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24. In Syracus strömte, mit jedem Tage sich mehrend, eine Menge Menschen zusammen, denen so etwas zu hören und zu glauben eben recht war, und weckte nicht allein beim Epicydes die Hoffnung einer 127 Statsveränderung, sondern auch bei dem Andranodorus. Bewältigt von den unablässigen Einredungen seiner Gattinn, welche ihm vorstellte, «daß jetzt die rechte Zeit zum Eingreifen sei, so lange bei der neuen und noch nicht begründeten Freiheit allenthalben Verwirrung herrsche, noch die Truppen, von königlichem Solde gepflegt, vor seinen Augen ab- und zugingen, noch die vom Hannibal hergesandten Anführer bei ihrer Vertraulichkeit mit den Soldaten sein Vorhaben unterstützen könnten;» war dieser unvorsichtig genug, die mit dem Themistus, einem Schwiegersohne des Gelo, getroffene Verabredung, wenig Tage nachher, einem gewissen Aristo zu entdecken, der in Trauerspielen die Bühne betrat, und dem er auch sonst seine Geheimnisse anzuvertrauen pflegte. Die Abkunft und Umstände des Mannes waren gut, und seine Kunst warf, weil so etwas bei den Griechen nicht zur Unehre gereicht, auf diese keinen Schatten. In der Überzeugung, dem Vaterlande zu größerer Treue verpflichtet zu sein, brachte er seine Anzeige vor die Prätoren. Als sich diese durch sichere Nachweisungen von der Wahrheit der Sache überzeugt hatten, so besetzten sie, nach genommener Rücksprache mit den Ältesten und auf deren Betrieb, die Thüren des Rathhauses mit einer Wache, und als Themistus und Andranodorus hereintraten, stach man sie nieder: und da über eine solche, dem Anscheine nach noch schrecklichere That, weil den übrigen die Veranlassung unbekannt war, Alles in Aufstand gerieth, so führten sie nach endlich bewirkter Stille den Aussager vor den Senat. Als sie dieser der Reihe nach über Alles belehrte, auch darüber, daß die Verschwörung schon seit dem Beilager der Harmonia, Gelons Tochter, als sie dem Themistus gegeben wäre, im Werke sei; daß die Africanischen und Spanischen Hülfstruppen angewiesen wären, die Prätoren und andre Vornehme zu ermorden; daß deren Güter den Mördern als Beute zugesprochen wären; daß Andranodorus schon eine Schar Miethsoldaten, gewohnt, seinen Befehlen zu gehorchen, in Bereitschaft gehalten habe, um sich der Insel wieder 128 zu bemächtigen; und ihnen dann stückweise Alles, was und durch wen es hatte ausgeführt werden sollen und die ganze Verschwörung mit allen Personen und gewaltsamen Mitteln ihres Plans vor Augen legte; da fand der Senat allerdings ihre Hinrichtung eben so rechtmäßig, als die des Hieronymus. Vor dem Rathhause ertönte das Geschrei einer gemischten und über den Vorgang noch ungewissen Volksmenge, welche aber, so trotzig sie auf dem Vorplatze des Rathhauses drohete, als sie die Leichen der Verschwörer sah, die Furcht so ruhig machte, daß sie ganz still dem vernünftigeren Theile der Bürger zur Versammlung folgte. Sopater bekam vom Senate und seinen Amtsgenossen den Auftrag, zu ihr zu reden.
25. Wie, wenn er als gerichtlicher Ankläger den Andranodorus und Themistus vor sich gehabt hätte, maß er ihnen, von deren früherem Lebenswandel er ausging, von jeder seit Hiero's Tode verübten Schandthat und Bosheit die ganze Schuld bei. «Denn was Hieronymus, dieser Knabe und kaum werdende Jüngling, aus eignem Triebe habe thun können? Seine Vormünder und Hofmeister hätten regiert, indeß er den Haß getragen habe. Sie hätten also schon früher als er, oder doch wenigstens mit dem Hieronymus, ermordet werden müssen. Statt dessen hätten sie, schon selbst des Todes würdig und seine bestimmten Opfer, noch nach des Tyrannen Tode sich auf neue Frevel eingelassen: und zwar gleich anfangs ganz öffentlich, indem Andranodorus nach Verschließung der Inselthore das Königreich als seine Erbschaft angetreten, und was er als Aufseher in Verwahrung gehabt, als Eigenthümer hingenommen habe. Nachher, wie er von denen auf der Insel im Stiche gelassen und von der ganzen, Achradina in Besitz habenden, Bürgerschaft belagert sei, habe er es darauf angelegt, den Thron, den er frei und öffentlich zu besteigen vergeblich versucht habe, insgeheim und mit List sich zuzueignen, und sich nicht einmal durch das mit zuvorkommender Güte ihm übertragene Ehrenamt gewinnen lassen, als man unter den Befreiern des Vaterlandes 129 auch ihn, gerade den heimlichen Feind der Freiheit, als Prätor angestellet habe. Und diesen herrschsüchtigen Sinn hätten ihnen die königlichen Gemahlinnen eingeflößt, da mit dem Einen Hiero's, mit dem Andern Gelo's Tochter verheirathet sei.» Bei diesen Worten erhob sich auf allen Seiten das Geschrei aus der Versammlung: «Keine von ihnen dürfe das Leben behalten, und überhaupt niemand vom Stamme der Tyrannen übrig bleiben.»
So ist der große Haufe: er macht entweder den kriechenden Sklaven oder den übermüthigen Zwingherrn. Der in der Mitte liegenden Freiheit versteht er eben so wenig mit Mäßigung sich zu entäußern, als zu genießen; und gewöhnlich fehlt es seiner Erbitterung nicht an dienstwilligen Helfern, welche die gierigen und unbändigen Leidenschaften der Volksmenge zu Blutvergießen und Mordthaten aufreizen. So thaten auch damals die Prätoren sogleich den Vorschlag, – und er wurde beinahe eher angenommen, als gethan – die ganze königliche Familie umzubringen: und Damarata, Hiero's, und Harmonia, Gelo's Tochter, wurden durch die von den Prätoren Abgeschickten ermordet.
26. Eine Tochter Hiero's, Heraclea, war die Gattinn des Zoippus, der als Gesandter vom Hieronymus an den König Ptolemäus geschickt, sich zu einer freiwilligen Verbannung entschlossen hatte. Da sie schon gehört hatte, daß man auch zu ihr kommen werde, so war sie mit zwei erwachsenen Töchtern, mit fliegendem Hare und auch übrigens in einem Mitleid erregenden Aufzuge in ihre Capelle zu den Hausgöttern geflüchtet. Und so brachAddidit preces «Nunc per.] – Dieses nunc hängt mit dem, nach dem Schlusse ihrer Bitte folgenden; tum omissis precibus zusammen. Nunc, so lange sie auch noch für sich selbst zugleich mit bat: tum, dann aber, als sie nur noch für die Töchter bat. Ich würde also lieber so interpungiren: addidit preces, nunc, per memoriam Hieronis patris Gelonisque fratria, «Ne se innoxiam, etc. sie anfangs in die flehentliche Bitte aus, in welcher sie bei dem Andenken ihres Vaters Hiero und ihres Bruders Gelo die Mörder beschwur: «Sie möchten sie als 130 eine Unschuldige nicht auch ein Opfer des Hasses gegen den Hieronymus werden lassen. Sie habe von dessen Regierung nichts, als die Verbannung ihres Mannes: sie habe weder bei Lebzeiten des Hieronymus mit ihrer Schwester gleiches Glück gemacht, noch sei sie jetzt nach dessen Hinrichtung mit ihr in gleicher Verantwortung. Ja, wenn dem Andranodorus seine Anschlage geglückt wären, so würde jene mit ihrem Manne geherrscht haben, sie aber mit allen Andern die Unterthänige gewesen sein. Ob jemand daran zweifeln könne, daß Zoippus, wenn ihm gemeldet würde, Hieronymus sei ermordet und Syracus frei, nicht sogleich zu Schiffe ginge und in sein Vaterland zurückkäme. Wie sich die Menschen in ihren Erwartungen irren könnten! Seine Gattinn und Kinder geriethen im befreieten Vaterlande in Lebensgefahr, weil sie der Freiheit – in welchem denkbaren Falle? – im Wege ständen! Was für Gefahr irgend jemand von ihr, einer Verlassenen und so gut als Witwe, und von zwei in Vaterlosigkeit lebenden Mädchen zu fürchten habe? Wolle man sagen: Gefahr fürchte man von ihr freilich nicht; allein der königliche Stamm sei nun einmal verhaßt; so möge man sie doch weit von Syracus und Sicilien wegschicken, und sie nach Alexandrien bringen lassen, die Gattinn zum Manne, die Tochter zum Vater.» Ohne darauf zu hören und zu achten, griffen, wie sie sah, schon einige, um nicht die Zeit zu verlieren, zu den DolchenFerrum enim.] – Dies enim verwirft Drakenb. mit Zustimmung aller Msc. und älteren Ausgaben. Ich interpungire so: (aversis auribus animisque, casse ne tempus tereretur, ferrum quosdam expedientes cernebat:) tum, omissis pro se precibus, puellis ut saltem cet. Die Worte Aversis – – – cernebat stehen hier gleichsam in Parenthese, und das folgende tum schließt sich als Nachsatz an das oben voraufgegangene nunc addidit preces per memoriam etc.. Nun flehete sie, ohne für sich weiter zu bitten: «Sie möchten wenigstens die Mädchen verschonen, an deren Jugend auch der feindliche Krieger seinen Grimm nicht auslasse; sonst würden sie ja selbst in der Rache an den Tyrannen die ihnen verhaßten Gräuelthaten derselben nachahmen!»
131 Unter diesen Worten mordeten sie die von der heiligen Stäte Weggerissene, und gingen nun auf die mit der Mutter Blute bespritzten Mädchen los. Sinnlos vor Schmerz und Furcht zugleich rannten diese, wie von Wuth ergriffen, mit solcher Schnelligkeit aus dem Heiligthume, daß sie gewiß, wenn ihnen nicht die Ausflucht auf die Gasse versperrt gewesen wäre, die ganze Stadt in Aufruhr gesetzt haben würden. Aber auch so retteten sie sich in einem nichts weniger als geräumigen Hause mitten durch so viele Bewaffnete mehreremale ohne eine Wunde zu bekommen, und entrissen sich denen, welche sie schon ergriffen hatten, so vielen und starken Händen sie sich auch zu entwinden hatten. Endlich sanken sie, von so vielen Wunden entkräftet, nachdem sie Alles mit ihrem Blute erfüllt hatten, entseelt zu Boden: und ihre an sich schon bejammernswerthe Ermordung machte der Zufall noch bejammernswerther, weil gleich nachher, bei dem schnell erfolgten Übergange zum Mitleiden, ein Bote eintraf, der ihre Hinrichtung untersagte. An die Stelle des Mitleids trat nun der Unwille, daß man mit der Todesstrafe so sehr geeilt; es unmöglich gemacht habe, sich eines Bessern zu besinnen und von der Hitze des Zorns in sich zurückzugehen. Die Volksmenge wurde laut, und verlangte für die Stelle des Andranodorus und Themistus – denn beide waren Prätoren gewesen – eine neue Wahl, die man gewiß nicht nach den Wünschen der Prätoren ausfallen lassen wollte.
27. An dem zur Wahlversammlung angesetzten Tage rief wider Aller Erwartung einer vom niedrigsten Haufen den Namen Epicydes aus; dann ein Anderer: Hippocrates! Bald wurde dies Rufen allgemeiner und hatte bestimmt den Beifall der Menge. Und die Versammlung war nicht bloß aus einem Schwarme vom Volke, sondern auch von Soldaten zusammengeströmt, in welchen sich auch eine große Anzahl von Überläufern gemischt hatte, für die eine gänzliche Umwälzung etwas Erwünschtes war. Anfangs wollten die Prätoren nichts merken, und die Sache hinhalten: endlich aber überstimmt und nicht ohne 132 Besorgniß eines Aufruhrs erklärten sie jene für gewählte Prätoren. Und diese enthüllten ihre Absichten nicht sogleich nach ihrer Wahl, so unangenehm es ihnen auch war, daß an den Appius Claudius Gesandte mit dem Antrage eines zehntägigen Waffenstillstandes abgingen, und nach dessen Bewilligung eine zweite Gesandschaft abgefertigt wurde, um über die Erneuerung des alten Bündnisses zu unterhandeln.
Die Römer standen damals mit einer Flotte von hundert Schiffen bei Murgantia, um den Ausgang der zu Syracus durch Hinrichtung des Herrscherstammes entstandenen Bewegungen abzuwarten, und auf welche Partei die neue und ungewohnte Freiheit die Syracusaner leiten werde. Da Appius in diesen Tagen dem Marcellus, welcher eben in Sicilien ankam, die Syracusanischen Gesandten zuschickte, so ließ Marcellus, nachdem er die Friedensbedingungen angehört hatte, von der Möglichkeit einer Übereinkunft überzeugt, auch von seiner Seite Gesandte nach Syracus abgehen, um an Ort und Stelle mit den Prätoren über die Erneurung des Bündnisses zu unterhandeln. Hier aber war die bisherige Ruhe und Friedlichkeit schon ganz verschwunden. Denn als die Nachricht einlief, bei Pachynum stehe eine Römische Flotte, so gaben Hippocrates und Epicydes, dadurch dreister gemacht, hier bei den Miethsoldaten, dort bei den Überläufern vor, man gehe damit um, Syracus den Römern zu verrathen. Wie nun noch dazu Appius mit der Flotte seinen Stand an der Mündung des Hafens nahm, um auch den Muth derQuo aliae partis.] – Die Lesarten mehrerer Handschriften quo d aliae, qui d aliae, qui dem aliae lassen mich vermuthen, Livius habe geschrieben: quo et aliae. andern Partei zu beleben, so gab dies jenen ungegründeten Beschuldigungen eine große Scheinbarkeit, und in der ersten Hitze war die Volksmenge tobend an den Strand hinabgelaufen, den Römern, falls sie landen wollten, dies zu verwehren:
28. Bei einer so allgemeinen Verwirrung fand man für gut, eine Versammlung zu berufen. Als hier der Eine diesen, der Andre jenen Zweck verfolgte, so daß es 133 beinahe zu einem Aufstande kam, hielt einer der Vornehmsten, Apollonides, eine Rede zum allgemeinen Besten, so gut es unter diesen Umständen sich schaffen ließ. «Nie sei irgend ein Stat seiner gehofften Rettung, aber auch nie seinem Untergange näher gewesen. Denn wenn sie Alle einmüthig entweder auf Roms, oder auf Carthago's Seite träten, so könne es nie für einen Stat eine günstigere oder vortheilhaftere Lage geben. Wenn aber der Eine den Stat auf diese, der Andre auf jene Partei ziehen wolle, so könne der Krieg zwischen den Puniern und Römern nicht schrecklicher sein, als zwischen den Syracusanern unter sich selbst, wenn innerhalb einerlei Mauern jede der beiden Parteien ihre Heere, ihre Waffen, ihre Feldherren finden werde. Folglich müsse man sich durchaus dahin bestreben, daß Alle derselbe Sinn beseele: welche von beiden Verbindungen die vortheilhaftere sei, dies sei eine weit leichtere und unwichtigere Frage. Doch aber sei bei der Wahl der Bundesgenossen Hiero ein nachahmungswürdigeres Beispiel, als Hieronymus; oder man müsse auch eine seit funfzig Jahren glücklich bewährte Freundschaft einer jetzt noch neuen, ehemals ungetreuen, vorziehen. Auch das sei für diese Überlegung nicht ohne Gewicht, daß man einem Vertrage mit den Carthagern ausweichen könne, ohne durchaus mit ihnen für jetzt Krieg führen zu müssen, mit den Römern hingegen sogleich entweder Frieden oder Krieg haben müsse.» Je weniger Leidenschaft und Parteilichkeit diese Rede verrieth, um so viel mehr machte sie sich geltend. Man setzte den Prätoren und einem Ausschusse von Senatoren noch einen Kriegsrath an die Seite, und hieß die Hauptleute und Obersten der Hülfstruppen an den Berathschlagungen Theil nehmen. Nachdem die Sache mehrmals unter großen Streitigkeiten zur Sprache gebracht war, beschloß man endlich, weil ein Krieg mit den Römern durchaus keinen Grund für sich hatte, ihren Gesandten den Frieden zuzusagen und zur Bestätigung desselben mit diesen eigene Gesandte abgehen zu lassen.
134 29. Kaum waren einige Tage verstrichen, als aus Leontini Gesandte eintrafen, welche für ihr Gebiet um eine Bedeckung anhielten. Diese Gesandschaft kam, wie man glaubte, sehr erwünscht, weil man sich der unordentlichen und unruhigen Volksmenge entledigen, und ihre Anführer entfernen wollte. Hippocrates, der Prätor, bekam den Auftrag, die Überläufer dorthin zu führen; und die vielen, ihm nachfolgenden Miethsoldaten machten, daß sich die Zahl auf viertausend Bewaffnete belief. Den Wegschickenden und den Weggeschickten war dieser Zug erfreulich. Denn die Letztern bekamen dadurch Gelegenheit, im State neue Unruhen zu stiften, was sie lange schon wünschten; und jene freuten sich, gewissermaßen die Hefen der Stadt abgelassen zu haben. Doch verschafften sie dadurch dem Statskörper, wie einem Kranken, nur für jetzt Erleichterung, nach welcher er bald in eine so viel schwerere Krankheit zurückfallen mußte. Denn Hippocrates fing damit an, das benachbarte GebietDer Römischen Provinz. durch verstohlne Einfälle zu verheeren: und nachher, als Appius, das Gebiet seiner Bundesgenossen zu schützen, einige Mannschaft hinschickte, brachte er durch einen Angriff mit seinen sämtlichen Truppen dem ihm entgegengesetzten Posten einen ansehnlichen Verlust bei.
Als dies dem Marcellus gemeldet wurde, schickte er sogleich Gesandte mit der Erklärung nach Syracus, daß der Friede gebrochen sei, und daß es nie an Veranlassungen zum Kriege fehlen werde, wofern nicht Hippocrates und Epicydes, nicht bloß aus Syracus, sondern aus ganz Sicilien weit entfernt würden. Epicydes, welcher ebenfalls nach Leontini abging, entweder, um nicht bei der Klage gegen seinen abwesenden Bruder, wenn er hier bliebe, selbst verantwortlich zu werden, oder auch, um bei der Anregung zum Kriege von seiner Seite nichts zu versäumen, fing jetzt, da er die Leontiner zu einem Kriege gegen Rom erbittert genug glaubte, sogar an, sie auch den Syracusanern abwendig zu machen: «weil diese 135 den Frieden mit den Römern auf die Bedingung geschlossen hätten, daß die sämtlichen Völkerschaften, welche königliche Unterthanen gewesen wären, nun auch zu ihrem Gebiete gehören sollten. Sie begnügten sich schon nicht mehr mit ihrer eignen Freiheit, wenn sie nicht auch herrschten und geböten. Man müsse ihnen also zurücksagen lassen: ««Auch die Leontiner glaubten, frei sein zu müssen, theils weil der Tyrann auf dem Boden ihrer Stadt gefallen sei, theils weil hier zuerst der Aufruf zur Freiheit Statt gehabt und man sich von hieraus mit Hinterlassung der königlichen Heerführer nach Syracus zusammengethan habe. Also müsse entweder jene Bedingung im Friedensvertrage wegfallen, oder sie würden sich zu diesem Punkte des Vertrages nie verstehen.»» Die Menge überredete er leicht. Und so erhielten die Syracusanischen Gesandten sowohl auf ihre Beschwerde wegen des niedergehauenen Römischen Postens, als auf ihren Antrag, daß Hippocrates und Epicydes nach Locri abgehen möchten, oder wohin sie sonst lieber wollten, wenn sie nur Sicilien räumten, die trotzige Antwort: «Sie hätten den Syracusanern nicht aufgetragen, in ihrem Namen Frieden mit den Römern zu machen; und an fremde Verträge wären sie nicht gebunden.» Die Syracusaner zeigten dies den Römern an, mit der Erklärung: «Die Leontiner wären ihre Unterthanen nicht mehr. Also könnten die Römer, dem Vertrage mit ihnen unbeschadet, mit jenen Krieg führen. Auch würden sie selbst bei diesem Kriege nicht ohne Theilnahme bleiben; doch unter der Bedingung, daß jene, wenn man sie bezwungen habe, wieder zu ihrem Gebiete gehörten, wie der Vertrag es festgesetzt habe.»
30. Marcellus, der mit seinem ganzen Heere gegen Leontini aufbrach, auch den Appius an sich zog, um ihn den Angriff von der andern Seite thun zu lassen, wurde von seinen Leuten, welche den Leontinern des während der Friedensunterhandlungen niedergehauenen Postens gedachten, mit so raschem Eifer unterstützt, daß die Stadt im ersten Angriffe genommen war. Hippocrates 136 und Epicydes, als sie sahen, daß die Mauern erstiegen, die Thore erbrochen wurden, zogen sich mit Wenigen in die Burg. Von da entflohen sie heimlich bei Nacht nach Herbessus. Den Syracusanern, die mit einem Zuge von achttausend Mann von Hause aufgebrochen waren, kam am Flusse Mylas ein Bote mit der Nachricht entgegen, die Stadt sei erobert, der aber übrigens ein Gemisch von Wahrem und Falschem berichtete. «Man habe bei dem Gemetzel zwischen Soldaten und Bürgern keinen Unterschied gemacht; er glaube nicht, daß noch ein Erwachsener übrig sei: man habe die Stadt geplündert, das Eigenthum der Reichen verschenkt.»
Auf diese so fürchterliche Nachricht machte der Zug Halt, und da Alle empört waren, berathschlagten die Anführer – diese waren Sosis und Dinomenes – was sie thun sollten. Einen Schein von schrecklicher Wahrheit bekam die Lüge dadurch, daß die Überläufer, an zweitausend Mann, gepeitscht und mit dem Beile enthauptet wurden. Übrigens hatte man sich nach Einnahme der Stadt weder an einem Leontiner, noch sonst an irgend einem Soldaten, vergriffen, und alles Eigenthum, außer was im ersten Getümmel der Eroberung verloren gegangen war, wurde ihnen wiedergegeben. Der Zug ließ sich so wenig bewegen, nach Leontini weiter zu rücken, weil Alle klagten, man habe ihre Cameraden zum Niederhauen preisgegeben, als da, wo er stand, gewissere Nachrichten abzuwarten. Da den Prätoren die Neigung der Truppen zum Abfalle einleuchtete, zugleich aber auch, daß diese Aufwallung nicht von Dauer sein werde, sobald man die Rädelsführer des Unsinns aus dem Wege räumte; so führten sie das Heer nach Megara. Sie selbst gingen mit einiger Reuterei nach Herbessus ab, in der Hoffnung, bei dem allgemeinen Schrecken sich der Stadt durch Verrath zu bemächtigen. Als dies Unternehmen fehlschlug, brachen sie, um nun mit Gewalt zu verfahren, am folgenden Tage mit ihrem Lager von Megara auf, um mit ihrer ganzen Macht Herbessus anzugreifen.
Hippocrates und Epicydes, welche es nicht sowohl 137 für eine auf den ersten Anblick sichere, als, weil ihnen allenthalben die Hoffnung ausging, für ihre einzige Maßregel hielten, ihr Schicksal in die Hände der Soldaten zu geben, welche großentheils an sie gewöhnt, und jetzt durch das Gerücht von dem Blutbade unter ihren Cameraden erbittert waren, gingen dem Zuge entgegen. Es traf sich so, daß den Vortrab sechshundert Cretenser machten, welche beim Hieronymus unter ihnen gedient und dem Hannibal die Schonung zu verdanken hatten, daß sie von ihm, als er sie am Trasimenus mit andern Römischen Hülfsvölkern zu Gefangenen machte, entlassen waren. Als Hippocrates und Epicydes diese an den Fahnen und der Art ihrer Bewaffnung erkannten, baten sie unter dem Schutze dargereichter Ölzweige und mit der Kopfbinde Gnadeflehender umwunden: «Sie möchten sie unter sich aufnehmen, sie als Aufgenommene ihres Schutzes gewähren, und nur nicht den Syracusanern preisgeben, von denen auch sie selbst nächstens an die Römer zum Niedermetzeln würden abgeliefert werden.»
31. DaEnimvero conclamant.] – Ich habe mit Crevier dies enimvero nicht mit in die Rede, sondern zu conclamant gezogen. So steht es auch I. 51. Enimvero manifesta res visa. schrieen ihnen Alle entgegen: «Sie möchten gutes Muthes sein: sie wollten jedes Schicksal mit ihnen theilen.» Während dieser Unterredung hatten die Fahnen Halt gemacht, und der Zug stand, ohne daß die Ursache des Aufenthalts den Anführern kund geworden war. Als das Gerücht von des Hippocrates und Epicydes Erscheinung bis zu ihnen drang, und ein lautes Rufen durch den ganzen Zug diese offenbar willkommen hieß; jagten die Prätoren zu Pferde sogleich zu den vordersten Fahnen hin, und fragten: «Was das für eine Sitte sei? wie sich die Cretenser herausnehmen könnten, mit Feinden Unterredungen anzuknüpfen und sie ohne Befehl der Prätoren in ihren Zug aufzunehmen?» Sie befahlen, den Hippocrates zu greifen und in Ketten zu legen. Plötzlich erhoben auf dieses Wort zuerst die Cretenser ein solches Geschrei – und dann stimmten die übrigen ein – daß 138 man leicht abnehmen konnte, wenn sie weiter gingen, würden sie für sich selbst zu fürchten haben. Aus Besorgniß und Ungewißheit über ihre Lage gaben sie Befehl zum Rückzuge nach Megara, woher sie gekommen waren, und berichteten über ihren gegenwärtigen Zustand nach Syracus. Bei dieser Empfänglichkeit der Gemüther für jeden Verdacht erhöhete Hippocrates die Wirkung noch durch eine List. Da er durch einige abgeschickte Cretenser die Wege hatte besetzen lassen, so las er einen Brief vor, den er selbst verfertigt hatte, aber aufgefangen haben wollte. «Die Prätoren von Syracus an den Consul Marcellus.» Nach dem gewöhnlichen Gruße hieß es: «Er habe darin recht und planmäßig gehandelt, daß er zu Leontini niemand verschont habe. Allein die sämtlichen Miethsoldaten wären nicht minder strafbar, und Syracus werde nie Ruhe haben, so lange noch von fremden Hülfstruppen entweder in der Stadt, oder in ihrem Heere das Mindeste übrig sei. Er möge sichs also angelegen sein lassen, daß er die unter ihren Prätoren bei Megara im Lager stehenden in seine Gewalt bekäme und durch ihre Hinrichtung Syracus endlich befreiete.» Als er ihnen dies vorgelesen hatte, sprengten sie mit einem solchen Geschreie zur Ergreifung der Waffen aus einander, daß die Prätoren voll Bestürzung während des Auflaufs nach Syracus davon ritten. Allein selbst ihre Flucht beruhigte den Aufstand noch nicht: man ging auf die Syracusanischen Soldaten los, und würde keinen verschont haben, wenn nicht Epicydes und Hippocrates der Erbitterung des großen Haufens gewehrt hätten, nicht aus Mitleiden oder Menschlichkeit, sondern um sich nicht selbst die Hoffnung zur Rückkehr abzuschneiden, und theils selbst diese Syracusanischen Soldaten zugleich als treue Leute, zugleich als Geisel zu behalten, theils auch, um deren Verwandte und Freunde einmal durch eine so hohe Verpflichtung, zum andern durch diese Unterpfänder an sich zu fesseln. Und da sie gesehen hatten, welchen Eindruck die grundlosesten und unwichtigsten Eingebungen auf den Pöbel machten, so richteten sie einen Soldaten ab, an dem sie ihren Mann 139 fanden, einen von denen, welche zu Leontini in der Belagerung gewesen waren, mit den nach dem Flusse Mylas gemeldeten Unwahrheiten übereinstimmende Aussagen nach Syracus zu überbringen, und dadurch, daß er als Bote aufträte und jeden zweifelhaften Umstand als mit Augen angesehen erzählte, die Erbitterung der Leute zu reizen.
32. Er fand nicht allein Glauben bei dem Pöbel, sondern machte selbst, als er in das Rathhaus geführt ward, Eindruck auf den Senat. Manche, sonst nicht unzuverlässige Männer, sagten laut: «Es sei ein großes Glück, daß man zu Leontini die Habsucht und Grausamkeit der Römer ohne Hülle gesehen habe. Sie würden, wenn sie Syracus betreten hätten, eben so, oder noch schändlicher gehandelt haben, je reicher hier für ihre Habsucht der Gewinn gewesen sein würde.» Also stimmten Alle dafür, man müsse die Thore schließen und die Stadt besetzen. Doch waren nicht gerade die Römer die so von Allen Gefürchteten, nicht sie bei Allen die so Gehaßten. Der ganze Soldatenstand und ein großer Theil der Bürgerlichen war gegen Alles, was Römer hieß, eingenommen. Die Prätoren aber und einige Vornehme, wenn gleich durch die falsche Erzählung in Feuer gesetzt, suchten sich eigentlich vor dem näheren und gegenwärtigen Übel zu sichern. Und wirklich standen Hippocrates und Epicydes schon vor dem Hexapylum, und trugen durch die in ihrem Heere dienenden Verwandten der Einwohner darauf an, ihnen die Thore zu öffnen und die Vertheidigung der gemeinschaftlichen Vaterstadt gegen einen Angriff der Römer nicht zu hindern. Schon war man nach Öffnung Eines Thores von Hexapylum damit beschäftigt, sie einzulassen, als die Prätoren dazu kamen. Anfangs drangen diese befehlsweise und unter Drohungen darauf, dann durch angegebene Gründe und vorgehaltene Gefahr, zuletzt, da Alles umsonst war, aller Hoheit sich entäußernd, mit Bitten in sie, ihre Vaterstadt nicht den ehemaligen Trabanten des Tyrannen, den jetzigen Verführern des Heeres preiszugeben. Allein die Ohren der aufgeregten Menge waren für das Alles taub: die Thore wurden eben so gewaltsam von innen als von außen 140 bestürmt, und als sie sämtlich erbrochen waren, nahm man den ganzen Zug in Hexapylon auf. Die Prätoren mit ihren eignen Truppen flohen nach Achradina. Die Miethsoldaten und Überläufer und Alles was von königlichen Truppen in Syracus war, verstärkte den Zug der Feinde. So wurde auch Achradina im ersten Angriffe erobert und die Prätoren, bis auf die, welche während des Getümmels entflohen, wurden sämtlich niedergemacht. Die Nacht endigte das Gemetzel. Am folgenden Tage wurden die Sklaven zur Freiheit gerufen, die Gefesselten aus den Kerkern entlassen; und dieser ganze zusammengerottete Haufe ernannte den Hippocrates und Epicydes zu Prätoren. So fiel Syracus nach einem bald vorübergehenden Strahle von Freiheit, in die alte Sklaverei zurück.
33. Als dies den Römern gemeldet wurde, brachen sie sogleich mit ihrem Lager von Leontini gegen Syracus auf. Die vom Appius gerade jetzt zum Hafen hereingeschickten Gesandten befanden sich auf einem Fünfruderer. Des voraufgeschickten Vierruderers bemächtigten sich, so wie er zur Mündung des Hafens einlief, die Feinde: die Gesandten retteten sich mit genauer Noth. So hatte man sich nicht allein an den Verträgen des Friedens, sondern selbst am Kriegsrechte vergriffen: da lagerte sich ein Römisches Heer bei Olympium – dies ist ein Tempel Jupiters – tausend fünfhundert Schritte von der Stadt. Selbst von hier aus wollte man zuvor noch einen Versuch durch Gesandte machen. Damit diese nicht in die Stadt kommen möchten, gingen ihnen Hippocrates und Epicydes mit einigen von ihrem Anhange vor das Thor entgegen.
Der Römische Sprecher sagte: «Er bringe den Syracusanern nicht Krieg, sondern Beistand und Hülfe, sowohl denen, welche, mitten aus dem Blutbade entronnen, sich zu ihnen gerettet hätten, als auch denen, welche, durch Furcht zu Boden gedrückt, sich eine Knechtschaft gefallen lassen müßten, die nicht allein schmählicher sei, als jede Verbannung, sondern selbst als der Tod. Auch würden die Römer die schändliche Ermordung ihrer Bundsgenossen nicht ungerächet lassen. Wenn also denen, 141 welche sich zu ihnen geflüchtet hätten, die sichere Rückkehr in ihre Vaterstadt offen stände, die Anstifter des Blutbades ausgeliefert und den Syracusanern Freiheit und Gesetze wiedergegeben würden, so bedürfe es der Waffen nicht. Geschehe das nicht, so würden sie jeden, der daran hinderlich sei, mit Krieg verfolgen.» Hierauf erwiederte Epicydes: «Wenn sie Aufträge an sie beide gehabt hätten, so würden sie diese beantwortet haben: so aber möchten sie dann wieder kommen, wenn der Syracusanische Stat in den Händen derer sei, an welche sie abgeschickt wären. Sollten sie einen feindlichen Angriff thun, so würden sie durch den Erfolg selbst belehrt werden, daß es nicht einerlei sei, Syracus oder Leontini zu bestürmen.» Dann ließ er die Gesandten stehen und schloß die Thore zu. Nun nahm die Bestürmung von Syracus zu Lande und zu Wasser zugleich ihren Anfang; zu Lande auf das Hexapylum, zur See gegen Achradina, dessen Mauer von den Fluthen bespült wird. Und weil die Römer nicht daran zweifelten, so wie sie Leontini in Schrecken und im ersten Angriffe erobert hatten, auch in eine geräumige und sich weit ausdehnende Stadt auf irgend einer Seite einzudringen, so setzten sie alle zum Sturme auf Städte erforderlichen Werkzeuge gegen die Mauern in Bewegung.
34. Und dies mit so großem Eifer begonnene Unternehmen würde nicht ohne Erfolg geblieben sein, wenn nicht damals in Syracus ein einziger Mann gelebt hätte. Dieser war Archimedes, ein vorzüglicher Beobachter des Himmels und der Gestirne, noch bewundernswürdiger als Erfinder und Angeber solcher Kriegsgeschosse und Werkzeuge, wodurch er Alles, was die Feinde durch ungeheure Veranstaltungen bewirken wollten, von seiner Seite durch einen geringen Aufwand von Kraft vereiteln konnte. Die über ungleiche Hügel fortlaufende Mauer – meistens hatte sie eine hohe Lage und von schwierigem Zugange, an andern Stellen stand sie in der Tiefe, und so, daß man ihr aus den Thalebenen beikommen konnte – besetzte er, je nachdem es ihm an jeder Stelle dienlich schien, mit allen möglichen Arten von Wurfgeschossen. Marcellus bestürmte die Mauer 142 von Achradina, die, wie ich vorhin gesagt habe, vom Meere bespült wird, mit Fünfruderern. Von den übrigen Schiffen aus ließen die Pfeilschützen und Schleuderer und die leichten Wurfschützen, deren Geschoß von Leuten, welche damit unbekannt sind, nicht zum Rückwurfe gebraucht werden kann, kaum jemand ohne Wunde auf der Mauer stehen. Sie hielten ihre Schiffe, weil sie für ihre Geschosse Raum nöthig hatten, in einiger Ferne von der Mauer. Auf andern Fünfruderern, es waren etwa achtAliae binae ad quinqueremes.] – Duker billigt die aus Polybius von Sigonius und Lipsius vorgeschlagene Verbesserung: Iunctae aliae binae (ad octo) quinqueremes, welcher ich folge, weil ad VIIIVremes, meiner Meinung nach, die Abschreiber irre machte. So lese ich auch nachher mit Crevier aus der Puteanischen Handschrift: velut una navis agerentur., die man parweise so verbunden hatte, daß man ihnen auf den innern Seiten die Ruder nahm; so daß Wand an Wand schloß, indeß sie durch die äußeren Ruderreihen wie ein einzelnes Schiff regiert wurden, standen Thürme mit Stockwerken und andre zur Einstoßung der Mauern dienliche Werkzeuge. Gegen diese Anstalten von der Seeseite vertheilte Archimedes auf den Mauern seine Wurfgeschütze von verschiedener Grüße. Auf die Schiffe in der Ferne warf er Steine von ungeheurem Gewichte: die näheren beschoß er mit leichteren um so zahlreicheren Geschossen: ja zuletzt brach er, damit die Seinigen den Feind beschießen könnten, ohne selbst verwundet zu werden, durch die Mauer von unten bis oben eine Menge Schießscharten, nach innenCubitalibus fere cavis.] – Ließe man es auch ungerügt, daß Livius hier dem Polybius widersprechen würde, wenn er sagt, die Schießlöcher waren durch und durch eine Elle weit, da Polybius ihre Weite nach innen auf eine Elle, nach außen auf Handbreite angiebt, so kann auch Livius, selbst der Sache nach, diesen Öffnungen nicht durchaus die Breite einer Elle geben, weil dann die Oeffnungen den Schutz nicht gewähret haben würden, welchen Archimedes dabei bezweckte. Durch ein offenes Fenster eine Elle weit konnten eben so viele Pfeile hereinfliegen, als hinausgingen; auch hätte es doch nur etwa den halben Mann gedeckt. Dann hätte Livius lieber die Weite gar nicht, als so unzureichend, angeben sollen. Nehmen wir aber an, Livius habe so geschrieben, wie ich hier übersetze: Crebris, cubitalibus introrsum, extrorsum palmaribus fere, cavis aperuit, so wäre nicht allein der Widerspruch mit Polybius weggeräumt, und Livius in der Sache selbst berichtigt, sondern wir hätten auch wieder einen Fall, wo die Abschreiber, durch das ομοιοτέλευτον cubita libus und palma ribus getäuscht, die auf das erste ibus folgenden Worte ausfallen ließen. von Ellenweite, nach außen etwa einer Hand 143 breit, so daß sie unbemerkt, theils mit Pfeilen, theils mit mäßigen Skorpionen auf den Feind schießen konnten. Wagten sich einige Schiffe näher an die Mauer, um so viel eher dem Wurfgeschütze unter den Schuß zu kommen, so stellte er sie, indem er sie vermittelst einer über die Mauer hinausgehenden Wippe mit einer eisernen an starken Ketten befestigten Zange am Vordertheile faßte, so wie das schwere Bleigewicht auf den Boden zurückschnellete, mit schwebendem Vordertheile auf das Hintertheil: dann ließ die plötzlich loslassende Zange das Schiff, als ob es von der Mauer herabfiele, mit den gewaltsam durch einander fliegenden Seeleuten so heftig auf das Wasser zurückprallen, daß es selbst dann, wenn es gerade niederfiel, eine Menge Wasser einnahm. So wurde der Angriff auf die Seeseite vereitelt, und der ganze Sturm bekam nun die Richtung, mit allen Kräften zu Lande anzudringen. Aber auch diese Seite war auf Kosten und Betrieb des Hiero seit vielen Jahren vom Archimedes mit seltener Kunst durch Aufstellung von Geschützen aller Art in eben so guten Stand gesetzt. Und die Natur kam hier noch zu Hülfe, weil der Felsen, auf welchem der Grund der Mauer steht, meistens so abschüssig ist, daß nicht allein Alles, was vermittelst der Geschütze geschleudert ward, sondern auch das, was durch eigene Schwere fortrollte, die Feinde so viel reißender niederschmetterte. Eben dies machte beim Hinanklimmen den Zugang steil und den Schritt unsicher. Daher beschlossen die Römer in einem Kriegsrathe, weil alle ihre Versuche vereitelt wurden, von der Bestürmung abzustehen; und dem Feinde bloß durch Einschließung zu Wasser und zu Lande die Zufuhr abzuschneiden.
35. Unterdeß eroberte Marcellus, der ungefähr mit dem dritten Theile seines Heeres aufgebrochen war, um sich die Städte zu unterwerfen, welche in diesem Aufstande an die Carthager abgefallen waren, Helorus und Herbessus durch Übergabe. Das mit Sturm eingenommene Megara zerstörte und plünderte er, um die übrigen, hauptsächlich die Syracusaner, zu schrecken. Etwa um eben die Zeit landete auch Himilco, welcher lange mit seiner 144 Flotte am Vorgebirge Pachynus gestanden hatte, bei Heraclea mit dem Beinamen Minoa, mit fünfundzwanzig tausend Mann zu Fuß, dreitausend zu Pferde und zwölf Elephanten, einem Heere, welches gar nicht mehr so unbedeutend war, als das, mit dem er vorher auf der Flotte bei Pachynus stand. Im Gegentheile, da er auf die Nachricht, daß sich Hippocrates in den Besitz von Syracus gesetzt habe, nach Carthago gesegelt war, und sich hier auf einen Brief vom Hannibal stützte, worin dieser behauptete, jetzt sei zur ehrenvollen Wiedereroberung Siciliens die rechte Zeit; so hatte er auch selbst durch eindringliche Vorstellungen an Ort und Stelle leicht bewirkt, daß man Alles, was man an Fußvolk und Reuterei aufbringen konnte, nach Sicilien übergehen ließ. Wenige Tage nach seiner Ankunft zu Heraclea besetzte er Agrigent; und die Hoffnung, die Römer aus Sicilien zu vertreiben, wurde auch in den übrigen Städten, die es mit Carthago hielten, so lebendig, daß sogar die in Syracus Belagerten Muth bekamen, und in der Überzeugung, die Stadt mit einem Theile ihrer Truppen hinlänglich vertheidigen zu können, sich folgendergestalt in die Geschäfte des Krieges theilten, daß Epicydes den Oberbefehl über die Besatzung der Stadt, Hippocrates aber in Vereinigung mit dem Himilco die Führung des Krieges gegen den Römischen Consul haben sollte. Mit zehntausend Mann zu Fuß und fünfhundert zu Pferde zog er sich in der Nacht durch die unbesetzt gebliebenen Stellen, und war noch in der Nähe der Stadt Acrillä mit Anlegung seines Lagers beschäftigt; da überfiel Marcellus die Schanzenden. Auf seinem Rückwege von dem schon eroberten Agrigent, wohin dieser, bei aller Eile, dem Feinde zuvorzukommen, doch vergeblich aufgebrochen war, hatte er sich, so wenig er erwarten konnte, daß er eben jetzt und gerade hier auf ein Heer Syracusaner stoßen würde, dennoch aus Besorgniß vor dem Himilco und den Puniern, weil er ihnen mit den Truppen, die er bei sich hatte, durchaus nicht gewachsen war, bei der möglichsten Aufmerksamkeit, mit seinem Heere auf alle Fälle gefaßt gehalten.
145 36. Und so kam ihm die gegen die Punier gebrauchte Vorsicht gegen die Siculer zu statten. Da er sie bei Aufstellung ihres Lagers in Unordnung und Zerstreuung und meistens unbewaffnet fand, nahm er das ganze Fußvolk in die Mitte: die Reuterei mit dem Hippocrates entfloh nach einem kurzen Gefechte nach Acrä. Da dieses Treffen dem Abfalle der Siculer von den Römern gesteuert hatte, kehrte Marcellus nach Syracus zurück; und wenige Tage nachher schlug Himilco in einer Entfernung von beinahe achttausend Schritten, am Flusse Anapus, in Verbindung mit dem Hippocrates, sein Lager auf.
Etwa um eben die Zeit liefen nicht allein unter dem Flottenführer Bomilcar fünfundzwanzig Carthagische Linienschiffe von der Höhe im Großen Hafen von Syracus ein, sondern es setzte auch eine Römische Flotte von dreißig Fünfruderern die erste Legion zu Panormus aus; und es konnte das Ansehen haben – so sehr richteten beide Völker ihr Augenmerk auf Sicilien – als habe sich der Krieg von Italien hieher gezogen. Himilco, welcher sicher darauf rechnete, daß die zu Panormus ausgesetzte Römische Legion auf ihrem Anzuge gegen Syracus seine Beute werden sollte, verfehlte des Weges. Denn der Punische Feldherr nahm seine Richtung mitten durch die Insel; die Legion aber kam durch lauter Seeplätze in Begleitung der Flotte zum Appius Claudius, der ihr mit einem Theile seiner Truppen bis Pachynus entgegen gegangen war.
Nun weilten auch die Punischen Anführer nicht länger bei Syracus. Der Eine, Bomilcar, theils aus Mistrauen auf seine Seemacht, da die Römer leicht eine noch einmal so starke Flotte hatten, theils aus Überzeugung, daß durch sein unnützes Verweilen die Seinigen den Mangel ihrer Verbündeten nur noch drückender machten, lief auf die Höhe aus und segelte nach Africa über. Der Andere, Himilco, der dem Marcellus nach Syracus, wiewohl vergeblich, nachgegangen war, um ihm, ehe mehrere Truppen zu ihm stießen, ein Treffen zu liefern, sobald sich eine Gelegenheit zeigte, brach ebenfalls, weil sie sich ihm durchaus nicht darbot, und er sah, wie fest und stark der Feind vor 146 Syracus stand, um nicht unter vergeblichem Stillsitzen und als Zuschauer bei der Belagerung seiner Bundesgenossen die Zeit zu verlieren, sein Lager hier ab, um allenthalben, wo ihn irgend ein zu hoffender Abfall von den Römern hinriefe, mit seinem Heere zu erscheinen und durch seine Gegenwart seinen Anhängern Muth zu machen. Murgantia, wo die Römer große Vorräthe aller Art zusammengefahren hatten, eroberte er zuerst, weil ihm die Römische Besatzung von den Einwohnern verrathen wurde.