Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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13. Den Consuln Publius Sempronius und Marcus Cornelius – es war das funfzehnte Jahr dieses Punischen Krieges – wurden als Standorte dem Cornelius Hetrurien mit dem alten Heere zugesprochen, dem Sempronius Bruttien, für welches er neue Legionen ausheben solle. Die Prätoren bekamen durch das Los, Marcus Marcius die Gerichtspflege über die Stadt, Lucius Scribonius Libo die über die Fremden und zugleich Gallien, Marcus Pomponius Matho Sicilien, Tiberius Claudius Nero Sardinien. Dem Publius Scipio wurde über das Heer und die Flotte, die er schon hatte, der Oberbefehl auf ein Jahr verlängert. So sollte auch Publius Licinius das Bruttische mit zwei Legionen behalten, so lange der Consul dessen Aufenthalt als Befehlshaber auf diesem Standorte rathsam fände. Auch dem Marcus Livius und Spurius Lucretius wurde, jedem bei seinen zwei Legionen, womit sie Gallien gegen den Mago gedeckt hatten, der Oberbefehl verlängert. Auch dem Cneus Octavius, und zwar so, daß er nach Abgabe Sardiniens und seiner Legionen an den Tiberius Claudius, dagegen mit vierzig Linienschiffen die vom Senate ihm zu bestimmende Gegend der Seeküste zu decken hatte. Dem Prätor Marcus Pomponius wurden in Sicilien die beiden Legionen des Heeres von Cannä angewiesen. Als Proprätoren sollten Titus Quinctius Tarent, Cajus Hostilius Tubulus Capua, beide so wie im vorigen Jahre, mit der alten Besatzung behalten. Wegen des Oberbefehls in Spanien ließ man einen Antrag an das Gesamtvolk gelangen, die zwei auf jenem Standorte anzustellenden Proconsuln zu ernennen. Alle Bezirke hießen dieselben Proconsuln, den Lucius Cornelius Lentulus und Lucius Manlius Acidinus, jene Plätze behalten, wie sie dieselben voriges Jahr gehabt hätten. Nun gingen die Consuln an die Werbung, sowohl der neuen Legionen für das Bruttische Gebiet, als der Ergänzungstruppen für die übrigen Heere, wie es ihnen vom Senate aufgetragen war.

538 14. War gleich Africa noch nicht öffentlich zur Kriegsbühne erklärt – ich glaube, die Väter hielten es geheim, damit es die Carthager nicht vorher erführen – so hatte sich doch die Bürgerschaft einmal zu der Erwartung hinaufgestimmt, dies Jahr werde in Africa entscheiden und der Punische Krieg nahe seinem Ende. Eben darum waren sie auch voll frommer Besorgnisse; waren geneigt, hier Unglückszeichen einzuberichten, dort, sie zu glauben. Desto mehrere wurden unter das Volk gebracht. «Es hätten sich zwei Sonnen sehen lassen; mitten in der Nacht sei es helle geworden; zu Setia habe man einen Feuerstreif von Morgen nach Abend laufen sehen; zu Tarracina habe der Blitz ein Thor, zu Anagnia ein Thor und die Mauer an vielen Stellen getroffen; im Tempel der Juno Sospita zu Lanuvium habe sich ein Getöse mit fürchterlichem Gekrache hören lassen.» Zu Darbringung der Sühne wurde ein eintägiges Betfest begangen, und weil ein Steinregen gefallen sein sollte, die neuntägige Andacht.

Hierzu kam die Berathschlagung über den Empfang der Idäischen Mutter, welche der neuesten Nachricht zufolge, da schon der von den Gesandten vorausgegangene Eine, Marcus Valerius, ihre Ankunft in Italien als nahe angezeigt hatte, schon zu Tarracina war. Die Senatoren beschäftigte die Entscheidung der wichtigen Frage, wer der rechtschaffenste Mann des Stats sei. Wenigstens hätte sich Jeder den wirklichen Sieg in diesem Streite lieber gegönnt, als alle durch die Stimmen der Väter oder Bürger ihm gebotenen Feldherrnstellen und Ehrenämter. Sie thaten den Ausspruch, unter allen rechtschaffenen Männern im ganzen State sei der rechtschaffenste Publius Scipio, des in Spanien gefallenen Cneus Sohn, ein junger Mann, der noch nicht Quästor gewesen war. Was für Vorzüge ihm eigen waren, von denen sie sich bei diesem Urtheile leiten ließen, so gern ich dies der Nachwelt überlieferte, wenn es von den jener Zeit zunächstlebenden Geschichtschreibern uns aufbehalten wäre, so wenig mag ich in Vermuthungen über eine im Alterthume vergrabene Begebenheit mit meiner Meinung mich aufdringen. Genug; Publius Cornelius 539 erhielt den Auftrag, mit den sämtlichen Standesfrauen nach Ostia der Göttinn entgegen zu gehen, diese vom Schiffe in Empfang zu nehmen, und wenn er sie ans Land gehoben, an jene abzuliefern, um sie weiter zu tragen. Als das Schiff der Mündung des Tiberstromes nahete, fuhr er, dem Auftrage gemäß, auf einem Schiffe in See, nahm die Göttinn von den Priestern in Empfang und hob sie ans Land. Die ersten Frauen des Stats übernahmen sie. Unter diesen zeichnet sich der Name der Quinta Claudia aus, deren Keuschheit ein, wie erzählt wird, vorhin bezweifelnder Ruf durch dies so heilige Geschäft bei der Nachwelt nur noch verherrlichte. Sie trugen die Göttinn, die bei ihnen der Reihe nach aus Hand in Hand ging, unter dem Zulauf der ganzen entgegenströmenden Stadt, da man vor allen Thüren, wo sie vorübergetragen wurde, Rauchfässer aufgestellt hatte, und bei angezündetem Weihrauche sie anflehte, sie möge gern und gnädig in die Stadt Rom eingehen, in den Tempel der Siegesgöttinn, der auf dem Palatium steht. Es war der zwölfte April, und dieser Tag ist sonst ihr Fest gewesen. Zahlreich brachte das Volk der Göttinn seine Gaben auf das Palatium: es wurden ein Göttermahl und Spiele angestellt, welche man die Megalesien nannte.

15. Als man im Senate über die Ergänzung der Legionen sprach, welche in den Kriegsgegenden standen, so erinnerten Einige: «Jetzt sei es Zeit, da endlich durch die Gnade der Götter alle Besorgniß gehoben sei, sich das was man in mißlicher Lage getragen habe, so gut es habe gehen wollen, nicht länger gefallen zu lassen.» Da die Väter vor Erwartung gespannt waren, fuhren jene fort: «Die zwölf Latinischen Pflanzstädte, welche den Consuln Quintus Fabius und Quintus Fulvius die Truppenstellung verweigert hätten, habe man beinahe schon ins sechste Jahr, als ob man sie dadurch ehren und belohnen wolle, mit allem Kriegsdienste verschont, während man die guten und willigen Bundsgenossen bei ihrer Treue und Folgsamkeit gegen Rom durch alljährlich fortgesetzte Aushebungen erschöpft habe.» Mit diesen Worten wurde 540 bei den Vätern nicht sowohl ein beinahe schon vergessener Auftritt in Erinnerung gebracht, als ihr Unwille geweckt. Ohne also die Consuln auf etwas Andres antragen zu lassen, faßten sie den Schluß ab: «Die Consuln sollten die Obrigkeiten und zehn der ersten Männer aus jeder dieser Pflanzstädte, aus Nepete, Sutrium, Ardea, Cales, Alba, Carseoli, Sora, Suessa, Setia, Circeji, Narnia, Interamna – sie waren es, die dieser Vorwurf traf – nach Rom entbieten; sollten ihnen die Auflage machen, daß jede von ihnen an Fußvolk die höchste Anzahl, die sie seit dem Einbruche des Feindes in Italien dem Römischen Volke gestellt hätten, in doppeltem Betrage zu stellen habe, und jede hundert und zwanzig Reuter. Sollte Eine oder die Andre so viele Reuter nicht aufbringen können, so stehe es ihr frei, statt Eines Reuters drei Mann zu Fuß zu geben: zu diesem Fußvolke und dieser Reuterei sollten die reichsten Leute ausgesucht, und dahin geschickt werden, wo man nur irgend außerhalb Italien Ergänzungstruppen nöthig habe. Auf den Fall, daß sich Einige von ihnen weigerten, sei es des Senats Wille, die Obrigkeiten und Gesandten einer solchen Pflanzstadt festzuhalten, und sie trotz aller Anforderungen nicht eher im Senate vorzulassen, bis sie das Anbefohlene geleistet hätten. Außerdem solle in diesen Pflanzstädten von tausend Assen Einer als Steuer entrichtet und jährlich eingetrieben, und die Schatzung nach einem von den Römischen Censoren aufzusetzenden Anschlage gehalten werden. Dieser solle auf den nämlichen Fuß eingerichtet sein, wie bei dem Römischen Volke, und beeidigte Censoren der Pflanzstädte hätten ihn, ehe sie ihr Amt niederlegten, zu Rom einzureichen.» Als nun die Consuln vermöge dieses Senatsschlusses den nach Rom geforderten Obrigkeiten und Vornehmsten aus jenen Pflanzstädten die Truppenstellungen und Geldlieferungen anbefahlen, so weigerten sich die Einen noch mehr als die Andern und schrieen laut dagegen. «So viele Truppen, sagten sie, könnten sie nicht stellen. Kaum würden sie, wenn ihnen das vertragsmäßig zu stellende Einfache auferlegt würde, 541 dieses erschwingen können. Sie bäten sichs aus, und drängen auf die Erlaubniß, im Senate vorgelassen zu werden und bittend dagegen einzukommen. Sie hätten nichts verbrochen, womit sie ihren Untergang verdient hätten; wenn sie aber auch zu Grunde gehen sollten, so erwachse doch für sie so wenig aus ihrem Vergehen, als aus dem Zorne des Römischen Volks die Möglichkeit, mehr Truppen zu stellen, als sie hätten.» Die Consuln, die nicht nachgaben, hießen die Gesandten zu Rom bleiben, die Obrigkeiten aber nach Hause gehen, um die Werbungen vorzunehmen, und versicherten, es werde ihnen niemand Zutritt im Senate verschaffen, bevor nicht die verlangte Truppenzahl in Rom angelangt sei. Da sie also mit Gegenvorstellungen vor den Senat zu kommen nicht hoffen durften, so gingen diese zwölf Pflanzstädte an die Werbung, und da sich während ihres langen Zurückbleibens vom Dienste die jungen Leute bei ihnen sehr gemehret hatten, so kam sie ohne Schwierigkeit zu Stande.

16. Ein zweiter Punkt, der ungefährPrope aeque longo]. – Ich übersetze prope durch ungefähr, wie Cap. 28. in den Worten: annis prope quinquaginta. eben so lange unbeachtet geblieben war, wurde vom Marcus Valerius Lävinus in Anregung gebracht. Er sagte: «Es sei billig, die unter seinem und des Marcus Claudius Consulate eingelieferten Gelder den Privatleuten endlich wieder auszuzahlen. Auch dürfe es niemand befremden, wenn er sich einer Schuld, die eigentlich auf dem State laste, so vorzüglich annehme: denn außerdem, daß die Sache doch auf den Consul jenes Jahrs, in welchem man die Gelder zusammengeschossen, ihre besondere Beziehung habe, sei auch diese Einlieferung bei der damaligen Armuth der Kammer und dem Unvermögen der Bürger, eine Steuer zu leisten, auf seinen Betrieb geschehen.» Den Vätern war diese Erinnerung willkommen, und als sie den Consuln aufgegeben hatten, die Sache zum Vortrage zu bringen, faßten sie den Schluß ab: «Dies Geld solle in drei Zahlungen abgetragen werden: die erste hätten jetzt 542 gleich die zeitigen Consuln zu leisten, die beiden andern, die Consuln über drei und fünf Jahre.»

Nun verdrängte alle andern Sorgen eine einzige, weil jetzt das vielfache Leiden der Locrenser, das man bis dahin nicht gekannt hatte, durch die Ankunft ihrer Gesandten ruchtbar wurde. Und den allgemeinen Unwillen erregte nicht so sehr des Quintus Pleminius Frevel, als Scipio's schonende Gefälligkeit für ihn, oder seine Nachlässigkeit. Von Wust und Schmutz überdeckt warfen sich zehn Locrensische Gesandte, welche als Schutz Flehende den auf dem Versammlungsplatze thronenden Consuln statt der umwundenen Stäbe, nach Griechischer Sitte Ölzweige entgegenreichten, unter lautem Wehklagen vor der Richterbühne zur Erde. Auf die Nachfrage der Consuln erklärten sie sich für Locrenser, die von dem Unterfeldherrn Quintus Pleminius und von Roms Soldaten solche Dinge gelitten hätten, wie sie das Römische Volk nicht einmal Carthager leiden lassen wolle. Sie bäten die Consuln um die Erlaubniß, vor dem Senate aufzutreten und ihm ihren Jammer zu klagen.»

17. Als sie vor den Senat kamen, sprach der Älteste von ihnen: «Ich weiß, versammelte Väter, daß eure Beachtung unsrer Klage hauptsächlich davon abhängt, wenn ihr völlige Kunde darüber habt, theils, wie Locri dem Hannibal verrathen wurde, theils wie es nach Vertreibung der Besatzung Hannibals unter eure Hoheit zurückkehrte. Denn bliebe der öffentliche Wille mit aller Schuld eines Abfalls außer Berührung, und ergäbe sichs, daß wir unter eure Hoheit nicht bloß nach unserm Wunsche, sondern selbst durch unsere Mitwirkung und Tapferkeit zurückkehrten, so dürftet ihr so viel ungehaltener werden, daß wir als gute und treue Bundesgenossen, so schreckliche und empörende Ungerechtigkeiten von euren Legaten und euren Soldaten haben leiden müssen. Allein ich glaube die Untersuchung unsers beidesmaligen Übertritts auf eine andre Zeit aussetzen zu müssen; und das aus zwei Gründen: Einmal, damit sie in Gegenwart des Publius Scipio verhandelt werde, welcher Locri 543 wiedereroberte und uns Alles, was wir recht und unrecht gethan haben, bezeugen kann: zum Andern, weil wir, wenn wir auch noch so strafbar sein sollten, doch das, was wir gelitten haben, nicht leiden mußten. Wir können es nicht leugnen, versammelte Väter; als wir noch eine Punische Besatzung in unsrer Burg hatten, da haben wir sowohl von Hamilcar, dem Befehlshaber der Besatzung, als von den Numidern und Africanern manche schmähliche und empörende Behandlung erlitten. Was ist das aber im Vergleiche mit dem, was wir jetzt erleiden? Ich bitte euch, versammelte Väter, haltet es mir zu Gnaden, wenn ich etwas sage, was ich euch nur ungern hören lasse. Es steht jetzt auf dem Punkte der Entscheidung, ob das gesammte Menschengeschlecht in euch oder in den Carthagern die Herren der Erde erblicken soll. Wenn danach, was wir Locrenser entweder von jenen gelitten haben, oder noch diesen Augenblick von eurer Besatzung leiden, die Herrschaft Roms oder die der Punier gewürdigt werden sollte, so würde alle Welt lieber sie, als euch, sich zu Herren wünschen. Und dabei erkennet nun, wie wir Locrenser dessenungeachtet gegen euch gesinnet sind. Als wir von den Carthagern so viel leidlicheres Unrecht litten, nahmen wir unsre Zuflucht zu eurem Feldherrn: da wir von eurer Besatzung ärger als feindlich behandelt werden, haben wir uns mit unsern Klagen an niemand, als an euch gewandt. Entweder ihr, versammelte Väter, werdet auf unsre traurige Lage Rücksicht nehmen, oder es bleibt uns auch nicht einmal bei den unsterblichen Göttern weiter etwas zu erbitten.

Quintus Pleminius wurde als Unterfeldherr mit einem Kohre abgeschickt, den Carthagern Locri zu nehmen, und blieb mit diesem dort in Besatzung. Dieser euer Unterfeldherr, versammelte Väter, – die höchste Noth giebt mir den Muth, frei herauszureden – hat von einem Menschen nichts weiter an sich, als die Gestalt und den Schein, und von einem gebornen Römer nichts, als das Äußere, die Tracht und den Klang der Sprache Latiums. Ein Tod verbreitendes, scheuseliges Ungeheuer 544 ist er, gleich jenen, die einst, der Sage nach, zum Verderben der Seefahrer, die Meerenge besetzt hielten, die uns von Sicilien trennt. Wenn er sich nun damit begnügte, bloß seinen Frevel, seine Wollust und Raubsucht an euren Bundesgenossen auszuüben, so würden wir den einen, wenn auch tiefen, Strudel bei unsrer Duldsamkeit füllen: allein alle eure Hauptleute und Soldaten – so allgemein sollte nach seinem Willen die Zügellosigkeit und Bosheit sein – hat er zu Pleminiern gemacht: sie Alle rauben, plündern, prügeln, verwunden, morden: sie entehren Frauen, Mädchen und aus der Ältern Armen weggerissene Edelbürtige. Täglich wird unsre Stadt erobert, täglich geplündert: Tag und Nacht wird allenthalben, wo es auch sein mag, das Klaggeschrei der Weiber und Knaben laut, die man wegnimmt und fortschleppt. Wer das so Alles erführe, müßte sich eben so sehr darüber wundern, daß bei uns die Geduld ausreichte, es zu ertragen, als daß so schrecklicher Mishandlungen die Thäter noch nicht müde sind. Ich kann unmöglich Alles, was wir gelitten haben, einzeln durchgehen, und euch ist auch nicht damit gedient, es zu hören. Ich will es in ein Ganzes zusammenfassen. Ich behaupte, es ist zu Locri nicht Ein Haus, nicht Ein Mensch ohne Mishandlung geblieben: ich behaupte, es ist keine Art von Frevel, von schandbaren Lüsten und Raubgier mehr übrig, die nicht an irgend Einem, an dem sie ausgelassen werden konnte, verübt sei. Es läßt sich kaum ausmitteln, welches Unglück von beiden für einen Stat schauderhafter ist; das, wenn die Feinde die Stadt mit Sturm erobert haben, oder wenn ihn ein verderblicher Tyrann durch die Gewalt der Waffen unterjochet hat. Aber Alles, was eroberte Städte zu leiden pflegen, haben wir gelitten, und leiden es gerade jetzt, versammelte Väter; und jeden Frevel, den die grausamsten und unbändigsten Tyrannen gegen ihre unterdrückten Mitbürger zu üben pflegen, hat Pleminius an uns und unsern Weibern und Kindern ausgeübt.»

18. «Ein Verbrechen aber machen wir in unsrer 545 Klage namhaft, theils weil eine tief in uns begründete heilige Scheu uns dazu zwingt, theils weil es unser Wunsch ist, daß ihr es hören, und wenn ihr es aus eben dem Gesichtspunkte ansehet, euren Stat von einem Frevel entsündigen mögt. Haben wir doch gesehen, mit welcher Feierlichkeit ihr nicht allein eure Götter verehrt, sondern auch fremde aufnehmt. Proserpina hat bei uns ein Heiligthum, einen Tempel, von dessen Unverletzlichkeit ihr, wie ich glaube, im Kriege mit Pyrrhus etwas vernommen habt. Als er nämlich auf der Rückkehr aus Sicilien mit seiner Flotte vor Locri vorbeifuhr, beging er unter andern Schandthaten, die er wegen unsrer unverbrüchlichen Treue gegen euch uns fühlen ließ, auch einen Raub an dem bis dahin von niemand angetasteten Schatze der Proserpina; lud dann das Geld auf seine Schiffe, und rückte selbst zu Lande weiter. Was geschah, versammelte Väter? Den Tag darauf überfiel die Flotte der schrecklichste Sturm, und warf alle Schiffe, welche die heiligen Gelder führten, auf unsern Strand. Der König, bei allem Hochdünkel doch endlich durch einen so großen Verlust über das Dasein höherer Wesen belehrt, hieß das Geld zusammensuchen und wieder in den Schatz der Proserpina legen. Dennoch hatte er seitdem weder Glück noch Stern; und verjagt aus Italien starb er bei seinem unbesonnenen nächtlichen Einbruche in Argos eines unrühmlichen und schimpflichen Todes. Ungeachtet euer Unterfeldherr und seine Obersten dies und tausend andre Dinge gehört hatten, die wir nicht gerade in der Absicht, ihnen größere Ehrfurcht einzuflößen, sondern als unsre und unsrer Vorältern mehrmalige Erfahrungen über die offenbare Einwirkung der Göttinn erzählten; so erfrechten sie sich dennoch, ihre tempeldiebischen Hände an jene nie berührten Schätze zu legen und sich und die Ihrigen und eure Soldaten mit einem so schändlichen Raube zu beflecken. Wir beschwören euch bei eurem uns heiligen Schutze, versammelte Väter, waget mit diesen Leuten, ehe ihr ihren Frevel gesühnet habt, ja nicht die mindeste Unternehmung, 546 weder in Italien, noch in Africa, damit sie nicht den auf sich geladenen Fluch sowohl mit ihrem eigenen Blute, als mit einem Unglücke des Stats büßen. Wiewohl schon jetzt, versammelte Väter, ist der Zorn der Göttinn so wenig bei jenen Anführern, als bei euren Soldaten ausgeblieben. Schon mehrmal haben sie unter sich ordentliche Schlachten geliefert. Auf der einen Seite stand Pleminius als Anführer, auf der andern die beiden Obersten. Erbitterter haben sie nie gegen die Carthager gefochten, als unter sich selbst: und durch ihre Wuth würden sie dem Hannibal Gelegenheit gegeben haben, Locri wieder zu erobern, wenn nicht auf unsre Einladung Scipio dazu gekommen wäre. Nun ja! ruft man mir entgegen, die Soldaten freilich tummelt der Fluch des Tempelraubes als Wüthende gegen einander; allein in Bestrafung der Anführer selbst hat sich doch keine Wirkung der Göttinn gezeigt? – Gerade da war sie am sichtbarsten. Der Legat ließ die Obersten mit Ruthen hauen. Die auflaurenden Obersten bemächtigten sich des Legaten, zerfleischten ihn am ganzen Körper, schnitten ihm Nase und Ohren ab und ließen ihn halbtodt liegen. Kaum erholte sich der Legat von seinen Wunden, so ließ er die Obersten in Fesseln werfen, peitschen, mit allen möglichen Sklavenmartern quälen und gliedweise hinrichten; verbot noch, ihre Leichen zu begraben. Diese Strafen hat die Göttinn von den Räubern ihres Tempels schon genommen, und sie wird nicht aufhören, mit allen Rachgöttinnen sie zu verfolgen, bis das heilige Geld wieder in den Schatz gelegt ist. Einst wollten unsre Vorfahren, in einem schweren Kriege mit den Crotoniaten, weil der Tempel außerhalb der Stadt liegt, jene Gelder in die Stadt herüberholen. In der Nacht ließ sich eine Stimme aus dem Heiligthume hören: Sie sollten keine Hand anlegen: ihre Tempel wisse die Göttinn selbst zu schützen. Weil sie jetzt, von heiliger Scheu ergriffen, die Gelder nicht fortbringen konnten, beschlossen sie; den Tempel mit einer Mauer zu umgeben. Schon war die Mauer zu einer beträchtlichen Höhe aufgeführt, als 547 plötzlich Alles wieder einstürzte. Ihren Sitz also und ihren Tempel hat die Göttinn sowohl jetzt, als sonst schon oft entweder geschützt, oder an ihren Beleidigern schwer gerächet. Unsre Mishandlungen aber kann und soll niemand anders rächen, als ihr, versammelte Väter. Zu euch und zu eurem Schutze nehmen wir flehend unsre Zuflucht. Es ist uns einerlei, ob ihr Locri unter diesem Legaten, unter dieser Besatzung länger lasset, oder ob ihr es dem aufgebrachten Hannibal und den Puniern zur Bestrafung überliefert. Wir verlangen nicht, daß ihr uns auf der Stelle, daß ihr uns über einen Abwesenden, daß ihr uns, ohne ihn zu hören, Glauben beimessen sollt. Lasset ihn kommen, ihn selbst unsre Anklage hören; ihn selbst sie entkräften. Hat er irgend einen Frevel, den ein Mensch Menschen anthun kann, an uns unverübt gelassen, so weigern wir uns nicht, das Alles, wenn wir es noch einmal leiden können, noch einmal zu leiden, und ihn von allen seinen Schandthaten gegen Gott und Menschen freisprechen zu lassen.»

19. Als die Gesandten so geredet hatten, und Quintus Fabius sie fragte, ob sie diese Klagen vor den Publius Scipio gebracht hätten, so antworteten sie: «Sie hätten Gesandte hingeschickt, er sei aber mit den Zurüstungen zum Kriege beschäftigt, und entweder nach Africa schon übergegangen, oder werde doch in wenig Tagen hinübergehen. Wie viel auch der Unterfeldherr bei seinem Oberfeldherrn gelte, hätten sie daraus gesehen, daß er, nach angestellter Untersuchung zwischen ihm und den Obersten, die Obersten habe in Fesseln legen lassen, den Legaten aber, der eben so sträflich, oder noch strafbarer sei, auf seinem Posten gelassen habe.» Nachdem man die Gesandten aus dem Versammlungssale hatte abtreten lassen, wurden nicht nur Pleminius, sondern auch Scipio in den Reden der Ersten des Senates heftig mitgenommen. Vorzüglich gab ihm Quintus Fabius Schuld, «er sei recht dazu geboren, die Kriegszucht zu verderben. So habe er auch in Spanien beinahe mehr Soldaten durch Aufruhr, als durch Krieg, 548 verloren. Das heiße sich unrömisch und als ein König benehmen, wenn er bald den Soldaten zu viele Freiheit gestatte, bald sie mit Grausamkeit behandle.» In seinem Gutachten am Schlusse dieser Rede erklärte er mit gleicher Härte: «Seiner Meinung nach müsse der Legat Pleminius gefesselt nach Rom abgeführt werden, und sich in Fesseln verantworten; und wenn die Klagen der Locrenser gegründet wären, müsse man ihn im Kerker hinrichten lassen und sein Vermögen einziehen. Den Publius Scipio, weil er ohne Geheiß des Senats von seinem Posten gegangen sei, müsse man zurückrufen, und es mit den Bürgertribunen ausmachen, daß sie beim Gesamtvolke darauf antrügen, ihm den Oberbefehl abzusprechen. Den Locrensischen Gesandten sei im Senate die Antwort zu ertheilen: Die ihnen zugefügten Ungerechtigkeiten, über die sie klagten, hätten in Rom sowohl des Senates als des Gesamtvolkes Misfallen. Dann müsse man sie für biedere Männer, für Bundesgenossen und Freunde Roms erklären; ihre Kinder, Frauen, und was ihnen sonst geraubt sei, ihnen wiedergeben, das sämtliche dem Schatze der Proserpina entwandte Geld beitreiben und den doppelten Betrag in den Schatz liefern, und ein Sühnopfer anstellen lassen, wenn man vorher bei dem Gesamtamte der Oberpriester angefragt habe, vermittelst welcher Entsündigungen, bei welchen Göttern und mit was für Opferthieren die Ausräumung und Entweihung eines heiligen Schatzes zu sühnen sei. Alle in Locri liegenden Soldaten müsse man nach Sicilien hinüberbringen, und vier Cohorten Latinischer Bundsgenossen als Besatzung nach Locri gehen lassen.» Bei der warmen Theilnahme für und wider den Scipio kam man mit Abhörung der Stimmen an diesem Tage nicht zu Ende. Denn außer dem Frevel des Pleminius und dem Elende der Locrenser sprach man auch viel über des Feldherrn eignen, nicht allein unrömischen, sondern auch unsoldatischen Aufzug. «In Griechischem Mantel und Pantoffeln gehe er in den Schulgebäuden lustwandeln, gebe sich mit Lesereien und Anstandsübungen ab; und eben so unthätig und weichlich, 549 als er, ließen sich Alle von seiner näheren Umgebung die Annehmlichkeiten von Syracus gefallen. An Carthago und an Hannibal werde nicht mehr gedacht. Das ganze Heer, wie vorhin zu Sucro in Spanien, wie jetzt zu Locri, in Zügellosigkeit verwildert, sei den Bundsgenossen furchtbarer, als den Feinden.»

20. Hatten gleich diese Anführungen als zum Theile wahr, zum Theile nur halb wahr, eben darum so viel mehr Wahrscheinlichkeit, so behielt doch die Meinung des Quintus Metellus die Oberhand, der im Übrigen dem Maximus beipflichtete, in Ansehung des Scipio aber ihm widersprechend die Frage aufwarf: «Wie es sich schicken würde, wenn man eben den Mann, den der Stat unlängst zur Wiedereroberung Spaniens noch so jung zum Feldherrn ausersehen habe; den man, weil er Spanien den Feinden wirklich abgenommen, zum Consul gewählt habe, um durch ihn den Punischen Krieg zu beendigen; im Geiste dazu bestimmt habe, durch ihn den Hannibal aus Italien hinauszuzwingen und Africa zu unterjochen; wenn man den so auf Einmal, nicht anders wie einen Quintus Pleminius, unverhörter Sache so gut als schon verurtheilt, von seinem Posten abrufen ließe? da doch die Locrenser selbst sagten, daß bei den Schändlichkeiten, über welche sie zu klagen hätten, Scipio nicht einmal gegenwärtig gewesen sei, und man ihm nichts weiter zur Last legen könne, als daß er seines Unterfeldherrn aus Langmuth oder Ehrgefühl geschont habe? Sein Vorschlag sei, den Prätor Marcus Pomponius, dem das Los Sicilien zur Provinz gegeben habe, in den nächsten drei Tagen in diese Provinz abgehen zu lassen: die Consuln könnten zehn, ihrem Ermessen anheimzustellende, Abgeordnete im Senate sich aussuchen, um diese mit dem Prätor, zwei Bürgertribunen und einem Ädil hinzuschicken. Mit diesen Beisitzern müsse der Prätor die Sache untersuchen. Fände sichs, daß das, worüber sich die Locrenser beschwerten, auf Befehl oder mit Zustimmung des Publius Scipio geschehen sei, so müßten sie ihm anbefehlen, die Provinz zu verlassen. Sollte Publius Scipio schon nach Africa 550 übergesetzt sein, so müßten die Bürgertribunen und der Ädil mit zwei Bevollmächtigten, die der Prätor hierzu am meisten geeignet fände, nach Africa gehen; die Tribunen und der Ädil, den Scipio von dort zurückzubringen; die Bevollmächtigten, dem Heere so lange vorzustehen, bis der neue Feldherr bei diesem Heere einträfe. Sollten aber der Prätor und die zehn Abgeordneten ersehen, daß das Vorgefallene weder Scipio's Befehl, noch dessen Zustimmung für sich habe, so sollte Scipio bei dem Heere bleiben und in der Führung des Krieges seine Maßregeln verfolgen.»

Als ein Senatsschluß dieses Inhalts zu Stande kam, besprach man sich mit den Bürgertribunen, daß sie sich über die beiden, die mit dem Prätor und den Abgeordneten die Reise machen sollten, vergleichen oder sie durch das Los wählen möchten. Dann erging an das Gesamtamt der Oberpriester ein Antrag wegen der Sühne, in Bezug auf Alles das, was im Tempel der Proserpina zu Locri angetastet, entheiligt und entwandt sei. Die Bürgertribunen, die mit dem Prätor und den zehn Bevollmächtigten abreiseten, waren Marcus Claudius Marcellus und Marcus Cincius Alimentus. Man gab ihnen einen Bürgerädil mit, damit sie diesem, falls Scipio entweder in Sicilien auf das Wort des Prätors nicht hören wollte, oder schon nach Africa übergegangen wäre, die Festnehmung des Scipio als Tribunen anbefehlen und ihn vermöge ihres unverletzlichen Amts zurückbringen könnten. Daß sie eher nach Locri gingen, als nach Messana, lag im Plane.

21. Übrigens hat man, was den Pleminius betrifft, zweierlei Nachrichten. Einige erzählen, gerade als er auf die Nachricht von den Verhandlungen zu Rom unterweges gewesen sei, nach Neapolis auszuwandern, sei er auf den Quintus Metellus, einen der Abgeordneten, getroffen und von ihm mit Gewalt nach Rhegium zurückgeschleppt. Andere, Scipio selbst habe einen Unterfeldherrn mit dreißig der vornehmsten Ritter hingeschickt, den Quintus Pleminius und mit ihm die Häupter dieser Eigenthätlichkeit in Ketten zu legen. Sie sämtlich wurden, entweder 551 schon früher auf Scipio's, oder damals auf des Prätors Befehl, den Rheginern in Gewahrsam gegeben. Der Prätor und die Abgeordneten ließen bei ihrer Ankunft zu Locri ihrem Auftrage gemäß das Religionsgeschäft ihre erste Sorge sein. Alles heilige Geld, das sie bei dem Pleminius und bei den Soldaten zusammensuchten, legten sie mit der Summe, die sie selbst mitgebracht hatten, wieder in den Schatz und brachten das Sühnopfer. Dann hieß der Prätor die zur Versammlung berufenen Soldaten unter den Fahnen aus der Stadt rücken und schlug in der Ebene ein Lager auf, mit Androhung einer schweren Strafe «für jeden Soldaten, der entweder in der Stadt bliebe, oder etwas mit sich hinausnähme, das nicht sein eigen sei. Den Locrensern erlaube er, was Jeder als sein Eigenthum erkenne, hinzunehmen, und was sich nicht finde, einzufordern. Vor allen Dingen sollten den Locrensern ungesäumt alle Freigebornen zurückgegeben werden: wer sie nicht auslieferte, werde es schwer zu büßen haben.» Darauf berief er auch die Locrenser und sagte ihnen: «Das Römische Volk und der Senat setze sie wieder in ihre Freiheit und Gesetze ein. Sollte jemand den Pleminius oder wer es sonst sei, verklagen wollen, so möge er mit nach Rhegium gehen. Hätten sie selbst im Namen ihres Stats gegen den Publius Scipio die Klage anzubringen, daß die zu Locri gegen Götter und Menschen begangenen Schandthaten auf Befehl oder mit Zustimmung des Publius Scipio begangen wären, so möchten sie Gesandte nach Messana schicken. Er wolle dort mit seinen Beiräthen die Sache untersuchen.» Die Locrenser erklärten dem Prätor, den Abgeordneten und dem Römischen Senate und Volke ihren Dank, und daß sie zur Klage gegen den Pleminius mitgehen wollten. Scipio aber, habe er gleich die Mishandlungen ihrer Bürger nicht hoch genug empfunden, sei doch ein Mann, den sie lieber zum Freunde, als zum Feinde haben möchten. Sie wären überzeugt, daß diese so vielen und so großen Schändlichkeiten, weder auf Befehl, noch mit Zustimmung eines Publius Scipio verübt wären: er habe entweder dem Pleminius zu 552 viel, oder ihnen zu wenig zugeglaubt. Es sei bei Manchen natürliche Stimmung, daß sie gegen das Unrechte mehr einen Widerwillen, als den Muth hätten, es zu bestrafen.»

Sowohl der Prätor als seine Beisitzer waren einer nicht geringen Last überhoben, einer Untersuchung gegen Scipio. Den Pleminius und außer ihm an zweiunddreißig Andre verurtheilten sie und schickten sie in Ketten nach Rom. Sie selbst reiseten zum Scipio, um auch über die herumgesprochenen Beschuldigungen des Feldherrn, über seinen Aufzug, seine Unthätigkeit und vernachlässigte Kriegszucht, so wie sie es bei eigner Ansicht finden würden, in Rom Auskunft zu geben.

22. Bei ihrer Annäherung gegen Syracus machte sich Scipio fertig, sich vor ihnen durch Sachen, nicht durch Worte, zu reinigen. Er ließ hier das ganze Heer zusammenkommen, die Flotte sich schlagfertig halten, als sollte noch heute zu Lande und zu Wasser den Carthagern eine Schlacht geliefert werden. Nachdem er sie am Tage ihrer Ankunft sehr gefällig bei sich aufgenommen hatte, zeigte er ihnen den Tag darauf seine Land- und Seemacht, nicht bloß in voller Rüstung, sondern jene im Eilschritte sich entwickelnd, und die Flotte, wie auch sie im Hafen eine Seeschlacht darstellte; dann wurden Prätor und Abgeordnete herumgeführt, die Zeughäuser, die Kornvorräthe und die übrigen Anstalten zum Kriege in Augenschein zunehmen. Und er erfüllte sie mit einer solchen Bewunderung jedes Einzelnen und des Ganzen, daß sie sicher glaubten, der Sieg über Carthago werde entweder durch diesen Feldherrn möglich und durch dieses Heer, oder nie; daß sie ihn aufforderten, unter der segnenden Leitung der Götter nach Africa überzugehen, und dem Römischen Volke die Hoffnung, die es sich von ihm an jenem Tage gemacht habe, an welchem ihn alle Centurien zum ersten Consul ernannten, bald möglichst zu gewähren: und sie reiseten in so froher Stimmung ab, als hätten sie schon den Sieg, nicht bloß die staunenswerthen Anstalten zum Kriege, nach Rom zu melden.

553 Pleminius und seine Mitschuldigen wurden gleich nach der Ankunft zu Rom in den Kerker gelegt: und bei ihrer ersten Aufstellung vor dem Volke durch die Tribunen fand für sie in Herzen, welche schon von dem Unglücke der Locrenser eingenommen waren, kein Mitleiden einen Platz. Als man sie nachher öfters vorführte, milderte sich, so wie der Haß etwas Altes wurde, auch der Zorn; und selbst die Verunstaltung des Pleminius und die Erinnerung an den abwesenden Scipio machten ihm das Volk geneigter. Er starb aber im Gefängnisse, ehe das Volk über ihn zum Spruche kam. Clodius Licinius erzählt im dritten Buche seiner Römischen Geschichte, dieser Pleminius habe die Absicht gehabt, während der festlichen Spiele, welche Africanus zu Rom in seinem zweiten Consulate einem Gelübde gemäß anstellte, durch einige Bestochene die Stadt an mehreren Orten anzünden zu lassen, um so zur Erbrechung des Kerkers und zum Entkommen Gelegenheit zu haben. Da aber sein boshafter Anschlag entdeckt sei, habe er auf Befehl des Senats in das Tullianum hinabwandern müssen. Scipio's Sache kam bloß im Senate zur Sprache. Und hier bewirkten die Lobeserhebungen, mit welchen die Abgeordneten und Tribunen einstimmig von dieser Flotte, von diesem Heere und Feldherrn sprachen, daß der Senat dahin stimmte, die Überfahrt nach Africa solle je eher je lieber vor sich gehen; und dem Scipio freigestellt wurde, von den Truppen in Sicilien sich selbst diejenigen auszusuchen, die er mit sich nach Africa hinübernehmen, und die er zum Schutze der Provinz zurücklassen wolle.

23. Indeß die Römer dies betrieben, verschafften sich auch die Carthager, die, von ihren auf allen Vorgebirgen erbauten Warten auf jede Nachricht lauschend und schüchtern, den Winter in Ängstlichkeit zugebracht hatten, eine Beihülfe, die für sie auf die Vertheidigung von Africa von großem Ausschlage war; eine Verbindung mit eben dem Könige Syphax, auf dessen Mitwirkung der Römische Feldherr ihrer Meinung nach seine Unternehmung auf Africa vorzüglich begründete, Hasdrubal, Gisgons Sohn, war nicht nur, wie ich oben gesagt, 554 seitdem Scipio und Hasdrubal gerade zu gleicher Zeit aus Spanien bei dem Könige zusammentrafen, des Königs Gastfreund, sondern es war auch eine Verwandschaft unter ihnen in Vorschlag gekommen, eine Vermählung des Königs mit Hasdrubals Tochter. Da Hasdrubal, um diese zu Stande zu bringen und die Zeit zum Beilager zu bestimmen– denn die Jungfrau war schon mannbar – wieder hingereiset war, so ließ er, weil er den König vor Verlangen glühen sah – und bei den Numidern ist der Hang zur sinnlichen Liebe weit heftiger, wie bei allen andern Barbaren – die Tochter von Carthago kommen und beschleunigte die Vermählung: und unter andern frohen Festlichkeiten wurde auch in der Absicht, an den Familienverein einen Statenbund zu knüpfen, zwischen dem Carthagischen Volke und dem Könige unter gegenseitigem Versprechen, einerlei Freunde und Feinde zu haben, ein Bündniß feierlich beschworen. Weil aber Hasdrubal, in Hinsicht auf das vom Könige auch mit dem Scipio geschlossene Bündniß und auf die unzuverlässige und veränderliche Sinnesart der Barbaren, befürchtete, selbst diese Ehe möchte, wenn Scipio nach Africa herüberkäme, ein zu schwaches Bindemittel sein, so verführte er seinen Numidischen Schwiegersohn im Rausche der neuen Liebe mit zu Hülfe genommenen Liebkosungen von Seiten der jungen Frau zu dem Schritte, daß er Gesandte nach Sicilien an den Scipio abgehen und ihm sagen ließ: «Er möge nicht im Vertrauen auf seine frühere Zusage nach Africa übergehen. Er selbst sei theils durch seine Vermählung mit einer gebornen Carthagerinn, einer Tochter des Hasdrubal, den er als Gast bei ihm gesehen habe, theils auch durch ein Statenbündniß an Carthago gebunden. Am liebsten wünsche er, die Römer möchten, wie sie bisher gethan hätten, in der Ferne von Africa ihren Krieg mit den Carthagern ausmachen, damit er nicht nöthig habe, sich in ihren Streit zu mischen, und mit Aufgebung des Einen Bündnisses den Waffen entweder dieser, oder jener Partei beizutreten. Sollte sich aber Scipio Africa's nicht entsehen, und mit 555 einem Heere gegen Carthago anrücken, so werde er gezwungen sein, theils für den Africanischen Boden, auf welchem auch er geboren sei, theils für die Vaterstadt seiner Gattinn, für deren Väter und Hausgötter, sein Glück zu versuchen.

24. Die Gesandten, die mit diesen Aufträgen vom Könige an den Scipio abgingen, trafen ihn zu Syracus. Scipio, der sich einer kräftigen Stütze seines in Africa auszuführenden Plans und einer großen Hoffnung beraubt sah, schickte die Gesandten, ehe die Sache ruchtbar würde, eiligst nach Africa zurück und gab ihnen einen Brief an den König mit, worin er ihm dringende Vorstellungen machte, «Nicht gegen die Pflichten der Gastfreundschaft, die er mit ihm, nicht gegen die des Bundes, den er mit Rom geknüpft habe, noch an Allem, was Gottesfurcht und Redlichkeit heiße, an dem gegebenen Handschlage, und an den Göttern, den Zeugen und Richtern ihrer beiderseitigen Verträge so treulos zu handeln.» Weil indeß die Ankunft der Numider sich nicht verheimlichen ließ – sie waren ja in der Stadt herumgegangen und hatten sich oft auf dem Hauptplatze sehen lassen – und er besorgen mußte, wenn er über den Zweck ihrer Ankunft schwiege, die Wahrheit möchte gerade darum, weil sie verheimlicht würde, so viel eher aus sich selbst hervorgehen, und dann das Heer in Furcht gerathen, daß es nun zugleich mit dem Könige und den Carthagern zu fechten haben werde, so entrückte er den Vermuthungen die Wahrheit durch zuvorkommende falsche Angaben. Er sagte den Soldaten, die er zur Versammlung berufen ließ: «Länger dürfe man nun nicht säumen. Die verbündeten Könige drängen in ihn, je eher je lieber nach Africa überzugehen. Zuerst sei Masinissa selbst zum Lälius gekommen und habe geklagt, daß die Zeit mit Säumen hingebracht werde. Jetzt kämen Gesandte vom Syphax, der es eben so unerklärlich finde, was man für Grund haben könne, so lange zu zögern, und der darauf dringe, endlich einmal ein Heer nach Africa überzusetzen, oder, wenn man sich anders entschlossen habe, es ihn wissen 556 zu lassen, damit auch er für sich und sein Reich seine Maßregeln nehmen könne. Da also Alles fertig und in Ordnung sei, und die Sache kein längeres Säumen gestatte, so habe er sich entschlossen, die Flotte bei Lilybäum anfahren zu lassen, dort seine ganze Macht zu Fuß und zu Pferde zusammenzuziehen, und am ersten Tage, der das Auslaufen gestatte, in Gottes Namen nach Africa überzugehen.» An den Marcus Pomponius schrieb er, wenn er nichts dagegen habe, möchte er nach Lilybäum kommen, damit sie gemeinschaftlich überlegen könnten, was für Legionen eigentlich und wie viele Truppen er mit nach Africa zu nehmen habe. So beschickte er auch die ganze Küste umher, um Ladungsschiffe pressen und nach Lilybäum zusammenbringen zu lassen. Da nun Alles, was es von Soldaten und Schiffen in Sicilien gab, sich zu Lilybäum sammelte, und weder die Stadt die Menge Menschen, noch der Hafen die Schiffe fassen konnte, so war in Allen der Eifer, nach Africa überzugehen, so lebendig, als würden sie nicht zum Kriege, sondern zu sichern Belohnungen des Sieges geführt. Vorzüglich hofften die noch übrigen Krieger des Heeres von Cannä, durch Dienste; die sie dem State nur unter diesem und keinem andern Feldherrn leisten könnten. ihre schimpfliche Dienstzeit zu endigen. Und dem Scipio waren Soldaten von diesem Schlage gar nicht unwillkommen, da er wußte, daß die Niederlage bei Cannä nicht einer Feigheit von ihrer Seite beizumessen sei, und daß es im ganzen Römischen Heere keine Soldaten gebe, die so lange gedient und in mehreren Arten des Gefechts oder gar im Sturme auf Städte so viele Übung hätten. Die fünfte und sechste Legion waren Truppen von Cannä. Nachdem er erklärt hatte, er wolle diese nach Africa hinübernehmen, musterte er die Soldaten einzeln; ließ die, die er untüchtig fand, zurück; ersetzte ihre Stelle aus denen, die er aus Italien mitgebracht hatte und ergänzte diese Legionen so, daß jede sechstausend zweihundert Mann zu Fuß und dreihundert Ritter hatte: eben so nahm er die Latinischen Bundestruppen zu Fuß und zu Pferde aus dem Heere von Cannä.


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