Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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28. Wie Camillus, verherrlicht durch einen weit edlern Ruhm, als damals, da ihn die weißen Rosse im Triumphe durch die Stadt zogen, durch den, die Feinde durch Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit besiegt zu habenDrakenborch und Stroth haben hier hinter fideque ein Komma, da doch der Sinn der Worte hostibus iustitia fideque victis zusammengehört. Crevier hat dies Komma, meiner Meinung nach, sehr richtig weggelassen. Denn wenn die Worte hostibus victis für sich allein dastehen sollten, so wären sie, nach dem, was uns Livius schon von der Übergabe der Feinde erzählt hat, ein sehr unnöthiger Beisatz. Der Zusammenhang, denke ich, ist der: Quum Camillus, multo meliore laude – – insignis, iustitia fideque hostibus victis, in urbem redisset cet. Hinter insignis sollte ein Komma stehen., nach Rom zurückgekehrt war, so gab der Senat seine Achtung für ihn dadurch laut zu erkennen, daß er sogleich befahl, ihn seines Gelübdes zu entledigen; und man schickte den Lucius Valerius, Lucius Sergius, Aulus Manlius auf einem Kriegsschiffe nach Delphi als Gesandte ab, dem Apollo den goldenen Mischkessel als Geschenk zu überbringen; sie wurden aber nicht weit von der Siculer Meerenge von Liparischen Seeräubern aufgebracht und nach Liparä geführt.

Hier war es Sitte, sich in den Raub, den die Kaperei zu einem Eigenthume Aller machte, zu theilen. Zum Glücke bekleidete in diesem Jahre ein gewisser Timasitheus das höchste Statsamt, ein Mann, der mehr den Römern, als den Seinigen, glich. Selbst nicht ohne Achtung für den Namen 448 der Gesandschaft, für das Geschenk, und den Gott, dem es bestimmt war, so wie für den Zweck dieser Sendung, flößte er auch der Menge, die sich fast immer nach ihrem Oberhaupte bildet, die gebührende Ehrfurcht ein; begleitete die Gesandten, die er im Namen des Stats aufgenommen und bewirthet hatte, unter einer Bedeckung von mehreren Schiffen nach Delphi und brachte sie wohlbehalten nach Rom zurück. Kraft eines Senatsschlusses stiftete man Gastfreundschaft mit ihm und beschenkte ihn im Namen des Stats.

In eben diesem Jahre hatte man im Kriege gegen die Äquer abwechselndes Glück, so, daß man, wie bei den Heeren selbst, auch in Rom, ungewiß war, ob man Sieger, oder besiegt sei. Von den Kriegstribunen waren Cajus Ämilius und Spurius Postumius Feldherren der Römer. Anfangs wirkten sie gemeinschaftlich: nach einem erfochtenen Siege verglichen sie sich, Ämilius sollte mit seinem Kohre Verrugo decken, Postumius das feindliche Gebiet verheeren. Hier griffen ihn, wie er, nach dem gelungenen Siege weniger auf seiner Hut, mit einem ungeordneten Haufen heranzog, die Äquer an, erfüllten das Heer mit Bestürzung und jagten es auf die nächsten Anhöhen; ja der Schrecken verbreitete sich bis zu dem andern Kohre nach Verrugo.

Als Postumius den in Sicherheit gebrachten Seinigen vor einer Versammlung ihre Bestürzung und Flucht vorwarf; – hätten sie sich doch von dem feigsten und flüchtigsten Feinde schlagen lassen; – so rief das ganze Heer: Dies zu hören, hätten sie verdient; sie gestanden ihr schimpfliches Betragen; sie wollten es aber wieder gut machen, und der Feind solle die Freude nicht lange genießen. Sie verlangten, sogleich gegen das feindliche Lager geführt zu werden – es lag ihnen in der Ebene vor Augen – und unterwarfen sich jeder Strafe, wenn sie es nicht noch vor Nacht eroberten. Er lobte sie, hieß sie sich pflegen, und um die vierte Nachtwache bereit sein. Da die Feinde den Römern eine nächtliche Flucht vom Hügel durch Besetzung des Weges nach Verrugo 449 versperren wollten, so stießen sie auf einander, und die Schlacht begann vor Tage; allein der Mond schien und man konnte mit eben der Zuversicht fechten, wie in einer Schlacht bei Tage. Doch das Geschrei, das nach Verrugo erscholl, setzte dort, wo man die Bestürmung des Römischen Lagers zu hören glaubte, die Soldaten so in Schrecken, daß sie gegen alles Zurückhalten und Bitten des Ämilius in zerstreuten Scharen nach Tusculum flohen. Und von hier verbreitete sich das Gerücht nach Rom, Postumius sei mit seinem Heere zusammengehauen.

Allein sobald der anbrechende Tag die Römer keinen Hinterhalt fürchten ließ, wenn sie den Geschlagenen nachstürzten, belebte sie Postumius, der die Glieder durchritt und ihr Versprechen einforderte, mit einem solchen Eifer, daß die Äquer den Angriff nicht länger aushielten. Das Blutbad unter den Fliehenden dauerte, wie sichs erwarten läßt, wenn mehr Erbitterung als Tapferkeit das Schwert führt, bis zur Vertilgung der Feinde; und auf die traurige Botschaft von Tusculum, die der Stadt einen unnöthigen Schrecken gemacht hatte, folgte ein mit Lorber umwundener Brief vom Postumius, welcher meldete, der Sieg sei des Römischen Volks und das Heer der Äquer vernichtet.

29. Weil die Verhandlungen der Bürgertribunen noch nicht zum Ende gediehen waren, so bemüheten sich theils die Bürgerlichen, den Urhebern jenes Vorschlages das Tribunat zu verlängern, theils die Väter, die Gegner desselben wieder wählen zu lassen: doch behielt der Bürgerstand auf seiner Wahlversammlung die Oberhand. Die Väter rächten ihren Verdruß durch die Ausfertigung des Senatsbefehls, daß Consuln, diese den Bürgern so verhaßte Obrigkeit, gewählt werden sollten. Nach funfzehn Jahren also wurden wieder Consuln gewählt; Lucius Lucretius Flavus und Servius Sulpicius Camerinus.

Während daß gleich im Anfange dieses Jahrs die Bürgertribunen so viel dreister zur Durchsetzung ihres Vorschlages aufstanden, je weniger sie eine Einsage aus ihrem Mittel zu besorgen hatten, die Consuln hingegen aus eben dem Grunde so viel thätigeren Widerstand leisteten und 450 die ganze Bürgerschaft ihr Augenmerk nur hierauf gerichtet hatte, eroberten die Äquer die in ihrem Lande angelegte Römische Pflanzstadt Vitollia. Von den Pflanzern selbst rettete sich der größte Theil glücklich nach Rom, weil ihnen die Nacht, in welcher ihre Stadt durch Verrätherei genommen wurde, auf der entgegengesetzten Seite freie Flucht gestattete. Die Führung dieses Krieges traf den Consul Lucretius. Er rückte mit einem Heere aus, überwand die Feinde in einer Schlacht, und kam als Sieger nach Rom zurück in einen weit heftigern Kampf.

Die Bürgertribunen des vorigen Jahrs, Aulus Virginius und Quintus Pomponius, waren vor Gericht gefordert, und der Senat glaubte es der Aufrechthaltung seines eignen Vertrauens schuldig zu sein, sie durch die Mitwirkung der sämtlichen Väter vertheidigen zu lassen: denn niemand konnte ihnen weder in ihrem Wandel, noch in ihrer Amtsführung sonst etwas zur Last legen, als daß sie aus Gefälligkeit gegen die Väter den tribunicischen Vorschlag durch ihre Einsage hintertrieben hatten. Dennoch trug die Erbitterung des Bürgerstandes über den Einfluß des Senats den Sieg davon, und die Unschuldigen wurden, zu einem höchst ärgerlichen Beispiele, jeder zu einer Geldstrafe von zehntausend schweren Kupferassen310 Concentionsgulden. verdammt. Den Vätern war dies sehr kränkend. Camillus beschuldigte die Bürgerlichen öffentlich des Frevels. «Schon gingen sie auf die Ihrigen los, ohne zu bemerken, daß sie durch ihr ungerechtes Urtheil über die Tribunen die Einsage aufgehoben, und durch die Aufhebung der Einsage das Amt der Tribunen gestürzt hätten. Denn wenn sie hofften, die Väter würden sich nun die ungezügelte Willkür dieser Obrigkeit gefallen lassen müssen, so irrten sie sehr. Wenn sich die Väter der tribunicischen Gewalt nicht mehr durch tribunicische Hülfe erwehren könnten, so würden sie eine andre Waffe zu finden wissen.» Auch die Consuln tadelte er laut, «insofern sie es ruhig hätten geschehen lassen, daß diese Tribunen, weil sie dem Gutachten des Senats 451 beigetreten wären, in ihrem Vertrauen auf den Stat sich hätten getäuscht sehen müssen.» Durch diese Äußerungen in seinen öffentlichen Reden vermehrte er die Erbitterung der Leute gegen sich mit jedem Tage.

30. Was aber den Vorschlag betraf, so bemühete er sich unablässig, den Senat dagegen aufzubringen. «Wenn der Tag der Entscheidung über den Vorschlag käme, möchten sie nicht anders auf den Markt hinabgehen, als mit dem Gedanken, daß sie jetzt für Altar und Herd, für die Tempel der Götter und für den Boden, auf dem sie geboren wären, zu kämpfen hätten. Denn wenn er bloß seine Person in Betracht ziehe, so werde es ja für ihn – wenn es nicht sündlich sei, bei der Gefahr des Vaterlandes auf eignen Ruhm Bedacht zu nehmen – sogar ehrenvoll sein, die von ihm eroberte Stadt bewohnt zu sehen, sich täglich am Denkmale seines Ruhms zu weiden, und die Stadt vor Augen zu haben, deren Bild seinem Triumphwagen voraufgetragen sei, und Jedermann über den Spuren seines Verdienstes wandeln zu lassen. Allein er halte es für Sünde, daß eine von den unsterblichen Göttern aufgegebene und verlassene Stadt wieder bewohnt werden, das Römische Volk auf erobertem Boden ein Fremdling seinOb ich gleich weiß, daß man den ersten Ausgaben nur selten vor den Handschriften den Vorzug geben und ihnen nur mit Behutsamkeit trauen darf, so thut es mir doch diesmal leid, daß Drakenborch die Lesart hospitari, die in allen vor Aldus gedruckten Ausgaben stand, den Handschriften zu Liebe verworfen hat. Sie sagt hier weit mehr, als habitare, Und wenn denn die ersten Drucker doch auch Handschriften vor sich hatten, aus denen sie den Text nahmen, so dünkt mich, habitare sehe viel eher dem Glossem, welches das fremdere hospitari erklären sollte, ähnlich, als umgekehrt. Im Worte hospitari giebt Camillus zu verstehen, die Römer würden in Veji immer Fremdlinge bleiben, wie Seneca (s. Gesn. thes. in hospitor) von unsrer Seele sagt: Quid aliud voces animum, quam deum in humano corpore hospitantem? Auch ist Crevier meiner Meinung. und für seine siegreiche Vaterstadt eine besiegte eintauschen solle.»

Durch diese Ermahnungen von einem ihrer Ersten in Bewegung gesetzt, kamen die Väter, – Greise und Jünglinge, – als über den Vorschlag abgestimmet werden sollte, in Einem Zuge auf den Markt, vertheilten sich unter die Bezirksglieder, drückten, jeder seinen Bezirksgenossen, die 452 Hand und baten sie mit Thränen: «Sie möchten doch die Vaterstadt, für welche sie selbst und ihre Väter so tapfer und so glücklich gefochten hätten, nicht verlassen. Sie möchten doch das Römische Volk» – und hiebei zeigten sie auf das Capitolium, auf das Heiligthum der Vesta und die übrigen umherliegenden Tempel der Götter – «nicht wie einen verbanneten Flüchtling vom väterlichen Boden und von seinen Schutzgöttern in die Stadt der Feinde hinaustreiben, und es nicht dahin kommen lassen, daß man es für wünschenswerther halten müsse, Veji nicht erobert zu haben, damit Rom nicht verlassen würde.»

Weil sie nicht mit Gewalt, sondern bittweise verfuhren und in ihren Bitten so oft der Götter erwähnten, so machte sich der größte Theil des Volks eine Gewissenssache daraus, und die den Vorschlag genehmigenden Bezirke wurden von den ihn verwerfenden um Einen überstimmt. Dieser Sieg war den Vätern so erfreulich, daß den Tag nachher auf Antrag der Consuln folgender Senatsschluß ausgefertigt wurde: «Es sollten jedem Bürgerlichen sieben Morgen Vejentisches Landes angewiesen werden, und dies sich nicht bloß auf Hausväter, sondern auf alle Freigebornen jedes Hauses erstrecken: auch müsse diese Aussicht ihnen Lust machen, Familienvater zu werden.»

31. Durch dies Geschenk besänftigt ließ der Bürgerstand es ohne Streit geschehen, daß ein Wahltag zur Ernennung zweier Consuln gehalten wurde. Die gewählten Consuln waren Lucius Valerius Potitus und Marcus Manlius, derDie meisten Handschriften lesen mit Crevier: Cui Capitolino postea fuit cognomen (ohne etiam): andre mit Gronov und Drakenborch: Cui Capitolino postea etiam fuit cognomen. Daß Livius hier so schlechtweg gesagt haben sollte, Manlius habe nachher den Zunamen Capitolinus gehabt, ist darum unwahrscheinlich, weil schon 32 Jahre vor der Eroberung Roms durch die Gallier, im J. 332 sich ein L. Manlius, im J. 334 ein Marcus und 349 ein Aulus finden, welche alle den Zunamen Capitolinus schon haben. Denn eine Familie der Gens Manlia hieß Capitolini, weil ihr altes Haus auf dem Capitole stand, eine andre Coelimontani, vermuthlich weil sie auf dem Cælius wohnte. S. Almeloveen Fast. Consul. a. u. c. 352. Und diese Angabe so vieler Annalen und Fasten sollte Livius nicht gekannt haben? Dies muß man aber annehmen, wenn er hier nichts weiter sagen soll, als M. Manlius habe nachher erst den Zunamen Capitolinus gehabt, den er doch schon geerbt hatte.

Gronov hält sich deswegen an das etiam, und erklärt dies so. Livius habe damit bemerken wollen, daß Manlius auch so, wie die Quinctii, Mælii, Petillii und Andere den Zunamen Capitolinus geführt habe. Dies hebt aber den obigen Zweifel nicht, vollends weil Livius postea hinzusetzt; und Drakenborch widerspricht Gronoven mit Recht. Warum sollte Livius gerade hier nur so viel sagen wollen? Vielmehr war es an einer Stelle, wo man eine Hindeutung auf die durch späteres Verdienst erworbene Benennung erwartet, unpaßlich, zu sagen, er habe den Zunamen auch mit einem Quinctius Capitolinus und Andern gemein gehabt.

den Namen Capitolinus nachher sogar als 453 Zunamen behielt. Diese Consuln feierten die großen Spiele, welche der Dictator Marcus Furius im Vejentischen Kriege gelobet hatte. In eben dem Jahre wurde auch der von eben diesem Dictator, gleichfalls in jenem Kriege, gelobete Tempel der Königinn Juno eingeweihet, und die Frauen sollen vielen Eifer bewiesen haben, diese Weihe zu verherrlichen. Mit den Äquern kam es auf dem Algidus zu einem Kriege, der aber unbedeutend war, weil die Feinde beinahe schon geschlagen waren, ehe man handgemein wurde. Dem Valerius, der sichs eifriger hatte angelegen sein lassen, den flüchtigen Feinden nachzuhauen, wurde der Triumph zuerkannt, dem Manlius der Einzug im kleinen Triumphe.

In eben dem Jahre brach ein neuer Krieg aus, der mit den Volsiniern, gegen welche aber wegen einer im Römischen Gebiete herrschenden Hungersnoth und Seuche, die auf eine Dürre und gar zu große Hitze gefolgt war, kein Heer ausrücken konnte. Grund genug für die Volsinier, welche die Verbindung mit den Salpinaten 454 übermüthig machte, als Angreifende in das Römische Gebiet zu streifen. Hierauf wurde beiden Völkern der Krieg erklärt.

Der Censor Cajus Julius starb: an seine Stelle wählte man den Marcus Cornelius; woraus man sich nachher ein Gewissen machte, weil in diesen fünf Jahren Rom erobert wurde: und man hat nie wieder einen Censor an den Platz des Verstorbenen nachgewählt. Weil die Krankheit auch die Consuln befiel, so beschloß man, durch eine Zwischenregierung die Leitung von oben in andre Hände zu geben. Da also die Consuln nach einem Senatsschlusse abgedankt hatten, wurde Marcus Furius Camillus Zwischenkönig, welcher dann den Publius Cornelius Scipio, so wie dieser wieder den Lucius Valerius Potitus zum Zwischenkönige ernannte. Unter seinem Vorsitze wählte man sechs Kriegstribunen mit Consulgewalt, damit der Stat, falls auch einen von ihnen Krankheit behindern sollte, doch noch der Oberhäupter mehrere habe.

32. Am ersten Quinctilis (Julius) traten Lucius Lucretius, Servius Sulpicius, Marcus Ämilius, Lucius Furius Medullinus zum siebtenmale, Agrippa Furius und Cajus Ämilius zum zweitenmale, ihr Amt an. Von ihnen bestimmte das Los den Lucius Lucretius und Cajus Ämilius gegen die Volsinier zu ziehen, den Agrippa Furius und Servius Sulpicius gegen die Salpinaten. Mit den Volsiniern focht man zuerst. Der Zahl der Feinde nach war die Schlacht bedeutend, das Gefecht selbst gar nicht gefährlich. Im ersten Zusammentreffen wurde ihre Linie in die Flucht geschlagen; und achttausend Bewaffnete, welche durch die Reuterei abgeschnitten waren, streckten die Waffen und ergaben sich. Das Gerücht von diesem Kriege bewog die Salpinaten, sich auf keine Schlacht einzulassen. Sie zogen sich mit den Waffen hinter ihre Mauern. Die Römer machten allenthalben Beute, im Gebiete von Salpinum, wie von Volsinii, ohne allen Widerstand, bis endlich die durch den Krieg gedemüthigten Volsinier unter der Bedingung, dem Römischen Volke Genugthuung zu geben und dem Heere den diesjährigen Sold zu liefern, einen Waffenstillstand auf zwanzig Jahre erhielten.

455 In diesem Jahre zeigte Marcus Cädicius, vom Bürgerstande, den Tribunen an, er habe auf dem Neuen Wege, wo jetzt die Capelle steht, über den Tempel der Vesta hinauf, bei nächtlicher Stille eine Stimme gehört, heller, als die eines Menschen, welche gerufen habe, man solle der Obrigkeit die Ankunft der Gallier melden. Wie gewöhnlich, achtete man auf die Aussage eines so geringen Mannes nicht: auch war ja jenes Volk so entfernt, und eben darum zu wenig bekannt. Ja man verkannte, weil das Unglück hereinbrechen sollte, nicht allein die Warnungen der Götter, sondern entfernte auch die einzige menschliche Hülfe, die man hatte, den Marcus Furius, von der Stadt. Da ihm der Bürgertribun Lucius Apulejus wegen der Beute von Veji einen Klagetag gesetzt hatte, und er um eben diese Zeit einen erwachsenen Sohn verlor, so berief er seine Bezirksgenossen und Schützlinge – sie machten keinen geringen Theil der Bürger aus – zu sich ins Haus, ihre Gesinnungen zu erfahren, und da sie ihm die Antwort gaben, «sie wollten die Summe, zu der man ihn verurtheilen würde, zusammenlegen, seine Lossprechung aber könnten sie nicht bewirken;» so ging er mit der Bitte an die unsterblichen Götter ins Elend: «Wenn er dies Unrecht unschuldig litte, so möchten sie ihn je eher je lieber von seinen undankbaren Mitbürgern vermißt werden lassen.» Man verdammte ihn in seiner Abwesenheit zu einer Geldstrafe von funfzehn tausendZu 467 Gulden Conventionsgeld. schweren Kupferassen.

33. Nach Vertreibung des Mitbürgers, dessen Gegenwart, wenn sich auf irgend etwas, das von Menschen abhängt, mit Gewißheit rechnen lässet, Roms Eroberung unmöglich gemacht hätte, kamen von den Clusinern – denn schon nahete das über die Stadt verhängte Unglück – Gesandte mit der Bitte um Hülfe gegen die Gallier.

Der Sage nach soll diese Nation, gereizt durch die Süßigkeit der Früchte und vorzüglich des Weins, eines ihr damals noch neuen Genusses, über die Alpen gegangen sein und die von den Hetruskern gebauten Fluren besetzt 456 haben: den Wein aber habe ihr, um sie zu locken, ein Clusiner, Aruns, zugeführt, um sich an dem Verführer seiner Frau, am Lucumo, zu rächen, dessen Vormund er selbst gewesen war, den er aber, als einen sehr mächtigen jungen Mann, ohne eine auswärtige Macht aufzubieten, nicht zur Strafe ziehen konnte: er soll bei ihrem Übergange über die Alpen ihr Führer gewesen sein, und sie zum Angriffe auf Clusium aufgefordert haben.

Ich will nicht leugnen, daß Aruns, oder ein andrer Clusiner: Gallier vor Clusium geführt habe; daß aber die Belagerer Clusiums nicht die ersten Gallier waren, welche über die Alpen gingen, ist ausgemacht: denn die Gallier stiegen schon zweihundert Jahre früher, ehe sie Clusium bestürmten und die Stadt Rom eroberten, nach Italien herüber, und ihre Heere fochten nicht mit diesen Hetruskern zum erstenmale, sondern schon viel früher mit jenen, die zwischen dem Apenninus und den Alpen wohnten. Die Macht der Tusker nämlich erstreckte sich, vor der Römischen Oberherrschaft, weit über Land und Meer. Wie viel sie auf dem Oberen und Unteren Meere vermochten, welche Italien gleich einer Insel umgürten, beweisen schon die Namen, da letzteres bei den Völkerschaften Italiens nach dem Namen des Gesamtvolkes das Tuskermeer, und ersteres nach einer Pflanzstadt der Tusker, Hadria, das Hadriatische Meer heißt. Die Griechen nennen sie gleichfalls das Tyrrhenische und Hadriatische Meer.

Bei dieser Aussicht auf beide Meere bewohnten sie ihr Land in zwölf Städten, zuerst diesseit des Apenninus bis ans Untermeer; nachher auch in den Ländern jenseit des Apenninus, wohin sie nach der Zahl ihrer Hauptstämme Pflanzungen ausgehen ließen, welche das ganze Land jenseit des Padus (Po) bis an die Alpen besetzten, den Winkel der Veneter ausgenommen, die den Meerbusen umwohnen. Auch die Alpenvölker haben unstreitig denselben Ursprung, vorzüglich die Räter, denen aber die Gegend selbst ihre Wildheit mittheilte und ihnen von allem Angeerbten nichts weiter übrig ließ, als den Klang der Sprache, und auch den nicht einmal unverfälscht.

457 34. Vom Übergange der Gallier nach Italien haben wir folgende Nachrichten. Als in Rom Tarquinius Priscus regierte, waren unter den Celten, die den dritten Theil Galliens ausmachen, die Biturigen das gebietende Volk: den König über das ganze Celticum gaben sie. Dieser hieß Ambigatus und war durch seine und seines Volkes Tapferkeit und Glück sehr mächtig, da unter seiner Regierung Gallien an Früchten und Menschen so ergiebig war, daß er die zu große Volksmenge kaum regieren zu können glaubte. In der Absicht, sein Reich des überlästigen Schwarms zu entledigen, und selbst schon hochbejahrt, ließ er bekannt machen, er wolle seine Schwestersöhne, Bellovesus und Sigovesus, unternehmende Jünglinge, in die Länder aussenden, die ihnen die Götter durch den Vogelflug zu Wohnsitzen bestimmen würden. Damit sich ihrem Anzuge kein Volk widersetzen könne, möchten sie selbst so viele Menschen aufbieten, als sie wollten. Da beschied ein heiliger Wink dem Sigovesus die Hercynischen Wälder; dem Bellovesus verliehen die Götter einen weit erfreulicheren Weg, den nach Italien. So viel hierzu in den Völkerschaften gemißt werden konnte, bot er auf, die Biturigen, Arverner, Senonen, Äduer, Ambarrer, Carnuter, AulerkerIch gehe nach Samson d'Abbeville (in Perrot d'Ablancourt übersetztem Julius Cæsar) die neuen Namen: Bourges, Auvergne, Sens, Autun, Chalon sur Saone, Chartres, Perche.. Mit einem großen Heere zu Fuß und zu Pferde brach er auf, und kam zu den TricastinernS. Paul Tricastin au Rhone.. Nun hatte er die Alpen vor sich. Daß ihm diese unübersteiglich schienen, wundert mich um so weniger, da sie, so viel uns die zusammenhängende Geschichte meldet, wenn wir nicht etwa den Sagen vom Herkules glauben wollen, noch nie überstiegen waren. Außerdem, daß hier die Höhe der Gebirge die Gallier wie eingezäunt festhielt, und sie in Verlegenheit waren, auf welchem Wege sie über die mit dem Himmel zusammenhängenden Bergrücken in einen andern Welttheil hinübergehen sollten, fühlten sie sich auch durch einen göttlichen Wink gehalten, als sie hörten, 458 daß noch andre Land suchende Ankömmlinge von dem Volke der Salyer belagert würden. Diese waren die MassilierJetzt Marseille., die von Phocäa mit einer Flotte gekommen waren. Die Gallier, die diesem Umstande eine Deutung auf ihre eigne Lage gaben, leisteten den Massiliern Beistand, so daß diese, weil jetzt die Salyer es geschehen lassen mußtenIch folge der von Drakenborch nicht widerlegten Vermuthung des Hadr. Valesius, der statt patentibus silvis, welches hier, wenn wir auch den Doppelsinn nicht erwägen, völlig unnöthig steht, patientibus Salyis las., den Platz, den sie gleich bei ihrer Landung besetzt hatten, befestigen konnten. Sie selbst gingen durch das Land der TaurinerDie Gegend um Turin. und unwegsame Bergschluchten über die Alpen, und als sie nicht weit vom Flusse TicinusDer Tessino. die Tusker besiegt hatten, und erfuhren, das Land, wo sie sich gesetzt hatten, heiße das Land der Insubren, so fanden sie darin, daß sie auch im Äduerlande einen Bezirk gleiches Namens, die Insubren, gehabt hatten, einen Wink hier zu bleiben, baueten eine Stadt und nannten sie MediolanumDas jetzige Mailand..

35. Ein neuer Haufe, CenomanerAus der Gegend von Mans. nämlich, welcher bald nachher unter Anführung des Elitovius, der Spur der früheren folgte, überstieg, von Bellovesus begünstigt, durch dieselbe Schlucht die Alpen, und setzte sich in der Gegend, wo jetzt die Städte BrixiaDas jetzige Brescia. und Verona sind, im Lande der Libuer: nach ihnen nahmen die Salluvier ihren Sitz neben dem alten Ligurischen Volke, den Lävern, die um den Fluß TicinusDer Tessino. wohnten. Nachher gingen die BojerBojer aus Bourbonnois, Lingonen aus Langres. und Lingonen über den Peninus, und weil sie schon die ganze Gegend zwischen dem Po und den Alpen besetzt fanden, fuhren sie in Flößen 459 über den Po, und trieben nicht allein die Hetrusker, sondern auch die Umbrer aus ihrem Eigenthume: doch beschränkten sie sich auf die Länder diesseit des Apenninus.

Die letzten Ankömmlinge endlich, die Senonen, wohnten vom Flusse UtensUtens, bei Ravenna, jetzt Montone. (Stroth.) bis an den ÄsisÄsis, bei Ancona, jetzt Fiume Esino. (Stroth.) . Und dieser Völkerstamm ging, wie ich finde, gegen Clusium, und dann auf Rom; nur das ist nicht völlig gewiß, ob er allein kam, oder von allen Völkerschaften der diesseit der Alpen wohnenden Gallier unterstützt wurde.

Die Clusiner also, – die der neue Krieg in Schrecken setzte, als sie eine solche Menge Feinde, und nie gesehene Menschengestalten und Waffen erblickten, und zugleich hörten, daß die Heere der Hetrusker von ihnen oft diesseit und jenseit des Po geschlagen wären; – standen sie gleich mit den Römern weder als Verbündete, noch als Freunde in einem Verhältnisse, außer daß sie ihren Stammgenossen, den Vejentern, nicht gegen das Römische Volk beigestanden hatten; schickten dennoch Gesandte nach Rom, beim Senate um Hülfe nachzusuchen. Die Hülfe wurde ihnen nicht bewilligt; man schickte drei Gesandte hin, die Söhne des Marcus Fabius Ambustus, welche im Namen des Römischen Senats und Volks den Galliern vorstellen sollten: «Sie möchten Leute, von denen sie nie beleidigt waren, Bundesgenossen und Freunde des Römischen Volks, unangegriffen lassen. Die Römer würden diese, wenn es sein müsse, auch mit den Waffen vertheidigen; doch hielten sie es für besser, wo möglich, einen wirklichen Krieg abzuwenden, und mit den Galliern, dieser ihnen fremden Nation, lieber in Frieden, als durch die Waffen bekannt zu werden.»

36. Das war keine unfriedliche Bestellung, hätte sie nicht die trotzigen Überbringer gehabt, die mehr den Galliern, als Römern, glichen. Als sie ihren Auftrag in der Versammlung der Gallier ausgerichtet hatten, gaben ihnen 460 diese zur Antwort: «Ob sie gleich den Namen der Römer zum erstenmale hörten, so glaubten sie doch, sie müßten tapfre Männer sein, weil sich die Clusiner in ihrer Noth an sie gewandt hätten. Und weil sie ihre Bundesgenossen lieber durch eine Gesandschaft, als mit den Waffen vor ihnen hätten schützen wollen, so wollten auch sie den angetragenen Frieden nicht zurückweisen, wenn die Clusiner von ihrem Lande, das sie in größeren Strecken besäßen, als bebaueten, den Galliern, die dessen bedürften, einen Theil abträten: unter andern Bedingungen könne der Friede nicht Statt haben. Sie wären bereit, die Antwort im Beisein der Römer in Empfang zu nehmen, und wollten auch, falls ihnen die Ländereien nicht bewilligt würden, im Beisein der Römer fechten, damit diese zu Hause bezeugen könnten, wie weit die Gallier alle übrigen Sterblichen an Tapferkeit überträfen.» Da sie nun auf die Fragen der Römer: «Was das für ein Recht sei, Eigenthümern ihr Land abzufordern, oder mit den Waffen zu drohen;» und «Was in Hetrurien Gallier zu suchen hätten;» trotzig erwiederten: «Sie trügen ihr Recht in den Waffen, und tapferen Männern gehöre Alles:» so lief man mit gegenseitiger Erbitterung zu den Waffen und die Schlacht begann.

Hier griffen die Gesandten, so wollte es das über die Stadt Rom hereinbrechende Verhängniß, gegen das Völkerrecht zu den Waffen; und dies konnte nicht verborgen bleiben, da drei der edelsten und tapfersten jungen Männer Roms vor den Fahnen der Hetrusker fochten, und die Tapferkeit dieser Fremden so sehr sich auszeichnete. Ja Quintus Fabius, der mit seinem Pferde vor die Linie hinaussprengte, durchbohrte einem Anführer der Gallier, der zu dreist auf die Reihen der Hetrusker einbrach, mit seinem Speere die Seite und erlegte ihn; und als er ihm die Rüstung abzog, erkannten ihn die Gallier und machten ihrer ganzen Linie bemerklich, daß dies ein Römischer Gesandter sei. Sie gaben ihren Zorn gegen die Clusiner auf, bliesen zum Rückzuge und droheten den Römern. Einige riethen, sogleich auf Rom zu gehen. Allein die Älteren 461 drangen durch, daß man vorher Gesandte abschickte, über das Unrecht sich zu beschweren und wegen des verletzten Völkerrechts auf die Auslieferung der Fabier anzutragen.

Als die Gesandten der Gallier sich ihrer Aufträge entledigt hatten, misbilligte der Senat das Betragen der Fabier allerdings, und hielt die Forderung der Wilden für gerecht: allein gegen Männer von so hohem Adel den Schluß so abzufassen, wie man ihn für recht hielt, ließ die gefällige Parteilichkeit nicht zu. Um also die Schuld nicht selbst zu tragen, wenn sich im Kriege gegen die Gallier ein Unglück ereignen sollte, verwies der Senat die Untersuchung der Gallischen Forderungen an das Gesamtvolk. Und hier waren Einfluß und Macht noch so viel geltender, daß man eben die, über deren Bestrafung jetzt erkannt werden sollte, für das nächste Jahr zu Kriegstribunen mit consularischer Gewalt ernannte. Hierüber, wie billig, aufgebracht, kehrten die Gallischen Gesandten, unter lauter Androhung des Krieges, zu den Ihrigen zurück. Mit den drei Fabiern wurden zu Kriegstribunen erwählt Quintus Sulpicius Longus, Quintus Servilius zum viertenmale, Servius Cornelius Maluginensis.

37. Bei dieser so großen herannahenden Gefahr sah sich eben der Stat, der so manchesmal in den Kriegen gegen die Fidenaten, Vejenter und andre benachbarte Völker mit Aufbietung der äußersten Mittel einen Dictator ernannt hatte, jetzt, da vom Oceane und den entlegensten Küsten der Erde ein nie gesehener, nie genannter Feind zum Kampfe heranzog, – – so sehr blendet das Schicksal die Menschen, wenn es seine hereinbrechende Allgewalt nicht hemmen lassen will – – auch nicht im geringsten nach einem außerordentlichen Befehlshaber, oder Hülfsmittel um. Die Kriegstribunen, deren Unbesonnenheit den Krieg herbeigezogen hatte, hatten den Oberbefehl, und wandten auf die Werbung nicht die mindeste Sorgfalt mehr, als gewöhnlich bei mittelmäßigen Kriegen; ja sie setzten diesen Krieg noch unter den Ruf herab.

Unterdeß rissen die Gallier, auf die Nachricht, daß man den Frevlern am Völkerrechte noch dazu Ehre 462 erwiesen, und so ihre Gesandschaft gehöhnet habe, glühend vor Zorn, den dies Volk nicht zu beherrschen weiß, sogleich ihre Fahnen aus der Erde und machten sich im Eilmarsche auf den Weg. Als durch das Getümmel ihres im Fluge vorüberziehenden Heeres geschreckt, die Städte zu den Waffen eilten und die Landleute flüchteten, gaben sie mit lautem Geschrei zu verstehen, sie zögen auf Rom; und wohin sie kamen, bedeckten sie mit Roß und Mann in einem sich in die Länge und Breite dehnenden Zuge einen ungeheuren Platz. Über Rom, wohin der Ruf, und dann die Anzeigen der Clusiner und der übrigen der Reihe nach folgenden Völker vorangingen, verbreitete den meisten Schrecken die Geschwindigkeit der Feinde: denn ob man gleich mit einem fast nur zusammengerafften Heere sich schleunig aufmachte, so konnte man doch, ohne ihnen zu begegnen, kaum noch den elften Meilenstein21/5 Deutsche Meilen von Rom. erreichen, da wo der Fluß Allia, der vom Crustuminischen Gebirge in sehr tiefem Bette herabfließt, nicht weit unterhalb der Heerstraße mit dem Tiberstrome sich vereinigt. Schon hatte man überall vor sich und auf beiden Seiten Feinde, und bei der diesem Volke eigenen Stimmung für leeres Getöse, erfüllten sie durch wilden Gesang und manchfaltiges Geschrei Alles umher mit fürchterlichen Tönen.

38. Hier stellten nun die Kriegstribunen, ohne vorher einen Platz zum Lager zu wählen, oder eine Verschanzung anzulegen, in die sie sich zurückziehen könnten, selbst der Götter, wie viel eher der Menschen? uneingedenk, ohne Vögel und Opfer um ihre Zustimmung zu fragen, ihre Linie so, daß sie sie auf die Flügel ausbreiteten, um nicht von der Menge der Feinde umzingelt zu werden. Und dennoch wurden die Stirnen einander nicht gleich, so sehr auch das Römische Mitteltreffen durch die Ausdehnung geschwächt und beinahe ohne Zusammenhang war. Zur Rechten war eine kleine Anhöhe: diese beschloß man mit einem Rückhalte zu besetzen, und gerade diese Vorkehrung, die den ersten Anlaß zur Unordnung und Flucht 463 gab, wurde die einzige Rettung der Fliehenden. Denn Brennus, der Fürst der Gallier, den vorzüglich die geringe Anzahl der Feinde eine List besorgen ließ, wandte sich in der Voraussetzung, daß die Höhe nur dazu besetzt sei, um seine Gallier, sobald sich ihr Vordertreffen mit den Legionen eingelassen habe, durch jenen Rückhalt von hinten und in der Seite anzugreifen, gleich zuerst gegen diesen Rückhalt, da er seiner so sehr überlegenen Menge, wenn er diesen geworfen hatte, in der Ebene einen leichten Sieg versprechen durfte: so sehr stand nicht allein Glück, sondern auch richtige Berechnung auf der Seite der Wilden.

Auf der Linie gegenüber sah es gar nicht Römisch aus, so wenig bei den Feldherren, als bei den Soldaten. Bestürzung und Flucht hatten die Gemüther eingenommen, und eine solche Vergessenheit aller Dinge, daß ein weit größerer Theil nach Veji, dieser feindlichen Stadt, flüchtete, von der sie doch die Tiber schied, als gerades Weges nach Rom zu ihren Weibern und Kindern. Auf kurze Zeit deckte den Rückhalt die Anhöhe: die übrige Linie nahm, sobald die, welche zunächst standen, das Geschrei auf der Seite, und die entferntesten es im Rücken hatten, ohne den Kampf nur zu versuchen, ja ohne das Geschrei zu beantworten, mit heiler Haut und unangegriffen die Flucht. Es kam nicht zum Blutvergießen eines Gefechts: nur im Kampfe mit denen, die ihnen im Gewühle am Fliehen hinderlich waren, hieben sie ihren eignen Leuten in den Rücken. Am Ufer der Tiber aber, wohin sich mit Wegwerfung seiner Waffen der ganze linke Flügel zog, erhob sich ein großes Gemetzel; und Viele, die nicht schwimmen konnten, oder vom Panzer und der übrigen Rüstung beschwert ermatteten, verschlang die Tiefe: doch rettete sich der größte Theil wohlbehalten nach Veji, sandte aber von da keine Unterstützung, nicht einmal die Anzeige ihrer Niederlage nach Rom. Vom rechten Flügel, welcher weiter ab vom Flusse, mehr unten am Berge gestanden hatte, liefen Alle nach Rom, und flüchteten, sogar ohne die Stadtthore zu schließen, auf die Burg.

39. Auch die Gallier fühlten sich, gleich Staunenden, 464 vom Wunder dieses plötzlichen Sieges ergriffen. Bestürzung auch auf ihrer Seite ließ sie anfangs, wie festgeheftet, stillstehen, als wüßten sie nicht, was vorgefallen war: dann fürchteten sie einen Hinterhalt; zuletzt sammelten sie den Raub von den Erschlagenen, und thürmten, nach ihrer Sitte, Haufen von Waffen auf. Nun endlich, als sich nirgendwo etwas Feindliches zeigte, machten sie sich auf den Weg und kamen nicht lange vor Sonnenuntergang bei der Stadt Rom an. Als ihnen hier die vorausgegangenen Reuter meldeten, kein Thor sei geschlossen, kein Posten stehe vor den Thoren auf Wache, kein Bewaffneter sei auf den Mauern zu sehen, so standen sie über dies neue, dem vorigen ähnliche, Wunder, abermals still, und weil sie es bedenklich fanden, sich bei Nacht an eine Stadt zu wagen, deren Lage sie nicht kannten, ließen sie sich zwischen Rom und dem Anio nieder, und schickten Kundschafter an die Mauern und an mehrere Thore, um sich über die Maßregeln, die der Feind in seiner traurigen Lage nähme, zu belehren.

Bei den Römern erfüllte, weil sich der größere Theil aus der Schlacht nach Veji gewandt hatte, und niemand, glaubte, daß außer denen, die nach Rom zurückgeflüchtet waren, noch jemand übrig sei, die Wehklage um die Lebenden so gut, als um die Todten; fast die ganze Stadt mit Jammertönen. Dann aber, als man die Ankunft des Feindes erfuhr, betäubte der Schrecken der allgemeinen Noth die Trauer der Einzelnen. Gleich darauf hörte man auch, da die Wilden scharenweise die Mauer umschwärmten, die Mistöne ihres Geheuls und Gesanges. Und die ganze folgende Zeit erhielt die Bürger bis zum andern Tage in einer solchen Ungewißheit, daß sie mit jedem Augenblicke den Einbruch in die Stadt erwarteten. ZuerstIch interpungire mit Crevier und Stroth: ut idemtidem iam in urbem futurus videretur impetus. Und darum setze ich auch folgende Kommata. Primo, adventu, quo accesserant – – Deinde, sub occasum solis, quia – – Tum, in noctem dilatum consilium esse cet. Bei diesen primo, deinde, tum, deren Stufenfolge Stroth richtig bemerkt, ist ein ausgelassenes credebant zu verstehen. Sollte ich etwas zu ändern wünschen, so möchte ich lieber so lesen: primo, adventu; quod accesserant ad urbem. glaubten 465 sie dies gleich bei der Ankunft des Feindes, weil er gegen die Stadt anrückte: denn er würde ja an der Allia geblieben sein, wenn dies nicht seine Absicht sei. Dann, gegen Sonnenuntergang, eben darum, weil nicht viel vom Tage übrig war; er werde noch vor Nacht gegen sie hereinbrechen. Noch später; er habe sein Vorhaben auf die Nacht versparet, um den Auftritt noch schauerlicher zu machen. Endlich brachte ihnen das kommende Tageslicht den Todesschrecken, und an die ununterbrochene Angst reihete sich, als sie die feindlichen Fahnen in die Thore rücken sahen, das Unglück selbst.

Dennoch hatten sie in dieser Nacht und an dem ihr folgenden Tage durchaus nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit denen, die an der Allia so bestürzt geflohen waren. Denn da es sich nicht denken ließ, mit den wenigen noch übrigen Kriegern die Stadt vertheidigen zu können, so beschloß man, die wehrhafte Mannschaft mit Weib und Kind und die Rüstigsten des Senats sollten sich auf die Burg und das Capitol begeben, sich mit Waffen und Lebensmitteln versehen und von dieser Feste herab die Götter, Bürger und den Namen Roms vertheidigen: der Eigenpriester hingegen und die Vestalischen PriesterinnenDas Komma, welches ich in den übrigen Ausgaben hinter den Worten sacerdotesque Vestales finde, hat Drakenborch sehr richtig weggelassen; denn dadurch werden der Priester und die Vestalinnen zu Handelnden. sollten die Heiligthümer des Stats vom Morde und Brande entfernen, und deren Verehrung nicht eher aufhören, als bis keiner mehr da sei, der sie verehren könne. Wenn aus der bevorstehenden Zertrümmerung der Stadt nur die Burg und das Capitol, diese Wohnsitze der Götter, der Senat als Haupt der Statsregierung und die dienstfähige Jugend gerettet würden, so sei der Verlust der Greise, dieses in der Stadt zurückgelassenen, ohnehin dem Tode preisgegebenen Haufens, leichter zu verschmerzen. Und damit sich die Menge vom Bürgerstande so viel gelassener darein ergeben möchte, so erklärten die Greise, welche Triumphe gehalten und Consulate verwaltet hatten, öffentlich, «sie wollten mit ihnen sterben, und mit diesem Körperreste, mit 466 dem sie keine Waffen tragen, kein Vaterland vertheidigen könnten, den Waffenfähigen ihren Mangel nicht noch drückender machen.»

40. Dies waren die Trostgründe, welche sich die zum Tode bestimmten Greise einander selbst vorsagten. Dann richteten sie ihre Ermahnungen an den Zug der Jünglinge, den sie zum Capitole und zur Burg begleiteten; und empfahlen ihrer Tapferkeit und Jugendkraft das ganze Schicksal der Stadt, was sie – seit dreihundert und sechzig Jahren in allen Kriegen Siegerinn! – noch zu erwarten haben möchte. Und als nun die, welche alle Hoffnung und Hülfe mit sich nahmen, von denen schieden, die den Untergang der erorberten Stadt nicht zu überleben beschlossen hatten, so war dies Elend an sich, so wie sein Anblick, jammervoll genug: allein das Geweine der Weiber, ihr ängstliches Hin- und Herlaufen, indem sie sich bald an diese, bald an jene anschlossen, und unaufhörlich ihre Männer und ihre Söhne fragten, welchem Schicksale sie sie überlassen wollten, erfüllte jedes Maß menschlicher Leiden. Doch zog ein großer Theil von ihnen mit den Ihrigen in die Burg, ohne zurückgewiesen, ohne gerufen zu sein: denn was den Belagerten zur Verminderung der wehrlosen Menge heilsam gewesen wäre, vertrug sich nicht mit der Menschlichkeit. Ein anderer Schwarm, hauptsächlich vom niedern Stande, den ein so kleiner Hügel weder fassen, noch bei dem großen Mangel an Lebensmitteln nähren konnte, ging, wie in Einem Zuge hinausströmend, nach dem Janiculum. Von da verliefen sie sich theils auf das Land, theils zogen sie in die benachbarten Städte, ohne Führer, ohne Verabredung, Jeder seiner eignen Hoffnung, seinem eignen Entschlusse nach, weil sie ihren Verein im State für verloren ansahen.

Der Eigenpriester des Quirinus und die Vestalischen Jungfrauen, die unterdeß, ohne für ihr Eigenthum zu sorgen, nur darüber zu Rathe gingen, welche Heiligthümer sie mitnehmen, welche sie, – denn unmöglich konnten sie sie alle tragen – zurücklassen sollten, und welcher Ort diese in getreuer Hut bewahren würde; hielten fürs 467 Beste, sie, in kleine Gefäße gepackt, in der dem Hause des Quirinalischen Eigenpriesters zunächst gelegenen Capelle, wo man jetzt nicht ausspeien darf, zu vergraben: in die übrigen theilten sie sich, und trugen sie auf dem Wege, der über die Balkenbrücke zum Janiculum führt. An dieser Höhe wurde sie Lucius Albinius gewahr, ein Römer vom Bürgerstande, der, unter dem wehrlosen die Stadt räumenden Haufen, Frau und Kinder auf einem Wagen fuhr, und weil er es für sündlich hielt, die Priester des Stats zu Fuß gehen und die Heiligthümer des Römischen Volks tragen zu lassen, sich selbst aber mit den Seinigen auf einem Wagen zu zeigen; – so sehr behielt der Unterschied zwischen göttlichen und menschlichen Dingen selbst unter solchen Umständen seine Kraft! – so ließ er seine Frau und Kinder absteigen, nahm die Jungfrauen mit den Heiligthümern auf den Wagen, und fuhr sie, wohin die Reise der Priester ging, nach Cäre.


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