Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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60. Als die Consuln die Angelegenheiten der Stadt geordnet und die Lage der Bürger gesichert hatten, zogen sie jeder gegen den ihm bestimmten Feind.

Valerius hielt gegen die schon auf dem Algidus vereinigten Heere der Äquer und Volsker den Krieg mit Klugheit hin. Denn hatte er es gleich auf das Glück ankommen lassen, so glaube ich fast, so wie damals seit der unglücklichen Anführung der Decemvirn der Muth der Römer und ihrer Feinde gestimmt war, der Kampf würde sehr zu seinem Nachtheile ausgefallen sein. Er hielt seine Truppen im Lager, das er tausend Schritte weit vom Feinde genommen hatte. Die Feinde erfüllten den Raum zwischen beiden Lagern mit ihrer aufgestellten Schlachtordnung, und ihre Aufforderungen zum Kampfe beantwortete von den Römern niemand. Endlich des Stehens und vergeblichen Harrens auf ein Treffen müde, zogen Äquer so gut, als Volsker, des ihnen eingeräumten Sieges fast schon gewiß, zum Theile ins Herniker-, zum Theile ins Latinergebiet auf Plünderung: im Lager blieb mehr eine Bedeckung, als Truppen genug zur Schlacht. Kaum merkte dies der Consul, so war nun die Reihe des Drohens an ihm: nun forderte er in Schlachtordnung den Feind auf. Sobald man dort im Bewußtsein eigner Schwäche dem Kampfe auswich, stieg den Römern der Muth, und sie sahen den hinter einem Walle bebenden Feind für besiegt an. Als sie 287 den ganzen Tag in Erwartung der Schlacht gestanden hatten, räumten sie gegen die Nacht den Platz.

Voll Hoffnung überließ man sich auf Römischer Seite der Pflege. Nicht mit gleichen Empfindungen schickten die Feinde eilfertig nach allen Seiten Boten aus, die Plünderer umzurufen. Die nächsten eilten zurück; die entfernteren fand man nicht.

Bei anbrechendem Tage rückten die Römer aus, mit dem Vorsatze, den Wall zu stürmen, wenn ihnen keine Schlacht geboten würde; und als schon hoch am Tage von Seiten des Feindes keine Bewegung erfolgte, so befahl der Consul den Angriff; und die Linie brach auf, als Äquer und Volsker der Unwille ergriff, daß siegreiche Heere, wie die ihrigen, ihren Schutz dem Walle, und nicht der Tapferkeit und den Waffen verdanken sollten. Also erhielten auch sie das ihren Feldherren abgepochte Zeichen zur Schlacht. Und schon war ein Theil aus dem Lager gerückt, und der Ordnung nach folgten die andern dem Zuge, aus dem sich jeder auf seine Stelle einreihete, als der Consul anrücken ließ, ehe die feindliche Linie auf ihre ganze Stärke fußend zum Stehen kommen könnte: und da er schon angriff, ehe sie noch alle herausgeführt waren, und die es waren, sich noch nicht völlig auf die Glieder ausgebreitet hatten, so brach er in den, ich mochte sagen, wankenden Haufen von Hin- und Herrennenden ein, die noch auf sich selbst und auf die Ihrigen warteten, und deren Bestürzung Schlachtgeschrei und Angriff zugleich erhöhete. Zuerst also wichen die Feinde: als sie sich aber gesammelt hatten, und ihre Feldherren ihnen verweisend von allen Seiten zuriefen, ob sie Besiegten weichen wollten, wurde das Gefecht wieder hergestellt.

61. Auf der andern Seite forderte der Consul die Römer auf, nicht zu vergessen, «daß sie am heutigen Tage zum erstenmale als Freie für das freie Rom föchten. Sie würden den Sieg sich selbst erwerben, nicht, um als Sieger Decemvirn eine Beute zu werden. Hier sei kein Appius Anführer, sondern ein Consul, Valerius, von Befreiern des Römischen Volks entsprossen, und Befreier 288 selbst. Sie möchten zeigen, daß in den vorigen Schlachten die Schuld, nicht gesiegt zu haben, an den Feldherren, nicht an den Soldaten gelegen habe. Es sei schimpflich, gegen Mitbürger mehr Muth zu zeigen, als gegen die Feinde, und in der Stadt vor Knechtschaft sich ärger zu fürchten, als im Felde. Virginia sei nur die Einzige gewesen, deren Keuschheit im Frieden bedrohet sei; Appius nur der einzige Bürger von gefährlicher Wollust. Sollte aber das Glück der Schlacht sinken, so drohe den Kindern Aller von so viel tausend Feinden Gefahr. Doch er wolle das nicht über seine Lippen bringen, was Jupiter so wenig, als Vater Mars über die Stadt kommen lassen würden, die unter so glücklichen Vorzeichen erbauet sei.» Dann erinnerte er sie an den Aventinischen, an den heiligen Berg. «Sie möchten jener Stelle, auf der vor wenig Monaten die Freiheit errungen sei, auch die Oberherrschaft ungeschmälert wieder zubringen, und beweisen, daß Römische Soldaten noch derselbe Geist nach Vertreibung der Decemvirn beseele, wie vor deren Erwählung, und durch Ausgleichung der Gesetze der Muth des Römischen Volkes nicht gemindert sei.»

Als er so bei den Fahnen des Fußvolks geredet hatte, flog er zur Reuterei. «Auf, ihr jungen Männer!» sprach er, «übertreffet das Fußvolk an Tapferkeit, wie ihr es an Ehre und Range übertreffet. Im ersten Zusammentreffen hat schon das Fußvolk den Feind zurückgedrückt: sprengt ihr nun mit euren Rossen in den geschlagenen ein und jagt ihn aus dem Felde. Er wird den Angriff nicht aushalten, und schon jetzt zögert er mehr, als er widersteht.» Sie spornten die Pferde und ließen sie auf den Feind, den schon das Gefecht mit dem Fußvolke aus der Haltung gebracht hatte, durchbrachen die Glieder, und da sie bis ins Hintertreffen vorgedrungen waren, jagten sie zum Theile in der freien Ebene umher, trieben die schon auf allen Seiten die Flucht nehmenden fast sämtlich vom Lager abwärts, sprengten an diesem auf und nieder und schreckten sie zurück. Die Linie des Fußvolks, mit ihr der Consul selbst und der ganze Sturm der Schlacht warf sich auf das Lager 289 und eroberte es mit großem Verluste der Feinde und mit dem Gewinne einer noch größeren Beute.

Der Ruf von dieser Schlacht, der nicht bloß in die Stadt, sondern auch ins Sabinische zu dem andern Heere erscholl, erregte in der Stadt bloß allgemeine Freude; im Lager spornte er auch den Muth der Soldaten, dieser Ehre nachzueifern.

Hier hatte sie Horatius dadurch, daß er sie zu Ausfällen anstellte und in leichten Gefechten versuchte, schon wieder mehr daran gewöhnt, sich selbst zu vertrauen, als des unter Anführung der Decemvirn erlittenen Schimpfes zu achten; und diese kleinen Kämpfe waren der zu hoffenden Entscheidung des Ganzen sehr vortheilhaft gewesen. Und die Sabiner, stolz auf ihr vorjähriges Glück, hörten nicht auf, sie zu necken, heranzudringen und zu fragen: «Warum sie nach Straßenräuber Art in kleinen Rotten bald hervorsprengend, bald flüchtend, die Zeit hinbrächten und die Entscheidung eines einzigen Krieges in so viele kleine Treffen zerstückelten? Warum sie nicht in Linie anrückten und dem Glücke Gelegenheit gäben, der Sache mit Einem Schlage ein Ende zu machen?».

62. Außerdem, daß der Muth der Römer, auch ungespornt, schon hoch genug gestiegen war, wurden sie nun noch vom Unwillen entflammt. «Das andre Heer werde schon als Sieger zur Stadt heimkehren, und sie müßten sich vom höhnenden Feinde sogar verspotten lassen; Wann sie ihm aber gewachsen sein würden, wenn sie es noch nicht wären?» Als der Consul vernahm, daß sich der Soldat so im Lager verlauten lasse, sprach er vor einer berufenen Versammlung: «Wie man sich auf dem Algidus gehalten habe, werdet ihr, Soldaten, wie ich glaube, gehört haben. Sie haben sich dort so genommen, wie man es von dem Heere eines freien Volks erwarten mußte. Durch die Geschicklichkeit meines Amtsgenossen, durch die Tapferkeit der Soldaten ist ein Sieg erfochten. Was mich betrifft, so werde ich so viel Entschließung und Muth haben, als ihr selbst mir einflößet. Der Krieg kann mit Vortheil langsam geführt, aber auch ohne Übereilung jetzt beendet werden. Müssen wir 290 zögern, so soll mir eben die Zucht, die ich bis jetzt angewandt habe, behülflich sein, euer Vertrauen und eure Tapferkeit von Tage zu Tage zu erhöhen. Habt ihr aber jetzt schon Muth genug und sehnt euch nach Entscheidung; wohlan! so erhebet hier euer Kriegsgeschrei, so wie ihr es in der Schlacht zu erheben denkt, zum Zeichen eurer Entschlossenheit und Tapferkeit!»

Als sie das Geschrei mit großer Lebhaftigkeit erschallen ließen, versprach er, ihnen in Gottes Namen Folge zu leisten und sie morgendes Tages zur Schlacht zu führen. Der Überrest des Tages wurde verwandt, die Waffen in Stand zu setzen.

Als die Sabiner am folgenden Tage die Aufstellung der Römischen Linie gewahr wurden, traten auch sie hervor, schon längst des Kampfes begierig. Die Schlacht war so, wie zwischen zwei Heeren voll Selbstgefühls; dem einen, von altem immer behaupteten Ruhme; dem andern, stolz auf seinen neulichen Sieg. Auch kamen die Sabiner ihrer Stärke mit einer List zu Hülfe. Denn da sie ihrer Linie die Länge der Römischen gegeben hatten, ließen sie noch zweitausend Mann außerhalb der Reihe aufgestellt, welche mitten im Gefechte auf den linken Römischen Flügel einbrechen sollten. Schon wurden diese dem durch ihren Seitenangriff beinahe umzingelten Flügel zu schwer, als die Ritter zweier Legionen, etwa sechshundert stark, von den Pferden sprangen, an die Spitze der schon weichenden Ihrigen flogen und sich nicht nur dem Feinde entgegen stellten, sondern auch zuerst durch gleiche Theilnahme an der Gefahr, und dann durch Beschämung den Muth der Fußgänger neu belebten. Diese fanden es schimpflich, wenn die Ritter im Gefechte ihren eignen und einen fremden Platz fülleten, sie aber, als Fußvolk es nicht einmal einer abgesessenen Reuterei gleich thäten.

63. Sie brachen also wieder zum Kampfe vor; den sie schon aufgegeben hatten, und nahmen den Platz, aus dem sie gewichen waren, wieder ein. Und im Augenblicke war nicht allein das Gefecht hergestellt, sondern auch der Sabinische Flügel zurückgedrückt. Zwischen den Gliedern 291 des Fußvolks gedeckt machte sich die Reuterei wieder an ihre Pferde und flog, als Botinn des Sieges, zum andern Flügel hinüber; zugleich warf sie sich auf den Feind, der schon durch die Niederlage seines stärkeren Flügels geschreckt war. Ihre Tapferkeit zeichnete sie in dieser Schlacht vor allen Andern aus. Der Consul, sorgsam für Alles, lobte die Tapfern; schalt, wo er das Gefecht erschlaffen sah. Die Getadelten zeigten sogleich den Eifer tapfrer Männer, und hier spornte Beschämung so mächtig, als dort das Lob. Mit erneuertem Geschreie brachten sie, von allen Seiten zugleich sich anstrengend, den Feind zur Flucht, und nun war die Überlegenheit der Römer unwiderstehlich. Die Sabiner, in zerstreueten Haufen über die Felder gejagt, überließen ihr Lager dem Feinde zur Beute. Hier gewannen die Römer nicht, wie auf dem Algidus, das geraubte Gut der Bundsgenossen wieder, sondern ihr eigenes, das ihnen bei den Plünderungen ihres Landes genommen war.

Für diesen doppelten, in zwei verschiedenen Schlachten erfochtenen, Sieg verordnete der Senat die der Ehre der Consuln gebührende Dankfeier, allein verkleinernd nur auf Einen Tag. Aber ungeheißen zog das Volk auch am andern Tage scharenweise in die Tempel; und die Zuneigung machte diese sich selbst überlassene, vom Volke aus Liebe begangene, Feier beinahe festlicher, als die vorige. Die Consuln trafen nach einer Verabredung an zwei auf einander folgenden Tagen vor der Stadt ein, und beriefen den Senat auf das Marsfeld zu sich heraus. Als sie hier von ihren Thaten Bericht gaben, klagten die Häupter der Väter, man halte absichtlich den Senat, um ihn zu schrecken, mitten unter Soldaten. Die Consuln also, die Beschuldigung unstatthaft zu machen, verlegten die Senatsversammlung von hier auf den schon damals so genannten Apollo-Platz der Flaminischen Wiesen, auf welchem jetzt der Tempel des Apollo steht.

Da ihnen hier die Väter mit großer Einstimmigkeit den Triumph abschlugen, so trug der Bürgertribun Lucius Icilius auf den Triumph der Consuln beim Volke an, vor 292 welchem dann viele mit Gegenvorstellungen auftraten, und hauptsächlich Cajus Claudius, der mit lautem Unwillen sagte: «Über die Väter, nicht über die Feinde, wollen die Consuln triumphiren; und dem Tribun sei es bloß um eine Gegengefälligkeit für ihr besondres Verdienst um ihn, nicht um Ehre für ihre Tapferkeit, zu thun. Noch nie sei das Recht zu triumphiren vor dem Volke zur Sprache gebracht; allemal habe die Beurtheilung und Entscheidung dieser Ehre vom Senate abgehangen. Das ehrwürdige Vorrecht dieses höchsten Standes hätten selbst die Könige nicht geschmälert. Die Tribunen möchten sich mit ihrer Macht nicht so durchaus in Alles einmischen, daß sie darüber alle Berathung des Ganzen abschafften. «Nur dann erst werde der Stat frei, nur dann die Gesetze gleich gemacht sein, wenn jeder Stand seine Rechte, seine Würde behaupte.» Noch viele von den übrigen bejahrteren Vätern gehaltene Reden waren ähnlichen Inhalts: dennoch genehmigten alle Bezirke jenen Antrag. Dies war das erstemal, daß ohne Zustimmung der Väter, bloß auf Geheiß des Volks ein Triumph gehalten wurde.

64. Dieser Sieg der Tribunen und des Bürgerstandes wäre beinahe dadurch in eine gefährliche Übertreibung ausgeartet, daß die Tribunen eins wurden, sich wieder wählen zu lassen, und damit ihre Amtssucht so viel weniger abstechend sei, auch den Consuln ihre Stelle zu verlängern. Zum Vorwande nahmen sie das Einverständniß der Väter, vermittelst dessen jene, um die Consuln zu beschimpfen, die Rechte des Bürgerstandes umzustoßen versucht hatten. «Was daraus werden wolle, wenn sie mit ihren Parteien, ehe noch die Gesetze in Kraft gegangen wären, über neue Tribunen herfielen? denn nicht immer würden ein Valerius und Horatius Consuln sein, die ihre eigne Macht der Freiheit des Bürgerstandes nachsetzten.»

Es fügte sich zur rechten Zeit so glücklich, daß das Los, am Wahltage den Vorsitz zu haben, gerade den Marcus Duillius traf, einen klugen Mann, der den von der Verlängerung der Ämter zu befürchtenden Haß voraussah. 293 Da dieser erklärte, er werde auf keinen einzigen von den alten Tribunen Rücksicht nehmen, und seine Amtsgenossen dagegen behaupteten, er solle den Bezirken bei der Stimmensammlung freien Willen lassen, oder den Vorsitz bei der Wahl seinen Amtsgenossen abtreten, welche sie mehr dem Gesetze gemäß, als nach dem Willen der Väter halten würden; so befragte er im Verfolge des Streits die Consuln, die er zu den Tribunensitzen rufen ließ, was sie in Betreff der Consulnwahl beschlossen hätten; und als sie antworteten, sie würden neue Consuln wählen, so trat er mit ihnen, als den schicklichsten Gegnern der Volkswünsche, weil sie gleichwohl des Volkes Liebe hatten, vor der Versammlung auf. Als er hier die Consuln vor dem Volke aufrief und sie befragte, was sie thun würden, wenn das Römische Volk, aus Dankbarkeit für die durch sie zu Hause wieder erlangte Freiheit, aus Dankbarkeit für ihre Kriegsdienste und Thaten, sie abermals zu Consuln wählte; die Consuln aber von ihrer Erklärung durchaus nicht abgingen: so ertheilte er ihnen sein Lob, daß sie bis ans Ende den Decemvirn so unähnlich blieben, ließ die Wahl vor sich gehen, und da die übrigen Bewerber, als fünf Tribunen schon erwählt waren, vor der Zudringlichkeit der neun ohne Scheu nach dem Amte ringenden Tribunen nicht die gehörige Stimmenzahl erhielten, so entließ er die Versammlung und setzte keine neue zu einem Wahltage an. Er sagte, dem Gesetze sei Genüge geschehen, da es, ohne den Tribunen eine bestimmte Zahl vorzuschreiben, bloß verordne, man solle das Volk nicht ohne Tribunen lassenDies Gesetz war durch den Duillius selbst zu Stande gebracht. Siehe oben Cap. 55. am Ende.. Er las auch die Formel jenes Antrages vor, worin es heißt: «Wenn ich auf zehn Bürgertribunen antrage, und ihr solltet etwa heute zu Bürgertribunen weniger als Zehn gewählt haben, so sollen dann, wenn diese sich andre zu nachgewählten Amtsgenossen nehmen, diese Letztern vermöge dieses Gesetzes eben so rechtmäßige Bürgertribunen sein, als diejenigen, welche ihr heute zu Bürgertribunen gewählt haben werdet.»

294 Duillius vereitelte durch seine bis zum Ende fortdauernde Beharrlichkeit, mit der Behauptung, der Stat könne doch nicht funfzehn Bürgertribunen haben, die herrschsüchtigen Absichten seiner Amtsgenossen, und geschätzt von den Vätern, wie vom Bürgerstande, trat er von seinem Amte ab.

65. Die neuen Bürgertribunen begünstigten bei der Nachwählung ihrer Amtsgenossen den Willen der Väter, und stellten sogar zwei Patricier und gewesene Consuln, den Spurius Tarpejus und Aulus Aterius als Nachgewählte an.

Lar Herminius und Titus Virginius, die neuen Consuln, die sich weder merklich auf die Seite der Väter, noch des Bürgerstandes neigten, hatten Frieden im Innern und auswärts. Der Bürgertribun Lucius Trebonius, der auf die Väter erbittert war, weil er von ihnen, wie er sagte, bei der Nachwahl der Tribunen überlistet und von seinen Amtsgenossen verrathen war, setzte den Vorschlag durch, «daß jeder, der bei dem Römischen Bürgerstande auf die Wahl von Bürgertribunen antrüge, diese Wahl so lange fortsetzen sollte, bis er zehn Bürgertribunen hätte ernennen lassen;» und verwandte sein Tribunat auf die Verfolgung der Väter, worüber ihm der Zuname Asper (der Unsanfte) gegeben wurde.

Die folgenden Consuln, Marcus Geganius Macerinus und Cajus Julius, wußten die geheimen Verbindungen der Tribunen gegen die Jüngern vom Adel abzuleiten, ohne weder gegen jene Macht feindselig zu verfahren, noch der Würde der Väter etwas zu vergeben. Den Bürgerstand hielten sie dadurch von Unruhen ab; daß sie sich zum Kriege gegen die Volsker und Äquer eine Werbung anbefehlen ließen und ihre Ausführung hinhielten, indem sie versicherten, bei der Ruhe im Innern sei auch von außen Alles friedlich: nur die bürgerlichen Uneinigkeiten machten den Auswärtigen Muth. So bewirkte die Sorge für den Frieden zugleich die innere Eintracht.

Doch Ein Stand mußte immer der Mäßigung des andern überlästig sein. Als die Bürgerlichen Ruhe hielten, 295 fingen die Jüngern der Väter an, sie zu kränken. Wollten die Tribunen den Niedrigern Hülfe leisten, so war diese anfänglich nicht hinreichend, und späterhin blieben sie selbst nicht unangetastet, vollends in den letzten Monaten, theils weil das Unrecht von den Mächtigern durch ihre Verbindungen geübt wurde, theils weil die Kraft jedes obrigkeitlichen Amts gewöhnlich gegen Ende des Jahrs um vieles schlaffer war: und schon setzte der Bürgerstand in das Tribunat nur dann noch einige Hoffnung, wenn er dem Icilius ähnliche Tribunen hatte; seit zwei Jahren habe er leere Namen gehabt. Die bejahrteren Väter hingegen, wenn sie gleich ihre jungen Männer für zu Übermüthig hielten, sahen es doch lieber, wenn das Maß einmal überschritten werden sollte, daß die Ihrigen des Muthes zu viel hatten, als ihre Gegner. So schwer ist die Mäßigung in Behauptung der Freiheit, weil Jeder unter dem Scheine, sich mit Andern auf gleiche Höhe stellen zu wollen, die Andern niederdrückt; die Menschen immer, um sich nicht fürchten zu dürfen, sich selbst furchtbar machen, und wir das Unrecht, so wie wir uns dessen erwehrt haben, gleich als müßten wir es entweder thun oder leiden, Andern aufbürden.

66. Die darauf erwählten Consuln, Titus Quinctius Capitolinus, der es zum viertenmale war, und Agrippa Furius, fanden weder innere Unruhen vor, noch auswärtigen Krieg: aber beides drohete. Schon ließ sich die Zwietracht der Bürger nicht länger unterdrücken, da bei der Erbitterung der Tribunen und des Bürgerstandes gegen die Väter, die öfteren gerichtlichen Anklagen der Adlichen die Versammlungen jedesmal durch neue Streitigkeiten in Aufruhr setzten. Auf das erste Geräusch derselben griffen die Äquer und Volsker, als auf ein gegebenes Zeichen, zu den Waffen; auch darum, weil ihre raubsüchtigen Anführer ihnen eingebildet hatten: «Vor zwei JahrenSiehe das vorhergehende Cap. habe die anbefohlne Werbung nicht vor sich gehen können, weil sich der Bürgerstand den Oberbefehl nicht länger habe 296 gefallen lassen wollen: darum habe man keine Heere gegen sie gesandt: die Sitte, als Krieger zu dienen, finde in der Ungebundenheit ihr Grab. Die Römer sähen schon in Rom selbst die gemeinschaftliche Vaterstadt nicht mehr: alle ehemalige Erbitterung, allen Groll gegen Auswärtige hätten sie gegen sich selbst gewandt. Jetzt sei die Gelegenheit da, die durch Wuth gegen ihr Inneres verblendeten Wölfe zu vertilgen.»

Mit vereinten Heeren plünderten sie zuerst durch das ganze Latinische Gebiet, und da sich hier niemand, es zu hindern, ihnen entgegenstellte, rückten sie verheerend – und dies war vollends für die Anstifter des Krieges ein großer Triumph – selbst an die Mauern Roms in der Gegend des Esquilinischen Thors, und boten der Stadt in der Verheerung ihrer Gefilde ein höhnendes Schauspiel. Als sie von hier ungestraft, die Beute vor sich hintreibend, rückwärts nach Corbio abzogen, rief der Consul Quinctius das Volk zur Versammlung.

67. Hier hielt er, wie ich finde, eine Rede folgendes Sinnes: «Bin ich mich gleich keines Verbrechens bewußt, ihr Quiriten, so trat ich gleichwohl tief beschämt vor eurer Versammlung auf. Daß ihr das erfahren mußtet! daß das der Nachwelt überliefert werden soll, daß Äquer und Volsker, die neulich kaum den Hernikern gewachsen waren, unter dem vierten Consulate des Titus Quinctius, sich den Mauern der Stadt Rom ungestraft mit den Waffen in der Hand genähert haben! Hätte ich gewußt, daß diese Schande – wiewohl wir schon lange so leben und die Sachen so stehen, daß man nichts Gutes erwarten kann! – gerade diesem Jahre beschieden sei, so würde ich mich ihr durch Auswanderung oder Tod, wenn ich dem Consulate auf keine andre Art hatte ausweichen können, entzogen haben. Ist es wahr? wenn jene Waffen, die wir in unsern Thoren erblickten, in den Händen von Männern waren, so konnte Rom in meinem Consulate erobert sein? Hatte ich doch der Ehrenämter genug gehabt, und der Lebensjahre genug und zu viel! in meinem dritten Consulate mußte ich sterben.»

297 «Und gegen wen nahmen sich denn die feigsten aller Feinde so viele Verachtung heraus? Gegen uns Consuln? oder gegen euch, Quiriten? Liegt die Schuld an uns, so nehmt uns Unwürdigen die Regierung, und ist das noch nicht genug, so bestraft uns noch oben ein. Liegt sie an euch? dann freilich finde sich weder Gott, noch Mensch, ihr Quiriten, der eure Vergehungen strafe; – lasset ihr sie euch nur gereuen! Nicht eure Muthlosigkeit war es, welche jene verachtet haben: nicht auf eigne Tapferkeit baueten sie: denn so vielmals geschlagen und verjagt, ihres Lagers beraubt, um Land gestraft, unter den Jochgalgen gebeugt, haben sie sich und euch kennen gelernt. Die Zwietracht der Stände ist das Gift dieser Stadt. Die Streitigkeiten zwischen Vätern und Bürgern, weil wir im Beherrschen, ihr in eurer Freiheit nicht Maß haltet; weil ihr mit den patricischen, diese mit den bürgerlichen Obrigkeiten unzufrieden sind, haben jenen den Muth gehoben. Um Gotteswillen, was wollt ihr denn? Ihr wolltet Bürgertribunen haben: der Eintracht zu Liebe gestanden wir sie euch zu. Ihr fandet Decemvirn wünschenswerth: wir ließen sie wählen. Ihr wurdet mit den Decemvirn unzufrieden: wir zwangen sie, abzudanken. Da euer Zorn gegen sie in ihrem Privatstande fortdauerte, ließen wir durch Geburt und Würden ausgezeichnete Männer Tod und Verbannung leiden. Dann wolltet ihr abermals Bürgertribunen haben; ihr habt sie gewählt; Consuln ernennen, die es mit euch hielten: fanden wir es gleich für die Väter nachtheilig, so sahen wir dennoch zu, als sogar dies patricische Amt vom Bürgerstandeplebi, der alte Genitiv für plebei, oder plebis. verschenkt wurde. Die euch zur Hülfe gegebenen Tribunen, die Ansprache an das Volk, die Ausdehnung der Bürgerbeschlüsse auf die Väter, die unter dem Vorwande einer Ausgleichung der Gesetze bewirkte Unterdrückung unsrer Rechte – das Alles haben wir ertragen, und tragen es noch. Wann werden die Fehden ein Ende haben? Wann werden wir endlich Bürger Einer Stadt sein können? wann 298 einmal in dieser eine gemeinschaftliche Vaterstadt bewohnen? Wir, die Besiegten, verstehen uns mit mehr Gelassenheit zur Ruhe, denn ihr, als Sieger. Ist es nicht genug, daß ihr uns furchtbar seid? Gegen uns bezieht man den Aventinus: gegen uns wird der heilige Berg besetzt. Als aber die Esquilien vom Feinde beinahe schon erobert wurden, der Volsker als Feind den Wall hinanstieg, da trieb ihn niemand ab: nur gegen uns seid ihr Männer, nur gegen uns habt ihr Waffen.»

68. «So ziehet doch einmal, wenn ihr hier mit der Belagerung des Rathhauses fertig seid, den Marktplatz gefährlich gemacht und das Gefängniß mit den ersten Männern gefüllet habt, mit eben diesem wilden Muthe hinaus vor das Esquilinische Thor: oder, wenn ihr auch das nicht wagt, so sehet von den Mauern herab eure Ländereien mit Feuer und Schwert verwüsten, die Beute wegtreiben, allenthalben die angezündeten Häuser rauchen. Ihr sagt: Es ist ja nur das Ganze, was hierunter am meisten leidet: wir lassen im Lande sengen und brennen, die Stadt belagern, unsern Kriegsruhm dem Feinde. – Wie aber? wie steht es um euer Eigenthum? Bald wird Jedem von seinem Grundstücke der erlittene Schade gemeldet werden. Und was habt ihr nun zu Hause, ihn zu ersetzen? Werden euch die Tribunen das Verlorne wiedergeben und erstatten? Geschrei und Worte werden sie euch entgegenströmen, so viel ihr wollt; Verläumdungen der Großen, Vorschläge, einen über den andern, und Versammlungen in Menge. Aber aus jenen Versammlungen kehrte noch niemand von euch mit Gewinnst für sein Vermögen oder seine Lage nach Hause. Wo wäre der, der seiner Gattinn und Kindern etwas anderes heimbrachte, als Erbitterungen, Beleidigungen, Feindschaften von ganzen Parteien und Einzelnen? vor denen ihr euch denn immer, nicht durch eure Tapferkeit und Unsträflichkeit, sondern durch fremde Hülfe schützt! Aber bei Gott! wenn ihr, geführt von uns, euren Consuln, nicht von den Tribunen, im Lager Dienste thatet, nicht auf dem Marktplatze; wenn in der Linie von eurem Geschreie die Feinde, 299 nicht in der Versammlung die Römischen Väter erbebten; dann kehrtet ihr, reich an Beute, reich an Land, das ihr dem Feinde nahmt, beladen mit Gütern und Ruhm für euer Vaterland und für eure Person, als die Triumphirenden in euer Haus und zu seinen Göttern: und jetzt lasset ihr den Feind belastet mit dem Eurigen abziehen. Nun so steht in euren Versammlungen festgepfählt! verlebt eure Tage auf dem Marktplatze! die Nothwendigkeit, zu fechten, die ihr fliehet, folgt euch doch. Es war euch zu beschwerlich, in das Äquer- und Volskerland auszuziehen? Dafür ist jetzt der Krieg vor den Thoren; und wenn ihr ihn da nicht abtreibt, so wird er nächstens innerhalb der Mauern sein, wird die Burg, das Capitol ersteigen und euch in eure Häuser verfolgen. Schon vor zwei Jahren befahl der Senat eine Werbung, und ein Heer sollte auf den Algidus ausrücken: statt dessen sitzen wir unthätig zu Hause, zanken wie die Weiber, lassen uns den augenblicklichen Frieden gefallen, und sehen nicht ein, daß aus dieser kurzen Ruhe vielfacher Krieg erwachsen werde.»

«Ich weiß, daß ich andre Sachen hätte vortragen können, die ihr lieber gehört hättet: wenn aber auch meine Denkungsart mich nicht aufforderte, lieber die Wahrheit, als das Angenehme zu sagen, so zwingt mich selbst die Noth. Ich möchte euch gern gefallen, ihr Quiriten, aber noch weit lieber ist mir eure Wohlfahrt; eure für mich daraus erwachsende Gesinnung mag auch sein, wie sie will. Es liegt in der Natur der Sache, daß der, der vor der Menge zu seiner eigenen Empfehlung spricht, lieber gehört wird, als der, dem nur das allgemeine Wohl vor der Seele schwebt; wenn ihr nicht etwa glaubt, daß jene öffentlichen Schmeichler, jene Kriecher beim Volke, die euch weder in den Waffen, noch in Ruhe sein lassen, euch eures eignen Besten wegen aufschrecken und verhetzen. Euren Aufstand nutzen sie dann sich selbst zum Ruhme oder Vortheile; und weil sie sehen, daß sie bei der Eintracht der Stände völlig unnütz sind, so geben sie sich lieber einer schlechten Sache, als gar keiner, – der 300 Verwirrung und dem Aufruhre, zu Führern. Könnt ihr nun endlich dieses Unwesens überdrüssig werden, und wollt euch eurer Väter und eure alte Sitte statt dieser neuen wieder zu eigen machen, so lasse ich mir jede Todesstrafe gefallen, wenn ich nicht diese Plünderer unsres Landes in wenig Tagen als geschlagene Flüchtlinge aus ihrem Lager treibe, und von unsern Thoren und Mauern den Schrecken des Krieges, von dem ihr jetzt betäubt seid, zu ihren Städten hinübertrage.»

69. Nicht leicht war die schmeichelnde Rede eines Tribuns den Bürgern willkommener, als diese des gestrengen Consuls. Und selbst die Mannschaft, welcher sonst eine ähnlich drohende Lage in der Verweigerung der Kriegsdienste die furchtbarste Waffe gegen die Väter in die Hände gab, sehnte sich nach Bewaffnung und Krieg: und das Flüchten der Landleute, ferner die in den Dörfern Ausgeplünderten und Verwundeten, die noch weit schrecklichere Dinge meldeten, als sich dem Auge darstellten, erfüllten die ganze Stadt mit Erbitterung.

Aber als man nun in den Senat kam, da wandten sich alle gegen den Quinctius, betrachteten ihn, als den einzigen Erhalter der Römischen Hoheit; und die Ersten der Väter erklärten: «Das sei noch eine Rede, wie sie eines regierenden Consuls würdig sei; würdig seiner so vielen vorigen Consulate, würdig seines ganzen Lebens, das mit Ehrenstellen ausgestattet sei, die er so oft bekleidet, noch öfter verdient habe. Andre Consuln hätten entweder mit Aufopferung der Würde des Senats den Bürgern geschmeichelt, oder durch zu strenge Behauptung der Rechte dieses Standes die Menge gegen alle Leitung noch widerspänstiger gemacht; Titus Quinctius aber sei in seiner Rede sowohl der Majestät der Väter, als der Einigkeit der Stände und besonders der gegenwärtigen Lage eingedenk gewesen. Sie bäten ihn und seinen Amtsgenossen, im Namen des States aufzutreten; sie bäten die Tribunen, mit den Consuln Eines Sinnes, die Entfernung des Krieges von der Stadt und ihren Mauern zu begünstigen, und den Vätern in so dringender Noth mit der 301 Folgsamkeit des Bürgerstandes entgegen zu kommen. Das gemeinschaftliche Vaterland wende sich an die Tribunen, und rufe bei der Verheerung der Dörfer und fast schon eröffneten Belagerung der Stadt ihre Hülfe an.»

Mit allgemeiner Zustimmung wurde die Werbung befohlen und gehalten. Da die Consuln vor der Versammlung erklärten: «Die Zeit leide es jetzt nicht, Entschuldigungen zu untersuchen; alle Dienstfähigen sollten mit der Frühe des folgenden Tages auf dem Marsfelde erscheinen. Zur Untersuchung der Entschuldigungen aller derer, welche sich jetzt zum Dienste nicht meldeten, würden sie nach Beendigung des Krieges eine Zeit ansetzen; der werde als Ausreißer angesehen werden, dessen Vorwand sie nicht gültig fänden:» so stellten sich am folgenden Tage die Dienstfähigen alle. Die Hauptleute in jeder Cohorte wählten sich diese selbst, jeder Cohorte hingegen wurden zwei Senatoren vorgesetzt. Alles dies wurde so zeitig bewerkstelligt, daß die Fahnen noch denselben Tag, als sie die Quästoren aus der Schatzkammer verabfolgt und auf das Marsfeld geliefert hatten, um zehn Uhr Morgens von diesem Platze aufbrachen, und das neue Heer, dem einige Cohorten alter Krieger freiwillig folgten, beim zehnten MeilenzeigerFünf Römische Meilen machten eine Deutsche: also hier zwei Deutsche Meilen. übernachten konnte. Der folgende Tag brachte sie dem Feinde zu Gesichte, und bei Corbio wurde Lager gegen Lager aufgeschlagen. Am dritten Tage fand der Kampf, weil die Römer die Erbitterung, und jene, die den Krieg so oft erneuert hatten, das Bewußtsein ihrer Schuld und die Verzweiflung spornte, keinen weiteren Aufschub.

70. Standen gleich bei dem Römischen Heere zwei Consuln mit gleicher Gewalt, so lenkte dennoch – und dies ist für die Leitung wichtiger Geschäfte so vorzüglich heilsam – mit Agrippa's Einwilligung sein Amtsgenoß das Ganze, und dieser war bei seinem Vorrange artig genug, die Gefälligkeit, womit jener sich selbst ihm unterordnete, 302 durch die Bereitwilligkeit zu erwiedern, mit welcher er ihn an seinen Anschlägen, an seinem Ruhme Theil nehmen ließ, und einen Mann, den er übertraf, sich gleichstellte.

In der Schlacht hatte Quinctius den rechten Flügel, Agrippa den linken: die Führung des Mitteltreffens wurde dem Legaten Spurius Postumius Albus anvertraut; den andern Legaten Servius Sulpicius setzten sie über die Reuterei. Das Fußvolk auf dem rechten Flügel hielt sich vortrefflich, so thätigen Widerstand die Volsker leisteten. Servius Sulpicius mit seiner Reuterei brach mitten durch die feindliche Linie, und ob er gleich auf eben dem Wege, ehe die Feinde ihre zerrütteten Glieder wieder herstellen konnten, zu den Seinigen hätte zurückkehren können, so zog er es doch vor, den Feind im Rücken anzufallen, und er würde im Augenblicke durch diesen Angriff von hinten die von zwei Seiten bedroheten Feinde gesprengt haben, wenn sich nicht die Volskische und Äquische Reuterei zu seiner eigentlichen Beschäftigung mit ihm eingelassen und ihn eine Zeitlang aufgehalten hätte. Hier nun rief Sulpicius: «Zum Zögern sei jetzt nicht die Zeit. Sie wären umzingelt und von den Ihrigen abgeschnitten, wenn sie nicht alle ihre Kraft aufböten, das Gefecht mit der Reuterei abzuthun. Es sei nicht genug, die feindlichen Reuter als Flüchtlinge entkommen zu lassen; man müsse Roß und Mann niederstechen, so, daß keiner ins Treffen zurückkehren, keiner das Gefecht erneuren könne. Unmöglich könnten diese ihnen Stand halten, denen die geschlossene Linie des Fußvolks habe weichen müssen.» Das sagte er nicht tauben Ohren. In Einem Ansturze schlugen sie die ganze Reuterei, warfen eine Menge von den Pferden und durchbohrten sie samt den Pferden mit ihren Wurfspießen. So endigte sich das Gefecht mit der Reuterei. Jetzt ließen sie nach gethanem Angriffe auf das Fußvolk ihren Erfolg den Consuln zu wissen thun, vor denen sich die feindliche Linie schon einbeugte. Die Nachricht erhöhete den siegenden Römern den Muth und schlug die schon weichenden Äquer vollends. Ihre Niederlage begann 303 im Mittelpunkte, wo ihnen die durchgebrochene Reuterei die Glieder in Unordnung gebracht hatte. Dann wurde vom Consul Quinctius ihr linker Flügel zurückgetrieben, auf dem rechten aber gab es die meiste Arbeit. Kaum wurde hier Agrippa, ein junger kraftvoller Mann, gewahr, daß es um die Schlacht allenthalben besser stehe, als bei ihm, so rückte er mit den Fahnen, die er den Fähnrichen nahm, in eigner Person an, und andere warf er sogar in die dicht gedrängten Feinde. Die Soldaten, durch die Furcht vor dieser Schande aufgebracht, drangen ein: und der Sieg war allgemein. Jetzt ließ ihm Quinctius sagen: «Er bedrohe schon als Sieger das feindliche Lager, wolle aber nicht eher hineinbrechen, bis er wisse, ob auch sein linker Flügel gesiegt habe. Habe er die Feinde schon geschlagen, so möge er zu ihm stoßen, damit das gesamte Heer zugleich Beute machen könne.»Agrippa traf als Sieger unter gegenseitigen Glückwünschungen bei seinem Amtsgenossen, dem Sieger, am feindlichen Lager ein. Da die wenigen, die es vertheidigten, bald verjagt waren, so drangen die Consuln ohne Gefecht in die Verschanzungen, und führten das Heer, das eine reiche Beute machte und sein in der Plünderung seines Landes verlornes Eigenthum wiedergewann, nach Hause. Den Triumph sollen sie selbst nicht gefordert, noch der Senat ihnen denselben angetragen haben; und doch wird kein Grund angeführt, warum sie diese Ehre abgelehnt, oder gar nicht erwartet hatten. So viel meine Muthmaßung bei diesem so weiten Abstande jene Zeiten erreichen kann, trugen die Consuln Bedenken, da der Senat den Consuln Valerius und Horatius den Triumph abgeschlagen hatte, welche sich außer der Besiegung der Volsker und Äquer auch den Ruhm des beendeten Sabinerkrieges erworben hatten, für die Hälfte des Verdienstes um den Triumph nachzusuchen, zugleich auch, damit es, wenn man ihn bewilligt hätte, nicht scheinen möchte, man habe mehr auf die Personen Rücksicht genommen, als auf das Verdienst.

71. Diesen ehrenvollen Sieg über die Feinde verunstaltete zu Rom der schimpfliche Richterspruch des Volks 304 in einer Gränzstreitigkeit seiner Bundsgenossen. Die Ariciner und Ardeaten, die über einen streitigen Acker öftere Kriege geführt hatten, nahmen, der vielen gegenseitigen Niederlagen müde, das Römische Volk zum Schiedsrichter. Als sie ihre Sache vorzutragen sich eingefunden hatten, kamen sie in der Versammlung des Volks, welche ihnen die Obrigkeiten dazu angesetzt hatten, hart an einander. Und schon sollten, nach Abhörung der Zeugen, die Bezirke aufgerufen werden und das Volk zur Stimmensammlung schreiten; da trat ein gewisser Publius Scaptius, vom Bürgerstande, auf, ein hochbejahrter Mann, und sagte: «Wenn es erlaubt ist, ihr Consuln, in einer Angelegenheit des States zu reden, so möchte ich das Volk in dieser Sache nicht gern im Irrthume lassen.» Da die Consuln sagten, man müsse auf den Aberwitzigen nicht hören, und ihn auf sein Geschrei, das Beste des Stats werde aufgeopfert, wegpeitschen lassen wollten, so sprach er die Tribunen an. Die Tribunen, so wie sie meistentheils mehr von der Menge sich lenken lassen, als diese lenken, thaten der Neugier des Volks den Gefallen und ließen den Scaptius sagen, was er wollte. Nun fing er an: Er sei im dreiundachtzigsten JahreDie Rechnung trifft zu. Der Krieg bei Corioli, in welchem sich Marcius den Zunamen erwarb, war im J. Roms 261. Scaptius war damals in seinem 20sten Dienstjahre, also 37 alt; und jetzt, da er vor dem Volke auftrat, im J. Roms 309, waren seitdem 46 Jahre verflossen., und habe auf der Feldmark, von der die Rede sei, als Soldat gestanden, nicht als junger Mensch, sondern schon in seinem zwanzigsten Dienstjahre, in dem Kriege bei Corioli. Er könne also die Wahrheit der Sache angeben, weil sie sich, so veraltet sie sei, seinem Gedächtnisse tief eingeprägt habe. Das streitige Land habe zum Gebiete der Coriolaner gehört; nach Eroberung von Corioli sei es dem Kriegsrechte gemäß ein Statseigenthum des Römischen Volks geworden. Er wundre sich, wie die Ardeaten und Ariciner hoffen könnten, das Römische Volk, welches sie aus dem Besitzer zum Schiedrichter machten, um ein Stück Landes zu betriegen, worauf sie selbst im Wohlstande von Corioli nie 305 Anspruch gemacht hätten. Er habe noch wenig Zeit zu leben übrig; doch habe er es sich selbst nicht versagen können, ein Feld, an dessen Eroberung auch er als Soldat Theil gehabt, auch als Greis mit der einzigen ihm gebliebenen Waffe, mit seinem Munde, dem rechten Herrn zu erhalten. Er rathe dem Volke ernstlich, nicht aus unnützer Bescheidenheit gegen seine eigne Sache zu sprechen.»

72. Als die Consuln bemerkten, daß Scaptius nicht bloß mit Aufmerksamkeit, sondern selbst mit Beifall gehört wurde, riefen sie Götter und Menschen zu Zeugen, daß eine große Schandthat im Werke sei und holten die Ersten der Väter herbei. Mit diesen gingen sie bei den Tribunen herum und baten sie: «Sie möchten das Volk nicht eine so schimpfliche Unthat zu noch schlimmerem Beispiele begehen lassen, daß es sich als Richter die streitige Sache selbst zuspräche, noch dazu, da man, falls es auch einem Richter erlaubt würde, für seinen eignen Vortheil zu sorgen, an dem Stücke Landes, das man unterzuschlagen denke, bei weitem nicht so viel gewinne, als man an der Zuneigung der Bundsgenossen verliere, die man sich durch die Ungerechtigkeit zu Feinden mache. Der Nachtheil vom Verluste des guten Namens und Vertrauens lasse sich gar nicht berechnen. Das würden nun die Gesandten zu Hause melden! Es werde ruchtbar! Freunde und Feinde würden es erfahren! Mit welcher Betrübniß jene? und diese mit welchem Frohlocken? Ob sie glauben könnten, daß die benachbarten Völker dies dem Scaptius, dem alten MarktsitzerConcionalis habe ich. durch Marktsitzer auszudrücken gesucht. Das Lateinische ist die verächtliche Benennung dessen, der nichts besseres zu thun weiß, als sich auf dem Markte in jeder Volksversammlung einzufinden. Ein Paar Zeilen später folgt das Wort Quadruplator. Es bedeutete den, der andre gerichtlich angab, um den vierten Theil der Strafe, der dem Angeber gesetzt war, zu erschleichen.? zurechnen würden? Scaptius gebe dadurch seinem Ahnenbilde eine Berühmtheit: allein das Römische Volk werde von nun an in der Rolle eines Viertelschleichers, eines Kapers streitiger Güter auftreten: denn welcher Richter in Privatsachen habe je das streitige Eigenthum sich selbst 306 zuerkannt? Das werde selbst Scaptius nicht einmal thun, so sehr er aller Scham abgestorben sei.» So riefen die Consuln, so die Väter laut: allein die Habsucht und ihr Anreger Scaptius behielten die Oberhand. Die Bezirke gaben ihre Stimmen dahin ab: Der Acker sei ein Statseigenthum des Römischen Volks. Ich leugne auch nicht, daß sich die Sache so verhalten habe, wenn sich nur die Parteien an andre Richter gewandt hätten: so aber wird durch die Gerechtigkeit der Sache die Schande des Spruchs auf keine Weise gemindert: und er kam den Aricinern und Ardeaten nicht entehrender und härter vor, als den Römischen Vätern. Der übrige Theil des Jahrs blieb von innern und äußern Bewegungen ungestört.


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