Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

19. Unterdeß erhielten die wegen jenes Hamilcar, der sich an die Spitze eines Gallischen Heers gestellt hatte, nach Africa geschickten Gesandten von den Carthagern die Antwort: «Sie könnten weiter nichts thun, als daß sie ihn mit der Landesverweisung belegten und seine Güter einzögen. Die Überläufer und entflohenen Sklaven, die sie hätten ausfindig machen können, hätten sie ausgeliefert; und würden auch deshalb Gesandte nach Rom schicken, die den Senat zufrieden stellen sollten.» Sie schickten zweihundert tausend Maß Weizen nach Rom, und zweihundert tausend zum Heere nach Macedonien. Von da reiseten die Gesandten nach Numidien zu den Königen. Dem Masinissa überreichten sie die Geschenke und bestellten ihre Aufträge. Ob er gleich zweitausend Numidische Reuter stellen wollte, nahmen sie doch nur tausend an. Er selbst besorgte deren Einschiffung, und sandte sie nebst zweihundert tausend Maß Weizen und zweihundert tausend Maß Gerste nach Macedonien. Der dritteTertia legatio ist hier nicht eine dritte Gesandschaft, sondern das dritte Geschäft einer und derselben Gesandschaft, so etwa wie extrema oratio nicht die letzte Rede ist, die jemand hält, sondern der letzte Gegenstand seiner Rede., zu welchem die Gesandschaft ging, war Vermina. Er kam den Gesandten an die äußersten 26 Gränzen seines Reichs entgegen, und überließ die vorzuschreibenden Friedensbedingungen ihrer Willkür. Jeder Friede mit dem Römischen Volke, sagte er, werde für ihn vortheilhaft und billig sein. Sie setzten die Bedingungen des Friedens fest und hießen ihn zu deren Bestätigung Gesandte nach Rom schicken.

20. Um diese Zeit kehrte Lucius Cornelius Lentulus als Proconsul aus Spanien zurück. Als er im Senate seine so viele Jahre über mit Tapferkeit und Glück verrichteten Thaten aus einander gesetzt und um die Erlaubniß angehalten hatte, triumphirend in die Stadt einzuziehen, so erklärte der Senat: «Seine Thaten verdienten den Triumph; allein es sei von allen Zeiten her ohne Beispiel geblieben, daß jemand, ohne auf dem Posten eines Dictators, Consuls oder Prätors zu stehen, triumphirt habe. Er aber habe die Geschäftsführung in Spanien als Proconsul bekommen, nicht als Consul oder Prätor.» Doch schlug man den Mittelweg ein, ihn im kleinen Triumphe einen Einzug halten zu lassen, wiewohl nicht ohne Widerspruch von Seiten des Bürgertribuns Tiberius Sempronius Longus, welcher behauptete, dies werde eben so wenig der Sitte der Vorfahren, als irgend einem Beispiele gemäß sein. Endlich gab der Tribun dem einstimmigen Willen des Senates nach, und zufolge eines Senatsschlusses zog Lucius Lentulus im kleinen Triumphe zur Stadt ein. An Beute lieferte er vier und vierzigtausend Pfund Silber, zweitausend vierhundert funfzig Pfund Gold, und gab jedem Soldaten von der Beute hundert und zwanzig KupferassDiese drei Summen betragen ungefähr, die erste 1,375,000 Gulden, die zweite 750,000 Gulden Conv. M. und die dritte 2½ Thaler, wenn aes grave zu verstehen ist..

21. Schon war das consularische Heer von Arretium nach Ariminum geführt und fünftausend Mann Latinischer Bundestruppen waren aus Gallien nach Hetrurien hinübergegangen. Also nahm Lucius Furius, der in starken Märschen gegen die jetzt eben Cremona belagernden Gallier herangezogen war, in einer Entfernung von 27 tausend fünfhundert Schritten ein Lager, dem Feinde gegenüber. Er hätte eine herrliche That ausführen können, wenn er sein Heer sogleich vom Marsche zur Erstürmung des feindlichen Lagers geführt hätte. Rund umher in die Dörfer zerstreut streiften sie umher, ohne eine hinlängliche Besatzung zurückzulassen. Er fürchtete aber, seine Truppen möchten zu sehr erschöpft sein, weil der Zug so schnell gegangen war. Die Gallier, denen das Geschrei der Ihrigen das Zeichen zum Rückzuge aus den Dörfern gab, ließen die Beute, die sie schon in Händen hatten, fahren, eilten in ihr Lager zurück, und rückten am folgenden Tage in Schlachtordnung aus. Auch die Römer nahmen keinen Anstand zu fechten. Sie hatten aber kaum Zeit sich zu stellen, so schnellen Laufes kamen die Feinde zum Kampfe heran. Der rechte Heerhaufe – das Heer der Bundesgenossen war damals in zwei Haufen getheilt – wurde in die erste Linie gestellt; im Hintertreffen standen die zwei Römischen Legionen. Den rechten Heerhaufen führte Marcus Furius, die Legionen Marcus Cäcilius, die Reuterei Lucius Valerius Flaccus, lauter Legaten. Zwei andre Legaten, den Cneus Lätorius und Publius Titinius, hatte der Prätor an seiner Seite, um Alles beobachten und jedem unvorhergesehenen Angriffe der Feinde begegnen zu können. Anfangs hofften die Gallier, wenn sie mit ihrer ganzen Masse gegen Einen Punkt zusammendrängten, den rechten Heerhaufen, der in der Vorderlinie stand, übermannen und niedertreten zu können. Als ihnen dies nicht nach Wunsch gelang, versuchten sie die feindlichen Flügel zu umgehen und die Linie einzuschließen, was ihnen bei ihrer Menge gegen so Wenige ein Leichtes schien. Als dies der Prätor bemerkte, ließ er, um ebenfalls seine Linie zu dehnen, die beiden Legionen aus dem Hintertreffen sich rechts und links dem in der ersten Linie fechtenden Heerhaufen anschließen; jaAedemque deo Iovi]. – Mit Recht ist das Wort deo den Critikern anstößig. Sigonius lieset statt dessen duas, Crevier Diiovi mit Jovi zusammen, Drakenborch dein. Ich lese ædemque adeo Iovi; in dem Sinne, wie Cic. Catil. I. sagt: Ducem hostium intra mœnia atque adeo in senatu videtis, wo adeo ein noch dazu, noch mehr oder ja sogar bedeutet. er gelobte, wenn er heute 28 die Feinde schlüge, dem Jupiter einen Tempel. Dem Lucius Valerius befahl er, auf der einen Seite die Ritter beider Legionen, auf der andern die Reuterei der Bundsgenossen gegen die feindlichen Flügel loszulassen und nicht zu leiden, daß sie die Linie umgingen. Zugleich hieß er selbst, wie er die Linie der Gallier in der Mitte durch die Abführung ihrer Flügel geschwächt sah, seine Soldaten geschlossen anrücken und die Glieder durchbrechen. Sowohl von der Reuterei wurden die Flügel, als vom Fußvolke das Mitteltreffen geschlagen. Und plötzlich kehrten die Gallier, da sie auf allen Seiten schrecklich niedergehauen wurden, den Rücken und eilten in gestrecktem Laufe ihrem Lager zu. Die Reuterei setzte den Fliehenden nach und bald thaten auch die nachgefolgten Legionen einen Angriff auf das Lager. Aus diesem retteten sich nicht volle sechstausend Mann. Über fünfunddreißig tausend wurden niedergehauen, oder eine Beute der Römer, nebst siebzig Fahnen und mehr als zweihundert mit vieler Beute beladenen Gallischen Wagen. In dieser Schlacht fiel Hamilcar, der Punier, und drei angesehene Gallische Feldherren. An zweitausend gefangen gewesene Freigeborne aus Placentia wurden der Pflanzstadt zurückgegeben.

22. Der Sieg war wichtig und erregte Freude zu Rom. Auf den eingegangenen Bericht wurde ein dreitägiges Dankfest angeordnet. Von den Römern und ihren Bundesgenossen waren in dem Treffen an zweitausend gefallen, hauptsächlich von dem rechten Heerhaufen der Verbündeten, den die Feinde gleich anfangs mit großer Überlegenheit anfielen. Hatte gleich der Prätor den Krieg beinahe geendigt, so ging doch auch der Consul Cajus Aurelius, als er seine Geschäfte zu Rom abgethan hatte, nach Gallien und übernahm vom Prätor das siegreiche Heer. Der andre Consul, der fast im Ablaufe des Herbstes auf seinem Posten eintraf, überwinterte in der Gegend von Apollonia. Als 29 Cajus Claudius und die Römischen Dreiruderer, die, wie ich oben gesagt, von der bei Corcyra auf das Land gebrachten Flotte nach Athen gehen mußten, im Piräeus eingelaufen waren, hatte ihre Ankunft den schon verzagenden Bundesgenossen große Hoffnung eingeflößt. Denn theils hatten nun die Streifereien zu Lande von Corinth aus, welche gewöhnlich über Megara ins Attische Gebiet unternommen wurden, ein Ende; theils getrauten sich die Kaperschiffe von Chalcis, welche den Athenern nicht bloß das Meer, sondern auch die ganze Küstengegend unsicher gemacht hatten, nicht allein nicht mehr, um Sunium herumzukommen, sondern sie wagten sich nicht einmal aus der Meerenge des Euripus ins offene Meer. Nun kamen noch zu jenen drei Rhodische Vierruderer, und man hatte auch drei Attische unbedeckte Schiffe, die zur Vertheidigung der Küstengegend ausgerüstet waren. Da bot sich dem Claudius, der für jetzt damit zufrieden gewesen wäre, mit dieser Flotte die Stadt Athen und ihr Gebiet zu decken, sogar die Gelegenheit, noch etwas mehr zu thun.

23. Flüchtlinge von Chalcis, von den königlichen Machthabern durch Mishandlungen verjagt, zeigten ihm an, Chalcis könne ohne Schwertschlag genommen werden: denn die Macedonier streiften, weil kein Feind in der Nähe zu fürchten sei, nach allen Seiten umher; und die Einwohner, voll Vertrauen auf die Macedonische Besatzung, dächten nicht daran, die Stadt zu bewachen. Durch diese Aussage bewogen, lief er aus, und ob er gleich so früh bei Sunium ankam, daß er noch bei TageUt inde provehi]. – Das Weitersegeln von hier blieb ihm ja möglich, er mochte bei Tage oder bei Nacht weitergehen. Deswegen vermuthe ich, daß dieses inde aus einer falsch gelesenen Abbreviatur von interdiu entstanden sei. bis zum Eingange der Meerenge von Euböa hätte weitersegeln können, so ließ er doch, um nicht entdeckt zu werden, wenn er um das Vorgebirge herumkäme, die Flotte bis zur Nacht sich vor Anker legen. Beim ersten Dunkel fuhr er ab, und da er bei stiller See nach Chalcis kam, nahm er kurz vor Tage auf der unbewohntesten Seite der Stadt mit 30 wenigen Truppen den nächsten Thurm und die Mauer umher durch Sturmleitern, weil an einigen Stellen die Wachen im Schlafe lagen, an andern gar keine standen. Als sie weiterhin in eine bewohntere Gegend kamen, machten sie die Wachen nieder, erbrachen ein Thor und ließen die sämtlichen übrigen Truppen ein. Von hier zerstreuten sie sich über die ganze Stadt, die dadurch in noch größeren Tumult gerieth, daß die Häuser am Marktplatze in Brand gesteckt wurden. Die königlichen Kornkammern und das Zeughaus mit einem großen Vorrathe von Rüstzeugen und Geschütze gingen im Feuer auf. Nun begann allenthalben das Gemetzel, unter den Fliehenden sowohl, als den sich Wehrenden; und wie schon Alles, was die Waffen tragen konnte, entweder niedergehauen oder in die Flucht geschlagen war, selbst Sopater, aus Acarnanien, Befehlshaber der Besatzung, gefallen war, brachten sie die sämtliche Beute zuerst auf den Marktplatz zusammen, und luden sie dann auf die Schiffe. Die Rhodier erbrachen auch das Gefängniß, und entließen die Gefangenen, welche Philipp hier seiner Meinung nach in die sicherste Verwahrung gegeben hatte. Nachdem sie noch die Standbilder des Königs umgestürzt und verstümmelt hatten, schifften sie auf das gegebene Zeichen zum Rückzuge sich ein und segelten in den Piräeus zurück, von wo sie gekommen waren. Hätten die Römer so viele Truppen gehabt, daß sie Chalcis hätten behaupten können, ohne die Sicherstellung Athens aufzugeben, so wären – gleich als erste That bei Eröffnung des Krieges wie wichtig! – Chalcis und der Euripus dem Könige genommen: denn so wie der Paß Thermopylä zu Lande, so schließt die Meerenge des Euripus Griechenland zur See.

24. Philipp war damals zu Demetrias. Als hier die Nachricht von dem Misgeschicke seiner Bundesstadt einlief, so brach er, freilich den Unglücklichen zu helfen, zu spät, aber doch, nächst der Hülfe das Tröstendste, ihnen Rache zu schaffen, ungesäumt auf, mit fünftausend Mann leichter Truppen zu Fuß und dreihundert Reutern, und eilte beinahe im Laufe nach Chalcis, in der gewissen 31 Erwartung, die Römer würden sich überraschen lassen. Als ihm diese Hoffnung fehlschlug und er zu weiter nichts angekommen war, als zu dem kläglichen Anblicke einer halbzerstörten und noch dampfenden Bundesstadt, die kaum noch Menschen genug behalten hatte; um die im Gefechte Gebliebenen zu beerdigen, so ging er eben so schnell, als er gekommen war, über die Brücke des Euripus und zog durch Böotien gegen Athen, indem er sich von gleicher Unternehmung einen nicht ungleichen Erfolg versprach. Und dieser würde ihm geworden sein, wäre nicht ein vorausgeeilter Kundschafter – die Griechen nennen diese Tageläufer, weil sie in Einem Tage eine erstaunliche Strecke durchlaufen – der den Zug des Königs von einer Warte beobachtet hatte, um Mitternacht nach Athen gekommen. Hier herrschte dieselbe Schlaftrunkenheit, dieselbe Nachlässigkeit, welche wenige Tage zuvor Chalcis preisgegeben hatte. Von dem Lärm machenden Boten aufgeweckt hießen sowohl der Attische Feldherr, als auch Dioxippus, unter welchem die Cohorte der besoldeten Hülfstruppen stand, sobald sie ihre Soldaten auf den Markt zusammengerufen hatten, von der Burg aus ein Zeichen mit der Trompete geben, um Jedermann von der Ankunft der Feinde zu benachrichtigen. So eilte man von allen Seiten an die Thore, auf die Mauern. Philipp, der wenige Stunden nachher, wiewohl noch lange vor Tage, der Stadt sich näherte, wie er die vielen Lichter gewahr wurde, und, wie natürlich bei einem solchen Auflaufe, das Getöse der durch einander eilenden Menschen hörte, machte Halt, und ließ sein Heer sich lagern und ausruhen, um mit offenbarer Gewalt zu Werke zu gehen, weil ihm die List nicht gelungen war. Auf der Seite von Dipylon rückte er an. Dies gleichsam in der Mündung der Stadt ragende Thor ist weit größer und weiter, als die übrigen, und innerhalb und außerhalb desselben sind die Wege breit, so daß nicht nur die Bürger vom Marktplatze bis ans Thor in Linie aufrücken konnten, sondern auch ein beinahe tausend Schritte breiter Fußweg, der nach der Übungsschule der Academie führte, den feindlichen Truppen zu Fuß und zu Pferde 32 freien Raum gab. Die Athener, die ihre Linie hinter dem Thore stellten, rückten mit den Truppen des Attalus und der Cohorte des Dioxippus auf diesem Fußwege aus. Als sie Philipp erblickte, spornte er, in der Hoffnung, die Feinde schon in seiner Gewalt zu haben, und in einem längst gewünschten Gemetzel unter ihnen seine Rache zu sättigen – denn keine von allen Griechischen Städten war ihm verhaßter – unter dem Zurufe an seine Truppen, «sie möchten, ihren Blick auf ihn gerichtet, fechten und nicht vergessen, daß da die Fahnen, da die Linie stehen müßten, wo der König sei,» sein Pferd auf die Feinde, zugleich von Zorn und Ehre entflammt, weil er sich die Auszeichnung versprach, vor der großen Menge Menschen, welche die Mauern auch als Zuschauer erfüllten, mit seinem Gefechte sich sehen zu lassen. Weit vor die Linie sprengte er mit einer kleinen Anzahl Ritter mitten unter die Feinde, und erregte bei den Seinigen so große Kampflust, als unter den Feinden Verwirrung. Er setzte denen, die er in Menge aus der Nähe und Ferne verwundet und in das Thor zurückgetrieben hatte, in Person nach, und nachdem er ihrer im Drange der Verwirrung noch mehrere erlegt hatte, gelang es ihm, von seinem unbesonnenen Schritte sich ohne Schaden zurückzuziehen, weil die auf den Thürmen des Thores Stehenden, um nicht die mit den Feinden gemischten Ihrigen zu treffen, ihr Geschoss anhielten. Als hierauf die Athener ihre Truppen innerhalb der Mauer halten ließen, gab auch Philipp das Zeichen zum Rückzuge, und schlug bei Cynosarges – hier steht ein Herkulestempel, auch eine Übungsschule, und das Ganze umschließt ein Hain – sein Lager auf. Und nun wurden Cynosarges, das Lyceum, jedes Heiligthum und jede schöne Anlage in den Umgebungen der Stadt in Brand gesteckt; nicht allein die Gebäude, sondern auch die Grabmäler wurden zerstört, und die ungezügelte Wuth ließ so wenig, was Göttern, als was Menschen gehörte, stehen.

25. Tags darauf, als die Thore, die anfänglich geschlossen gewesen waren, jetzt plötzlich geöffnet wurden, 33 weil die Truppen des Attalus von Ägina und die Römer vom Piräeus in die Stadt gerückt waren, verlegte der König sein Lager auf beinahe dreitausend Schritte rückwärts von der Stadt. Da er von hier nach Eleusis aufgebrochen war, um den dortigen Tempel und die den Tempel deckende und umschließende Festung zu überrumpeln, die Wachen aber durchaus nicht vernachlässigt fand und die Flotte vom Piräeus der Stadt zu Hülfe kommen sah, gab er sein Vorhaben auf, rückte nach Megara und gleich weiter bis Corinth. Und da er hörte, zu Argi werde Bundestag der Achäer gehalten, erschien er, den Achäern unerwartet, in der Versammlung. Sie berathschlagten über den Krieg gegen den Zwingherrn der Lacedämonier, den Nabis, der sogleich, als er die Hülfstruppen der Achäer sich verlaufen sah, weil die Achäer den Oberbefehl an Philopömens Statt, dem Cycliadas übertragen hatten, der als Feldherr jenem durchaus nicht gleichkam, den Krieg erneuert hatte, die Länder seiner Nachbarn verheerte und selbst den Städten furchtbar ward. Als sie sich beriethen, wie viel Truppen jede Stadt gegen diesen Feind zu stellen habe, erklärte sich Philipp bereit, die Sorge für den Nabis und die Lacedämonier auf sich zu nehmen, und nicht bloß das Gebiet seiner Verbündeten vor Plünderungen zu schützen, sondern sogleich mit seinem Heere in Laconien einzurücken und alle Schrecken des Krieges dorthin zu verlegen. Als diese Erklärung mit unglaublichem Beifalle aufgenommen wurde, fuhr er fort: «Doch fordert die Billigkeit, daß mein eignes Land, wahrend meine Waffen das eurige decken, nicht von Truppen entblößt sei. Seid ihr damit zufrieden, so schaffet so viele Leute an, als zur Besetzung von Oreum, Chalcis und Corinth hinreichen, damit ich mein Eigenthum im Rücken sicher weiß, und ohne Besorgniß den Krieg mit Nabis und Lacedämon anfangen kann.» Es entging den Achäern nicht, was er mit diesem großmüthigen Versprechen und der angebotenen Hülfe gegen die Lacedämonier bezwecke; daß er nur darauf es anlege, die Achäischen Krieger als Geisel dem Peloponnes zu entführen, um die Nation in den 34 Krieg mit Rom zu verwickeln. Cycliadas, Prätor der Achäer, hielt es für unnöthig, dies zu rügen; schützte vor, es sei gegen die Gesetze der Achäer, etwas Anderes zum Vortrage zu bringen, als wozu sie zusammenberufen seien, und entließ nach Abfassung des Beschlusses, gegen den Nabis ein Heer aufzustellen, die Versammlung, die er mit fester Haltung und Freimüthigkeit geleitet hatte, er, den man bis auf jenen Tag unter die Schmeichler des Königs zählte. Philipp, der seine große Hoffnung vereitelt sah, ging mit einigen Freiwilligen, die er zusammenbrachte, nach Corinth und von da nach Attica zurück.

26. In denselben Tagen, als Philipp in Achaja war, überstieg einer seiner Feldherren, Philocles, der mit zweitausend Thraciern und Macedoniern zur Verheerung des Attischen Gebiets von Euböa ausrückte, Eleusis gegenüber das Waldgebirge Cithäron. Von hier schickte er die Hälfte seiner Truppen nach allen Seiten zur Plünderung der Dörfer aus, mit der andern nahm er auf einem zum Hinterhalte tauglichen Platze eine verdeckte Stellung, um die Feinde, wenn sie aus der Festung von Eleusis seine Plünderer angriffen, ehe sie sich dessen versähen, in ihrer Zerstreuung plötzlich zu überfallen. Seine List blieb nicht unentdeckt. Er rief also die Truppen, die sich zum Plündern zerstreut hatten, zurück, versah sie mit allem Nöthigen und ging auf Eleusis zur Bestürmung der Feste; zog aber mit vielen Verwundeten ab und vereinigte sich mit Philipp, der aus Achaja kam. Nun versuchte der König ebenfalls den Angriff auf diese Feste. Allein die Römischen Schiffe, die vom Piräeus eintrafen, und die eingerückte Besatzung, zwangen ihn, von seinem Vorhaben abzustehen. Nun theilte er sein Heer, schickte mit der einen Abtheilung den Philocles auf Athen, und zog mit der andern selbst gegen den Piräeus, um so viel leichter, während Philocles durch Annäherung an die Mauern und durch gedrohete Bestürmung die Athener in der Stadt beisammenhielte, den schwach besetzten Piräeus zu erobern. Allein der Sturm auf den Piräeus gelang ihm nicht besser, als der auf Eleusis, weil hier und dort fast dieselben 35 Vertheidiger fochten. Vom Piräeus rückte er unerwartet vor Athen. Durch einen überraschenden Ausfall mit Fußvolk und Reuterei wurde er auch hier auf dem beengenden Kampfboden einer halb zerstörten Mauer, die in zwei Armen die Verbindung Athens mit dem Piräeus macht, zurückgeschlagen, brach nach aufgehobener Belagerung der Stadt und abermaliger Theilung des Heers mit Philocles, zur Verheerung der Gegend auf; und hatte er seine vorige Verwüstung durch Zerstörung der die Stadt umgebenden Grabmäler ausgeübt, so ließ er nun, um auch Nichts unentweihet zurückzulassen, die Göttertempel, in welchen sie dort als Landgemeinen ihr Heiligthum verehrten, niederreißen und verbrennen. Attica, das bei dem leicht zu habenden Landesmarmor und dem schöpferischen Geiste seiner Künstler mit Werken dieser Art vorzugsweise geschmückt war, gab dieser Wuth einen reichen Stoff. Denn der König begnügte sich nicht damit, die Tempel selbst niederzureißen und die Götterbilder umzustürzen, sondern er ließ auch die Steine zerschlagen, damit sie, auch nicht einmal in Trümmern ganz, auf einander lägen. Und als es ihm nun, nicht sowohl an unbefriedigter Rache, als an dieser Art des Stoffs zu ihrer Ausübung fehlte, ging er aus dem feindlichen Gebiete nach Böotien über, und that in Griechenland weiter nichts Merkwürdiges.

27. Der Consul Sulpicius hatte damals sein Lager am Flusse Apsus, zwischen Apollonia und Dyrrhachium. Dorthin berief er den Unterfeldherrn Lucius Apustius und sandte ihn mit einer Abtheilung der Truppen auf Plünderung in das Gebiet der Feinde. Apustius, der das äußerste Macedonien verheerte, und die kleinen Festungen Corragum, Gerunnium und Orgessus im ersten Angriffe eroberte, kam vor die Stadt Antipatria, die hinter einem schmalen Zugange lag. Zuerst versuchte er, die zu einer Unterredung herausgerufenen Vornehmsten zu überreden, sich dem Schutze der Römer anzuvertrauen. Als sie, im Vertrauen auf die Größe, auf die Mauern und Lage ihrer Stadt seine Vorstellungen verwarfen, lief er Sturm und eroberte sie durch Gewalt der Waffen; ließ alle 36 Erwachsenen niedermachen, gab die ganze Beute den Soldaten preis, riß die Mauern nieder und steckte die Stadt in Brand. Dieser Schrecken bewirkte, daß sich Codrio, eine bedeutende und feste Stadt, ohne Schwertschlag den Römern ergab. Hier ließ er eine Besatzung und nahm Ilion – ein mehr durch die andre Stadt in Asien, als durch dies Städtchen, bekannter Name – mit Sturm. Als der Unterfeldherr mit einer ganz ansehnlichen Beute auf dem Rückwege zum Consul war, brachte Athenagoras, einer der königlichen Fehlherren, der ihn bei dem Übergange über einen Fluß im Rücken angriff, die Letzten des Zuges in Unordnung. Doch als der Legat, der auf das Geschrei der durch einander stürzenden Seinigen sogleich zu Pferde herbeisprengte, den Zug eine Schwenkung machen, das Gepäck in die Mitte zusammenwerfen hieß, und dem Feinde eine Linie entgegenstellte, hielten die Truppen des Königs den Angriff der Römer nicht aus. Viele wurden getödtet, noch mehrere gefangen. Der Legat, der sein Heer ohne Verlust dem Consul wieder zugeführt hatte, wurde sogleich von dort wieder zur Flotte gesandt.

28. Nach dieser für die Eröffnung des Feldzuges nicht unglücklichen Unternehmung fanden sich von den Fürsten und Großen aus Macedoniens Nachbarschaft folgende im Römischen Lager ein; Pleuratus, der Sohn des Skerdilädus; Amynander, König der Athamanen, und aus Dardanien Bato, des Longarus Sohn. Longarus hatte schon für sich allein mit Philipps Vater Demetrius Krieg geführt. Auf ihr Erbieten, Hülfsvölker zu stellen, erwiederte der Consul, von der Dardaner und des Pleuratus Beistande wolle er Gebrauch machen, wann er in Macedonien einrücke. Dem Amynander gab er das Geschäft, die Ätoler zur Theilnahme am Kriege zu bewegen. Den Gesandten des Attalus – denn auch sie waren um diese Zeit angekommen – trug er die Bestellung auf, der König möge in seinem Winterquartiere, auf Ägina, die Ankunft der Römischen Flotte abwarten, und dann mit ihr in Vereinigung den Krieg gegen Philipp, wie bisher, zur See verfolgen. Auch an die Rhodier ging eine 37 Gesandschaft ab, sie zur Theilnahme am Kriege aufzufordern. Philipps Anstalten zum Kriege – schon war er in Macedonien angekommen – waren nicht minder lebhaft. Seinen noch sehr jungen Prinzen Perseus, dem er einige von seinen Freunden als Leiter seiner Jugend mitgab, schickte er mit einer Abtheilung seiner Truppen hin, die Pässe bei Pelagonia zu besetzen. Sciathus und Peparethus, diese nicht unbedeutenden Städte, zerstörte er, damit sie nicht der feindlichen Flotte Beute und Vortheile gewähren möchten. An die Ätoler ließ er eine Gesandschaft abgehen, damit dies unruhige Volk nicht etwa bei der Ankunft der Römer seine Partei verließe.

29. Der bei den Ätolern zur allgemeinen Versammlung festgesetzte Tag – sie nennen diese das Panätolium – rückte heran. Nicht nur die Gesandten des Königs beschleunigten ihre Hinreise, um hierzu einzutreffen, sondern es kam auch der Legat Lucius Furius Purpureo, den der Consul sandte. Auch Gesandte von Athen fanden sich zu dieser Versammlung ein. Die neuesten Verbündeten, die Macedonier, bekamen den Vortrag zuerst. Sie sagten: «Da keine Veränderung eingetreten sei; so hätten auch sie auf keine Abänderung anzutragen. Denn aus denselben Gründen, vermöge welcher die Ätoler, sobald sie das Nachtheilige ihrer Verbindung mit Rom entdeckten, mit Philipp Frieden geschlossen hätten, müßten sie diesen einmal bestehenden Frieden auch beibehalten.» – «Oder wolltet ihr etwa,» fuhr einer von den Gesandten fort, «die Keckheit oder den Leichtsinn der Römer zum Muster nehmen; eben dieser Römer, welche euren Gesandten zu Rom die Antwort ertheilen ließen: ««Warum kommt ihr zu uns, ihr Ätoler, da ihr doch den Frieden mit Philipp ohne unsre Genehmigung geschlossen habt?»» und gleichwohl jetzt verlangen, daß ihr im Kriege gegen Philipp auf ihrer Seite stehen sollt? Vormals stellten sie sich, als hätten sie in Hinsicht auf euch und zu eurem Schutze gegen ihn die Waffen ergriffen, und jetzt wollen sie es verwehren, daß ihr mit Philipp in Frieden lebt? Der Stadt Messana zu helfen, stiegen sie das erstemal 38 auf Sicilien aus; das zweitemal, um das von den Carthagern unterdrückte Syracus in Freiheit zu setzen. Jetzt haben sie Messana, und Syracus, und ganz Sicilien selbst; haben es als eine steuerpflichtige Provinz ihren Ruthen und Beilen unterworfen. Ihr denkt, so wie ihr jetzt zu Naupactum nach euren Gesetzen, durch die von euch gewählten Obrigkeiten, Versammlung haltet, um nach eignem freien Willen zu bestimmen, wer euer Freund, wer euer Feind sein soll, und um nach eurem Belieben Frieden und Krieg zu haben; so werde vielleicht den Siculischen Staten Syracus, oder Messana, oder Lilybäum zum Versammlungsorte bestimmt? Nicht also. Die Versammlungen hält ein Römischer Prätor; zu diesen stellen sie sich ein, befehlsweise hinberufen: sie sehen ihn auf einer erhabenen Richterbühne, von Beilträgern umpflanzt, seine Machtsprüche ertheilen; über ihren Rücken ragen die Bündelruthen, über ihren Nacken die Beile; und mit jedem Jahre giebt ihnen das Los wieder einen andern Zwingherrn. Auch darf und kann sie dies nicht Wunder nehmen, da sie selbst Italiens Städte, Rhegium, Tarent, Capua – der Nachbarinnen Roms, durch deren Trümmer es sich vergrößerte, erwähne ich jetzt nicht – ebenfalls seinem Befehle unterwürfig sehen. Freilich steht Capua noch da, als Gruft und Denkmal eines Campanischen Volks, nachdem sie das Volk selbst zu Grabe getragen und aus dem Lande gestoßen haben; als verstümmelter Stat, ohne Senat, ohne Bürgerstand, ohne Obrigkeiten, ein wahres Ungethüm; das sie mit mehr Grausamkeit für Bewohner stehen ließen, als wenn sie es vertilgt hätten. Es ist Unsinn, die Hoffnung zu hegen, wenn wildfremde Menschen, die durch Sprache, Sitten und Gesetze weiter von uns abstehen, als durch die Strecke von Meeren und Ländern, sich dieser Gegenden bemächtigen sollten, daß alsdann irgend Etwas in seinem Zustande bleiben werde. Philipps Reich erscheint euch, als eurer Freiheit nicht ganz vortheilhaft; und doch hat er, als er mit Recht auf euch böse sein konnte, weiter nichts von euch verlangt, als Frieden; und auch noch 39 heute wünscht er nur die Gültigkeit des ihm zugesagten Friedens. Gewöhnet fremde Legionen an diese Lande; lasset euch ihr Joch gefallen: zu spät und umsonst werdet ihr dann, wenn ihr den Römer zum Zwingherrn habt, in Philipp einen Bundesgenossen suchen. Auf kurze Zeit herbeigeführte Kleinigkeiten veranlassen zwischen den Ätolern, Acarnanen, Macedoniern, Völkern Einer Sprache, Trennungen und Verbindungen: allein mit Ausländern, mit Barbaren, haben alle Griechen einen ewigen Krieg und werden ihn haben. Sie sind Feinde durch die Natur, welche unwandelbar ist; nicht aus Gründen, die mit jedem Tage sich ändern. Doch meine Rede soll damit schließen, womit sie begann. An eben dieser Stäte habt ihr, noch eben dieselben Männer, mit eben dem Philipp vor drei Jahren über den Frieden abgeschlossen, und eben die Römer misbilligten damals diesen Frieden, den sie jetzt nach seinem Abschlusse und in seinem Bestande zu stören suchen. Da also das Schicksal selbst für eure Berathschlagung Alles unverändert gelassen hat, so sehe ich nicht ein, warum ihr sie abändern wolltet.»

30. Nach den Macedoniern ließ man, selbst mit Bewilligung und auf Verlangen der Römer, die Athener auftreten, weil sie vermöge ihrer vom Könige erlittenen schrecklichen Mishandlung so viel eher berechtigt waren, über seine Grausamkeit und Unmenschlichkeit sich mit Bitterkeit auszulassen, Nach einer jammervollen Schilderung der traurigen Verheerung und Plünderung ihres Gebiets, sagten sie: «Sie wollten sich nicht darüber beklagen, daß ihr Feind sie feindlich behandelt habe; denn der Krieg habe seine Rechte, die man sich eben so gefallen lassen müsse, als man sie ausüben dürfe. Niederbrennung der Saten, Zerstörung der Häuser, Wegführung der Beute an Menschen und Heerden, sei für den, der dies zu leiden habe, mehr traurig, als unverdient. Allein darüber hätten sie zu klagen, daß eben der, der die Römer Wildfremde und Barbaren heiße, Alles was Göttern und Menschen heilig sei, so völlig entweihet habe, daß seine erste Plünderung ein sündhafter Krieg mit den Göttern 40 der Unterwelt, und die zweite, mit den Göttern des Himmels gewesen sei. Alle Gräber und Denkmale innerhalb ihrer Gränzen habe er zerstört, alle Leichen entblößt; über keinem Gebeine die deckende Erde gelassen. Sie hätten noch von ihren Vorfahren geweihete Tempel gehabt, welche diese als einen Gegenstand der Verehrung für sie, so lange sie noch als Landgemeinen in jenen kleinen Festungen und Flecken wohnten, auch dann nicht einmal unbesucht gelassen hätten, wie sie schon in die gemeinschaftliche Stadt eingezunftet gewesen wären. Alle diese Tempel habe Philipp mit feindlichem Feuer heimgesucht; und nun lägen zwischen den hingestürzten Pfosten der Tempel die Bildnisse der Götter halb verbrannt und verstümmelt. Was er aus dem ehemals so prächtigen und wohlhabenden Attica gemacht habe, das werde er, sobald es ihm freistehe, auch aus Ätolien und ganz Griechenland machen. Sogar ihre Stadt würde eine ähnliche Verunstaltung zu erwarten gehabt haben, wenn ihr nicht die Römer zu Hülfe gekommen wären. Denn eben diese frevelnde Mishandlung sei auch den Göttern in der Stadt zugedacht gewesen; der Beschützerinn der Burg, Minerva; dem Tempel der Ceres zu Eleusis; dem Jupiter und der Minerva im Piräeus. Da er aber nicht bloß von den Tempeln dieser Götter, sondern auch von den ihnen geweiheten Mauern mit gewaffneter Hand zurückgeschlagen sei, so habe er seine Wuth an jenen Tempeln ausgelassen, deren einziger Schutz ihre Heiligkeit gewesen sei. Sie bäten deshalb die Ätoler inständigst, aus Mitleiden mit Athen, auf diesen Krieg unter Anführung der unsterblichen Götter, so wie auch der nächst den Göttern das meiste vermögenden Römer, sich einzulassen.»

31. Da sprach der Römische Legat: «Meinen Vortrag haben zuerst die Macedonier, und dann die Athener, völlig umgewandelt. Denn da ich gekommen war, mich über Philipps Mishandlungen so vieler mit uns verbündeten Städte zu beklagen, so nöthigen mich die Macedonier durch ihre selbst gegen uns Römer 41 vorgebrachten Klagen, eine Vertheidigung statt der Anklage aufzustellen; und da die Athener seine unerhörten und unmenschlichen Frevelthaten gegen die Götter des Himmels und der Unterwelt geschildert haben, was hätten sie mir oder sonst jemand zu weiteren Vorwürfen gegen ihn übrig gelassen? Seid aber versichert, daß eben diese Klage die Bewohner von Cius, von Abydas, Änei, Maronea, Thasus, Parus, Samus, Larissa und von Messene führen, das euch hier so nahe in Achaja liegt; und noch härtere und bitterere Klagen diejenigen, denen wehe zu thun er mehr Gelegenheit hatte. Denn was die Vorwürfe betrifft, die er uns gemacht hat, so bekenne ich, wenn uns diese nicht zur Ehre gereichen müssen, daß sie sich nicht entschuldigen lassen. Er wirft uns Rhegium und Capua und Syracus vor. Im Kriege mit Pyrrhus, nahm eine von uns auf Bitte der Rheginer zur Besatzung in ihre Stadt geschickte Legion, eben die Stadt, zu deren Schutze sie hingeschickt war, frevelhafter Weise in Besitz. Haben wir etwa diese Unthat gebilligt? oder gaben wir nicht vielmehr, nachdem wir die Legion von Bösewichtern bekriegt und bezwungen hatten, und sie durch Saupenschlag und Enthauptungen den Bundesgenossen hatte büßen müssen, den Rheginern ihre Stadt, ihr Land und alles Eigenthum nebst ihrer Freiheit und ihrer Statsverfassung wieder? Den Syracusanern, denen wir in ihrer Unterdrückung von auswärtigen Tyrannen, was die Sache noch unwürdiger macht, zu Hülfe gekommen waren, gaben wir, obgleich erschöpft durch die beinahe drei Jahre zu Wasser und zu Lande fortgesetzte Belagerung einer so starken Festung; als selbst die Syracusaner schon lieber ihren Tyrannen fröhnen, als sich von uns erobern lassen wollten; die gleichfalls durch unsre Waffen eroberte und befreiete Stadt dennoch zurück. Auch leugnen wir nicht, daß Sicilien unsre Provinz sei, daß die Staten, welche auf Carthagischer Partei waren und im Einverständnisse mit Carthago Krieg gegen uns geführt hatten, uns soldpflichtig und zinsbar sind: im Gegentheile wünschen wir, daß ihr und alle Völker es 42 erfahren, daß eines Jeden Schicksal sich darnach richte, was er um uns verdient hat. Oder sollten wir uns etwa die Bestrafung der Campaner gereuen lassen, über die sie selbst nicht einmal sich beklagen können? Diese Elenden, für welche wir beinahe siebenzig Jahre lang einen Krieg nicht ohne unsre großen Niederlagen mit den Samniten geführt hatten; die wir zuerst durch einen Bundesvergleich, dann durch Wechselheirathen und daraus entstehende Verwandschaft, zuletzt noch durch Ertheilung des Bürgerrechts mit uns verschmolzen hatten, waren zur Zeit unsres Unglücks unter allen Völkern Italiens die ersten, die zum Hannibal, und das nach kläglicher Ermordung unsrer Besatzung, übertraten; die nachher aus Unmuth, sich von uns belagert zu wissen, den Hannibal den Angriff auf Rom thun ließen. Wenn weder ihre Stadt, noch irgend eine Seele von ihnen vorhanden wäre, wer könnte es rügen? daß wir härter mit ihnen verfahren wären, als sie verdient hätten? Auch haben sich Mehrere von ihnen im Bewußtsein ihrer Frevelthaten das Leben selbst genommen, als von uns mit dem Tode bestraft sind. Die Übrigen schlossen wir von ihrer Stadt, von ihrem Lande auf die Art aus, daß wir ihnen Land und Wohnort gaben, und die unschuldige Stadt unversehrt stehen ließen; so daß Jeder, der sie heute sieht, dort keine Spur von Belagerung oder Eroberung findet. Doch wozu erwähne ich Capua's, da wir selbst dem besiegten Carthago Frieden und Freiheit gewährt haben? Wir haben weit mehr zu besorgen, daß wir, indem wir den Besiegten gar zu willig verzeihen, eben dadurch so viel mehrere reizen, ihr Glück im Kriege gegen uns zu versuchen.»

«Dies mag zu unsrer Vertheidigung und zur Widerlegung Philipps gesagt sein, dessen Ermordungen in seinem häuslichen Kreise, dessen Hinrichtungen seiner Verwandten und Freunde, dessen Unzucht, beinahe scheußlicher als seine Grausamkeit, euch so viel besser bekannt sein müssen, je näher ihr Macedonien seid. Was euch betrifft, ihr Ätoler, so hatten wir den Krieg zu eurem 43 Schutze gegen Philipp auf uns genommen; ihr habt ohne uns mit ihm Frieden gemacht. Und vielleicht könnt ihr sagen, da wir mit dem Punischen Kriege beschäftigt gewesen wären, hättet ihr aus Furcht von dem, der damals der Mächtigere war, die Friedensbedingungen angenommen. Auch wir haben, von größerer Noth bedrängt, den von euch aufgegebenen Krieg ebenfalls liegen lassen. Jetzt aber, da wir durch die Gnade der Götter den Punischen Krieg beendigt haben, wenden wir uns mit unsrer ganzen Kraft gegen Macedonien, und auch euch wird die Gelegenheit geboten, der Freundschaft und Verbindung mit uns euch wieder anzuschließen, wenn ihr nicht etwa gesonnen seid, lieber mit Philipp zu Grunde zu gehen, als mit den Römern zu siegen.»

32. Da nach dieser Rede des Römischen Legaten Alle für die Römer gestimmt waren, sprach Damocritus, der Ätolische Prätor, wie es heißt, von Philipp bestochen, ohne sich selbst für die eine oder die andre Partei zu erklären: «Für Berathschlagungen von wichtiger Entscheidung sei nichts nachtheiliger, als Übereilung. Denn die Reue folge geschwind, obgleich zu spät und umsonst; da hingegen zu schnell beeilte Maßregeln sich weder ungeschehen machen, noch auf den vorigen Standort zurückführen ließen. Die Zeit dieser Berathschlagung, die man seiner Meinung nach erst zur Reife kommen lassen müsse, könne gleichwohl schon jetzt dadurch bestimmt werden, wenn man sogleich den Beschluß fassete, daß der Prätor, da nach den Gesetzen nur auf dem Panätolischen und Pyläischen Landtage über Krieg und Frieden verhandelt werden dürfe, unverantwortlich gemacht werde, wenn er, so wie er über Krieg oder Frieden einen Vortrag zu thun habe, den Landtag beriefe; und daß Alles, was dann zur Sprache gebracht und beschlossen würde, eben so richtig und gültig sein solle, als ob es auf dem Panätolischen oder Pyläischen Versammlungstage vorgenommen sei.» Dadurch, daß man so die Gesandten unausgemachter Sache entließ, hatte er, seiner Behauptung nach, der Nation einen wichtigen Dienst geleistet: denn 44 nun könne sie sich zur Partei dessen schlagen, den das Kriegsglück vor dem Andern begünstigen werde. Dies waren die Verhandlungen auf dem Ätolischen Landtage.

33. Philipp. rüstete sich zu Wasser und zu Lande sehr thätig. Seine Seetruppen zog er nach Demetrias in Thessalien zusammen. In der Voraussetzung, daß Attalus und die Römische Flotte mit Frühlingsanfange sich von Ägina aus in Bewegung setzen würden, übergab er den Befehl auf der Flotte und an der Küste dem Heraclides, dem er ihn auch vorhin anvertrauet hatte. Er selbst setzte die Landtruppen in Stand, und glaubte, den Römern zwei wichtige Unterstützungen genommen zu haben, hier die Ätoler, und dort die Dardaner, denen er den Paß bei Pelagonia durch seinen Sohn Perseus gesperrt hatte. Der Consul rüstete jetzt nicht mehr zum Kriege, sondern er führte ihn schon. Er zog mit seinem Heere durch das Gebiet der Dassaretier, ohne das Getreide, das er aus den Winterquartieren mitgenommen hatte, anzugreifen, weil sich so viel, als die Truppen bedurften, in den Dörfern fand. Die Städte und Flecken ergaben sich, theils freiwillig, theils aus Furcht. Einige wurden erstürmt, andre fand man verlassen, weil die Barbaren in das nahe Gebirge geflüchtet waren. Bei Lyncus schlug er sein Standlager auf, nahe am Flusse Bevus. Von hier aus schickte er seine Getreideholer zu den Scheuren der Dassaretier umher.

Philipp sah zwar die ganze Gegend in Aufruhr und die Einwohner in großer Bestürzung; da er aber nicht gewiß wußte, nach welcher Seite sich der Consul gewandt habe, so schickte er ein Geschwader seiner Reuterei aus, um zu erfahren, wohin die Feinde ihren Weg genommen hätten. In eben der Ungewißheit war der Consul. Daß der König aus den Winterquartieren aufgebrochen sei, wußte er, allein ohne die Gegend zu wissen, die jener gewählt habe. Auch er also hatte Reuterei auf Kundschaft ausgeschickt. Diese beiden Geschwader trafen von ganz entgegengesetzten Seiten, nachdem sie lange auf ungewissen Wegen im Dassaretischen umhergestreift waren, endlich auf Einen Weg zusammen. Beide merkten die 45 Annäherung des Feindes, sobald sie aus der Ferne das Getöse von Menschen und Rossen vernahmen. Noch ehe sie also einander zu Gesicht kamen; setzten sie Roß und Waffen in Stand. Und so wie sie den Feind erblickten, erfolgte der Angriff ungesäumt. Es traf sich so, daß sie, auf beiden Theilen Auserlesene, an Zahl und Tapferkeit sich nicht ungleich waren; und sie fochten mehrere Stunden mit gleichem Eindrucke. Die Ermüdung, der sie selbst und ihre Rosse erlagen, trennte die Fechtenden, ohne den Sieg zu entscheiden. Auf Seiten der Macedonier fielen vierzig Ritter, von den Römern fünfunddreißig. Und doch brachten weder jene ihrem Könige, noch diese dem Consul, im mindesten gewissere Auskunft darüber, wo das feindliche Lager stehe. Endlich erfuhr man es durch die Überläufer, die sich immer im Kriege aus Leichtsinn dazu hergeben, den Zustand des Feindes in Erfahrung zu bringen.

34. Philipp, der sowohl in der Liebe seiner Unterthanen, als auch in ihrer Bereitwilligkeit, sich für ihn Gefahren zu unterziehen, zu gewinnen hoffte, wenn er für das Begräbniß der auf diesem Zuge gefallenen Reuter Sorge trüge, ließ sie ins Lager bringen, um die Ehre ihrer Bestattung Allen zur Schau zu stellen. Nichts ist so wenig zuverlässig, so wenig zu berechnen, als die Empfindungen des großen Haufens. Was die Menschen bereitwilliger machen sollte, jeden Kampf zu wagen, das flößte ihnen Furcht und Unlust ein. Denn da sie, gewohnt mit Griechen und Illyriern zu fechten, nur Wunden von Spießen und Pfeilen, seltener von Lanzen, gesehen hatten, so lag es ihnen hier, als sie die mit dem Spanischen Säbel verstümmelten Körper mit weggehauenen Armen, oder die mit Abhauung des ganzen Halses vom Rumpfe getrennten Köpfe, das weit geöffnete Fleisch und die übrige Scheußlichkeit der Wunden erblickten, zu Aller Entsetzen vor Augen, gegen was für Waffen, gegen was für Männer sie zu fechten haben würden. Selbst den König ergriff der Schrecken, noch ehe er den Römern eine ordentliche Schlacht geliefert hatte. Da er also seinen Sohn und das in Dassaretiens Pässen stehende Kohr zurückrief, um dadurch seine 46 Truppen zu verstärken, so eröffnete er dem Pleuratus und den Dardanern den Eingang in Macedonien. Von Überläufern geführt, zog er selbst mit zwanzigtausend Mann zu Fuß, viertausend zu Pferde gegen den Feind, befestigte etwas weiter als zweihundert[recte: 1000] Schritte vom Römischen Lager einen Hügel nahe bei Athacus durch Graben und Wall, und soll, als er das Römische Lager übersah, sowohl die ganze Gestalt desselben bewundert haben, als auch die durch die Ordnung der Zelte und durch die Zwischenräume der Gassen bestimmte Begränzung jeder einzelnen Abtheilung; auch gesagt haben, dies könne niemand für ein Lager von Barbaren ansehen. Zwei Tage lang hielten der Consul und der König, einer des Andern Unternehmungen abwartend, die Ihrigen in der Verschanzung: am dritten Tage rückte der Römische Feldherr mit allen seinen Truppen zur Schlachtordnung aus.

35. Der König aber, der eine so schnelle Entscheidung durch ein allgemeines Treffen scheute, sandte vierhundert Trallen – sie sind, wie ich an einem andern Orte gesagt habe, ein Illyrischer Stamm – und dreihundert Cretenser, indem er diesen Fußvölkern eine gleiche Anzahl Reuter zugab, unter Anführung eines seiner Großen, des Athenagoras, ab, die feindliche Reuterei zu necken. Von SeitenAb Romanis autem]. – Ich lese mit Gron. und Crev. Ab Romanis item. der Römer, deren Linie nur etwas über fünfhundert Schritte entfernt Stand, wurden ebenfalls die Leichtbewaffneten und meistentheils die Reuterei von zwei Legionen ausgesandt, so daß ihre Reuterei und ihr Fußvolk den Feinden auch an Zahl gleich kam.

Philipps Truppen hatten sich ein Gefecht versprochen, wie sie es gewohnt waren; daß nämlich die Reuterei, wechselsweise verfolgend und zurückfliehend, bald zum Schusse käme, bald den Rücken wendete; daß ihnen dann die Geschwindigkeit der Illyrier zu Ausfällen und plötzlichen Angriffen zu statten kommen, und die Cretenser den wild heranstürzenden Feind mit ihren Pfeilen 47 überdecken würden. Allein diesen Gang unterbrach der eben so standhafte, als kräftige Angriff der Römer. Denn nicht anders, als ob sie in ganzer Linie kämpften, griffen die Leichtbewaffneten, als sie ihre Spieße abgeschossen hatten, zum Schwerte; und die Ritter, wie sie einmal gegen den Feind angesprengt waren, hielten die Pferde an, und fochten theils selbst von den Pferden, theils sprangen sie ab und mischten sich unter das Fußvolk. So war weder die Reuterei des Königs, bei ihrer Unbekanntschaft mit einem stehenden Kampfe, der Reuterei gewachsen, noch sein sich nur herbeitummelndes und nie Stand haltendes Fußvolk, das vermöge seiner Bewaffnung kaum halb gedeckt war, dem Römischen Leichtbewaffneten, der seinen Schild und sein Schwert hatte, und so gut zu seiner Bedeckung, wie zum Angriffe auf den Feind, gewaffnet war. Also hielten sie den Kampf nicht aus, und flohen, durch nichts als durch ihre Geschwindigkeit geschützt, in ihr Lager.

36. Da der König, der nur Einen Zwischentag verstreichen ließ, seine ganze Reuterei mit allen Leichtbewaffneten zur Schlacht aufführen wollte, so hatte er in der Nacht die Beschildeten, – die sogenannten Peltasten – an einer vortheilhaften Stelle zwischen beiden Lagern in einen Hinterhalt gelegt, und dem Athenagoras mit der Reuterei den Befehl gegeben, so lange ihnen ein offener Kampf gelänge, sich ihres Glücks zu bedienen; wo nicht, durch allmäliges Weichen den Feind auf die Stelle des Hinterhaltes zu ziehen. Und wirklich wich die Reuterei: allein die Anführer der beschildeten Cohorte, brachten sich dadurch, daß sie ihre Leute, ohne das Zeichen gehörig abzuwarten, zu früh in Bewegung setzten, um die Gelegenheit eines glücklichen Gefechts. Die Römer, nicht nur im offenen Kampfe Sieger, sondern auch von aller List im Hinterhalte unangefochten, gingen in ihr Lager zurück.

Am folgenden Tage rückte der Consul mit allen Truppen, an deren Spitze er die Elephanten aufpflanzte – von ihrer Mitwirkung machten die Römer jetzt zum erstenmale Gebrauch; denn sie hatten im Punischen Kriege ihrer 48 mehrere gefangen genommen – in Schlachtordnung. Als er sah, daß die Feinde hinter ihrem Walle gedeckt blieben, kam er, nicht ohne laute Rüge ihrer Feigheit näher heran. Da sich aber auch jetzt niemand zum Kampfe stellte, so verlegte er, weil wegen der Nähe beider Lager das Futterholen zu unsicher war und die feindliche Reuterei die auf den Feldern zerstreuten Truppen sogleich überfallen konnte, um seinen Futterholungen durch die Entfernung mehr Sicherheit zu geben, sein Lager fast achttausend Schritte weiter, nach Octolophus (Achtkegel) – so heißt der Ort. Als die Römer aus der Nähe Getreide holten, behielt der König seine Leute anfangs im Lager, um mit der Kühnheit der Feinde zugleich ihre Sorglosigkeit steigen zu lassen. Wie er ihre Zerstreuung gewahr wurde, so flog er mit der ganzen Reuterei und den Cretensischen Hülfstruppen, so geschwind diese Schnellläufer zu Fuß der Reuterei folgen konnten, herbei, und nahm seine Stellung zwischen dem Lager der Römer und ihren Futterholern. Dann theilte er seine Truppen, sandte die eine Hälfte ab, die zerstreuten Futterholer zu verfolgen, mit dem Bescheide, keinen lebend zurückzulassen; mit der andern besetzte er die Wege, auf denen er die nach ihrem Lager zurückeilenden Feinde erwarten konnte. Schon war Gemetzel und Flucht allgemein, und noch war nicht die mindeste Nachricht von diesem Unglücke im Römischen Lager eingetroffen, weil die Zurückfliehenden dem Posten des Königs in die Hände fielen, und ihrer Mehrere von denen niedergemacht wurden, welche die Wege besetzt hatten, als von denen, welche abgeschickt waren, sie nieder zu hauen. Die Wenigen, die endlich mitten durch die feindlichen Posten entschlüpften, setzten durch ihre Bestürzung das Lager mehr in Aufruhr, als in zuverlässige Kunde.


 << zurück weiter >>