vom Himmel gefallen, zu Arpi Schilde am Himmel und die Sonne mit dem Monde im Kampfe gesehen, und zu Capena bei Tage zwei Monde aufgegangen sein: die Bäder zu Cäre hätten ein mit Blut gemischtes Wasser gegeben und aus der Herculesquelle selbst sei das Wasser wie mit blutigen Flecken besprengt hervorgequollen: Schnittern seien in der Gegend von Antium blutige Ähren in den Korb gefallen: zu Falerii habe man den Himmel wie von einem großen Risse gespalten gesehen und aus der Öffnung habe ein gewaltiges Licht hervorgeleuchtet; die Orakeltäfelchen seien dort kleiner geworden, und eins beim Umschütteln herausgesprungen, mit der Aufschrift: 505 «Mars schwingt seinen Speer;» und zu gleicher Zeit habe zu Rom das Standbild des Mars neben den Bildnissen der Wölfe an der Appischen Straße Schweiß vergossen: auch habe man zu Capua den Himmel brennend und unter einem Regenschauer einen herabfallenden Mond gesehen. Nun fanden auch die Meldungen von unbedeutenderen Vorzeichen Glauben, daß bei verschiedenen Leuten Ziegen Wolle bekommen hätten, daß sich eine Henne in einen Hahn, ein Hahn in eine Henne verwandelt habe.

Nachdem der Consul diese Angaben, so wie sie gemeldet waren, den Vätern vorgelegt und die Aussager vor dem Senate hatte auftreten lassen, brachte er die göttlichen Angelegenheiten zur Umfrage. Man beschloß, diese Vorbedeutungen theils durch größere, theils durch noch saugende Opferthiere beseitigen und bei allen Göttersitzen ein dreitägiges Betfest halten zu lassen. Alles Übrige sollte, wenn die Zehnherren die Bücher nachgeschlagen hätten, so ausgerichtet werden, wie sie es nach der Aussage der heiligen Sprüche für den Götterncordi esse divis, carminibus praefarentur.] – Die Lesart divis, die Stroth in den Text aufgenommen hat, halte ich für die richtige, wenn man nicht etwa lesen will: Quemadmodum cordi dis esse, divinis carminibus praefarentur. Ob der sonst bei göttlichen Aussprüchen richtige Ausdruck profarentur an unsrer Stelle durchaus nöthig sei, wage ich nicht zu entscheiden. Da die Bekanntmachung des Ausspruchs durch die Decemvirn als etwas Vorläufiges, als eine praefatio, der Vollziehung des Opfers oder Darbringung des Geschenks vorhergeht, so könnte praefarentur vielleicht ächt sein. gefällig erklären würden. Auf die Angabe der Zehnherren wurde beschlossen, zuerst zum Geschenke für den Jupiter einen goldenen Donnerkeil fünfzig Pfund schwer machen zu lassen, der Juno und Minerva silberne Geschenke darzubringen, der Juno Regina auf dem Aventinus und der Juno Sospita zu Lanuvium große Thiere zu opfern; die Frauen von Stande sollten von einer zusammengeschossenen Geldsumme, zu welcher jede nach ihrer Bequemlichkeit beitrüge, der Juno Regina ein Geschenk auf den Aventinus bringen, und ein Göttermahl gehalten werden; ja die weiblichen Freigelassenen solltenQuin et libertinae ut ipsae]. – Ich wünschte, man hätte die Lesart der besten und nicht wenigen Handschriften beibehalten: Quin et ut libertinae et ipsae. Et ipse heißt beim Livius fast allenthalben nichts weiter, als ebenfalls. ebenfalls nach ihren Umständen zu einer 506 Summe zusammenlegen, wovon der Feronia ein Geschenk gemacht werden könnte. Als dies geschehen war, brachten die Zehnherren große Thiere auf dem Markte zu Ardea zum Opfer. Noch in den letzten Tagen des Monats December wurde zu Rom im Tempel des Saturnus geopfert, ein Göttermahl, bei welchem Senatoren die Tafelsitze überzogen, und ein allgemeines Gastgebot angeordnet; in der ganzen Stadt rief man bei Tage und bei Nacht: «Saturnalien!» und dem Volke wurde anbefohlen, diesen Tag festlich zu begehen und ihn auch in Zukunft beizubehalten,

2. Indeß den Consul zu Rom die Versöhnung der Götter und die Werbung beschäftigte, nahm Hannibal, der auf das Gerücht, daß der Consul Flaminius schon zu Arretium angekommen sei, aus den Winterquartieren aufbrach, nicht den ihm gezeigten längeren, freilich bequemeren, Weg, sondern den näheren durch die Sümpfe, wo in diesen Tagen der Fluß Arno stärker als gewöhnlich ausgetreten war. Die Spanier und Africaner – aus diesen bestand der Kern seiner Altkrieger – ließ er voraufgehen, und zwar mit ihrem Gepäcke, damit es ihnen, wenn sie irgendwo Halt machen müßten, nicht an allem Nöthigen fehlen möchte: ihnen mußten die Gallier folgen, um in der Mitte des Zuges zu sein; und zuletzt die Reuterei: dann mußte Mago mit den leichten Numidern den Zug schließen, vorzüglich um die Gallier beisammen zu halten, wenn sie etwa aus Überdruß der Beschwerden und des langen Marsches – denn dergleichen auszuhalten ist dies Volk zu weichlich – sich verschleichen oder stehen bleiben sollten. Die Ersten folgten, wo nur ihre Wegweiser vorangingen, durch die jähen und tiefen Schlünde der Stromflut, vom Schlamme fast verschlungen und hineinsinkend, dennoch den Fahnen. Die Gallier konnten sich weder halten, noch, wenn sie gefallen waren, aus den Schlünden wieder aufstehen; ihre Körper so wenig durch Muth, als 507 ihren Muth durch Hoffnung erhalten; so daß sie theils die ermatteten Glieder nur mit Mühe weiter schleppten, theils, wenn sie Einmal aus Überdruß verzweifelnd sich hingeworfen hatten, zwischen den gleichfalls umherliegenden Lastthieren starben. Was die Leute am meisten entkräftete, war das Wachen, das sie nun schon vier Tage und drei Nächte ertragen hatten. Da in der Alles bedeckenden Flut keine Stelle zu finden war, wo sie ihre müden Körper hätten ins Trockne strecken können, so legten sie sich oben auf ihr im Wasser aufgethürmtes Gepäck. Hin und wieder gewährten ihnen sogar die Haufen der auf dem ganzen Zuge gefallenen Lastthiere, da sie nur irgend etwas suchten, was aus dem Wasser ragte, auf kurze Zeit ein Nothlager. Hannibal selbst, der bei einer gleich anfangs durch die unbeständige, mit Hitze und Kälte wechselnde, Frühlingswitterung ihm zugestoßenen Augenkrankheit, um so viel höher über dem Wasser zu sein, sich von dem noch übrigen einzigen Elephanten tragen ließ, wurde zuletzt, da das viele Wachen und die Nachtdünste bei der Sumpfluft ihm den Kopf angriffen, auf dem einen Auge blind.

3. Als er endlich nach einem kläglichen Verluste vieler Menschen und Lastthiere aus den Sümpfen wieder hervortauchte, schlug er, sobald er das auf trocknem Boden konnte, ein Lager auf, und erfuhr durch seine vorausgeschickten Kundschafter mit Gewißheit, daß das Römische Heer zu den Mauern Arretiums stehe. Nun beschäftigte er sich damit, die Entwürfe und Gesinnung des Consuls, die Lage der Gegenden, die Wege, die Möglichkeit, sich freie Zufuhr zu verschaffen, und alles Übrige, was ihm zu wissen nöthig war, auf das sorgfältigste zu erforschen. Die Gegend war eine der fruchtbarsten Italiens; die Hetruskischen Gefilde, die zwischen Fäsulä und Arretium liegen, mit Überfluß an Getreide und Heerden und allem Übrigen gesegnet. Der Consul noch voll Übermuth von seinem vorigen Consulate, und nicht nur ohne Scheu vor den Gesetzen und der Würde der Väter, sondern auch so ziemlich vor den Göttern. Das Glück hatte diese ihm natürliche 508 Verwegenheit durch einen ihn begünstigenden Erfolg in seinen bürgerlichen und kriegerischen Unternehmungen genährt. Es stand also gewiß zu erwarten, daß er, ohne Götter oder Menschen zu befragen, in allen Stücken mit Kühnheit und Übereilung zu Werke gehen werde. Und damit er sich seinen Fehlern so viel eher überlassen möchte, legte es Hannibal darauf an, ihn in Athem zu setzen und zu reizen; und da er auf seinem Marsche gegen Fäsulä, mit Hinterlassung des Feindes zur Linken, in der Mitte von Hetruriens Fluren zum Plündern auszog, ließ er durch angerichtete Metzeleien und Brandschäden den Consul aus der Nähe einer Verheerung zusehen, so arg sie ihm zu bewirken möglich war.

Flaminius, der selbst einem ruhigen Feinde gegenüber nicht geruhet haben würde; der vollends jetzt, als er das Eigenthum der Bundsgenossen beinahe vor seinen Augen plündern und wegtreiben sah, es sich selbst zur Unehre anrechnete, wenn die Punier schon Italiens Mitte durchschwärmten und ohne den mindesten Widerstand zum Angriffe auf die Mauern Roms weiter rücken könnten: – mochten immerhin alle übrigen Stimmen im Kriegsräthe dem wahren Vortheile vor der Scheinehre durch die Erklärung den Vorzug geben, «daß Flaminius seinen Amtsgenossen erwarten müsse, damit sie Beide mit vereinten Heeren, in Einem Geiste und nach Einem Plane zu Werke gehen könnten: bis dahin müsse man mit der Reuterei und den leichtbewaffneten Hülfstruppen die ausgelassene Frechheit des Feindes in seinen Verheerungen beschränken:» – genug, er stürzte in vollem Zorne zum Kriegsrathe hinaus und ließ das Zeichen zum Aufbruche und zur Schlacht zugleich aufstecken, «Daß wir doch ja,» rief er, «vor Arretiums Mauern sitzen bleiben: denn hier ist ja unsre Vaterstadt mit unsern Hausgöttern. Hannibal, den wir unsern Händen entschlüpfen lassen, mag Italien verwüsten, mag unter Verheerungen und Einäscherungen der ganzen Gegend bis an Roms Mauern vordringen; und wir regen uns ja nicht eher von der Stelle, bis die Väter, wie einst den Camillus von Veji, 509 den Cajus Flaminius von Arretium rufen lassen.» Als er mit diesem laut geäußerten Hohne zugleich den Befehl gab, die Fahnen schleunig auszuziehen, und sich auf sein Pferd warf, stürzte plötzlich das Pferd lang hin und über den Kopf weg ward der Consul zur Erde geschleudert. Noch waren alle Umstehenden über die abscheuliche Vorbedeutung, mit welcher die Unternehmung begönne, in Schrecken, als die Meldung kam, eine Fahne wolle trotz aller vom Fähnriche angewandten Kraft nicht aus der Erde. «Bringst du nicht etwa,» rief der Consul dem Meldenden entgegen, «auch einen Brief vom Senate, worin mir der Krieg verboten wird? Geh! sag ihnen, wenn ihnen vor Feigheit die Hände zu lahm wären, die Fahne herauszu ziehen, so sollten sie sie heraus graben.» Nun erfolgte der Aufbruch des Heeres, obgleich die höheren Führer nicht allein im Kriegsrathe dagegen gewesen, sondern auch jetzt durch die zwiefache Vorbedeutung in Schrecken gesetzt waren; indeß der gemeine Soldat, der mehr auf die Hoffnung seines Feldherrn, als auf die Gründe dieser Hoffnung sah, an dem kecken Muthe desselben seine Freude hatte.

4. Hannibal übte bei seiner Plünderung des Landstriches zwischen der Stadt Cortona und dem See Trasimenus alle Gräuel des Krieges aus, damit die Erbitterung hierüber für die Feinde ein so viel schärferer Sporn würde, das Ungemach ihrer Bundesgenossen zu rächen. Schon waren sie in die zu einem Hinterhalte wie gemachte Gegend gekommen, wo der Trasimenus dicht unter die Gebirge von Cortona tritt. Es bleibt nur ein sehr schmaler Weg dazwischen, gleichsam als wäre dieser Raum absichtlich hierzu übrig gelassen; weiterhin eröffnet sich ein etwas breiteres Feld, und dann erheben sich die Hügel. Hier in der offenen Ebene schlug Hannibal ein Lager auf, wo er selbst nur mit den Africanern und Spaniern seinen Standort haben wollte. Die Balearen und übrigen Leichtbewaffneten ließ er sich hinter den Bergen herumziehen: die Reuterei pflanzte er an den Eingang des Passes, wo sie von Hügeln zweckmäßig verdeckt stand, damit ringsum, wenn 510 sich den hineingerückten Römern die Reuterei in den Rücken würfe, Alles vom See und von Bergen eingeschlossen wäre.

Als Flaminius, welcher Tags zuvor mit Sonnenuntergange bei dem See angekommen war, ohne alle eingezogene Runde den Paß am folgenden Tage fast noch in der Dämmerung zurückgelegt hatte, so daß er eben anfing, seinen Zug in das offenere Feld auszubreiten, wurde er freilich Feinde gewahr, aber nur die vor ihm stehenden: von dem Hinterhalte im Rücken und über seinem Haupte ahnete er nichts. Kaum sah Hannibal, was er gewünscht hatte, den Feind zwischen dem See und den Bergen eingeschlossen und von seinen Truppen umringt, so gab er Allen das Zeichen, zugleich anzugreifen. Wie diese, wo es Jedem am nächsten war, herabgerannt kamen, so war dies den Römern so viel überraschender und unerwarteter, weil sich ein aus dem See aufgestiegener Nebel dichter auf der Ebene, als auf den Bergen gelagert hatte, und die feindlichen Haufen, die sich von mehrerenEx pluribus collibus ipsa inter se satis conspecta, eoque magis]. – Außerdem, daß ich dem von Lipsius vorgeschlagenen, und von Gronov, Crevier, Duker, und selbst von Drakenborch gebilligten collibus (statt vallibus) folge, glaube ich auch, das que hinter eo hier weglassen zu müssen. Denn außerdem, daß dies der richtigere Zusammenhang zu fordern scheint, wird auch dies que dadurch verdächtig, daß gerade die beste Handschrift, die Florentinische, eo magis que lieset. Eine solche Ungewißheit der Stelle lässet gewöhnlich eine Aufnahme vom Rande her vermuthen. Das nach dem Participium conspecta hier sehr unnöthige que scheint mir eben so der Zusatz eines Abschreibers zu sein, als das von Mehreren verworfene et bei praetermissurus XXIII. 14, 6. Daß das Participium conspecta hier, wie das so oft der Fall ist, die Stelle eines Adjectivums in ibilis vertritt, darf ich wohl nicht erinnern. Höhen aus deutlich genug beobachten konnten, den Angriff so viel gleichzeitiger thaten. Die Römer schlossen schon aus dem Geschreie, weil es rund um sie her sich erhob, daß sie umzingelt waren, ehe sie noch völlig sehen konnten; und sie wurden schon von vorn und auf den Seiten angegriffen, ehe sie Zeit hatten, die Linie gehörig zu stellen, die Waffen in Stand zu setzen und das Schwert zu ziehen.

5. Der Consul, der danach, daß er in einer drängenden Lage war, bei der allgemeinen Bestürzung für seine 511 Person noch Fassung genug behielt, gab den in Unordnung gerathenen Gliedern, in denen sich Jeder nach dem von entgegengesetzten Seiten ertönenden Geschreie hinwandte, die Richtung wieder, so gut es Zeit und Ort gestattete; und wo er nur herankommen und gehört werden konnte, sprach er Muth ein, und hieß die Leute Stand halten und fechten: «denn hier sei die Rettung durch kein Gelübde, keine Anrufung der Götter, sondern durch Kraft und Tapferkeit zu bewirken. Mitten durch die Linien bahne sich das Schwert den Weg; und je weniger man fürchte, je kleiner finde man gewöhnlich die Gefahr.» Allein vor Getöse und Lärmen konnte man keinen Rath, keinen Befehl vernehmen; und weit entfernt, auf seine Fahne, sein Glied und seinen Platz zu merken, hatte der Soldat kaum Besinnung genug, um zu den Waffen zu greifen und sie zum Gefechte in Stand zu setzen: Manche wurden niedergehauen, weil ihre Waffen sie mehr belasteten, als schützten: auch thaten bei dem dicken Nebel die Ohren bessere Dienste, als die Augen. Ihr Antlitz, ihr Auge irrte nach dem Geächze der Verwundeten umher, nach den auf Körper, auf Waffen fallenden Streichen, nach den sich mischenden Tönen der Drohungstrepentium paventiumque]. – Wenn die paventes durch ihr Geschrei laut werden, was hier der Fall ist, so sind auch sie strepentes ; folglich können hier strepentes und paventes einander nicht entgegengesetzt werden. An mehreren Stellen macht Livius, bei Schilderungen dieser Art, terrentes und paventes zu Gegensätzen. Ich vermuthe, die Lesart strepentium sei daraus entstanden, daß einer der früheren Abschreiber das s im Worte mix tos unrichtig mit terrentium zusammenlas, welches, abgekürzt mixtos trentium geschrieben; um so viel leichter in strepentium überging. und des Angstrufs. Hier blieben Fliehende, weil sie auf einen Haufen Fechtender stießen, feststecken: dort riß ein Schwarm von Fliehenden die ins Gefecht Zurückkehrenden mit sich fort.

Als sie nun nach allen Seiten hin vergebliche Angriffe gemacht hatten, auf den Flügeln die Berge und der See, von vorn und im Rücken das feindliche Heer sie einschlossen, und der Augenschein lehrte, daß hier keine andere Rettung zu erwarten sei, als von der Faust und vom Schwerte; da wurde Jeder sein eigner Führer und 512 Ermunterer zum Einhauen, und es erfolgte eine zweite neubeginnende Schlacht; aber freilich nicht jene nach einem Mittel-, Vorder- und Hintertreffen geordnete, und weder so vertheilt, daß die Vorfechter vor den Fahnen, und das übrige Heer hinter den Fahnen gestritten hätten, noch so, daß der Soldat in seiner Legion, oder in seiner Cohorte, oder Rotte stand. Der Zufall warf die Leute in Eine Masse; den Platz vorn oder hinten im Gefechte gab Jedem sein eigner Muth: und der Waffenkampf wurde so hitzig; die Aufmerksamkeit so ganz auf die Schlacht gespannt; daß jenes Erdbeben, welches in vielen Städten Italiens ganze Straßen niederwarf, reißende Ströme von ihrem Laufe abwandte, das Meer in die Flüsse trieb, Berge durch ungeheuren Fall vertiefte, der Fechtenden keiner bemerkte.

6. Beinahe drei Stunden schlug man sich, und allenthalben mit Erbitterung. Doch um den Consul her war das Gefecht noch hitziger und ergrimmter. An ihn schloß sich der Kern seiner Männer; er selbst leistete überall, wo er die Seinigen Noth leiden und im Gedränge sah, schleunige Hülfe. Ihm beizukommen, – denn seine Waffen machten ihn kenntlich, – boten die Feinde alle Kräfte auf; die Bürger, ihn zu schützen: bis endlich ein Insubrischer Reuter – er hieß Ducarius – der ihn auch von Gesicht kannte, seinen Landsleuten zurief: «Sehet! dies ist derselbe Consul, der unsre Legionen niederhieb, der unser Land und unsre Stadt verheerte. Jetzt will ich ihn den Seelen unsrer kläglich gemordeten Mitbürger zum Opfer bringen!» sogleich seinem Pferde die Spornen gab, durch den dichtesten Haufen der Feinde hereindrang, und nachdem er den Waffenträger, der sich seinem Angriffe entgegen warf, erlegt hatte, den Consul mit einer Lanze durchbohrte. Er wollte ihn entwaffnen, mußte aber den Triariern weichen, die den Leichnam mit ihren Schilden deckten.

Dies war für einen großen Theil Römer der Anfang zur Flucht; und nun galt ihrer Bestürzung kein See, kein Berg als Hinderniß; blindlings rannten sie durch jeden. Hohlweg, über jede Klippe; und Waffen und Männer stürzten über einander. Viele, die bei der völligen 513 Unmöglichkeit zu fliehen, an den seichten Uferstellen des Sees ins Wasser gingen, wagten sich so weit hinein, als sie noch mit Kopf und Schultern ragten. Einigen gab die Unbesonnenheit des Schreckens sogar den Versuch ein, sich durch Schwimmen zu retten. Wenn sie dann das unerreichbare Ziel wieder aufgeben mußten, fanden sie entweder aus Mangel an Athem ihren Tod in der Tiefe, oder sie arbeiteten sich nach fruchtloser Erschöpfung kaum noch zu den Uferstellen zurück und wurden hier von der in das Wasser hineinreitenden feindlichen Reuterei allenthalben niedergehauen.

Fast sechstausend Mann des Vordertreffens, die sich muthig gerades Weges durch die Feinde durchschlugen, retteten sich, ohne im mindesten zu wissen, was hinter ihnen vorging, aus dem Passe. Als sie auf einem Hügel Halt gemacht hatten, konnten sie, da sie nichts als Geschrei und Waffengetöse hörten, den Ausgang der Schlacht weder vernehmen, noch vor dem Nebel so weit sehen. Wie aber endlich nach entschiedenem Unglücke der von der wärmeren Sonne zertheilte Nebel den Tag durchbrechen ließ, da zeigten ihnen Gebirge und Ebenen die verlorne Schlacht und das kläglich hingestreckte Römische Heer in vollem Lichte. Damit ihnen nun nicht, sobald man sie von ferne sähe, die Reuterei nachgeschickt würde, machten sie sich mit ihren eiligst aufgerissenen Fahnen so schnell als möglich davon. Am folgenden Tage, da sie außer dem übrigen Elende auch dem schmählichsten Hunger entgegensahen, verstanden sie sich, auf Maharbals – er hatte sie in der Nacht mit seiner ganzen Reuterei eingeholt – gegebenes Wort, Jeden mit Einem Kleidungsstücke, wenn sie die Waffen abliefern würden, zu entlassen, zur Übergabe. Diese Zusage erfüllte Hannibal mit Punischer Gewissenhaftigkeit; und Alle wurden in Fesseln gelegt.

7. Dies ist die berühmte Schlacht am Trasimenus, die als eine der seltenen Niederlagen des Römischen Volks aufgeführt wird. Funfzehntausend Römer fielen in der Schlacht; zehntausend, die sich auf der Flucht über ganz 514 Hetrurien zerstreueten, suchten auf verschiedenen Wegen Rom zu erreichen. Von den Feinden blieben tausend fünfhundert in der Schlacht, und viele starben noch nachher an ihren Wunden. Nach andern Berichten soll der Verlust auf beiden Seiten vielfach gewesen sein. Außerdem, daß ich überhaupt nicht gern aus unstatthaften Angaben geschöpft haben möchte, wozu sich die Geschichtschreiber nur gar zu gern verführen lassen, glaube ich, mich hauptsächlich an den Fabius halten zu müssen, dessen Leben jenem Kriege gleichzeitig war.

Als Hannibal nach unentgeltlicher Entlassung aller Latinischen, und Festnehmung aller Römischen Gefangenen, den Befehl gab, die aus dem aufgethürmten Haufen der Feinde hervorgesuchten Leichen der Seinigen zu begraben, ließ er auch den Körper des Flaminius, um ihn zu bestatten, sehr sorgfältig aufsuchen, allein ohne ihn zu finden.

Zu Rom lief das Volk auf die erste Nachricht von dieser Niederlage in großem Schrecken und Getümmel auf den Markt. Frauenzimmer von Stande durchstrichen die Gassen und wollten von Jedem, der ihnen aufstieß, über das plötzlich gemeldete Unglück und über das Schicksal des Heeres Auskunft haben. Und da der Volksschwarm, gleich einer zahlreichen Versammlung dem Wahlplatze und dem Rathhause zugekehrt, die Obrigkeiten herausrief, so gab ihnen endlich der Prätor Marcus Pomponius kurz vor Sonnenuntergange die Erklärung: «Wir haben eine große Schlacht verloren!» Und hatten sie gleich nichts Ausführlicheres von ihm erfahren, so brachten sie doch, einer vom Andern mit Gerüchten beladen, die Nachricht zu Hause: «Der Consul sei mit dem größten Theile des Heers geblieben. Die wenigen noch Lebenden hätten sich entweder als Flüchtlinge in Hetrurien verlaufen, oder wären vom Feinde gefangen.» So mancherlei die Schicksale des geschlagenen Heeres waren, so verschiedenen Sorgen öffneten sich die Herzen derer, die in dem Heere unter dem Consul Cajus Flaminius Verwandte hatten, da sie nicht wissen konnten, was für ein Los jeden der Ihrigen getroffen 515 habe, und jeder über das, was er hoffen oder fürchten sollte, in Ungewißheit blieb. Am folgenden und mehreren Tagen nach einander stand an den Thoren fast ein größerer Haufe von Weibern als von Männern, die entweder einen der Ihrigen selbst, oder doch Nachricht von ihnen erwarteten. Sie drängten sich mit ihren Fragen um die Kommenden, und waren, vollends von Bekannten, durchaus nicht eher wegzubringen, bis sie ihnen Alles der Reihe nach abgefragt hatten. Und wenn sie nun von den Erzählern schieden, dann konnte man den verschiedenen Ausdruck der Gesichter sehen, je nachdem Jeder frohe oder traurige Botschaft erfahren hatte; und wie sie beim Zuhausegehen von Freude oder Beileid Bezeigenden umringt waren. Auffallend zeichnete sich die Freude und die Traurigkeit bei dem weiblichen Geschlechte aus. Eine Mutter soll noch im Thore, wo sie unerwartet den geretteten Sohn traf, vor seinen Augen den Geist aufgegeben haben: eine Andre, die in ihrem Kummer, weil ihr fälschlich der Tod ihres Sohnes gemeldet war, zu Hause saß, soll bei dem ersten Anblicke des Wiederkehrenden vor übergroßer Freude des Todes gewesen sein. Den Senat hielten die Prätoren mehrere Tage lang von Sonnenaufgang bis zum Untergange im Rathhause versammelt, am zu überlegen, unter welchem Feldherrn oder durch was für Truppen sie sich der siegenden Punier erwehren könnten.

8. Ehe sie sich noch für eine Maßregel entschieden, kam unerwartet die Nachricht von einem neuen Unglücke. Viertausend Mann Reuterei, welche der Consul Servilius unter dem Proprätor Cajus Centenius an seinen Amtsgenossen schickte, wären in Umbrien, wohin sie sich, auf das Gerücht von der Trasimenischen Schlacht, gewandt hatten, von Hannibal aufgehoben. Der Eindruck, den diese Nachricht auf die Leute machte, war sehr verschieden. Einige, deren Gemüth noch der größere Kummer füllte, hielten diesen neuen Verlust an Reuterei im Vergleiche mit den früheren für unbedeutend. Andre berechneten diesen Unfall nicht nach seiner eigenen Große, sondern meinten, so wie einem geschwächten Körper, ein noch 516 so unbedeutender Zufall weit empfindlicher sei, als einem starken ein schwererer; so müsse man auch jetzt jedes Misgeschick, von dem der kranke und leidende Stat betroffen werde, nicht nach der Größe des Ereignisses, sondern nach seinen geschwächten Kräften in Anschlag bringen, die auch nicht den mindesten Zuwachs von Übel ertragen konnten. So nahm denn der Stat seine Zuflucht zu einem Rettungsmittel, das man lange nicht nöthig gefunden, noch gebraucht hatte; zur Ernennung eines Dictators. Und weil der Consul, den man allein zur Ernennung desselben berechtigt hielt, abwesend, und es so leicht nicht war, bei der Besetzung Italiens von Punischen Waffen, ihn mit einem Boten oder Briefe zu beschicken, vom Volke aber kein Dictator ernannt werden konnte, was auch bis auf diesen Tag nie geschehen war, so erklärte das Volk den Quintus Fabius Maximus zum Prodictator, und zum Magister Equitum den Marcus Minucius Rufus. Ihnen machte es der Senat zum Geschäfte, die Mauern und Thürme der Stadt in festen Stand zu setzen, Truppen auszustellen, wo sie es nöthig fänden und die Brücken über die Flüsse abzuwerfen: denn da man Italien nicht habe behaupten können, so müsse man nun den Kampf zur Rettung Roms im Angesichte seiner Schutzgötter wagen.

9. Hannibal kam gerades Weges durch Umbrien bis nach Spoletum. Als er aber – – von dieser Stadt, die er nach Verheerung ihres Gebietes stürmend angriff, mit großem Verluste zurückgeschlagen, – – aus der Stärke einer einzigen gar nicht mit Glück angegriffenen Pflanzstadt sich es berechnete, welch ein Riesenbau Rom selbst sein müsse, so nahm er seinen Marsch seitwärts in das Picenische Gebiet, das nicht allein an Vorräthen aller Art Getreides einen Überfluß hatte, sondern auch eine Fülle von Beute gab, über welche seine gierigen und nothleidenden Truppen unaufhaltsam herfielen. Hier hatte er sein Standlager mehrere Tage; und der Soldat, den die Wintermärsche, der Zug durch die Sümpfe, und die Schlacht angegriffen hatten, die mehr im Ausgange glücklich, als an sich unbedeutend und leicht gewesen war, erholte sich. 517 Als er endlich, da ihnen ohnehin Raub und Verheerung lieber war, als Muße und Erholung, nach gehöriger Ruhezeit wieder aufbrach, verwüstete er das Gebiet von Prätutii und Hadria, dann das Land der Marser, Marruciner und Peligner, und die nächste Gegend Apuliens um Arpi und Luceria.

Kaum erfuhr der Consul Cneus Servilius, der mit den Galliern einige leichte Gefechte gehabt und ihnen eine unbedeutende Stadt genommen hatte, die Niederlage seines Amtsgenossen und des Heeres, so machte er sich bei der eintretenden Besorgniß für die Mauern der Vaterstadt, um nicht in der dringendsten Gefahr abwesend zu sein, auf den Weg nach Rom. Quintus Fabius Maximus, der gleich am Antrittstage seiner zweiten Dictatur den Senat berief, bestimmte durch seine von den Göttern ausgehende Belehrung, daß sich Consul Cajus Flaminius durch Nichtachtung der heiligen Gebräuche und Götterwinke mehr, als durch Unbesonnenheit und Ungeschicklichkeit habe zu Schulden kommen lassen, und daß man um die Sühnmittel des göttlichen Zorns die Götter selbst befragen müsse, die Väter zu dem Beschlusse, der sonst gewöhnlich nur auf die Anzeige schrecklicher Vorzeichen ausgefertigt wird, daß die Zehnherren sich an die Sibyllinischen Bücher wenden sollten. Nach genommener Einsicht in die Bücher der Schicksale berichteten diese den Vätern: «Das auf Veranlassung dieses Krieges dem Mars dargebrachte Gelübde müsse, weil es nicht gehörig besorgt sei, von neuem und ansehnlicher ausgerichtet werden: dem Jupiter müsse man große Spiele, der Venus Erycina und der Göttinn Mens Tempel verheißen, ferner einen Bettag und ein Göttermahl anstellen, und eine heilige Frühlingsspende dann zu geben geloben, wenn man im Kriege glücklich wäre, und der Stat in dem Zustande, worin er vor dem Kriege gewesen, sich erhielte.» Weil den Fabius die Sorge für den Krieg beschäftigen würde, befahl der Senat dem Prätor Marcus Ämilius, dies Alles nach dem eingeholten Gutachten des Gesamtamtes der Oberpriester baldigst besorgen zu lassen.

518 10. Nach Ausfertigung dieser Senatsschlüsse erklärte der Hohepriester Lucius Cornelius Lentulus auf die vom Gesamtamte der PrätorenConsulente collegio praetorum]. – Zu meiner Rechtfertigung darüber, daß ich mit Crevier diese Lesart fast aller Handschriften beibehalte, setze ich Creviers Anmerkung zu den letzten Worten des vorigen Cap. hieher. Non iubetur M. Aemilius ea omnia per se ipse peragere, sed curare, ut mature fiant. Itaque nihil repugnat huic loco, quod L. XXXIII. c. 44. A. Cornelius Mammula ver sacrum vovisse dicitur. Sic et infra c. 10. (extrem.) aedes Veneri Erycinae vovetur a Fabio dictatore; Menti a T. Otacilio praetore; et mox cap. seq. (init.) consulitur pontifex maximus de vere sacro, non a solo Aemilio, sed a collegio praetorum. bei ihm geschehene Anfrage, vor allen Dingen müsse man über die heilige Frühlingsspende bei dem Volke anfragen; ohne Genehmigung des Volks könne sie nicht versprochen werden. Der Antrag an das Volk lautete wörtlich so: «Ist es euer Wille und Gebot, daß es also geschehe, daßAlpes sunt) datum, donum]. – Dieses daß fehlt im Grundtexte; es ist aber wegen des vorhergehenden hoc sic fieri nothwendig. Creviers Vorschlag ist, dies ut zwischen den Worten cis Alpes sunt) und datum, donum duit p. R. einzuschieben: und ich glaube, daß es durch die Abbreviatur sut in den unmittelbar vorhergehenden Worten qui cis Alpes sunt verdrängt sei., wenn der Stat des Römischen Volks der Quiriten auf die nächsten fünf Jahre, wie ichs ihm wünsche, in diesen Kriegen unbeschadet erhalten wird, (ich meine den Krieg, der dem Römischen Volke gegen das Carthagische obwaltet, und die Kriege, die mit den Galliern obwalten, welche diesseit der Alpen wohnen) das Römische Volk der Quiriten eine geschenkte Gabe daraus mache, daß Alles, was an Heerdenvieh, an Schweinen, Schafen, Ziegen, Rindern, der Frühling bringen wird, und was noch keinem geweihet ist, dem Jupiter von dem Tage an geweihet sei, den der Senat und das Volk bestimmen wird? Wer dann opfern wird, der opfere, wann er will, und nach welcher Vorschrift er will: auf welche Weise er opfern mag, soll er recht geopfert haben. Stirbt das, was hätte geopfert werden müssen, so soll es ungeweiht gewesen und keine Sünde sein. Verderbet oder tödtet es jemand unvorsetzlich, so soll daraus kein Nachtheil erwachsen. Stiehlt es jemand, so soll es weder dem Volke, noch dem, dem es gestohlen wird, zur Sünde werden. Opfert es jemand 519 ohne Wissen an einem Unglückstage, so soll er recht geopfert haben. Mag es bei Tage, oder bei Nacht, mag es ein Sklave oder ein Freier opfern, so soll er recht geopfert haben. Wenn Senat und Volk früher zu opfern verordnet haben, als jemand opfert, so soll das Volk ohne Verantwortung und frei sein.» Auf eben diese Veranlassung wurden Große Spiele, zu einem Kostenaufwande von dreihundert dreiunddreißig tausend dreihundert dreiunddreißig und einem Drittel KupferassNach Crevier etwa 10,400 Gulden Conventionsgeld. gelobet; außerdem dem Jupiter ein Opfer von dreihundert Stieren, vielen andern Göttern weiße Rinder und den übrigen Opferthiere. Als die Gelübde feierlich zugesagt waren, wurde der Bettag bekannt gemacht, und mit Weib und Kind zog nicht allein das Volk in der Stadt zur Anbetung in die Tempel, sondern auch diejenigen von den Landleuten, welche bei eigenem Wohlstande gegen den öffentlichen nicht gleichgültig waren. Nun wurde das Göttermahl drei Tage nach einander gefeiert, welches die Zehnherren des Gottesdienstes besorgten. Sechs Göttertafeln waren öffentlich aufgestellt; eine für Jupiter und Juno, die andre für Neptun und Minerva, die dritte für Mars und Venus, die vierte für Apollo und Diana, die fünfte für Vulcan und Vesta, die sechste für Mercur und Ceres. Dann wurden die Tempel gelobet. Der Venus Erycina gelobte ihren Tempel der Dictator Quintus Fabius Maximus, weil es so aus den Büchern der Schicksale angegeben war, daß der ihn geloben solle, der im State den höchsten Oberbefehl habe. Der Göttinn Mens gelobte ihren Tempel der Prätor Titus Otacilius.

11. Als so die heiligen Geschäfte beseitigt waren, fragte der Dictator nun auch in Betreff des Krieges und der Statsangelegenheiten an, welche und wie viele Legionen die Väter dazu bestimmten, dem siegreichen Feinde entgegen zu gehen. Man beschloß: «Er solle das Heer vom Consul Cneus Servilius übernehmen, außerdem unter Bürgern und Bundsgenossen so viel Reuterei und 520 Fußvolk ausheben, als er nöthig fände, und in allen übrigen Stücken so verfahren und handeln, wie es seiner Meinung nach das Beste des Stats erfordere.»Fabius erklärte, er werde des Servilius Heer mit zwei Legionen verstärken. Er bestimmte diesen, als der Magister Equitum sie ausgehoben hatte, einen Tag, auf den sie sich zu Tibur stellen mußten. Und als er selbst, nach erlassener Bekanntmachung, – – daß Alle, die in unbefestigten Städten und Flecken wohnten, sich in sichere Plätze ziehen und selbst aus den Dörfern jener Gegend, durch welche Hannibal gehen würde, Alle auswandern sollten, wenn sie zuvor die Häuser angezündet, und die Früchte verderbt hätten, damit sich nicht der mindeste Vorrath fände; – – auf der Flaminischen Heerstraße dem Consul und den Truppen entgegen zog, so schickte er, sobald er an der Tiber bei Ocriculum den Zug in der Ferne und den Consul gewahr wurde, der mit der Reuterei herankam, einen Amtsboten hin, um dem Consul zu sagen, er müsse vor dem Dictator ohne Lictoren erscheinen. Er gehorchte; und ihre Zusammenkunft gab der Dictatur bei Bürgern und Bundsgenossen, die mit diesem Statsamte durch die Länge der Zeit beinahe unbekannt geworden waren, ein gewaltiges Ansehen: da meldete ein Brief aus Rom, daß die Frachtschiffe, die von Ostia aus Lebensmittel für das Heer nach Spanien geladen hatten, nahe am Hafen von Cosa von einer Punischen Flotte genommen wären. Also wurde der Consul sogleich befehligt, nach Ostia abzugehen, und wenn er die bei Rom oder zu Ostia liegenden Schiffe mit Soldaten und Seeleuten bemannt hätte, die feindliche Flotte zu verfolgen und Italiens Küste zu decken. Es hatte nämlich zu Rom eine starke Aushebung Statt gehabt: sogar Freigelassene, wenn sie Kinder und das dienstfähige Alter hatten, waren in Eid genommen. Von diesem in der Stadt geworbenen Heere wurden die unter fünfunddreißig Jahren eingeschifft, die Andern blieben zur Besatzung der Stadt.

12. Nachdem sich der Dictator das Heer des Consuls vom Legaten Fulvius Flaccus hatte übergeben lassen, kam er durch das Sabinische nach Tibur, an welchem sich hier 521 die neuen Soldaten seiner Bekanntmachung gemäß hatten einstellen müssen: von hier ging er auf Präneste, und über Querwege auf die Latinische Heerstraße; und von da rückte er auf lauter sorgfältigst ausgekundschafteten Wegen näher an den Feind, mit dem Vorsatze, es nirgend, außer wenn die Noth geböte, auf das Glück ankommen zu lassen.

Gleich am ersten Tage, als er nicht weit von Arpi im Angesichte des Feindes sein Lager aufschlug, ließ es auch Hannibal sein Erstes sein, in Schlachtordnung auszurücken und ihm ein Treffen anzubieten. Wie er aber sah, daß bei den Feinden Alles ruhig blieb und ihr Lager nicht im mindesten in Aufruhr gerieth, so äußerte er zwar bei seinem Rückzuge ins Lager laut spöttelnd, daß doch endlich auch den Römern der vom Mars angestammte Muth gebrochen, der Krieg beendet und der Preis der Tapferkeit und Ehre offenbar ihm überlassen sei; verschwieg aber die Sorge, die in seinem Inneren erwachte, daß er es nun mit einem Feldherrn zu thun haben werde, der keinesweges einem Flaminius und Sempronius ähnlich sei, und daß die Römer, durch Unglück belehrt, sich endlich nach einem Feldherrn umgesehen hätten, der dem Hannibal gewachsen sei. Daß er vom Dictator keinen Gewaltschlag, sondern Klugheit zu fürchten habe, sah er gleich. Und da er seine Beharrlichkeit noch nicht kannte, so legte er es darauf an, durch öftern Aufbruch mit seinem Lager und durch Verheerung des Gebiets der Römischen Bundsgenossen vor seinen Augen, ihn zu beunruhigen und zu reizen. Bald entzog er sich seinen Blicken durch einen schnellen Marsch, bald blieb er plötzlich an irgend einer Krümmung des Weges im Hinterhalte stehen, um ihn, falls er in die Ebene herabkäme, in Empfang zu nehmen.

Fabius führte sein Heer immer in hohen Gegenden, in mäßiger Entfernung vom Feinde, so daß er ihn weder losließ, noch mit ihm zusammentraf. Die Soldaten ließ er, außer wenn es Bedürfnisse unumgänglich nothwendig machten, nicht aus dem Lager. Futter und Holz holten sie nie in kleinen, nie in zerstreuten Schwärmen. Ein 522 Kohr Reuterei und Leichtbewaffneter, auf jeden unvorhergesehenen Lärmen in Schluß und Bereitschaft, deckte die eignen Soldaten überall und machte den zerstreuten feindlichen Plünderern die ganze Gegend unsicher. Nie wagte er das Ganze in einer allgemeinen Schlacht: und die unbedeutenden Vortheile in kleinen Gefechten, wo seine Leute aus einer sichern Stellung angriffen und den Zufluchtsort in der Nähe hatten, gewöhnten die durch bisherige Niederlagen muthlos gewordenen Krieger, endlich mit ihrer Tapferkeit oder ihrem Glücke nicht mehr so unzufrieden zu sein.

Allein diese so heilsamen Maßregeln sah er vom Hannibal nicht feindseliger bestreiten, als von seinem Magister Equitum, der, in Entwürfen keck und übereiltIch glaube, so construiren zu müssen: qui, ferox rapidusque in consiliis, nihil aliud morae ad rem p. praecipitandam habebat, quam quod etc. Darum interpungire ich so: qui nihil aliud, quam quod impar erat imperio, morae ad rem p. praecipitandam habebat, ferox rapidusque in consiliis: ac lingua immodicus, primo inter paucos – – – – – – compellabat; cet., bloß dadurch abgehalten wurde, das allgemeine Beste an den Rand des Verderbens zu stellen, daß er dem Dictator im Oberbefehle nicht gleichstand. Und mit seiner unbändigen Zunge machte er in seinen Benennungen anfangs nur gegen Wenige, zuletzt ganz laut vor jedermann aus dem Zögernden einen Lässigen, aus dem Behutsamen einen Feigen, so daß er den Tugenden des Mannes die naheliegenden Fehler andichtete; und hob sich durch die Kunst, Vorgesetzte zu verkleinern, welche gottlose Kunst durch den nur zu glücklichen Erfolg, den sie so Manchem gewährte, selbst ihr Glück gemacht hat.


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